Original von David
Allerdings habe ich festgestellt, dass einzelne für sich stehende Kurzgeschichten relativ einfacher zu handhaben sind.
Keine Charaktervorstellungen, keine Situationsbeschreibungen (oder es reicht dafür ein kleiner Absatz aus).
Warum muss bei einer Kurzgeschichte keine Charaktervorstellung (und keine Situtationsbeschreibung) stattfinden? Oder umgekehrt: Warum muss bei einem Roman eine Charaktervorstellung am Anfang stattinden? Der Roman hat doch so viel \"Zeit\", also eher Platz, um alles zu entwickeln, dass man weniger die Notwendigkeit hat, den Lesern am Anfang zu umreißen, mit wem man es zu tun hat.
Original von Alexander_Maclean
Schneller oder gemächlicher Einstieg?
Original von Star
Wie üblich ist die goldene Mitte das beste - nicht zu schnell, nicht zu gemächlich.
Ich würde gar nicht mal sagen, dass die \"Geschwindigkeit\" des Einstiegs so bedeutend ist.
Ich glaube, am wichtigsten ist es einfach, beim Leser Interesse zu wecken. Als Leser will man doch ein wenig das Spiel zwischen Erfüllung der Erwartungen und der Faszination eines Rätsels haben, das man gleich zu Beginn natürlich nicht lösen kann, von dem man aber spürt, dass der Roman (bzw. die Geschichte) es auflösen wird. Ich sehe das also eher als eine thematisch-inhaltliche als eine stilistische Sache (auch wenn man mit dem Stil natürlich auch viel anstellen kann).
Mit...
Niemand hätte in den letzten Jahren des XIX. Jahrhunderts geglaubt, daß unser menschliches Tun und Lassen beobachtet werden könnte; das andere Intelligenzen, größer als die menschlichen und doch ebenso sterblich, uns bei unserem Tagwerk fast ebenso eindringlich belauschen und erforschen könnten, wie ein Mann mit seinem Mikroskop jene vergänglichen Lebewesen erforscht, die in einem Wassertropfen ihr Wesen treiben und sich darin vermehren. Mit unendlichem Behagen schlenderte die Menschheit mit ihren kleinen Sorgen kreuz und quer auf dem Erdball herum [...] Niemand dachte daran, daß älteren Weltkörpern Gefahren für die Menschheit entspringen könnten.
... fängt H.G.Wells\' \"Krieg der Welten\" an.
Und das ist doch genial!
Er fängt doch mit einer Art Verneinung an:
Niemand hätte geglaubt...
Niemand dachte daran. Und er fängt mit einem Konjungtiv an: Niemand
hätte geglaubt. Ja was ruft das denn anderes beim Leser - schon nach den neun Worten, nicht erst nach dem ersten (Teil)Satz - hervor, als das Gefühl, das genaue Gegenteil müsse der Fall sein!
Den Rest dieses Einstiegs halte ich für nicht minder gelungen: Es wird bereits so ziemlich alles entworfen, was den Leser im Folgenden erwarten wird - um dennoch in einer Form der Faszination eines Rätsels; mit einem Vergleich bekommt man nur eine vage Ahnung des Fremden, wodurch die spannende Fragen beim Leser gesteigert wird, wie diese andere, gefährliche Intelligenz aussieht.
Ist das nun ein rasanter Einstieg oder ein gemächlicher? Will man da ein Urteil fällen, würde ich sagen: ein gemächlicher - Letztendlich greift doch aber diese Instanz der \"Geschwindigkeit\" nicht so wirklich.
Solange man einen Reiz aufbaut, eine Faszination entfalten kann, ist es doch völlig egal, ob man einen schnellen oder langsamen Einstieg wählt.
Der schnelleste Einstieg wird im Folgenden nicht fesseln, wenn der Ausblick, wenn die Faszination fehlt. Umgekehrt wird ein gemächlicher Einstieg nicht automatisch eine Verbindung zu einer Figur herstellen. Eine gemächliche Beschreibung der Vita des Protagonisten in der Einleitung verspricht nicht automatisch Tiefe; wenn nichts entworfen wird oder der Versuch unternommen wird, den Leser mit einem Charakter durch und durch vertraut zu machen, ist auch nicht viel erreicht, denn neben den Erwartungen will man doch auch Rätsel gestellt bekommen.
EDIT: Kleinere Rechtschreibkorrekturen