So, wieder etwas verspätet, gestern war ich beim örtlichen Star Trek Stammtisch. Nu\' aber weiter!
Die folgende Geschichte, sowie die darin auftretenden Figuren und Ereignisse sind vollkommen fiktiv und geistiges Eigentum von Kai Brauns. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit vorhergehender Genehmigung des Autors. RAUMSCHIFF CAWDOR
von Kai Brauns
Episode VI: The two Truths
Lieutenant Brandhorst steuerte das Shuttle auf das große Kugelraumschiff zu. Neben ihm saß Captain Donalbain und starrte durch das Sichtfenster hinunter auf den Planeten. Der Kommandant der CAWDOR sprach seit Beginn des Fluges, der zugegebenermaßen recht kurz war, kein Wort. Alles was Brandhorst wusste war, dass Donalbain zu Admiral Refa auf der SHIVA gerufen worden war. In dem Fall musste es sich schon um eine ziemlich große Sache handeln. Eigentlich war Thomas Brandhorst von Haus aus neugierig, doch die Ehrfurcht gegenüber dem Captain, gepaart mit der Vermutung, dass dieser auch noch nicht viel mehr wissen dürfte, ließen den Piloten schweigen.
Die SHIVA kam immer näher und füllte bald das gesamte Sichtfenster aus. Er nahm über seinen Telepathen Kontakt zur Brücke des großen Zerstörers auf: „CAWDOR Shuttle 1 an SHIVA, erbitten Andockerlaubnis.“
Die Antwort kam prompt: „Andockerlaubnis erteilt, CAWDOR Shuttle 1. Machen Sie sich bereit für den Leitstrahl!“
Ein magnetischer Leitstrahl zog das kleine Shuttle an und führte es in eine Andockbucht im unbeweglichen Mittelstreifen des ansonsten rotierenden Kugelschiffes.
Donalbain spürte sofort, dass er in den letzten Wochen eindeutig nicht genug Zeit im Fitnessraum der CAWDOR verbracht hatte, als er zum ersten Mal seit über einem Monat aus der Schwerelosigkeit trat. Ein junger Ensign führte den Captain durch einen Korridor zu einem Lift. Mit diesem fuhren sie zu einem der inneren Decks. Dort befand sich der Konferenzraum, an dessen langen Tisch bereits der Admiral und die restlichen Captains saßen. Neben Refa stand ein Mann in Zivil, offensichtlich mediterraner oder lateinamerikanischer Abstammung. Donalbain setzte sich an einen für ihn reservierten Platz, neben sich Captain Chen von der BENDIS und Captain Nielson von der CARTER. Einige der Raumschiffkommandanten flüsterten miteinander. Zwar ahnte jeder, dass es um die weitere Strategie im Kampf gegen die Rebellen gehen würde, jedoch wusste niemand genaueres.
Nach ein paar Minuten war mit Captain Reynolds auch der letzte Kommandant des Flottenverbandes um Beren 5 im Konferenzraum eingetroffen. Admiral Refa erhob beschwichtigend die Hände, woraufhin die hohen Offiziere verstummten. Der Admiral senkte seine Hände wieder und blickte in die Runde. „Wir alle wissen,“ begann er ohne Floskeln, „dass unsere Bemühungen nicht so richtig fruchten wollen. Die Rebellen haben zu gute Verstecke. Aus diesem Grund befindet sich bereits ein Team von STI-Agenten auf dem Planeten und sucht in der Bevölkerung nach Hinweisen. Diese Arbeit kann jedoch ein ganzes Weilchen dauern.“ Er machte eine Pause und sah sich in den Gesichtern seiner Gäste nach Reaktionen. Da gab es zustimmendes Nicken, interessierte Blicke und einige dachten sich ihren Teil auch nur.
Refa fuhr fort: „Da wir aber auch kurzfristige Erfolge brauchen, haben wir von Präsident Jenkins kürzlich den Auftrag bekommen, Kryo-Waffen zu verwenden. Dr. Christos hier“ – er deutete auf den Mann in Zivil – „wird Ihnen nun Genaueres zu den Kryo-Waffen sagen. Doktor?!“
Dr. Christos trat vor, während Refa sich setzte. „Vielen Dank, Admiral,“ begann der Wissenschaftler, der offensichtlich in der Etikette von Wissenschaftskongressen verhaftet war und mit der disziplinarischen Sprache der Space Force. „Meine Damen und Herren, bei den Waffen, welche Ihnen zur Verfügung stehen, handelt es sich um Bomben des Typs KR-92C1, bestückt mit Kapseln von Helium I. Dieses Helium I wird bei 4,21 Kelvin – das entspricht umgerechnet -268,93°C – in einem flüssigen Zustand gehalten. Beim Detonieren der Bomben entweicht das flüssige Helium und senkt die Temperatur auf einen Punkt, bei dem die meisten uns bekannten Lebewesen, darunter auch die Golluer, auf der Stelle erfrieren.“
Admiral Refa übernahm wieder: „Für die nächsten zwei Wochen werden wir mit unserem Vorrat etwa 30 Kryo-Bomben pro Erdtag abwerfen können, danach erwarten wir eine weitere Lieferung. Sie können sich denken, dass wir mit dieser Waffe ziemlich schnelle Erfolge erzielen werden. Noch Fragen?!“
„Wann werden wir mit der Bombardierung beginnen?“ wollte Captain Nielson wissen.
„Die Bomber werden ab morgen früh um 0600 Standardzeit jederzeit auf Abruf stehen. Sobald Rebellen gesichtet werden, kommen die Bomber zum Einsatz.“
Donalbain hob die Hand, und als der Admiral ihn aufrief fragte er: „Was für Auswirkungen hat eine solch umfangreiche Bombardierung mit Kryo-Waffen auf die Zivilbevölkerung und das ökologische System des Planeten?“
Refa bedachte den Captain mit einem berechnenden Blick. „Darum haben wir uns nicht zu kümmern, Captain. Wir haben den Auftrag vom Präsidenten persönlich, eine Genehmigung von Kaiser Mallo liegt ebenfalls vor.“
Donalbain schien mit dieser Antwort keinesfalls glücklich zu sein, doch er verkniff sich, weiter nachzuhaken. Nachdem die letzten, seiner Meinung nach eher belanglosen, Fragen beantwortet waren, verabschiedete der Admiral seine Gäste und schickte sie zu ihren Shuttles zurück. Während Donalbain aus dem Konferenzraum trat, glaubte er, von Refa beobachtet zu werden.
Nachdem Lieutenant Brandhorst den Captain auf der CAWDOR abgesetzt hatte, ging es für ihn gleich weiter. Diesmal chauffierte er Commander Beth zum Lager 31 nahe dem Galpora-Dschungels. „Was darfst du denn da unten machen?“ wollte Brandhorst wissen.
„Ich habe geheime Informationen für den Kommandanten von Lager 31,“ meinte Beth. „Mehr darf ich nicht sagen.“
Der Pilot ließ es dabei bewenden. Als das Schweigen unangenehm wurde, interessierte Brandhorst ein anderes Thema: „Der Captain ist in letzter Zeit nicht ganz auf der Höhe, scheint es mir.“
„Der Tod von Präsident Kumaier macht ihm immer noch zu schaffen,“ erklärte Beth. Tatsächlich hatte sich Captain Donalbain weitgehend zurückgezogen. Privat schien er nur noch ab und zu mit Commander Kathy Troy Umgang zu haben. Die beiden kannten sich schon sehr lange und waren eng befreundet. Beth hoffte, dass sie ihm helfen konnte, denn im Moment ging es mit dem Kommandanten immer mehr bergab.
Kathy Troy bewegte sich auf die Tür zum Bereitschaftsraum ihres Kommandanten und besten Freundes Malcolm Donalbain zu. Schwermütig betätigte sie den Türmelder. Der Zustand Malcolms war schlimm. Er litt unter Depressionen, Schlafmangel, er zog sich immer mehr zurück. Kathy konnte nicht mehr länger untätig zusehen, sie musste ihn mit ihren Beobachtungen konfrontieren.
Das Signal kam und die Tür öffnete sich. Überrascht stellte die Ingenieurin fest, dass der Captain mit aufmerksamem Blick auf sein Terminal starrte. Nur kurz hob er den Blick vom Bildschirm, um sie hereinzuwinken. „Komm rein, Kathy!“
Troy schwebte herein und nahm sich festschnallend im Gästesessel Platz. „Was machst du da?!“
„Ich sehe meinen Verdacht bestätigt,“ antwortete er, sich vergewissernd, dass die Tür geschlossen war. „Es geht um das Kumaier-Attentat.“
Die Frau stutzte. „Was meinst du? Was ist mit dem Attentat?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass Orman kein Einzeltäter war. Da steckt mehr dahinter! Ich habe mir die entsprechenden Daten angesehen, die Einschusswinkel, die Anzahl der Wunden ... um es allein getan haben zu können, hätte Orman schon eine Magische Kugel gebraucht!“
„Magische Kugeln sind heutzutage nicht schwer zu beschaffen,“ gab Kathy zu bedenken. „Wer eine Waffe auftreiben kann, kommt auch an eine Magische Kugel heran.“
„Aber man kann keine Magische Kugel mit einer Plasma-Pistole abfeuern!“
„Eine Plasma-Pistole?! Bist du sicher?“
Der Captain deutete auf den Bildschirm. „Die Schusswunden deuten klar auf eine Plasmawaffe hin. Projektilwaffen sind auf Raumstationen auch streng untersagt.“
„Aber wer steckt hinter dem Attentat, wenn es nicht allein auf Orman zurückgeht?“
„Diejenigen, die am meisten davon profitiert haben: Die Militärs!“
„Du meinst, die Space Force hätte etwas damit zu tun?“
„Nicht nur die Space Force, auch die Waffenhersteller, die uns beliefern. Jenkins könnte ebenfalls mit drinstecken.“ Der Captain sah seine Freundin eindringlich an. „Kumaier war Diplomat, ein Pazifist, für den ein Krieg nur die allerletzte Möglichkeit ist. Unserem Einsatz hier hätte er niemals zugestimmt, geschweige denn Kryo-Waffen und ähnliches.“
„Kryo-Waffen?! Die wollen allen Ernstes Kryo-Waffen einsetzen?“
„Aber du hast es nicht von mir,“ bestätigte Donalbain. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Verdammt, sie haben uns benutzt! Sie haben die ganze Menschheit instrumentalisiert und für ihre Zwecke ausgenutzt.“
„Aber du kannst es nicht beweisen,“ mahnte Troy.
„Wer sonst hätte ein Motiv?“ fragte Donalbain.
Lager 31 lag auf einer Lichtung eines ansonsten stark bewaldeten Gebietes. Commander Beth stand vor Lagerführer Colonell Raashid’abath und zeigte ihm die Daten, welche zur Nutzung der Kryo-Waffen wichtig waren.
„Diese Waffen werden uns ziemlich behilflich sein,“ meinte Raashid’abath. „Wird aber auch einige Probleme mit sich bringen. Es ist schon mit konventionellen Waffen nicht sonderlich einfach, unschuldige Zivilisten und Rebellen zu unterscheiden. Die Zahl der unschuldigen Opfer wird dank dieser Waffen noch weiter steigen.“
„Sie klingen, als wollten Sie die Kryo-Waffen nicht,“ bemerkte Beth.
„Oh, ich will sie,“ erwiderte der Colonell schnell. „Sie werden den Krieg schnell beenden und mich und meine Leute früher nach Hause bringen. Und auf lange Sicht werden sicherlich mehr Golluer gerettet, besonders wird Beren 5 von diesen Kollektivisten befreit. Aber alles hat seine Schattenseiten, Commander.“
Beth nickte kurz. Dann hörte er hinter sich eine Explosion. Schnell wandte er sich um. Einer der Wohncontainer war zur Hälfte zerstört, die andere Hälfte stand in Flammen. Instinktiv griff Beth zu seiner Plasma-Pistole. „Was ist passiert?“
Colonell Raashid’abath hatte sein Multi-Gewehr in der Hand. „Die Rebellen!“
Beth sah sich um, hörte das Dauerfeuer von Projektilwaffen. Da erblickte er einen. Ein Golluer, etwa 2,50 Meter groß. Auf den ersten Blick erkannte Beth die Verwandtschaft mit den Borten des Philion-Imperiums. Die Golluer waren jedoch größer, ihre lederne Haut dunkler und ihre Augen kleiner. Trotzdem waren die Augen des Golluer groß genug, damit Beth die rote Farbe darin erkannte, ein Anzeichen von Aggression.
Raashid’abath legte sein Gewehr an, zielte und traf den Golluer mit einem einzigen Schuss. Das mit unglaublicher Geschwindigkeit abgefeuerte, etwa fünf Zentimeter breite Projektil schlug im Bauch des Rebellen ein und explodierte.
Überall herrschte Chaos, Beth erblickte immer wieder Golluer und Menschen, die einander erbittert bekämpften. Plötzlich hörte er hinter sich ein lautes Geräusch. Eilig wandte er sich um und sah sich einem knapp drei Meter hohen Golluer gegenüber, in der einen Hand ein Gewehr, in der anderen eine Keule. Der Golluer holte mit der Keule aus, doch bevor er zuschlagen konnte, hatte Beth mit einem Schuss aus seiner Plasma-Pistole ein Loch in seine Brust gebrannt. Leblos fiel der Angreifer zu Boden. Beth sah sich erneut um, die Schüsse wurden seltener und schienen sich zu entfernen. Die Rebellen flüchteten, ein paar Soldaten nahmen die Verfolgung auf.
Raashid’abath legte das Gewehr beiseite, blieb aber in Reichweite. „Verdammt nochmal, das war der dritte Angriff diese Woche.“ Er wandte sich dem Commander zu. „Sind Sie in Ordnung?“
Beth nickte. „Meine größte Gefahr im Moment ist wohl eine Überdosis Adrenalin.“ Einen Moment ließ er sich, um zu verschnaufen. Die Gefahr war so schnell vorüber, wie sie gekommen war. Der junge Offizier wollte sich nicht ausmalen, was die Soldaten durchmachen mussten, für die derlei Blitzangriffe alltäglich waren. Kurz blickte er zum Leichnam des Golluer, den er getötet hatte. In Notwehr getötet hatte. Es war lange her, dass Beth gezwungen war, zu töten. Das letzte Mal war bei der Blockade des Tau Ceti-Systems gewesen, als er gegen seinen Captain vorgehen musste.
Auf dem Flug zurück zur CAWDOR herrschte anfangs Stille. Brandhorst war ebenfalls mit dem Schrecken davongekommen, doch dieser saß noch ziemlich tief. Er versuchte sich abzulenken, dachte an den Captain und dessen Probleme. „Was meinst du, was hat es mit dem Attentat auf sich?“
Beth blickte den Piloten verwirrt an. „Was soll schon damit sein?! Die Rebellen verteidigen ihre Ansichten mit Waffengewalt, das ist alles.“
„Davon rede ich nicht, ich meine das Attentat auf Kumaier;“ stellte Brandhorst klar. „Du weißt doch, wir hatten vorhin darüber gesprochen, dass sich Captain Donalbain seit dem Attentat immer mehr abkapselt.“
„Und was soll mit dem Attentat sein?“
„Meinst du, die Regierung erzählt uns alles?“
„Natürlich nicht,“ meinte Beth. „Die Sache von wegen Orman sei ein Einzeltäter ist völliger Unsinn.“
„Aber wer steckt denn dann dahinter?“
„Die Dilli, natürlich! Kumaier hat sich stets gegen den Kollektivismus ausgesprochen, er hat unter den anderen Völkern viele Anhänger gefunden, welche ansonsten vielleicht dem Kollektivismus in die Hände gefallen wären. Und auf GOOD HOPE II war für sie die perfekte Möglichkeit, immerhin haben ihre Botschafter dort diplomatische Immunität. Sie hätten also ziemlich leicht ihre Pläne durchführen können.“
„Aber warum rückt die Regierung dann nicht damit heraus?“
„Weil dies Krieg bedeuten würde. Und davor fürchten sich Jenkins und seine Anhänger noch. Sie wollen erst noch mehr Daten sammeln, mehr Aufrüstung, bevor wir den Dilli ganz offen den Krieg erklären können.“
Brandhorst nickte. „Ja, klingt einleuchtend.“
Da erhielt Beth eine Nachricht von Lieutenant Matheson: „Commander, wir haben eine Nachricht für Sie erhalten.“
„Was gibt es denn, Lieutenant?“
„Sie wollten umgehend informiert werden, wenn es Neuigkeiten über diesen Ewan McDugall von der Kolonie auf Leith 4 gibt.“
„Fairy Boy, richtig! Was ist denn mit ihm?“
Der Kommunikationsoffizier machte eine kleine Pause, bevor er antwortete: „Er ist verschwunden, Commander.“
Schlagartig kam Beth das letzte Gespräch, welches er damals mit Fairy Boy geführt hatte, ins Gedächtnis.
„Ich habe Ihre Zukunft gesehen, Commander.“
Nun wurde Beth neugierig. „Und?!“
„Sie werden Captain. Schon sehr bald.“
Beth gab sich erfreut. „Das sind ja mal gute Nachrichten!“
„Die Umstände werden Ihnen nicht gefallen,“ fügte Fairy Boy hinzu.
Das Lächeln auf Beths Gesicht verschwand augenblicklich. „Was wird passieren?“
„Ich weiß es nicht genau,“ sagte der Junge. „Ich weiß nur, was ich Ihnen sagte. Und, dass ich nicht mehr da sein werde, wenn es passiert.“
Nun war Beth verwirrt. „Was meinen Sie damit? Werden Sie sterben, oder einfach an einen anderen Ort gehen?“
„Nicht an einen anderen Ort,“ erwiderte Fairy Boy. Dann schritt er an dem Commander vorbei und verließ die Zelle.Und nächste Woche: \"The Eye of Childhood\"