Autor Thema: Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen  (Gelesen 59223 mal)

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Taschenmogul

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #75 am: 25.04.11, 23:52 »
@David:

Ich glaube, du hast hier was falsch verstanden.
Es geht NICHT darum, daß das Anstreben einer Utopie wie der in Star Trek an sich lächerlich wäre. Ganz im Gegenteil.
Es ist nur eben so, daß Star Trek gar keine stichhaltige Utopie bietet, die man anstreben könnte.
Und der Glaube allein zählt vielleicht fünf Prozent, aber am Ende müssen auch belastbare Fakten her.
Was im Falle von Star Trek heißen würde, daß die Utopie von Star Trek sich eben nicht nur im hohen Gemüt der Föderationsbürger widerspiegelt, sondern auch durch ein Gesellschaftssystem und eine Staatsform.
Mal ganz abgesehen davon, wie Drake schon sagte, daß eben auch nicht alle Föderationsbürger dieses hohe Gemüt besitzen, wird das Gesellschaftssystem eben genauso wenig wirklich erläutert, wie der Staatenbund "Föderation" irgendwie mal näher beleuchtet würde.

Und gerade das macht diese Utopie dann eben leider so wenig ernstzunehmen, weil da dann letztlich nur Blabla bleibt.
Sarkastisch gesagt ist die Botschaft hier doch "Ok, ja, wir fänden eine Welt toll, in der alle Menschen friedlich und in Harmonie und Einklang miteinander leben. Aber wir können sie uns selber nicht mal vorstellen.".
Wohingegen es dystopische Diktaturen zu hauf in der SciFi gibt...

Wenn es dir also um die Gute Sache geht, dann hilft Star Trek dir nicht wirklich, weil es eben auch nicht zeigt, wie es anders gehen könnte.
Nicht einmal das Ziel ist hier wirklich klar, der Weg zu diesem Ziel hingegen ist völlig offen.

Und das ist wie gesagt eigentlich extrem schade, weil es nun wirklich keine unlösbare Aufgabe sein dürfte, eine solche Utopie mal ein wenig genauer zu skizzieren.
Im Gegenteil, manche Überlegungen drängen sich geradezu auf.
Warum z.B. hat man nicht einfach mal eine Folge eingefügt, in der auf der Enterprise gewählt wird?
Ja, auch auf einem Raumschiff muß gewählt werden können, ebenso wie heute auch die US-Soldaten in Afghanistan per Briefwahl wählen können.
Wenn man dem Star Trek Kanon folgt, dann wählen Föderationsbürger nicht.
Wir sehen zwar einen Föderationsrat, und der Föderationspräsident wechselt gelegentlich, nicht einmal sehen wir aber wie irgendein Mitglied irgendeiner Crew irgendeines Raumschiffes der letzten 40 ST-Jahre auch nur ein einziges mal seine Stimme abgegeben hätte, um sich politisch zu beteiligen. Zumindest nicht daß ich wüsste.
Und das sollte doch wirklich besser gehen...

ulimann644

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #76 am: 26.04.11, 06:54 »
@Ulimann: Die Tatsache, daß die Ferengi überhaupt so Handel treiben können, wie sie es können, wirft doch m.E. schon Fragen auf.
Denn wenn die Föderation ihre Replikatortechnologie so freimütig weggibt, dann müsste doch im Alpha- und Beta-Quadranten der Markt für quasi alle vernünftig replizierbaren Güter schon längst eingebrochen sein.
Natürlich gäbe es Waren, bei denen es sehr viel lohnenswerter wäre, herkömmliche Methoden zur Herstellung zu verwenden, entweder weil Replikation zuviel Energie kostet, oder weil damit einfach nicht genügende Mengen hergestellt werden könnten.
Auch hier wäre dann das Existieren der Replikation als Alternative an sich aber schon ein wichtiger Faktor, was den Preis der entsprechenden Ware anginge.

Einen Punkt, den ich in ICICLE aufgreifen werde, wenn Dherans sich bei Commander Lu´Caan entschuldigt ( Für die Dinger, die er ihm in Belars Büro eingeschenkt hat ) ist, dass man gewisse Komponenten nicht replizieren kann. Ich werde da auf ein bislang unbekanntes Getränk der Andorianer anspielen - den Eis-Cognac, eine klare Flüssigkeit, die unter gewissem Lichteinfall einen blau-violetten Schimmer aufweist. Der replizierten Version fehlt dieser Schimmer ( und damit auch eine Komponente des Cognac, die einen wesentlichen Anteil am unverwechselbaren Geschmack hat )

SSJKamui

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #77 am: 26.04.11, 10:00 »
@David:

Ich glaube, du hast hier was falsch verstanden.
Es geht NICHT darum, daß das Anstreben einer Utopie wie der in Star Trek an sich lächerlich wäre. Ganz im Gegenteil.
Es ist nur eben so, daß Star Trek gar keine stichhaltige Utopie bietet, die man anstreben könnte.
Und der Glaube allein zählt vielleicht fünf Prozent, aber am Ende müssen auch belastbare Fakten her.
Was im Falle von Star Trek heißen würde, daß die Utopie von Star Trek sich eben nicht nur im hohen Gemüt der Föderationsbürger widerspiegelt, sondern auch durch ein Gesellschaftssystem und eine Staatsform.
Mal ganz abgesehen davon, wie Drake schon sagte, daß eben auch nicht alle Föderationsbürger dieses hohe Gemüt besitzen, wird das Gesellschaftssystem eben genauso wenig wirklich erläutert, wie der Staatenbund "Föderation" irgendwie mal näher beleuchtet würde.

Und gerade das macht diese Utopie dann eben leider so wenig ernstzunehmen, weil da dann letztlich nur Blabla bleibt.
Sarkastisch gesagt ist die Botschaft hier doch "Ok, ja, wir fänden eine Welt toll, in der alle Menschen friedlich und in Harmonie und Einklang miteinander leben. Aber wir können sie uns selber nicht mal vorstellen.".
Wohingegen es dystopische Diktaturen zu hauf in der SciFi gibt...

Wenn es dir also um die Gute Sache geht, dann hilft Star Trek dir nicht wirklich, weil es eben auch nicht zeigt, wie es anders gehen könnte.
Nicht einmal das Ziel ist hier wirklich klar, der Weg zu diesem Ziel hingegen ist völlig offen.

Und das ist wie gesagt eigentlich extrem schade, weil es nun wirklich keine unlösbare Aufgabe sein dürfte, eine solche Utopie mal ein wenig genauer zu skizzieren.
Im Gegenteil, manche Überlegungen drängen sich geradezu auf.
Warum z.B. hat man nicht einfach mal eine Folge eingefügt, in der auf der Enterprise gewählt wird?
Ja, auch auf einem Raumschiff muß gewählt werden können, ebenso wie heute auch die US-Soldaten in Afghanistan per Briefwahl wählen können.
Wenn man dem Star Trek Kanon folgt, dann wählen Föderationsbürger nicht.
Wir sehen zwar einen Föderationsrat, und der Föderationspräsident wechselt gelegentlich, nicht einmal sehen wir aber wie irgendein Mitglied irgendeiner Crew irgendeines Raumschiffes der letzten 40 ST-Jahre auch nur ein einziges mal seine Stimme abgegeben hätte, um sich politisch zu beteiligen. Zumindest nicht daß ich wüsste.
Und das sollte doch wirklich besser gehen...

Genau meine Meinung. Ich habe auch gestern nicht das Konzept der Utopie als solches abgelehnt. Das Problem, was ich mit Star Trek habe ist aber, das die Beschreibung der Utopie ein politisches Pseudoargument ist, was rein gar nichts aussagt, wie dieser angebliche Idealstaat aussehen soll und nur irgendwelche Folgen nennt. (Welche rein gar nichts darüber aussagen, wie der Staat eigentlich aufgebaut ist. ) Deshalb kann man jeder kritischen Diskussion über mögliche negative Aspekte der Föderation bequem aus dem Weg gehen, in dem man alle Kritik, die einem nicht passt einfach als "Nicht zum Canon passend" deklariert.  Jedes philosophische Konzept, was sich so vor jeglicher Kritik schützt ist entzieht sich so gleich jeder Diskussion und diskreditiert sich somit selbst.  (Es gibt viele Utopie Bücher, die alles bis ins kleinste Detail erklären, wie der Staat aufgebaut ist. Da hat man eine Diskussionsgrundlage, wo man auf Basis von Fakten argumentieren kann ob man zustimmt oder ablehnt. Bei der Föderation kann man aber leider jede Kritik einfach mit dem "Non Canon" Totschlagargument abtun. )

 

Taschenmogul

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #78 am: 27.04.11, 02:14 »
@SSJKamui:

Naja, ich denke schon, daß es nur wenige Elemente der Föderation gibt, die man überhaupt in Frage stellen könnte, einfach weil halt nur so wenig gezeigt wurde.
Und dort wo man etwas zum Kritisieren hat, gilt dann im Zweifel ja "onscreen canon", oder so, so daß sich da dann auch keiner rausreden können sollte.

Was mir in diesem Zusammenhang einfällt ist, daß es erstaunlich viele Menschen zu geben scheint, die gerade diese militärisch hierarchische Struktur in Star Trek anspricht.
Star Trek Hierarchie-Fan zu sein, das ist so ein bisschen Militarismus light; irgendwie isses zwar schon militärisch und autoritativ, im Zweifelsfall kann man ja aber immer noch sagen, daß die Sternenflotte ja nur eine Truppe von Forschern und Diplomaten sei.
In dieser Hinsicht hast du dann doch wieder recht mit dem was du geschrieben hast; daß einem die Leute bei Star Trek argumentativ entgleiten, man sie nicht zu fassen kriegt.
Was ja auch nicht unbedingt schlimm sein muß, es ist ja nicht jeder gleich ein Kriegstreiber, nur weil er gerne ein bisschen action und "Ja, Sir!" zur Entspannung hat.

Meine Erfahrung zeigt nur eben, daß es eine ganze Menge Star Trek Fans gibt, die sich gerade den militärischen Elementen von Star Trek bedenkenlos hingeben, was mich immer wieder verwundert, weil es mit Roddenberry´s ursprünglicher Vision ja letztlich nichts mehr zu tun hat, mehr noch, ihr quasi konträr entgegen gestellt ist.
Denn neben diesem ganzen offensichtlichen Militärkram, Hierarchiekram, Autoritätshörigkeitskram finden wir doch immer und immer wieder das Thema des Auflehnens gegen Autoritäten, des Brechens oder Umschreibens oder Erweiterns der Regeln.
Kirk´s Meisterung des Kobajashi Maru (?) Tests kann hierfür ja schon sinnbildlich gelten; Kirk hat die Regeln der Holosimulation nicht akzeptiert und sie kurzerhand umgeschrieben.
Entsprechend könnte man da doch durchaus die Botschaft rauslesen, sich nicht sklavisch den Regeln zu unterwerfen, oder dem was andere von einem erwarten, sondern auszubrechen, selber zu denken, und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Daß Roddenberry diese Botschaft letztlich in pseudomilitärisches Gewand gekleidet hat, mag auch einfach den Umständen geschuldet gewesen sein; Military verkauft sich halt nun ziemlich gut, und gerade damals in den 60ern (da war McCarthy noch gar nicht lange her) schützte ihn das sicher auch ein wenig vor dem Anschein des Sozialisten.


@Ulimann:

Hm, ich finde, das ist ein schwieriges Thema. Denn wenn man Replikatoren hat, die organisches Gewebe ebenso replizieren können wie hoch technische Geräte, dann sollte es zumindest industriellen Replikatoren möglich sein, so komplexe Stoffe wie z.B. Latinum oder eben Eis-Cognac identisch zu replizieren.
Die einzige ziemlich sichere Beschränkung sind die Atome - da der Replikator m.W.n. bestenfalls einzelne Atome verarbeiten, sie aber nicht verändern kann, bleibt er auf die ihm vorgegebenen Atome, Moleküle und Molekülketten beschränkt.
Wenn dein Eis-Cognac jetzt also z.B. eine genaue Mischung von Molekülen mit gebräuchlichen aber eben auch seltenen (unschädlichen) Isotopen braucht, um z.B. durch ein dadurch verändertes Dichteverhältnis diesen Schimmer zu bekommen, dann würde das schon Sinn machen.
Logisch möglich wären vielleicht auch unreplizierbare Allotrope von Atomen (also wie Graphit und Diamant), daß sich dann vielleicht natürliche Vorkommen eines extrem seltenen Allotrops, für dessen Herstellung es z.B. enorme Drücke bräuchte, in einigen Quellen auf Andoria fänden, und so eben in den Cognac gelangen würden, oder so.

Aber wenn wir das bei Star Trek gezeigte mal weiterdenken, dann ergibt sich eigentlich, daß Transporter- und Replikatorentechnologie letztlich ein und das selbe sind. Auch mit Replikatoren kann man offenbar Muster im Computer speichern, Duplikate sind auch schon vorgekommen.
Mit dieser Technologie ließen sich also eigentlich auch, wenn man es drauf anlegen wollte, lebende Lebewesen replizieren, und da die Transportertechnologie wohl auf Quantenebene funktioniert wohl überhaupt so ziemlich alles.
Aber diesen Schluß zu ziehen haben sich selbst die Star Trek Macher wohl nicht getraut.
« Letzte Änderung: 27.04.11, 02:40 by Taschenmogul »

Alexander_Maclean

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #79 am: 27.04.11, 04:32 »
@taschenmogul
Diese Verbindung zwischen Replikator und Transporter habe ich auch schon gezogen, vor allen, da der "Effekt" sich ähnelt.

Unterschied dürfte aber der aufwand und einsatz sein.

Transporter
Speicheraufwand: Die Muster werden nur kurz gespeichert und dann nach erfolg IMO wieder gelöscht.
Energie: Hoher energieaufwand
Einsatz: Häufig, aber kein dauerbetrieb, zumindest nicht auf schiffen
 
Replikator
Speicheraufwand: Alle möglichen Stoffe, Gerichte und Objekte müssten gespeichert sein.
Energie: Mittlerer Energieaufwand für ein Gerät.
Einsatz: je nach schiffsgröße sind hunderte bis tausende geräte im einsatz.

Fazit:
ich schätze wegen des wesentlich größere Energieaufwandes (wenn man bedenkt wieviel Geräte im einsatz sind.) und dem hohen speicherbedarf wird man beim replikator die "einfachere" technologie nehmen.
« Letzte Änderung: 27.04.11, 09:52 by Alexander_Maclean »
Portfolio
Projekt "One Year a Crew" Status: Konzept 100% Schreiben 28,26% Grafisches 0% Erscheinjahr 2022


ulimann644

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #80 am: 27.04.11, 09:16 »
Hm, ich finde, das ist ein schwieriges Thema. Denn wenn man Replikatoren hat, die organisches Gewebe ebenso replizieren können wie hoch technische Geräte, dann sollte es zumindest industriellen Replikatoren möglich sein, so komplexe Stoffe wie z.B. Latinum oder eben Eis-Cognac identisch zu replizieren.
Die einzige ziemlich sichere Beschränkung sind die Atome - da der Replikator m.W.n. bestenfalls einzelne Atome verarbeiten, sie aber nicht verändern kann, bleibt er auf die ihm vorgegebenen Atome, Moleküle und Molekülketten beschränkt.
Wenn dein Eis-Cognac jetzt also z.B. eine genaue Mischung von Molekülen mit gebräuchlichen aber eben auch seltenen (unschädlichen) Isotopen braucht, um z.B. durch ein dadurch verändertes Dichteverhältnis diesen Schimmer zu bekommen, dann würde das schon Sinn machen.
Logisch möglich wären vielleicht auch unreplizierbare Allotrope von Atomen (also wie Graphit und Diamant), daß sich dann vielleicht natürliche Vorkommen eines extrem seltenen Allotrops, für dessen Herstellung es z.B. enorme Drücke bräuchte, in einigen Quellen auf Andoria fänden, und so eben in den Cognac gelangen würden, oder so.

So etwas ähnliches schwebt mir tatsächlich vor - Auslöser zu dieser Idee war übrigens "Danziger Goldwasser", in dem 22 karätiges Blattgold aufgelöst ist.

SSJKamui

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #81 am: 27.04.11, 15:39 »
@SSJKamui:

Naja, ich denke schon, daß es nur wenige Elemente der Föderation gibt, die man überhaupt in Frage stellen könnte, einfach weil halt nur so wenig gezeigt wurde.
Und dort wo man etwas zum Kritisieren hat, gilt dann im Zweifel ja "onscreen canon", oder so, so daß sich da dann auch keiner rausreden können sollte.

Was mir in diesem Zusammenhang einfällt ist, daß es erstaunlich viele Menschen zu geben scheint, die gerade diese militärisch hierarchische Struktur in Star Trek anspricht.
Star Trek Hierarchie-Fan zu sein, das ist so ein bisschen Militarismus light; irgendwie isses zwar schon militärisch und autoritativ, im Zweifelsfall kann man ja aber immer noch sagen, daß die Sternenflotte ja nur eine Truppe von Forschern und Diplomaten sei.
In dieser Hinsicht hast du dann doch wieder recht mit dem was du geschrieben hast; daß einem die Leute bei Star Trek argumentativ entgleiten, man sie nicht zu fassen kriegt.
Was ja auch nicht unbedingt schlimm sein muß, es ist ja nicht jeder gleich ein Kriegstreiber, nur weil er gerne ein bisschen action und "Ja, Sir!" zur Entspannung hat.

Meine Erfahrung zeigt nur eben, daß es eine ganze Menge Star Trek Fans gibt, die sich gerade den militärischen Elementen von Star Trek bedenkenlos hingeben, was mich immer wieder verwundert, weil es mit Roddenberry´s ursprünglicher Vision ja letztlich nichts mehr zu tun hat, mehr noch, ihr quasi konträr entgegen gestellt ist.
Denn neben diesem ganzen offensichtlichen Militärkram, Hierarchiekram, Autoritätshörigkeitskram finden wir doch immer und immer wieder das Thema des Auflehnens gegen Autoritäten, des Brechens oder Umschreibens oder Erweiterns der Regeln.
Kirk´s Meisterung des Kobajashi Maru (?) Tests kann hierfür ja schon sinnbildlich gelten; Kirk hat die Regeln der Holosimulation nicht akzeptiert und sie kurzerhand umgeschrieben.
Entsprechend könnte man da doch durchaus die Botschaft rauslesen, sich nicht sklavisch den Regeln zu unterwerfen, oder dem was andere von einem erwarten, sondern auszubrechen, selber zu denken, und sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Daß Roddenberry diese Botschaft letztlich in pseudomilitärisches Gewand gekleidet hat, mag auch einfach den Umständen geschuldet gewesen sein; Military verkauft sich halt nun ziemlich gut, und gerade damals in den 60ern (da war McCarthy noch gar nicht lange her) schützte ihn das sicher auch ein wenig vor dem Anschein des Sozialisten.

Da ist schon was dran, aber das Element mit der Kommunisten Föderation kam erst richtig stark bei TNG auf. In den Filmen wurden da zwar auch schon einige Sachen erwähnt, aber TOS hatte sich eigentlich selbst vergleichweise mit den anderen Star Trek Serien sich sehr wenig mit der Föderation beschäftigt. Deshalb spielten negative Reaktionen darauf auch eine untergeordnetere Rolle im Vergleich zu anderen "Problemthemen" in TOS. (Wie mögliche negative Reaktionen auf Uhura und das "satanische Aussehen" von Mr.Spock.)

Gewisse Autoritäre Elemente bei Star Trek widersprechen sich leider auch nicht mit dem utopischen Gedanken. Viele Utopien sind nämlich leider sehr autoritär gewesen. Bei Utopia von Thomas Morus bestimmte der Staat sogar die Kleidung, die die Bürger tragen musste. Bei Walden 2 gibt es keine freien Wahlen und ein frühkindliches Training, was sehr stark als Indoktrination bis hin zur Hirnwäsche verstanden werden kann. (Das sind nur ein paar der Beispiele dafür, das viele Utopien häufig sogar eine gefährliche Nähe zum Totalitarismus haben.)

Viele eher Antiautoritär und/oder Anarchistisch eingestellte Leute lehnen solche klassischen Utopien aus solchen Gründen auch eher ab und glauben, es ist nicht möglich, einen "Perfekten Staat" aufzubauen und dabei gleichzeitig die Freiheit der Bürger zu wahren. (Beispielsweise hat Noam Chomsky auch eine sehr üble Kritik zu Walden 2/Futurum 2 geschrieben, bei der er den Autor auch indirekt mit Hitler und Stalin auf eine Stufe gesetzt hatte. Der Streit zwischen Karl Marx und Michael Bakunin und Max Stirner ging auch in ähnliche Richtungen. (Obwohl Bakunin durchaus mit Marx grundsätzlich übereinstimmte, nur meinte, das Marx zuwenig auf die Rechte der Bürger achten würde, weshalb der Kommunismus nach Marx wahrscheinlich zu einer sehr schrecklichen Diktatur führen würde.))

(Ehrlichgesagt denke ich leider auch, das die Föderation auch sehr stark die Rechte des einzelnen verletzt zu Gunsten der Gemeinschaft und des "großen Ganzen" im Sinne von Auguste Comtes Altruismus oder den Theorien Hegels. )

Natürlich stimmt das, das Star Trek ein seltsames Verhältnis zum Thema Militär. Die Leute der Föderation sind ja solche Pazifisten, die Krieg ja sowas von ablehnen, aber gleichzeitig will jeder, der was auf sich hält zum Militär. (Ausser ein paar "Hinterweltlern" wie den Verwandten von Picard und Sisko.) So wirkte das Ganze leider sehr häufig bei Star Trek und ich finde, das beißt sich schon sehr stark mit der "Friedensutopie".  Es gibt bei Trek noch einige Sachen in der Beziehung, die relativ problematisch sind. Allein schon, wie wichtig die Militär Seite der Flotte genommen wird, obwohl man die Flotte ja hauptsächlich für ziviles/humanitäres braucht. (Dieses Element könnte man wenn man es mal genauer Anspricht auf der anderen Seite aber gut für Geschichten mit Realwelt Vergleichen nutzen von Ländern mit einigermaßen vergleichbaren Einstellungen. Zum Beispiel Deutschland.) Das Problem ist aber auch, das Thema der totalen Abrüstung jeglicher Art von Waffen ähnlich wie bei Gundam Wing am Ende eignet sich eigentlich fast nur als Plotelement des "guten Endes". Trotzdem hätte man bei Star Trek sich vielleicht ein wenig kritischer mit dem Militärischen befassen sollen und nicht so nach dem Motto "Krieg ist Schlecht aber das Militär ist toll". So wirkt das Ganze doch ein wenig befremdlich.

Max

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #82 am: 27.04.11, 17:31 »
Das ist mir klar. (Und auch, das sie sich nicht von Westerwelle inspirieren liessen. ;))(Das hatte ich auch nicht gesagt. Ich hatte das nur einfach mit einigen Denkweisen in der Historie verglichen.)
Nein, nein, das wollte ich Dir auch gar nicht unterstellen. Ich habe es einfach so als Bemerkung in den Raum gestellt.

Nun ja, das denke ich auch, aber der interessantere Plot fand ich immer noch den, der vor einigen Jahren diskutiert wurde nach dem Zerfall der Föderation der Neuafbau der Föderation auf einer kleineren Kolonie. Das hätte wirklich zwangsläufig zu richtig interessanten Diskussionen zum Thema Utopie geführt. (Das klassische Star Trek Schema wurde leider vielzuhäufig benutzt, genau dem auszuweichen.)
Ja, das hätte interessant sein können und hätte, wie ich zufällig gelesen habe, zu der ursprünglichen Gattung der Utopie, in der ja auch abgekapselte Reiche im Fokus standen, in der eine utopische Lebeweise verwirklicht wird.

Ich zumindest fände es schade, wenn man z.B all die Technologie und all die Implikationen, welche die Rückkehr der Voyager mit sich gebracht hat, gar nicht näher behandeln würde.
Damit hat man dann aber das Problem, dass so eine Serie nur die (Hard-Core-)Fans anspricht, die sich mit den Feinheiten - und wenn im VOY-Piloten Borg-Technologie (der Zukunft Star Treks) sind mMn Feinheiten - auskennen und auch auseinandersetzen wollen.
Ich halte das für heikel, weil ST als zu "verfettet", als zu sehr auf lexikaisches Wissen setzend empfunden und da sind größere Schnitte doch eigentlich nicht schlecht, um neben ein paar Grundlagen einen neuen Reiz zu schaffen.

Was die Utopie betrifft, so würde ich die gerne überhaupt erstmal sehen, bevor sie beerdigt wird.
Ich zumindest habe in Star Trek noch nicht viel utopisches gesehen.
Immer nur geredet wurde darüber, über die heeren Werte.
Da gebe ich Dir vollkommen recht. TOS hatte da noch keine klare Linie, war aber dennoch bemüht. Bei TNG war der Faktor Utopie immer im Hintergrund pseudo-selbstverständlich, wurde aber immer hin in dem Sinne "gelebt", als dass sich so manche Hauptfigur (inklusive Negativerscheinung) utopisch-überlegen verhielt. Bei DS9 habe ich nichts von einer Utopie gespürt und die Anbiederung an einen Schein-Realismus entfernte ST doch schon weit von dem durchaus auch selbst verkündeten Anspruch, eine Utopie zeigen zu wollen. VOY war wenigstens teilweise bemüht, ENT hat wenig aus den "neuen alten" Möglichkeiten gemacht.

Was die Utopie betrifft, so würde ich die gerne überhaupt erstmal sehen, bevor sie beerdigt wird.
Ich zumindest habe in Star Trek noch nicht viel utopisches gesehen.
Immer nur geredet wurde darüber, über die heeren Werte.

Genau das ist ein weiteres Element, was ich an der Utopie Star Treks kritisiere. Es werden auch häufig wenn nur die Folgen (keine Krankheit,Armut etc.) oder Oberflächlichkeiten (kein Geld) genannt aber nirgendwo wird erklärt, wie dieser Staat eigentlich aufgebaut sein soll.
Ja, aber das ist halt nun mal auch ein Grundproblem der Utopie, das schon im eigentlichen Namen erklärt wird: Der Nicht-Ort. Dem, was es nicht gibt, kann sich höchstens angenähert werden - so ähnlich geschieht das ja aber in Bezug auf die ST-Technik und deswegen gebe ich Dir auch Recht, dass man ein bisschen mehr zeigen könnte.
Ansonsten würde ich es der Utopie aber nicht zu sehr übel nehmen, dass man ihr nicht sinnvoll auf den Grund gehen kann. Lohnender fände ich es indes, sich mehr mit den Folgen auseinanderzusetzen und aus der Grundlage Utopie die Geschichten zu entwickeln, die man in anderen Konzepten nicht verwirklichen kann.

Ich persönlich finde die Ansicht mancher Fans über Star Trek und das Star Trek Universum ein wenig befremdlich.

Zu Utopisch, zu viel heile Welt...

Was ist daran falsch, von einer besseren Welt zu träumen, die nicht gänzlich ohne Fehler ist, aber in der viele Probleme der heutigen Zeit (Hunger, Krieg, Rassismus, Armut, etc.) gelöst sind.
Ohne dies zu Träumen wird  sich auch niemand aufraffen, es zu verwirktlichen.
Ich teile diese Einstellung eigentlich vollkommen!!
Ich weiß auch nicht, was ein einer heilen Welt schlimm sein soll und ich halte es für einen Irrglauben, im Bösen die bessere Grundlage für Geschichten zu sehen.
Klar, frei nach Lessing kann man sagen, dass die Empathie (das Mitleid) in Bezug auf die Personen nur durch die Nähe, nur durch die Vergleichbarkeit der Gefühls- und Vorstellungswelten (und des Realitätsmodells) erreichen kann. Aber Gott sei Dank können diese Faktoren auch nicht durch Kriegsplots wie in DS9 hervorgerufen werden.

Sicherlich wird unsere Generation und auch die meiner Nichte es sicherlich nicht vergönnt sein, eine solche Welt kennenzulernen, aber deswegen sollte man das doch nicht immer als Fantasterei abtun.
Nun gut, unsere Generation kennt - wenn das nicht positiv ist - immer hin nur ein Europa des Friedens.
Ansonsten: Die Technik in Star Trek, die in Fan-Kreisen bereitwillig akzeptiert wird, bildet die ideale Erklärung dafür, warum es in ST so viel Konfliktpotenzial nicht mehr gibt. So "unrealistisch" ist das also gar nicht.

Mir persönlich stößt grundsätzlich diese selbstherrliche Einstellung der Menschen auf, die vor allem Picard gerne mal zur Schau stellt.

"Wir sind perfekt, wir haben alle negativen Wesenszüge unserer Gesellschaft abgelegt und alle anderen sollten sich an uns ein Beispiel nehmen!"

Vor allem weil diverse Folgen und Filme nahelegen, dass das nichts weiter als eine glatte Selbsttäuschung ist.
Ja und das wäre der Einstieg für eine Serie zur Selbstreflexion - eine Selbstreflexion, die dann keine Ausrede à la "Wir müssen ums Überleben kämpfen" (wie sie zu gerne bei Verfehlungen im Kriegsfall genannt wird) vorschieben könnte. Das wäre schon eine interessante Ausgangslage.

Der Punkt ist: Die Utopie hat Lücken. Und wenn Lücken erkennbar sind, leidet die Fähigkeit das Konstrukt ernstzunehmen. Man kann sicher gut durchdachte Utopien erdenken, aber die Föderation, so wie sie im Canon verankert ist, ist keine davon. Sie ist eine Gesellschaft, die sich selbst als Utopia wahrnimmt, aber dabei nur ihre eigenen Schwächen ignoriert.
Warum denn aber nicht mal den Mut zur Lücke haben? Ich halte es zwar für ehrenwert, sich zu bemühen, für alles eine Erklärung zu finden, aber nicht für ein absolutes Muss.
(Gerade die Utopie kann sich ja die Freiheit nehmen, sich nicht nur aufs Erklären zu reduzieren, sondern Konsequenzen zu ziehen).

Und gerade das macht diese Utopie dann eben leider so wenig ernstzunehmen, weil da dann letztlich nur Blabla bleibt.
Sarkastisch gesagt ist die Botschaft hier doch "Ok, ja, wir fänden eine Welt toll, in der alle Menschen friedlich und in Harmonie und Einklang miteinander leben. Aber wir können sie uns selber nicht mal vorstellen.".
Das ist aber zu weiten Teilen auch eine Anbiederung der Macher an den Mainstream, der nur allzu oft die "heile Welt" fälschlicher Weise mit Langweile gleichsetzt.

SSJKamui

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #83 am: 27.04.11, 18:22 »
Nun ja, das denke ich auch, aber der interessantere Plot fand ich immer noch den, der vor einigen Jahren diskutiert wurde nach dem Zerfall der Föderation der Neuafbau der Föderation auf einer kleineren Kolonie. Das hätte wirklich zwangsläufig zu richtig interessanten Diskussionen zum Thema Utopie geführt. (Das klassische Star Trek Schema wurde leider vielzuhäufig benutzt, genau dem auszuweichen.)
Ja, das hätte interessant sein können und hätte, wie ich zufällig gelesen habe, zu der ursprünglichen Gattung der Utopie, in der ja auch abgekapselte Reiche im Fokus standen, in der eine utopische Lebeweise verwirklicht wird.
Genau meine Meinung.

Was die Utopie betrifft, so würde ich die gerne überhaupt erstmal sehen, bevor sie beerdigt wird.
Ich zumindest habe in Star Trek noch nicht viel utopisches gesehen.
Immer nur geredet wurde darüber, über die heeren Werte.
Da gebe ich Dir vollkommen recht. TOS hatte da noch keine klare Linie, war aber dennoch bemüht. Bei TNG war der Faktor Utopie immer im Hintergrund pseudo-selbstverständlich, wurde aber immer hin in dem Sinne "gelebt", als dass sich so manche Hauptfigur (inklusive Negativerscheinung) utopisch-überlegen verhielt. Bei DS9 habe ich nichts von einer Utopie gespürt und die Anbiederung an einen Schein-Realismus entfernte ST doch schon weit von dem durchaus auch selbst verkündeten Anspruch, eine Utopie zeigen zu wollen. VOY war wenigstens teilweise bemüht, ENT hat wenig aus den "neuen alten" Möglichkeiten gemacht.

Nun ja, mein Problem ist, das diese Darstellung bei TNG leider meistens eher in Richtung "der überlegene Erdling erklärt den unzivilisierten Weltraumbarbaren wie man sich sittsam und anständig verhält".

Bei DS9 sehe ich die Darstellung des utopischen Aspektes sehr zwiespältig. Einige Folgen haben ihn wirklich brilliant eingesetzt um brisante Fragen aufzuwerfen. (Das Verlorene Paradies etc. Geraten wir durch den Versuch unsere Gesellschaft zu schützen in Gefahr, diese selber zu ruinieren?) Dies hätte man aber teilweise durchaus auch ausbauen können.

Was die Utopie betrifft, so würde ich die gerne überhaupt erstmal sehen, bevor sie beerdigt wird.
Ich zumindest habe in Star Trek noch nicht viel utopisches gesehen.
Immer nur geredet wurde darüber, über die heeren Werte.

Genau das ist ein weiteres Element, was ich an der Utopie Star Treks kritisiere. Es werden auch häufig wenn nur die Folgen (keine Krankheit,Armut etc.) oder Oberflächlichkeiten (kein Geld) genannt aber nirgendwo wird erklärt, wie dieser Staat eigentlich aufgebaut sein soll.
Ja, aber das ist halt nun mal auch ein Grundproblem der Utopie, das schon im eigentlichen Namen erklärt wird: Der Nicht-Ort. Dem, was es nicht gibt, kann sich höchstens angenähert werden - so ähnlich geschieht das ja aber in Bezug auf die ST-Technik und deswegen gebe ich Dir auch Recht, dass man ein bisschen mehr zeigen könnte.
Ansonsten würde ich es der Utopie aber nicht zu sehr übel nehmen, dass man ihr nicht sinnvoll auf den Grund gehen kann. Lohnender fände ich es indes, sich mehr mit den Folgen auseinanderzusetzen und aus der Grundlage Utopie die Geschichten zu entwickeln, die man in anderen Konzepten nicht verwirklichen kann.

So würde ich die Behandlung der Utopie auch OK finden.  Leider wurde aber die Utopie sowohl innerhalb der Serien als auch fast noch stärker von einigen Fans benutzt als Argument im Bereich Ethik und Politik.  Für so etwas darf sich das Ganze dann aber nicht selber argumentativ vor jeder Kritik sperren.

Ich persönlich finde die Ansicht mancher Fans über Star Trek und das Star Trek Universum ein wenig befremdlich.

Zu Utopisch, zu viel heile Welt...

Was ist daran falsch, von einer besseren Welt zu träumen, die nicht gänzlich ohne Fehler ist, aber in der viele Probleme der heutigen Zeit (Hunger, Krieg, Rassismus, Armut, etc.) gelöst sind.
Ohne dies zu Träumen wird  sich auch niemand aufraffen, es zu verwirktlichen.
Ich teile diese Einstellung eigentlich vollkommen!!
Ich weiß auch nicht, was ein einer heilen Welt schlimm sein soll und ich halte es für einen Irrglauben, im Bösen die bessere Grundlage für Geschichten zu sehen.

Wie ich schon in vielen anderen Threads geschrieben habe, eine Utopie bietet einige Chancen für Plots, sofern es richtig eingesetzt wird. (Und nicht nach dem Motto "Unsere perfekte Gesellschaft wird von anderen, verdorbenen Leuten bedroht.") Viele aktuelle politischen Diskussionen könnte man zum Beispiel durch den "utopischen Blick" sehr schön kommentieren und dramatisieren, da bei einem Utopia viel mehr auf dem Spiel stünde.

Mir persönlich stößt grundsätzlich diese selbstherrliche Einstellung der Menschen auf, die vor allem Picard gerne mal zur Schau stellt.

"Wir sind perfekt, wir haben alle negativen Wesenszüge unserer Gesellschaft abgelegt und alle anderen sollten sich an uns ein Beispiel nehmen!"

Vor allem weil diverse Folgen und Filme nahelegen, dass das nichts weiter als eine glatte Selbsttäuschung ist.
Ja und das wäre der Einstieg für eine Serie zur Selbstreflexion - eine Selbstreflexion, die dann keine Ausrede à la "Wir müssen ums Überleben kämpfen" (wie sie zu gerne bei Verfehlungen im Kriegsfall genannt wird) vorschieben könnte. Das wäre schon eine interessante Ausgangslage.

Zustimmung.

Max

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #84 am: 27.04.11, 19:39 »
Nun ja, mein Problem ist, das diese Darstellung bei TNG leider meistens eher in Richtung "der überlegene Erdling erklärt den unzivilisierten Weltraumbarbaren wie man sich sittsam und anständig verhält".
Joah, das wäre noch nicht mal so schlimm, wenn das Manko nicht bestünde, dass, wie Du wie ich finde durchaus zurecht ankreidest, der richtigen Lösung, die Picard & Co. ins Spiel bringen, die richtige Grundlage fehlt: So fehlt zum Beispiel (ST-typisch, aber darüber hinaus vielleicht in anderen Serien auch) ja eigentlich immer die Zeit, zu zeigen, wie nach der erfolgreichen Überzeugungsarbeit die Umsetzung gelingt bzw. gelingen soll. Das geht schon wieder in die Richtung, dass man die Utopie nicht vollkommen aufschlüsseln kann.
TNG und insbesondere Picard möchte ich (hoffentlich nicht grundlos) immerhin zugute halten, dass häufig eine gewisse Haltung besteht, die Fremden auch in ihrer Kultur ernst zu nehmen, auch wenn das dann nicht unbedingt ausschließt, sie als unfähig zu betrachten, ihre Probleme selbst ordentlich zu lösen.

Bei DS9 sehe ich die Darstellung des utopischen Aspektes sehr zwiespältig. Einige Folgen haben ihn wirklich brilliant eingesetzt um brisante Fragen aufzuwerfen. (Das Verlorene Paradies etc. Geraten wir durch den Versuch unsere Gesellschaft zu schützen in Gefahr, diese selber zu ruinieren?) Dies hätte man aber teilweise durchaus auch ausbauen können.
Hmm, nun, solchen DS9-Folgen krankte es meiner Wahrnehmung nach aber auch wiederum daran, dass sie kein fundiertes Bild einer Utopie vermitteln konnten - ja noch schlimmer: bei DS9 fehlte das Grundempfinden, es mit einer (und sei sie überheblich-klischeehaften) Utopie zu tun zu haben. Da man in dem Sinne sogar die belehrenden Gutmenschen "vermisst", fällt eine Differenz doch kaum auf.
Ist demzufolge die Gesellschaft in ihrem Inneren nicht bekannt genug, . Das fängt schon damit an, dass Figuren wie Sisko die "neue (utopische) Mentalität (nach TNG-Prägung)" ja quasi nie lebten und deswegen auch nicht aufgeben können, um es mal etwas pointiert auszudrücken.

So würde ich die Behandlung der Utopie auch OK finden.  Leider wurde aber die Utopie sowohl innerhalb der Serien als auch fast noch stärker von einigen Fans benutzt als Argument im Bereich Ethik und Politik.  Für so etwas darf sich das Ganze dann aber nicht selber argumentativ vor jeder Kritik sperren.
Gut, ich verstehe - und gebe Dir da schon recht!

Wie ich schon in vielen anderen Threads geschrieben habe, eine Utopie bietet einige Chancen für Plots, sofern es richtig eingesetzt wird. (Und nicht nach dem Motto "Unsere perfekte Gesellschaft wird von anderen, verdorbenen Leuten bedroht.")
Auch das Konzept, das die (nicht weiter erklärte) "perfekte Gesellschaft" von den Bösen bedroht wird, wäre noch nicht einmal so schlimm, denke ich, wenn die Lösung dieser Bedrohung nicht darin bestünde, in alte, nicht utopische Mittel zu verfallen. Das wäre mal was gewesen: Das Dominion überfällt die Föderation mit 10.000 Schiffen und keiner in der Sterneflotte zückt als Antwort den Phaser oder macht die Flotte mobil. Wie man dann die Unterjochung unterbingen will? Aus dem Stegreif: keine Ahnung. Es aber so zu beantworten, wie in DS9 gesehen, ist das aus Sicht einer Weiterentwicklung der Menschheit wertlos gewesen. Wie es am Ende dann doch auch noch geschah, hätte Odo der Schlüssel zum Ausgleich sein können.
Ansonsten: Klar, die Utopie wäre besser geeignet, andere Plot zu entwickeln.

Viele aktuelle politischen Diskussionen könnte man zum Beispiel durch den "utopischen Blick" sehr schön kommentieren und dramatisieren, da bei einem Utopia viel mehr auf dem Spiel stünde.
Da sprichst Du wahre Worte!
Gerade bei ENT hatte ich in der dritten Staffel nur allzu oft das deprimierende Gefühl, ein US-amerikanisches militärisches Eingreifen zu legitimieren bzw. zu begründen.
« Letzte Änderung: 27.04.11, 20:14 by Max »

Tolayon

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #85 am: 27.04.11, 21:46 »
Immerhin kam die Sternenflotte in "Deep Space Nine" nicht per se als Militärstreitmacht rüber, insgesamt hatte ich mehr den Eindruck dass ihr Personal wie ein Haufen Polizisten als wie knallharte "Space Marines" agiert.
Mit anderen Worten, die Föderation wurde ziemlich kalt erwischt und hat sich angesichts des wirklich militärisch agierenden Feinds sehr gut geschlagen (auch wenn der Krieg dann mehr oder weniger nur durch einen Trick beendet werden konnte).

Aber selbst wenn die Sternenflotte im Lauf von DS-9 immer militarisierter wurde, hat es Ansätze dazu bereits in TNG gegeben. Man nehme nur die Borg, gegen die wurde zwangsweise auch recht hart zur Sache gegangen und eine Konsequenz aus diesen Zusammenstößen war die Entwicklung der Defiant-Klasse.
Man könnte wenn man gemein ist sogar sagen, dass Picard als "Gutmensch" eher die Ausnahme war und eine Vielzahl an kommandierenden Offizieren mehr wie die in TNG ebenfalls vorkommenden "Militärköpfe" denkt und handelt.

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #86 am: 27.04.11, 21:56 »
Immerhin kam die Sternenflotte in "Deep Space Nine" nicht per se als Militärstreitmacht rüber, insgesamt hatte ich mehr den Eindruck dass ihr Personal wie ein Haufen Polizisten als wie knallharte "Space Marines" agiert.
Hmm, naja, aber in keiner ST-Series war sie, die Sternenflotte, doch mehr Militärstreitmacht als in DS9! Selbst wenn sie nicht super durchorganisiert war...


Aber selbst wenn die Sternenflotte im Lauf von DS-9 immer militarisierter wurde, hat es Ansätze dazu bereits in TNG gegeben. Man nehme nur die Borg, gegen die wurde zwangsweise auch recht hart zur Sache gegangen und eine Konsequenz aus diesen Zusammenstößen war die Entwicklung der Defiant-Klasse.
Naja, aber auch hier finde ich, dass es schon einen gewissen Unterschied gibt. Am Anfang brauchte man die Hilfe Qs, dann den Insider Picard-Locutus: In TNG wurden die Borg (vor FC) doch nie im eigentlichen Sinne mit (konventioneller) Militärtechnik besiegt; man könnte sogar behaupten, hier wurde aufgezeigt, dass der Weg über die Waffen nicht zum Erfolg führt.


Man könnte wenn man gemein ist sogar sagen, dass Picard als "Gutmensch" eher die Ausnahme war und eine Vielzahl an kommandierenden Offizieren mehr wie die in TNG ebenfalls vorkommenden "Militärköpfe" denkt und handelt.
Deswegen bekam Picard dann wohl auch das Flaggschiff :D

SSJKamui

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #87 am: 28.04.11, 10:20 »
Nun ja, mein Problem ist, das diese Darstellung bei TNG leider meistens eher in Richtung "der überlegene Erdling erklärt den unzivilisierten Weltraumbarbaren wie man sich sittsam und anständig verhält".
Joah, das wäre noch nicht mal so schlimm, wenn das Manko nicht bestünde, dass, wie Du wie ich finde durchaus zurecht ankreidest, der richtigen Lösung, die Picard & Co. ins Spiel bringen, die richtige Grundlage fehlt: So fehlt zum Beispiel (ST-typisch, aber darüber hinaus vielleicht in anderen Serien auch) ja eigentlich immer die Zeit, zu zeigen, wie nach der erfolgreichen Überzeugungsarbeit die Umsetzung gelingt bzw. gelingen soll.


Ja, das währe echt mal eine coole Folge.

Bei DS9 sehe ich die Darstellung des utopischen Aspektes sehr zwiespältig. Einige Folgen haben ihn wirklich brilliant eingesetzt um brisante Fragen aufzuwerfen. (Das Verlorene Paradies etc. Geraten wir durch den Versuch unsere Gesellschaft zu schützen in Gefahr, diese selber zu ruinieren?) Dies hätte man aber teilweise durchaus auch ausbauen können.
Hmm, nun, solchen DS9-Folgen krankte es meiner Wahrnehmung nach aber auch wiederum daran, dass sie kein fundiertes Bild einer Utopie vermitteln konnten - ja noch schlimmer: bei DS9 fehlte das Grundempfinden, es mit einer (und sei sie überheblich-klischeehaften) Utopie zu tun zu haben. Da man in dem Sinne sogar die belehrenden Gutmenschen "vermisst", fällt eine Differenz doch kaum auf.
Ist demzufolge die Gesellschaft in ihrem Inneren nicht bekannt genug, . Das fängt schon damit an, dass Figuren wie Sisko die "neue (utopische) Mentalität (nach TNG-Prägung)" ja quasi nie lebten und deswegen auch nicht aufgeben können, um es mal etwas pointiert auszudrücken.

Hmm. Ja. Da stimme ich dir durchaus zu. Sisko hat sich teilweise wirklich übelst verhalten und das wurde zum Teil noch nicht einmal richtig in Frage gestellt. (Beispielsweise "Für die Uniform".) Teilweise war in DS9 auch der Versuch, Konflikte zu Erzeugen durchaus lächerlich. (Zum Beispiel wegen dem Föderationspazifismus will man keinen Krieg mit Cardassia, legt es dann aber auf einen erneuten Krieg mit den Klingonen, einem der wichtigsten Verbündeten an. )


Wie ich schon in vielen anderen Threads geschrieben habe, eine Utopie bietet einige Chancen für Plots, sofern es richtig eingesetzt wird. (Und nicht nach dem Motto "Unsere perfekte Gesellschaft wird von anderen, verdorbenen Leuten bedroht.")
Auch das Konzept, das die (nicht weiter erklärte) "perfekte Gesellschaft" von den Bösen bedroht wird, wäre noch nicht einmal so schlimm, denke ich, wenn die Lösung dieser Bedrohung nicht darin bestünde, in alte, nicht utopische Mittel zu verfallen. Das wäre mal was gewesen: Das Dominion überfällt die Föderation mit 10.000 Schiffen und keiner in der Sterneflotte zückt als Antwort den Phaser oder macht die Flotte mobil. Wie man dann die Unterjochung unterbingen will? Aus dem Stegreif: keine Ahnung. Es aber so zu beantworten, wie in DS9 gesehen, ist das aus Sicht einer Weiterentwicklung der Menschheit wertlos gewesen. Wie es am Ende dann doch auch noch geschah, hätte Odo der Schlüssel zum Ausgleich sein können.
Ansonsten: Klar, die Utopie wäre besser geeignet, andere Plot zu entwickeln.

Natürlich, eine Bedrohung kann auch gute Plots liefern. Besonders wenn diese Bedrohung selber mit der Utopie was zu tun hat und das dann so unweigerlich zu Fragen führt. (Beispielsweise Appleseed.)

Viele aktuelle politischen Diskussionen könnte man zum Beispiel durch den "utopischen Blick" sehr schön kommentieren und dramatisieren, da bei einem Utopia viel mehr auf dem Spiel stünde.
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Gerade bei ENT hatte ich in der dritten Staffel nur allzu oft das deprimierende Gefühl, ein US-amerikanisches militärisches Eingreifen zu legitimieren bzw. zu begründen.

Ja, das Gefühl hatte ich definitiv auch. (Archer hatte aber wenigstens nach gewissen Taten wenigstens "Gewissensbisse", im Gegensatz zu Sisko, der ja teilweise sogar Gasangriffe auf Maquis Kolonien vollkommen in Ordnung fand. )

Immerhin kam die Sternenflotte in "Deep Space Nine" nicht per se als Militärstreitmacht rüber, insgesamt hatte ich mehr den Eindruck dass ihr Personal wie ein Haufen Polizisten als wie knallharte "Space Marines" agiert.

Da bin ich auch verdammt froh. US Amerikanische Autoren machen nämlich leider fast immer Space Marines zu Proleten ohne Manieren, die einem schnell auf den Geist gehen können. (Bestes Beispiel Alien 2.)

Man könnte wenn man gemein ist sogar sagen, dass Picard als "Gutmensch" eher die Ausnahme war und eine Vielzahl an kommandierenden Offizieren mehr wie die in TNG ebenfalls vorkommenden "Militärköpfe" denkt und handelt.

Nun ja, Picard wirkte meistens auch eher wie ein netter Großvater zu seinen Enkeln als wie ein Kommandant eines Schiffs. (Ich glaube, das ist einer der Gründe für die Symphatie für diese Figur.)

Aber selbst wenn die Sternenflotte im Lauf von DS-9 immer militarisierter wurde, hat es Ansätze dazu bereits in TNG gegeben. Man nehme nur die Borg, gegen die wurde zwangsweise auch recht hart zur Sache gegangen und eine Konsequenz aus diesen Zusammenstößen war die Entwicklung der Defiant-Klasse.
Naja, aber auch hier finde ich, dass es schon einen gewissen Unterschied gibt. Am Anfang brauchte man die Hilfe Qs, dann den Insider Picard-Locutus: In TNG wurden die Borg (vor FC) doch nie im eigentlichen Sinne mit (konventioneller) Militärtechnik besiegt; man könnte sogar behaupten, hier wurde aufgezeigt, dass der Weg über die Waffen nicht zum Erfolg führt.

Nun ja, strenggenommen ist ein solches "Hacken" der Borg aber auch ein ziemlich aggressiver Akt. Er wird dann nur mit ein wenig mehr Grips ausgeführt.

Max

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #88 am: 28.04.11, 19:49 »
Nun ja, mein Problem ist, das diese Darstellung bei TNG leider meistens eher in Richtung "der überlegene Erdling erklärt den unzivilisierten Weltraumbarbaren wie man sich sittsam und anständig verhält".
Joah, das wäre noch nicht mal so schlimm, wenn das Manko nicht bestünde, dass, wie Du wie ich finde durchaus zurecht ankreidest, der richtigen Lösung, die Picard & Co. ins Spiel bringen, die richtige Grundlage fehlt: So fehlt zum Beispiel (ST-typisch, aber darüber hinaus vielleicht in anderen Serien auch) ja eigentlich immer die Zeit, zu zeigen, wie nach der erfolgreichen Überzeugungsarbeit die Umsetzung gelingt bzw. gelingen soll.


Ja, das wäre echt mal eine coole Folge.
Das denke ich auch. Im Stile der Mehrteiler der vierten ENT-Staffel und mit umgreifenderen Erzählmodi könnte man da in einer ST-Serie wirklich was draus machen. Natürlich gäbe es ein paar Hürden.


Sisko hat sich teilweise wirklich übelst verhalten und das wurde zum Teil noch nicht einmal richtig in Frage gestellt. (Beispielsweise "Für die Uniform".) Teilweise war in DS9 auch der Versuch, Konflikte zu Erzeugen durchaus lächerlich. (Zum Beispiel wegen dem Föderationspazifismus will man keinen Krieg mit Cardassia, legt es dann aber auf einen erneuten Krieg mit den Klingonen, einem der wichtigsten Verbündeten an. )
Stimmt. Und schon allein der Einstieg in den Konflikt, indem man doch trotz Warnung in das fremde Gebiet flog, mit dem Dominion war merkwürdig.
"Durchtränkt" vom Gutmenschentum und vom utopischen Föderationsidealismus war man in DS9 jedenfalls nicht.


Wie ich schon in vielen anderen Threads geschrieben habe, eine Utopie bietet einige Chancen für Plots, sofern es richtig eingesetzt wird. (Und nicht nach dem Motto "Unsere perfekte Gesellschaft wird von anderen, verdorbenen Leuten bedroht.")
Auch das Konzept, das die (nicht weiter erklärte) "perfekte Gesellschaft" von den Bösen bedroht wird, wäre noch nicht einmal so schlimm, denke ich, wenn die Lösung dieser Bedrohung nicht darin bestünde, in alte, nicht utopische Mittel zu verfallen. Das wäre mal was gewesen: Das Dominion überfällt die Föderation mit 10.000 Schiffen und keiner in der Sterneflotte zückt als Antwort den Phaser oder macht die Flotte mobil. Wie man dann die Unterjochung unterbingen will? Aus dem Stegreif: keine Ahnung. Es aber so zu beantworten, wie in DS9 gesehen, ist das aus Sicht einer Weiterentwicklung der Menschheit wertlos gewesen. Wie es am Ende dann doch auch noch geschah, hätte Odo der Schlüssel zum Ausgleich sein können.
Ansonsten: Klar, die Utopie wäre besser geeignet, andere Plot zu entwickeln.

Natürlich, eine Bedrohung kann auch gute Plots liefern. Besonders wenn diese Bedrohung selber mit der Utopie was zu tun hat und das dann so unweigerlich zu Fragen führt.
[Zunächst noch eine Korrektur: Ich meinte natürlich: 'Wie man dann die Unterjochung unterbinden will?']
Die Schattenseite einer Utopie zu zeigen, ist sicherlich reizvoll - und diese Schattenseite ist ja dann eine (Form von) Bedrohung. In diesem Zusammenhang denke ich rasch an Stanislaw Lems Roman "Transfer", der das ja auch thematisiert.
Auf der anderen Seite würde ich es lieber so formulieren bzw. formuliert wissen: irgendetwas wird man schon aufgeben müssen, um paradiesische Zustände zu erreichen.
"Bedrohung" finde ich als Ausdruck dafür fast schon etwas zu hart, mit folgender, sich aus dem Grundbegriff des Konstruktes, mit dem man es zu tun hat, herleitenden Begründung: Eine Utopie, die ihre eigene Gesellschaft wirklich bedroht, kann keine Utopie sein.

Eine Bedrohung von Außen mit den Mitteln der Utopie zu bekämpfen, wäre aber mMn nach die vielleicht reizvollste Idee.


Ja, das Gefühl hatte ich definitiv auch. (Archer hatte aber wenigstens nach gewissen Taten wenigstens "Gewissensbisse", im Gegensatz zu Sisko, der ja teilweise sogar Gasangriffe auf Maquis Kolonien vollkommen in Ordnung fand. )
Stimmt; da teile ich Deine Einschätzung auch vollkommen.
Bei Archer bekam man schon so ein wenig den Faktor Reflexion vermittelt - gegen den "braven Weg" entschied er sich freilich nichtsdestoweniger. Aber gut, wir reden hier ja auch von der Mitte des 22. Jahrhunderts und auch wenn eine neue Zeit schon angebrochen ist, muss man noch nicht so viel erwarten wie von der "eigentlichen ST-Zukunft".
Janeway hatte ja auch keine so großen Skrupel, wenn ich mich recht erinnere - da musste mit Chakotay erst ein ehemaliger Maquis kommen, um einem Sternenflotten-Captain zu erklären, dass man nicht foltert.
Auch wenn mich das Gros der Reaktionen nicht überraschen würde: Wäre doch mal ein interessantes Konzept, wenn man 150 eigene Leute opfern würde, statt eine fremde Person nicht ordnungsgemäß zu behandeln. So ein Verhalten gegen die eigene Sozialgruppe wäre natürlich ziemlich widernatürlich. Aber kein geringer Teil der Zivilisierung setzt durchaus auf eine Abkehr von den natürlichsten Umständen. Hier in einer utopischen Zukunft eine Verhaltensweise - Moral über Überleben - zu zeigen, die für unsere Gegenwart verstörrend fremdartig wäre - das würde einschlagen! Hier hätte man auch beide Ziele verwirklicht: Eine Utopie, die realistisch oder zumindest authentisch ist, weil sie ihre hehren Ziele nie verrät + eine Utopie, die nur dadurch funktioniert, dass man ihre innere Logik akzeptiert und umsetzt.
(EDIT: In diesem Zusammenhang finde ich die TOS-Folge "Krieg der Computer" eigentlich ziemlich genial und Kirks Eingreifen, dass ja am Ende - auch wenn wir die echte, eigentliche Lösung wiederum nicht gezeigt bekommen - ist auch irgendwie kritisch...)

Nun ja, Picard wirkte meistens auch eher wie ein netter Großvater zu seinen Enkeln als wie ein Kommandant eines Schiffs. (Ich glaube, das ist einer der Gründe für die Symphatie für diese Figur.)
Lustiger Weise ist das so, obwohl Picard ja (am Anfang) auch so ein wenig der distanzierte Grantler sein sollte bzw. konnte.


Nun ja, strenggenommen ist ein solches "Hacken" der Borg aber auch ein ziemlich aggressiver Akt. Er wird dann nur mit ein wenig mehr Grips ausgeführt.
Stimmt, da hast Du wirklich Recht: Vernichtungsvorhaben wird mit Vernichtungsvorhaben beantwortet - nur dass letzterer mit Erfolg durchgeführt wurde.
(Da wären wir wieder beim oben angesprochenen Konzept: 'Lieber selbst assimiliert werden, als Borg-Drohnen töten'...)
((Bei der ersten Hugh-Folge wurde immerhin noch explizit gegen ein Vernichtungsvorhaben entschieden))
« Letzte Änderung: 28.04.11, 20:17 by Max »

SSJKamui

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Antw:Die Utopie als Geschichte - Chancen und Grenzen
« Antwort #89 am: 29.04.11, 09:27 »
Sisko hat sich teilweise wirklich übelst verhalten und das wurde zum Teil noch nicht einmal richtig in Frage gestellt. (Beispielsweise "Für die Uniform".) Teilweise war in DS9 auch der Versuch, Konflikte zu Erzeugen durchaus lächerlich. (Zum Beispiel wegen dem Föderationspazifismus will man keinen Krieg mit Cardassia, legt es dann aber auf einen erneuten Krieg mit den Klingonen, einem der wichtigsten Verbündeten an. )
Stimmt. Und schon allein der Einstieg in den Konflikt, indem man doch trotz Warnung in das fremde Gebiet flog, mit dem Dominion war merkwürdig.
"Durchtränkt" vom Gutmenschentum und vom utopischen Föderationsidealismus war man in DS9 jedenfalls nicht.

Genau. Und das waren auch die möglichen Probleme der Kombination Star Trek Utopie und Military Sci Fi, vor denen ich vor Kurzem im Military Sci Fi Thread gewarnt hatte. Nämlich die implizite Aussage "Wir kämpfen für die Utopie also haben wir immer recht". Im Vergleich zu solch einem abdriften in Propaganda ist die Utopie fehlerhaft zu zeigen wirklich das kleinere Übel.

Wie ich schon in vielen anderen Threads geschrieben habe, eine Utopie bietet einige Chancen für Plots, sofern es richtig eingesetzt wird. (Und nicht nach dem Motto "Unsere perfekte Gesellschaft wird von anderen, verdorbenen Leuten bedroht.")
Auch das Konzept, das die (nicht weiter erklärte) "perfekte Gesellschaft" von den Bösen bedroht wird, wäre noch nicht einmal so schlimm, denke ich, wenn die Lösung dieser Bedrohung nicht darin bestünde, in alte, nicht utopische Mittel zu verfallen. Das wäre mal was gewesen: Das Dominion überfällt die Föderation mit 10.000 Schiffen und keiner in der Sterneflotte zückt als Antwort den Phaser oder macht die Flotte mobil. Wie man dann die Unterjochung unterbingen will? Aus dem Stegreif: keine Ahnung. Es aber so zu beantworten, wie in DS9 gesehen, ist das aus Sicht einer Weiterentwicklung der Menschheit wertlos gewesen. Wie es am Ende dann doch auch noch geschah, hätte Odo der Schlüssel zum Ausgleich sein können.
Ansonsten: Klar, die Utopie wäre besser geeignet, andere Plot zu entwickeln.

Natürlich, eine Bedrohung kann auch gute Plots liefern. Besonders wenn diese Bedrohung selber mit der Utopie was zu tun hat und das dann so unweigerlich zu Fragen führt.
[Zunächst noch eine Korrektur: Ich meinte natürlich: 'Wie man dann die Unterjochung unterbinden will?']
Die Schattenseite einer Utopie zu zeigen, ist sicherlich reizvoll - und diese Schattenseite ist ja dann eine (Form von) Bedrohung. In diesem Zusammenhang denke ich rasch an Stanislaw Lems Roman "Transfer", der das ja auch thematisiert.
Auf der anderen Seite würde ich es lieber so formulieren bzw. formuliert wissen: irgendetwas wird man schon aufgeben müssen, um paradiesische Zustände zu erreichen.
"Bedrohung" finde ich als Ausdruck dafür fast schon etwas zu hart, mit folgender, sich aus dem Grundbegriff des Konstruktes, mit dem man es zu tun hat, herleitenden Begründung: Eine Utopie, die ihre eigene Gesellschaft wirklich bedroht, kann keine Utopie sein.

Eine Bedrohung von Außen mit den Mitteln der Utopie zu bekämpfen, wäre aber mMn nach die vielleicht reizvollste Idee.

Nun ja, ich meinte jetzt nicht, das die Utopie selber die Bedrohung sei, sondern vielmehr das in der Periode, wo dieser Staat entstanden ist auch was entstanden ist, was für diesen Staat zur Bedrohung werden kann und die Geschichte von Beidem irgendwie verknüpft ist, sodass man um sich vor dieser Bedrohung zu schützen einen stärkeren Blick auf die Vergangenheit werfen muss.

Ja, das Gefühl hatte ich definitiv auch. (Archer hatte aber wenigstens nach gewissen Taten wenigstens "Gewissensbisse", im Gegensatz zu Sisko, der ja teilweise sogar Gasangriffe auf Maquis Kolonien vollkommen in Ordnung fand. )
Stimmt; da teile ich Deine Einschätzung auch vollkommen.
Bei Archer bekam man schon so ein wenig den Faktor Reflexion vermittelt - gegen den "braven Weg" entschied er sich freilich nichtsdestoweniger. Aber gut, wir reden hier ja auch von der Mitte des 22. Jahrhunderts und auch wenn eine neue Zeit schon angebrochen ist, muss man noch nicht so viel erwarten wie von der "eigentlichen ST-Zukunft".
Janeway hatte ja auch keine so großen Skrupel, wenn ich mich recht erinnere - da musste mit Chakotay erst ein ehemaliger Maquis kommen, um einem Sternenflotten-Captain zu erklären, dass man nicht foltert.
Auch wenn mich das Gros der Reaktionen nicht überraschen würde: Wäre doch mal ein interessantes Konzept, wenn man 150 eigene Leute opfern würde, statt eine fremde Person nicht ordnungsgemäß zu behandeln. So ein Verhalten gegen die eigene Sozialgruppe wäre natürlich ziemlich widernatürlich. Aber kein geringer Teil der Zivilisierung setzt durchaus auf eine Abkehr von den natürlichsten Umständen. Hier in einer utopischen Zukunft eine Verhaltensweise - Moral über Überleben - zu zeigen, die für unsere Gegenwart verstörrend fremdartig wäre - das würde einschlagen! Hier hätte man auch beide Ziele verwirklicht: Eine Utopie, die realistisch oder zumindest authentisch ist, weil sie ihre hehren Ziele nie verrät + eine Utopie, die nur dadurch funktioniert, dass man ihre innere Logik akzeptiert und umsetzt.
(EDIT: In diesem Zusammenhang finde ich die TOS-Folge "Krieg der Computer" eigentlich ziemlich genial und Kirks Eingreifen, dass ja am Ende - auch wenn wir die echte, eigentliche Lösung wiederum nicht gezeigt bekommen - ist auch irgendwie kritisch...)

Stimmt. Das hätte schon sehr interessante Möglichkeiten.

 

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