Meine bisherigen Erwähnungen dieser Serie sind hier nicht gerade auf nennenswerte Resonanz gestoßen, dabei ist David Lynchs "Twin Peaks" die erste große Mystery-Serie der 90er Jahre und genießt zu Recht einen Kultstatus, der trotz des Erfolgs von "Akte X" anhält.
Gerade von letzterer Serie unterscheidet Twin Peaks sich maßgeblich, denn statt einzelner, in sich abgeschlossener Episoden mit dem "Monster/ Alien/ Gespenst etc. der Woche" gibt es eine durchgehende Handlung, bei der fast jede Folge genau einen Tag umfasst. Die komplette, nur sieben Episoden umfassende erste Staffel sowie die erste Hälfte der zweiten Staffel befassen sich mit der Aufklärung des Mordes an der 17-jährigen Laura Palmer, für die der FBI-Agent
Dale Cooper (Kyle MacLachlan) mit dem Sheriff der kleinen Stadt Twin Peaks zusammenarbeitet.
Die fiktive Ortschaft ist eine rustikale Kleinstadt mit etwas über 51.000 Einwohnern an der Grenze zu Kanada. Die Haupteinnahmequelle sind Holzverarbeitung und Tourismus (das "Great Northern" Hotel, in dem auch Cooper sein Zimmer hat). Das Zusammenleben der Bewohner ist von Intrigen und grotesken bis erschreckenden Situationen gekennzeichnet, die Lynch geradezu genüsslich mit den ironisch überhöhten Stilmitteln der (amerikanischen) Seifenoper inszeniert.
Doch auch der Mystery-Aspekt kommt nicht zu kurz: Anstatt Außerirdischer oder klischeehafter Wesen/ Begebenheiten, die man sonst in diesem Genre vorfindet bildet die indianische Mythologie die Vorlage. Diese steht nach der erfolgreichen Aufklärung des Mordes im Mittelpunkt, als Dale Cooper sich und die Bewohner der Stadt gegen seinen verrückt gewordenen Ex-Partner
Windom Earle verteidigen muss. Dieser spielt mit Cooper ein buchstäblich mörderisches Schachspiel und sucht nebenbei Zugang zur ominösen "Schwarzen Hütte", einem extradimensionalen Ort an dem laut indianischer Mythologie finstere Mächte versammelt sind, die man sich mit entsprechenden Mitteln zunutze machen kann.
Den Gegenpol zur Schwarzen bildet die "Weiße Hütte", gewissermaßen der Ort an dem die Seelen der Verstorbenen nach diversen Prüfungen gelangen können.
Beiden Hütten ist ein sogenannter "Warteraum" vorgelagert, der von roten Vorhängen geprägt ist und von dem Dale Cooper bereits während der Mord-Ermittlungen Visionen hat. In ihm hält sich ein mysteriöser tanzender Zwerg auf, aber auch die verstorbene Laura Palmer sieht Cooper dort in seiner Vision.
Die normalen Naturgesetze gelten in diesem Raum nicht; die Leute dort sprechen alle sehr seltsam, was dadurch erzielt wurde, indem die Schauspieler/ Synchronsprecher ihren Text rückwärts aufsagten und die Aufnahme anschließend wiederum rückwärts abgespielt wurde. Das Ergebnis ist eine surreal-geisterhafte Version des ursprünglichen Textes.
Die beiden "Hütten" waren auch Forschungsobjekt des geheimen Air-Force-Projekts "Blue Book", an dem auch Ex-FBI-Agent Windom Earle teilnahm.
Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter von "Blue Book" ist
Major Garland Biggs (Don "General Hammond" Davis), der allerdings wegen seiner Geheimhaltungspflicht nur stückweise zur Aufklärung der Begebenheiten um die Hütten beitragen kann. Am Ende einer Folge verschwindet er sogar für zwei Tage, was optisch wie eine Entführung durch Außerirdische inszeniert wird, aber in Wahrheit hängt dieser Vorfall mit der Schwarzen und der Weißen Hütte zusammen.
Auch der eigentliche Mörder von Laura Palmer, ein Dämon namens "Bob" der Besitz von Menschen ergreifen kann, stammt aus dem Umfeld dieser Hütten (wahrscheinlich direkt aus der Schwarzen Hütte selbst).
Neben dem oben erwähnten Don S. Davis hat ein weiterer späterer Serien-Star einen, wenn auch nur zwei Folgen dauernden Gastauftritt: Kein geringerer als David Duchovny gibt sich die Ehre als Transvestit und Special Agent
Denis(e) Bryson im Auftrag der Drogenbehörde.
Wie in allen Produktionen von David Lynch spielt auch in Twin Peaks die - in diesem Fall minimale, aber stets pointierte und mitreißende - Musik eine tragende Rolle; sie wurde von dem Komponisten Angelo Badamenti erstellt und bildet auch die Grundlage für zwei Alben der Sängerin Julee Cruise, die in der Serie sogar ein paar Gastauftritte in einem Nachtclub hat.
Im folgenden Video erklärt Badalamenti, wie er zusammen das "Laura Palmer"-Thema komponierte, dessen gespenstischen Anfangs-Akkorde von Moby in dessen Hit "Go" verarbeitet wurden:
Badalamenti Twin Peaks Love Theme