Autor Thema: Fremde eigene Welten  (Gelesen 21606 mal)

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Max

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #30 am: 25.06.12, 18:54 »
Gerne. Im Moment ist die Schriftgröße 14 eingestellt, dabei gibt es so ungefähr 10 Wörter pro Zeile.
Was meinst Du, soll ich das auf 18 stellen, dann sind es etwa 7...

Alexander_Maclean

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #31 am: 25.06.12, 19:22 »
20 wäre noch besser. Wenn es keine Umstände macht.
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Max

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #32 am: 25.06.12, 19:45 »
Gar kein Problem :)

Die Datei liegt jetzt Eingangsposting als dritte bereit: "MM-Fremde_eigene_Welten--Aufl-2-Size20" mit Namen :)

Alexander_Maclean

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #33 am: 25.06.12, 20:13 »
Danke. :)
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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #34 am: 27.06.12, 12:37 »
Gern geschehen :)
Ich hoffe nur, es ergeben sich nicht zu viele unschöne Umbrüche. Aber ich habe mal flüchtig drübergesehen :)

Alexander_Maclean

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #35 am: 27.06.12, 16:04 »
Also mir ist da nichts aufgefallen was die Umbrüche angeht.

So zur Kritik:

ich habe das Werk nun durchgelesen. Und wundere mich, das sich beim ersten Mal Zwischen drinne abgebrochen habe.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen. Smartphone sei dank.

Vier Punkte sind mir besonders positiv aufgefallen:

1. Schon beim Flug des Schiffes und dann auch bei der Untersuchung der Kolonie stellte sich ein gewissen „Bedrohungsgefühl“ ein und man wartet als Leser auf den großen Knall.

2. Dis Diskussion um die Anwendung der Obersten Direktive. Clerke hat ja den Text in seiner Absolutheit interpretiert, was auch ein diskussionswürdiger Standpunkt ist. Denn im Grund hat er ja Recht. Jede Entdeckung ist ein Eingriff.

3. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass du relativ wenige weibliche Charaktere verwendet hast und dass man davon hätte ahnen können, dass einer aus dem Außenteam in „seine Angel in den Teich“ hängt.
Und da Clerke ne Verlobte hatte und Ter Nedden mit der Pilotin flirtete, kamen ja nur noch Williams oder Jonas in Frage.

4. Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend. Letzter Punkt gilt auch IMO für die interessante Krankheit, an welcher der Captain leidet. Solche Rückblende nutze ich ja hier und da auch ganz gerne, gerade wenn es um prägende Charaktermomente geht.

********************************************************
Wo ich nicht ganz zufrieden bin ist der Schluss.

Klar hat der offene Schluss bezüglich Williams seinen Charme, aber er lässt einen auch irgendwie unbefriedigt zurück.

Zudem hätte ich gerade beim ihm etwas mehr Hintergrund gewusst, Vielleicht auch, warum gerade ER auf diesen „Südseecharme“ reinfällt.

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Noch Nachsatz zu Captain Jonas

Wir hatten ja die Diskussion bei Horpach über „Passivität“ des Captains gehabt. Und vermutlich hätte ich das auch bei Jonas angemeckert, wenn du nur die DA gepostet hättest. Jedoch für ein kleines Schiff und angesichts der Mission fand ich das beschriebene Verhalten von Jonas nicht weiter problematisch.

Und das er die Situation eher über Diplomatie klären wollte passte zu seien sonstigen verhalten. Und was mir gut gefallen hat, dass er über sein Verhalten und teilweise auch sein „Versagen“ – das steht bewusst in Anführungszeichen – reflektiert. Das nimmt diesen passiven Verhalten die Intensität bzw. auch die Problembehaftung.

Vielleicht gelingt dir dasselbe, wenn mal Horpach in einen Einsatz zu sehen ist.

Fazit:

Ich gebe der Story 9 von 10 Punkten

Wer eine fordernde Geschichte lesen will ist hier genau richtig.
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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #36 am: 28.06.12, 15:08 »
Alex, vielen Dank fürs Lesen und für das lange Feedback :) Das weiß ich sehr zu schätzen  :lieb



ich habe das Werk nun durchgelesen. Und wundere mich, das sich beim ersten Mal Zwischen drinne abgebrochen habe.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen.
Danke für das Kompliment. Schon ab einer frühen Phase der Geschichte sollten "Rätsel" (thematischer Natur aber auch die Figuren betreffend) Interesse wecken. Es freut mich, dass das geklappt hat.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen. Smartphone sei dank.

Vier Punkte sind mir besonders positiv aufgefallen:

1. Schon beim Flug des Schiffes und dann auch bei der Untersuchung der Kolonie stellte sich ein gewissen „Bedrohungsgefühl“ ein und man wartet als Leser auf den großen Knall.

Danke :) Beim Schreiben ist mir auch aufgefallen, dass es bei dem Szenario - landschaftliches Idyll bei einem gleichzeitigen Gefühl der Deplatziertheit (etwa durch das Empfinden der Künstlichkeit) - durchaus zu Irritationen kommen kann und das wollte ich schon auch nutzen, damit ein Bedrohungsgefühl entstehen kann.

2. Dis Diskussion um die Anwendung der Obersten Direktive. Clerke hat ja den Text in seiner Absolutheit interpretiert, was auch ein diskussionswürdiger Standpunkt ist. Denn im Grund hat er ja Recht. Jede Entdeckung ist ein Eingriff.
Ich habe ja auf Aliens gesetzt, bei denen der menschliche Besucher schon mal bereit sein kann, eine Distanz aufzugeben. Bei Bynären wäre das ja zum Beispiel anders. Aber gerade durch diese Basis musste das schon eine Geschichte werden, die die Oberste Direktive "untersucht" oder "durchspielt"...

3. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass du relativ wenige weibliche Charaktere verwendet hast und dass man davon hätte ahnen können, dass einer aus dem Außenteam in „seine Angel in den Teich“ hängt.
Und da Clerke ne Verlobte hatte und Ter Nedden mit der Pilotin flirtete, kamen ja nur noch Williams oder Jonas in Frage.
Ja, das Verhältnis Mann7Frau spielt in dieser Geschichte schon eine zentrale Rolle. Das zieht sich durch die gesamte Geschichte, egal ob es um die Figuren selbst geht, um die Außerirdischen oder um Jonas' Vergangenheit oder die Parabel, die er dem Häuptling erzählt. Ich fand es sehr spannend, das Konzept so aufzuziehen, obwohl oder auch gerade weil es dadurch ein wenig mit der selbstverständlichen Gleichberechtigung bricht. Aber dafür ist es hier um so spannender, sich zu vergängenwärtigen, welche Rollen die Frauen in "FeW" spielen.

4. Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend.
Ja, der Raumschiffname ist wirklich wichtiger, als man zunächst meinen möchte. Wie ich auch in den Interpretationskommentaren hier im Thread geschrieben habe bzw. noch schreiben werde, spielt er sozusagen auf verschiedenen Ebenen "mit". Ich mag das sehr, so verschiedene Träger einer Botschaft einzustreuen, denn einen Schiffsnamen nur nach dem schönen Klang zu wählen ist nett, aber man kann noch viel mehr damit machen.

Klar hat der offene Schluss bezüglich Williams seinen Charme, aber er lässt einen auch irgendwie unbefriedigt zurück.

Zudem hätte ich gerade beim ihm etwas mehr Hintergrund gewusst, Vielleicht auch, warum gerade ER auf diesen „Südseecharme“ reinfällt.
Stimmt, Williams habe ich nicht besonders freundlich behandelt ;) :D
SPOILER-Warnung
Ich glaube, es man weiß schon, was mit dem Commander geschehen wird, auch wenn ich es im Text nicht weiter ausgeführt habe. Im fünften Kapitel sagt er ja einen denkwürdigen Satz, er meint es scherzhaft, sagt aber sein Schicksal voraus: »Hier«, sagte Williams lachend und im Scherz, »gehe ich nicht mehr weg!«
Gut, dass schließt auch ein Happy-Ending nicht aus, aber dafür halte ich ihn für zu ignorant - und diese Ignoranz ist zwar nicht selbst durch Erlebnisse in der Vergangenheit erklärt, erklärt aber seine mangelnde Distanz zu den Dingen und zeigt, dass er nicht gut reflektieren kann. Er verläßt sein Schema nicht.
Ende der SPOILER-Warnung

Aber es stimmt schon, es ist nicht vollkommen fair, Williams' Hintergrund nicht stark zu beleuchten. Beim Captain ist das anders. Tatsächlich werden zwei Figuren aufgewertet dadurch, dass sie eine Vergangenheit besitzen: Ter-Nedden und Jonas. Die anderen können sich nur durch ihre Handlungen innerhalb des Zeitrahmens bewähren, den wir in der Geschichte sehen. Das ist halt ein spezielles Wirksystem und es bedeutet, dass für mich nicht die Figur Williams von Bedeutung ist - während das bei Jonas anders ist, hier geht es schon darum, den Charakter zu beleuchten -, sondern fast nur das, was er für die Handlung bedeutet.


Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend. Letzter Punkt gilt auch IMO für die interessante Krankheit, an welcher der Captain leidet. Solche Rückblende nutze ich ja hier und da auch ganz gerne, gerade wenn es um prägende Charaktermomente geht.

[...]

Noch Nachsatz zu Captain Jonas

Wir hatten ja die Diskussion bei Horpach über „Passivität“ des Captains gehabt. Und vermutlich hätte ich das auch bei Jonas angemeckert, wenn du nur die DA gepostet hättest. Jedoch für ein kleines Schiff und angesichts der Mission fand ich das beschriebene Verhalten von Jonas nicht weiter problematisch.

Und das er die Situation eher über Diplomatie klären wollte passte zu seien sonstigen verhalten. Und was mir gut gefallen hat, dass er über sein Verhalten und teilweise auch sein „Versagen“ – das steht bewusst in Anführungszeichen – reflektiert. Das nimmt diesen passiven Verhalten die Intensität bzw. auch die Problembehaftung.

Vielleicht gelingt dir dasselbe, wenn mal Horpach in einen Einsatz zu sehen ist.
Ja bei Jonas ist das eine interessante Sache! Von Anfang an scheint er ein Problem mit dem Amt des Captains zu haben und das wird hauptsächlich dann verständlich, wenn man sein Trauma erfährt. Er scheint die eigenen körperlichen und psychischen Auswirkungen noch auf irgendeine Weise mitzuschleppen; das ist aber nur das eine, das andere ist, dass er irgendwie Probleme mit Befehlen zu haben scheint. Nicht, dass er keine Skrupel hätte, seine Untergebenen in ähnlich existenziell bedrohliche Situationen zu bringen, wie ihm es als Commander widerfuhr. Und trotzdem spürt man ab und an diese Passivität, die Dinge einfach auch laufen zu lassen.
Sein Vorteil ist wirklich, dass er sein Verhalten überdenken kann und umgekehrt seine Offiziere auch nicht wirklich gängelt. Aber es ist auch sein erstes Kommando, er scheint noch in einem Lernprozess.

Horpach, da hast Du Recht, ist sicherlich kein unähnlicher Fall. Seine Motive dürften etwas anders sein - obwohl auch er ja ein Trauma durchlitten hat. Aber er ist ja praktisch schon ein alter Hase, während ich mit bei Jonas noch eine Art Entwicklung vorstellen kann.
Horpach im Dienst respektive in einer Geschichte zu erleben, wird sich wirklich von dem Dienstakten-Eintrag abheben. Er ist schon auch eine spannende Figur, weil sich bei ihm viel abspielen wird, auch wenn er nach außen unspektakulär erscheint. So ein Charakter spielt in der Prosa wohl seine Stärken erst wirklich aus.


Fazit:

Ich gebe der Story 9 von 10 Punkten

Wer eine fordernde Geschichte lesen will ist hier genau richtig.
Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass Dir die Geschichte so gut gefallen hat, vor allem auch deswegen, weil es ja meine erste längere Story war  :ebounce



Max

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IX
« Antwort #37 am: 08.07.12, 12:02 »

IX

Es ging wieder los. Monate war er nun inzwischen verschont geblieben; immer hatte er sich vor dem Moment gefürchtet, da es ihm das erste Mal als Captain heimsuchen würde. Gewöhnlich hatte Doktor Ter-Nedden immer einen Zusammenhang mit Stress ausgeschlossen, schon früher fand Jonas das irgendwie bedauerlich, auch jetzt, denn er stand unter Stress: Ein Mitglied seiner Mannschaft hatte eine Beziehung zu einer Einheimischen begonnen und sollte nun deswegen hingerichtet werden. Die körperlichen Anzeichen bei Jonas waren eindeutig; der Blutdruck stieg etwas, er bekam leichte Gänsehaut – obwohl dies auch ein Schaudern vor Angst sein konnte. Vor allem aber pochte ihm das Blut in den Adern, in den feinsten Äderchen des Gesichts, an Stellen der Wangen, wo er vormals gar nicht angenommen hatte, der Mensch besäße sie dort. Das Pochen wurde stärker, hielt sich auf hohem Niveau nur kurz, um schließlich mit Wärme auszuschleichen. Dann setzte das Gefühl des Juckens ein, eine Empfindung, die er besonders verabscheute, nicht nur, weil sie enervierend störte. Jetzt, das war ihm klar, würde sich entlang einiger Gesichtsäderchen eine Verfärbung abspielen. Es würden dort Male entstehen, in Form von simplen Gewitterblitzen oder Flussverläufen aus großer Entfernung. Von früher war ihm noch bekannt, dass sie orange, rot, violett oder blau sein konnten; wie sie jetzt aussahen, wusste er nicht. Wie beinahe immer, so konnte er sich auch dieses Mal nicht beherrschen und tastete mit den Fingern beider Hände, die juckenden Stellen beider Wangen ab, um die Veränderung irgendwie zu erfühlen und auch, wohl gerade jetzt, um den epidermalen Wandel schamhaft zu verstecken. Es war eine ganz intuitive Handlungsweise, die er nach den ersten Momenten dieses Überfalls, wie er es empfand, gleich wieder aufgab. Wenn er etwas von den wenigen Ausbrüchen bisher gelernt hatte, dann das, dass er in seiner eigentlichen Leistungsfähigkeit durch sie nicht sonderlich beeinträchtigt wurde. Als benötige er diese Legitimation, fiel ihm auch das kurze Gespräch mit dem Admiral und die Versicherungen von Leuten wie Ter-Nedden ein, die ihm weiterhin volle Diensttauglichkeit – auch für den Posten des Raumschiffkommandanten – bescheinigten. Die Blicke, die er nun nach links und rechts warf, waren anderer Natur. Er war mehr genervt als verunsichert. Zu den Automatismen, die jeden dieser Anfälle begleiteten, gehörte auch ein mal stärker mal schwächer empfundener Zorn; Jonas lehnte sich stets aufs Neue gegen das Ereignis von damals auf, dem er diese Male verdankte. Maahzel, Lhaazel und den anderen konnte die Veränderung nicht verborgen bleiben. Der Häuptling wurde still, im Hintergrund regte sich jedoch immer lebendiger werdendes Getuschel. Jonas kannte Menschen, auch Leute in seinem Rang, die diese Situation mit einem Scherz überspielt hätten, andere hätten einen derartigen Anfall dramatisch in Szene zu setzen versucht; er selbst hob bereits zu einigen knappen aber klaren Worten der Erklärung an, doch das war nicht nötig. Das Gemurmel aus den hinteren Reihen wurde sukzessive weniger, Jonas hatte sogar den Eindruck, die Eingeborenen, von denen es herrührte, wichen etwas von ihm zurück. Maahzel indes trat einige Schritte auf ihn zu. Er sprach leise einige Formeln vor sich hin, die der Universalübersetzer entweder nicht verstand oder in der Ausgabe bloßer Worthülsen für sinnvoll befand. So nah stand der Häuptling inzwischen am Sternenflotten-Kommandanten, dass er ihn mit Leichtigkeit berühren konnte und tatsächlich streckte er seinen linken Arm aus, faltete aus der eben noch geschlossenen Faust langsam die Finger aus und wollte mit Zeige- und Mittelfinger die rechte Wange seines Gegenübers berühren. Jonas setzte einen Schritt zurück, doch Maahzel folgte ihm und nach dieser ersten intuitiven Flucht blieb der Captain stehen und ließ den Fremden gewähren. Die Berührung war weder angenehm noch das Gegenteil; der Häuptling strich mit den Fingerkuppen zwei-, dreimal über die Stellen der Wangen, an denen Jonas die Male vermutete, und wandte sich dann halb ab. Mit den Lippen formte er zwei, drei Worte, die Jonas nicht verstand, presste dann den Mund mit der Mimik eines zufriedenen Nickens zusammen. Ein paar Indigene, vor allem ältere, hoben einen nicht lauten, dafür aber sakral-feierlichen Lobgesang an. Eine merkwürdige Trance erfasste nun alle Einheimischen, in der es der Doktor wagte, langsam zum Captain zu schreiten und sich flüsternd mit ihm zu unterhalten.
»Wie geht es Ihnen?«, war seine erste Frage, Jonas winkte nur ab.
»Seltsam, nicht wahr, Doktor?«
»Ja. Man könnte meinen...«, hob Ter-Nedden an, ließ den Satz aber grundlos offen.
»Das kann schlecht für uns werden, oder aber uns in die Karten spielen.«
»So ist es meistens«, entgegnete Ter-Nedden scherzhaft, wurde aber sofort wieder ernst. »Wir wissen von ihnen zu wenig. Ich musste nur gerade an Derrida denken. Egal. Es darf uns jedenfalls nicht überraschen, wenn diese Leute dem, was mit Ihnen passiert ist, eine zeichenhafte Bedeutung beimessen.«
Jonas nickte, überließ das Reden jedoch dem Doktor und beobachtete stattdessen die Umgebung. Es war, so befand er nun, weniger eine Trance, als vielmehr ein verzückter Wachzustand, in dem sich die Einheimischen befanden – wie eine bescheidene Feier, in der sie sich nicht stören ließen.
»So eine Veränderung«, meinte der Doktor; er sprach immer leiser, »kann natürlich wie etwas Göttliches gedeutet werden. Wir sehen es als Symptom einer Krankheit, ich sehe aber keinen Anhaltspunkt, dass es von deren Seite ähnlich oder irgendwie negativ aufgefasst wurde. Mal sehen, was daraus wird.«
Minuten mochten inzwischen vergangen sein, nach und nach löste sich die Versammlung auf, sodass am Ende nur noch Jonas, Ter-Nedden und etwa ein Dutzend Indigene, unter ihnen Maahzel und Lhaazel, in der Hütte übrig blieben.
»Die Lage hat sich geändert«, verkündete Maahzel.
Der Doktor zwinkerte Jonas zu.
Effektvoll warf der Häuptling einen Vorhang zur Seite, der für diesen Hüttenraum als Türe fungierte.
»Jonas«, sprach er einigermaßen festlich, »wir haben das Zeichen gesehen und ich entscheide daraufhin: Die Hinrichtung wird verschoben. Ein solches Zeichen kann nicht übergangen werden.«
Jonas, der sitzen geblieben war, hielt den Kopf immer noch nach vorne gerichtet und sah mit den Augen von unten herauf.
»Es«, begann er nun zu sprechen, »ist nun die Frage, was Sie aus diesem Zeichen machen wollen...«
»Es ist mir durchaus bewusste, dass Sie, Jonas, damit nicht das gleiche verbinden wie wir, für Sie ist es nur eine Erscheinung von vielen.«
Jonas hätte ihm widersprechen können, den die Aussage des Indigenen deckte sich kaum mit seiner inneren Befindlichkeit zu diesem Thema; von Bedeutung war das jetzt aber nicht. Maahzel sprach weiter.
»Williams kann sich freuen: Sie bekommen die Möglichkeit ihn zu retten.«
Jonas stand auf.
»Wie?«
»Er wurde verurteilt, weil er die Verbindung mit Jumi gesucht hat. Das aber ist nur dann erlaubt, wenn er sie liebt.«
Jonas wollte gerade nachfragen, wie der Häuptling sich so sicher sein könne, dass das nicht der Fall sei; seine Male durchfuhr in diesem Moment aber ein leichtes Brennen und so als wolle er sich von einem lästigen Insekt befreien, wischte Jonas reflexartig über seine Wange; schon hatte Maahzel weitergesprochen.
»Reden Sie mit Williams.«
»Wie ist er zu retten?«
»Reden Sie erst mit ihm, wir werden uns in einigen Augenblicken wieder hier treffen – dann das übrige.«
Maahzel wies mit der Hand zum Vorhang. Des Rätsels Auflösung würde also noch auf sich warten lassen.

Williams sah nicht gut aus. Körperlich schien er unversehrt, doch die Aussicht auf die drohende Hinrichtung hatte psychische Spuren hinterlassen.
Jonas, Maahzel und eine Wache betraten den Raum, der Häuptling flüsterte dem Captain einige unbedeutende Worte zu und verschwand wieder; der Bewacher blieb.
Sofort sprang Williams auf, mit nur drei, vier Schritten stand er schon bei seinem Kommandanten.
»Sir!«
»Mister Williams, wie geht es Ihnen?«
»Sie haben mir noch nichts getan, aber ich weiß nicht wo Jumi ist.«
»Ihr wird nichts geschehen sein.«
»Captain, hören Sie!«, nun senkte der Commander die Lautstärke seiner Rede und schlenderte wie beiläufig in eine andere Ecke des Raums. Tatsächlich folgte die Wachen den beiden Sternenflottenoffizieren nicht.
»Captain: Wir sind zwei gegen einen. Da ich schon länger hier bin, kenne ich mich ein wenig aus. Uns gelingt es sicher, ihn niederzuschlagen. Dann müssen wir einfach durch den Durchgang, aus dem Sie gekommen sind, hinaus; nach dem nächsten Durchgang sind wir bereits draußen. Nach Westen kommen wir am schnellsten aus der Siedlung. Jumi wird sicher in einer der Hütten in der Dorfmitte festgehalten. Reev steht doch sicher schon mit einem Team bereit? Mehr als eine Handvoll Bewacher wird sich uns nicht in den Weg stellen.«
Williams war kaum zu bremsen. Obwohl er wusste, dass sie nicht viel Zeit haben würden, ließ der Captain seinen ersten Offizier aussprechen.
»Mister Williams. Ich weiß nicht noch wie, aber Maahzel sagte, ich bekäme Gelegenheit Sie zu retten.«
In Williams’ Blick war eine eigenartige Form von Staunen festzustellen. Natürlich war er davon ausgegangen, dass es einen Weg zu seiner Rettung geben würde. Die Bedrohung seines Lebens war real, das hatten sie gesehen. Erwartet hatte er ein Rettungsmannschaft, die mit Phasern bewaffnet die Hütte stürmen würde, um ihn noch vor der dramatischen Stunde aus dem Dorf zu bringen. Es war diese Gemütslage als Mischung aus Vertrauen in die Sternenflotte und Todesangst, die ihn für eine weitere Alternative eigentlich nicht zugänglich machte. Beschreibbar wäre sein Empfinden in diesem Moment wohl auch damit gewesen, dass er voller Unverständnis die Reaktion seines Kommandanten aufnahm, der scheinbar den Weg zur Rettung in einer Illusion, im Handel mit den Fremden, suchen wollte.
»Mister Williams, beantworten Sie mir folgende Frage: Lieben Sie Jumi?«
»Sir?«
»Sie sollten nicht annehmen, dass wir viel Zeit hätten, also beantworten Sie mir die Frage. Sie ist ernst gemeint.«
Commander Williams zögerte; nicht, weil ihm die Antwort schwer fiel.
»Ja, Captain, das tue ich«, entgegnete er schließlich.
»Nun gut, diese Sache wäre geklärt.«
Verwirrt sah Williams vor sich hin, sein Blick fiel auch auf die Male in Jonas’ Gesicht. So als sei es diesem unangenehm, einem anderen diesen Anblick zu bieten, wandte er sich ab. Da erschien bereits Maahzel. Ein kleines Zucken überfiel nun Williams – es sollte wohl ›immerhin noch zwei gegen zwei‹ bedeuten, doch Jonas verließ ohne irgendwelche Anstalten zusammen mit dem Häuptling den Raum.

Sie waren nun wieder im vorherigen Aufenthaltsraum.
»Sie haben mit ihrem Mann gesprochen. Nun mein Angebot: Wenn er Jumi wirklich liebt, lasse ich ihn am Leben.«
»Ich weiß, dass er sie liebt«, entgegnete der Captain.
»Eine Aussage genügt hier nicht, Jonas. Sie müssen es beweisen. Sie müssen es mir beweisen.«
»Wie kann ich das beweisen?«, wollte der Captain wissen, erkannte aber sogleich, als er die Worte gesprochen hatte, dass diese Frage sinnlos wenn nicht gar der Sache abträglich gewesen war. Es schien allerdings, als sei Maahzel darüber nicht stutzig geworden; sein Angebot galt.
»Bedenken Sie sich, Jonas. Ich gebe Ihnen einige Augenblicke, wenn ich zurückkehre, erwarte ich Ihre Antwort.«
Der Captain blieb allein zurück.
›Nichts weniger als der Beweis für Liebe!‹, dachte sich Jonas, ›nichts weiter als das.‹ Und während sich so die Ironie seiner bemächtigte, begann er auf und ab zu gehen. Voll Unzufriedenheit schüttelte er immer wieder den Kopf, denn die Absurdität dieser Aufgabenstellung verärgerte ihn; es fiel ihm schwer, Gedanken zu einem Schluss bringen. Die Male juckten.
Es mochten vielleicht vier Minuten vergangen sein, da blieb er stehen und was er eben noch im Geiste gedreht und gewendet hatte, platzte nun aus ihm heraus.
»Nicht die Kinder bloß speist man mit Märchen ab«, lachte er leise. »Nun gut, soll er nur kommen.«
Doch statt Maahzel trat Ter-Nedden plötzlich in den Raum ein.
»Captain!«
»Ja? Ah gut, Doktor!«
»Was hat sich hier ereignet? Wie geht es dem Commander?«
»Noch gut. Hören Sie, Doktor, möglich, dass sich die Sache hier schnell dreht.«
»Und wie?«
»Später. Was ist mit Mister Reev?«
»Ein Team steht bereit. Werden wir es brauchen?«
»Nein. So oder so. Wie ist der letzte Stand: Glaubt Mister Borland, dass er den Transporter funktionstüchtig machen kann?«
Ter-Nedden besah sich die Male, wiederum drehte sich Jonas, diesmal eher ungeduldig, ab.
»Ja, schon gut«, kommentierte Jonas das mit nicht unbeträchtlichen Unwillen; jetzt erst antwortete Ter-Nedden.
»Es gibt keine Möglichkeit zu beamen.«
»Egal. Dann muss es eben anders gehen.«

Die Stimme Maahzels erklang, feierlicher, als die beiden Menschen sie je gehört hatten.
»Jonas. Es ist Zeit für Ihre Entgegnung.«
»Sir?«, flüsterte Ter-Nedden seinem Captain zu.
»Alles in Ordnung. Doktor, gehen Sie wieder hinaus. Befehl an Mister Reev: Nicht eingreifen. Sie haben verstanden?«
»Ja, Sir.«
Obgleich die Blicke Maahzels strenger wurden, war Ter-Nedden nicht zu bewegen, den Raum sofort zu verlassen. Schließlich, beinahe grimmig, ließ er die beiden anderen doch alleine.
»Jonas«, wiederholte Maahzel seine Formel, »es ist an der Zeit.«


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel IX

Diese Kapitel beginnt mit einem großen Bruch. Endlich klärt sich das Geheimnis von Captain Jonas wenigstens ein wenig, auch wenn die Zusammenhänge noch im Dunklen bleiben. Die Person, von der Doktor Ter-Nedden im neunten Kapitel spricht, ist der französische Philosoph Jacques Derrida. Die Male in Jonas' Gesicht werden mit Flüssen verglichen und sie ziehen sich über die Wangen: Angespielt wird damit natürlich auf Tränen. Das ist eine Verbindung mit dem Schiffsnamen und steht für eine tiefempfundene Melancholie und Trauer, die den Captain auch in Form von Passivität begleitet.

Es ist ironisch, dass Jonas hier vollkommen passiv eine Veränderung einleitet. Das Zeichen ist natürlich der Rückgriff auf den alten (klischeehaften) Topos des pseudo-göttlichen Auftretens europäischer Entdecker bei Ureinwohnern.

Und wiederum ist Williams isoliert und das obwohl er sich scheinbar typischer Handlungsmuster der Sternenflotte bedient. Aber Jonas denkt gar nicht daran, Williams mit mehr oder weniger gewaltsamen Mitteln zu befreien, sondern hält sich an die Spielregeln, die ihm der Häuptling aufgezwungen hat.

Die eigentliche Aufgabe Jonas' bedient sich einer paradoxen Grundlage: Der Beweis von Liebe - ein Beweis als logisch-mathematische Findung einer unbestreitbaren Wahrheit einerseits, die Liebe als wohl intensivstes und zugleich am schwierigsten herleitbares Gefühl.
Mit den Worten "Nicht die Kinder bloß speist man mit Märchen ab" [S. 55] zitiert Mark Jonas Nathan aus Gotthold Ephraim Lessings Stück "Nathan der Weise" im sechsten Auftritt des dritten Aufzugs, kurz bevor Nathan Saladin die Ringparabel erzählt.

« Letzte Änderung: 15.07.12, 13:03 by Max »

Max

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Kapitel X
« Antwort #38 am: 15.07.12, 13:02 »

X

Seine Male juckten wieder. Früher öfter, nun dachte er kaum noch an jene Tage zurück, die ihm dieses Unheil beschert hatten. Das war ungesund, nicht das eigentliche Symptom selbst. Jonas verdrängte, und er verdrängte nicht einmal sonderlich gut; sonst wäre es ihm nämlich gelungen, die Konzentration auf etwas anderes zu lenken, oder vielmehr: weiter ein Leben zu führen. So hilfreich Ter-Nedden im Übrigen war, hier schien er an Jonas’ Unzugänglichkeit zu scheitern. Ob der Doktor seine Methode des Einwirkens tatsächlich aufgegeben hatte, konnte indes nicht gesagt werden. Jonas zweifelte daran, immerhin beschäftigte ihn diese Frage auch nicht mehr. Nun dachte Jonas wieder an früher, recht unwillkürlich, plötzlich, und sollte er später analysieren, warum dies der Fall war, so käme er wohl an der Erkenntnis nicht vorbei, dass es an seinem neuen Amt als Captain lag.

Der Captain hatte die Evakuierung von Harus Drei befohlen, als man dort angekommen war, hatte es den Planten bereits nicht mehr gegeben. Auf wabernden Gravitationswellen waren ihnen Schutt und Dreck entgegengeflogen. Strahlung der zerstörten Himmelskörper hatte die Schilde destabilisiert, der Captain hatte sogleich den Rückzug nach Harus Vier angeordnet, in der Hoffnung, die dortigen Kolonisten an Bord nehmen zu können, noch ehe die Explosionswirkungen auch diesen Planeten erreicht hätten. Commander Jonas aber hatte er mit einem Spezialauftrag betraut. Der Captain hatte gewusst, dass seine Frau, eigentlich auf Harus Vier stationiert, für einige Tage auf dem siebten Planeten des Systems abgesetzt worden war, um dort ihren Studien nachzugehen; das Schiff nun war bei Harus Vier gebunden, Commander Jonas und der Sicherheitsoffizier aber hätten mit einem Shuttle des Captains Frau suchen sollen. Jonas hatte anfangs protestiert, nicht zu vehement, dafür mit einer Reihe von Argumenten, die seine Ansicht wiedergegeben hatten, der Commander eines Schiffs müsse – wie der Leiter der Sicherheit auch – in einer Situation wie dieser, in der nicht nur viel Koordinationsarbeit zu leisten war, sondern Schiff und Crew selbst in Gefahr geraten könnten, an Bord bleiben. Die Überzeugungsarbeit war fruchtlos geblieben, sodass sich Jonas und Lieutenant Letlet, Schiff und herannahende Wellenfronten im Rücken, nach Harus Sieben begeben hatten.
Groß und grün war dieser Planeten in den Weiten des Alls gelegen; die Landeprozeduren waren von ständiger Sorge, aber auch Unmut begleitet gewesen, ansonsten aber reibungslos verlaufen. Schwieriger hatte sich die Suche nach der Frau des Captains gestaltet. Die kleine Lagerbaracke, etwas wie ein Ankunfts- und Abholpunkt, hatten sie verwaist vorgefunden. Letlet war auf die Idee gekommen, getrennt weiter zu gehen, doch Jonas hatte angesichts der unübersichtlichen Situation des dichten und ihnen vollkommen unbekannten Urwaldes anders entschieden. Laut hatten sie den Namen der Frau gerufen, aber ihre Schreie waren vom Dschungel regelrecht verschluckt worden.
Es war bereits der Abend am Hereinbrechen, da hatten die ersten Lichtboten der Katastrophen den Himmel von Harus Sieben erreicht: zunächst violette, über die Wölbung des Firmaments hinwegfliegende Blitze, dann blaues Funkeln, Billiarden von Sternen gleich. Umgehend hatte Jonas den Befehl gegeben, zum Shuttle zurückzukehren; schon hatte er den Startmechanismus eingeleitet, da hatte Letlet Entwarnung geben können. Von den optischen Phänomen und einem kleinen Strahlungsregen abgesehen, war Harus Sieben scheinbar außerhalb der Reichweite der ersten Zerstörungswelle gelegen. Anschließend hatte Jonas, vom Gefühl der Sorge noch immer nicht befreit, immerhin aber weniger von Wut gebeutelt, die Sensoren des Shuttles zur Suche nach menschlichen Lebenszeichen genutzt. Tatsächlich waren sie fündig geworden, doch das Zielgebiet, obgleich nicht unerreichbar weit entfernt, war für die Landung mit dem Shuttle zu dicht mit Pflanzen überwuchert gewesen. Den Nottransporter des Shuttles zu nutzen, um die Frau des Captains an Bord zu beamen, hatten beide aufgrund der Interferenzen durch die neue leichte Strahlung nicht wagen wollen. So war nur der erneute Fußmarsch geblieben. Jonas hätte ihn am liebsten auf den nächsten Morgen gelegt, um vom Tageslicht zu profitieren, doch weil niemand mit Sicherheit hatte sagen können, welche Ausmaße die wütenden Zerstörungen im Sternensystem noch annehmen würden, hatten sie sich weiterhin beeilen müssen. Die Sorge hatte nun nur ihnen selbst gegolten, wie sie mit ihren Leuchten hinein in die immer dunkler werdende Wand des Urwalds gegangen waren.
Letlet hatte es zuerst erwischt. Mitten im Marschieren – sie mochten noch etwa einen Kilometer von der zu erwartenden Position der Frau entfernt gewesen sein – hatte er aufgeschrieen, nach langem Zetern war er, zuerst mit Zitteranfällen, dann vollkommen ruhig, zu Boden gestürzt und liegen geblieben. Jonas hatte sich um ihn bemüht, mit Worten des Zuspruchs und auch mit Diagnosen, leidlich aus den Anzeigen des Tricorders übernommen. Noch in der Überlegung Jonas’, ob er den Lieutenant zum Shuttle zurückschleppen sollte, war Letlet am Unbekannten verstorben. Jonas hatte es am Lichtwechsel der Tricorder-Anzeige erkannt. Als er, leicht vor Aufregung, Entsetzen und Trauer bebend, am frischen Leichnam entlang geleuchtet hatte, waren ihm kleine Fäden, Tiere wie graue Würmer aufgefallen, die unter dem Leib hervorzukriechen schienen. Angewidert, sogleich aber auch von Panik ergriffen, hatte Jonas losrennen wollen, doch die Vernunft hatte ihm geraten nicht kopflos hinein in die Finsternis zu laufen. So hatte er sich nur einige Zentimeter, am Ende vielleicht ein, zwei Meter von den langsam kriechendem, sich in den Erdboden eingrabenden Gewürm entfernt. Von der inneren Unruhe bis an die Grenze des Ertragbaren geführt, hatte er sich ein Ventil für die Empfindungen suchen müssen: ein Schreien, ein kurzes, unartikuliertes Rufen; ein Schrei, in dem alle Angst, all das Entsetzen und all die Hilflosigkeit des Moments zu liegen hatte. Ein kleiner Erfolg war nicht ausgeblieben, Jonas hatte zu gewohnter Tatkraft zurück gefunden. Ein vorerst letzter Blick hatte Letlet gegolten, dann war Jonas mit vorsichtigen Schritten weiter gen Anzeige gegangen; er hatte angefangen, jeden Meter zu rechnen, war langsamer als in den Stunden zuvor, denn fast jeden Tritt war ab jetzt das Ausleuchten des Bodens vorangegangen. Schutz hatte er sich davon indes kaum versprechen können; es war ihm ein Rätsel geblieben, wie es zum plötzlichen Tod Letlets gekommen sein konnte. So war er weiter gegangen und hatte auf seinem Gerät kontrollieren können, wie er der nur langsam gehenden Frau immer näher und näher gekommen war.
Dann hatte auch ihn etwas erwischt; es hatte mit einem Schaudern im gesamten oberen Rumpf begonnen, ein leichtes Zittern wie vor plötzlich empfundener Kälte. Rasch hatte sich das Gefühl über den ganzen Körper verbreitet, ebenso rasch war es wieder verschwunden. Zuerst, im Weitergehen ungehindert, hatte er die Empfindung auf ein der allgemeinen und speziellen Situation geschuldetes Erschaudern geschoben. Doch dann hatten Lähmungserscheinungen eingesetzt; nicht mehr als eine Minute und etwa zweihundert Meter vom Ziel dieser schaurigen Expedition entfernt, war er zu Boden gesackt.
›Das kommt nicht von unten‹, hatte er sich, irgendwann Mantra-gleich, gedacht. ›Es kann nicht dasselbe sein wie bei Letlet‹, hatte er so ziemlich ohne jede Grundlage gemutmaßt. Die Bedrohung dieses Waldes hatte nicht im Großen, nicht in meterlangen und kiloschweren Raubkatzen gelegen, sondern im Kleinen, im ihm nicht Sichtbaren. So hatte er gelegen, Stunden und Tage im Gefühl, nur einige Minuten in der Realität. Nach solchen Ewigkeiten war es ihm schließlich gelungen, den Kopf, nachdem die Lähmung von der oberen Körperhälfte zu weichen begonnen hatte, zur Seite zu drehen; er hatte in einen schmalen Sektor beleuchteten Urwaldbodens geblickt, entlang eines Ausschnitts, den der beim Sturz zu Boden gefallene Scheinwerfer erhellte. Nach den Würmer hatte er Ausschau gehalten. Als er alle Gliedmaßen wieder bewegen hatte können, war er, so schnell wie es ihm im ersten Moment schwacher Freiheit gelungen war, aufgesprungen, hatte sich den kleinen Scheinwerfer geschnappt und war, rascher und doch gleich bedacht wie zuvor, ohne nachzusinnen wieder losmarschiert. Noch immer hatte er auf sein Rufen keine Antwort erhalten, in der Wand aus Bäumen und Sträuchern hatte man nicht mehr als vielleicht zehn Armlängen freie Sicht, lagen nur noch zwanzig Meter zwischen ihm und dem, was der Tricorder als roten Zielpunkt auf der Anzeige markiert hatte.
Dann war er in eine kleine Lichtung getreten, in deren Mitte hatte er sie schließlich gefunden, die Frau des Captains. Die Gegend um den wie tot daliegenden weiblichen Körper ausleuchtend, war ihm die ausgemergelte, die wie abgebrannt öde Erde dieser Schonung aufgefallen. Er hatte die Frau aufgerichtet, unablässig ihren Namen vor sich hin sprechend; sie war in ihrem tiefen Schlaf geblieben. Erst jetzt hatte er medizinische Scans durchgeführt, zuerst an ihr, dann an ihm selbst.
Schließlich war er in einen Erschöpfungszustand geraten, beinahe eingeschlafen. Doch ohne zu wissen, wovor genau er sich in Acht zu nehmen hatte und wie er sich gegen diese unbekannten Feinde zur Wehr setzen konnte, hatte er mit seiner Wache ausgehalten. Gerade war der Morgen angebrochen, da hatte er zum ersten Mal ein leichtes, damals im seichten Licht der frühen Sonne wie belebend empfundenes Kribbeln, Pochen und Jucken der Gesichtshaut empfunden. Male, violetten Strömen gleich, hatten beide Wangen bis zu den Schläfen überzogen.
Dann hatte Jonas ein leichtes Beben des Boden wahrgenommen; vom Himmel fielen vereinzelt Kometen. Es war endgültig der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen, das hatte Jonas begriffen, auch wenn er in sich Zeichen einer fremden Krankheit gefühlt hatte. In einem energischen Griff hatte er die Frau unterm Rücken und unter den Knien gepackt und sie hochgerissen, doch die erste Pause hatte Jonas schon beim Erreichen des Waldes machen müssen, noch Kilometer vom Shuttleschiff entfernt. Vom Himmel hatte es Hunderte kleine Gesteinsbrocken aus dem All zu regnen begonnen. Nur ein geringer Prozentsatz hatte die Oberfläche tatsächlich erreicht, alle Einschläge hatten von kleinen Asteroiden hergerührt, doch die Wälder waren in Flammen aufgegangen. Jonas war kaum vorangekommen. Manche der Pausen, die er immer wieder eingelegt hatte, hatte er mit den Versuchen gerechtfertigt, mit dem Tricorder gefahrlose und schnelle Routen zu finden; der nächste Kilometer zum Shuttle, mit klarer Luft, war nicht von Bränden betroffen. Durch Scans hatte er auch vom Wegfall der Interferenzen erfahren und Pläne zur ferngesteuerten Sendung des Shuttles geschmiedet. Die Frau des Captains war über die ganze Zeit hinweg still geblieben, doch sie hatte nicht unter Fieber gelitten und ruhigen, konstanten Herzschlag und Atmung besessen. Die Einschlägen hatten aufgehört. Inzwischen waren die Pausen Jonas’ um ein Vielfaches länger als die Zeit seines Vorankommens geworden; irgendwann hatte er nur noch, sich schützend über die Frau gebeugt, geruht. Dann, Jonas hatte das Zeitgefühl eingebüßt, wurden beide auf das Raumschiff zurück gebeamt.
Es war ihm vorgekommen, als hätte er länger als nur ein paar Stunden geschlafen. Die Frau des Captains hatte sich unter der medizinischen Zuwendung Doktor Ter-Neddens noch rascher erholt, aber das hatte Jonas nicht mehr interessiert. Ja, es war ihm gleichgültig gewesen, sein eigener Zustand – das Jucken hatte aufgehört – hingegen nicht. Auch hatte er sich nicht als Held gefühlt, was damit zusammengehangen hatte, dass er das Unternehmen, dem Letlet zum Opfer gefallen war, zwar nicht für sinnlos aber doch für auf irgendeine Weise deplaziert gehalten hatte. Das ganze hatte sich bei ihm als ein großes Ärgernis eingeprägt. Das Schiff war inzwischen ebenso in Sicherheit gebracht worden wie die Kolonisten der verblieben Harus-Kolonien. Die Analyse und Diagnose der Vorfälle hatte für die Frau des Captains eine Art von nicht tödlich wirkendem Insektengift angenommen. Obwohl man die Wegstrecke Jonas’ gut nachvollziehen hatte können und er sich, sobald es sein Zustand möglich gemacht hatte, vom Schiff aus an der Suche beteiligt hatte, war der Leichnam Letlets nicht aufzufinden; er sollte verschwunden bleiben.
Was Jonas selbst anbetroffen hatte, so war Ter-Nedden diagnostisch schnell an Grenzen gestoßen. Zuerst hatte man auch die Fährte verfolgt, Jonas wäre wie die Frau des Captains von einem Insekt gestochen worden, doch selbst die feinsten Scans hatten keine Einstichstellen oder Infektionsherde zutage gefördert. Eine virale oder bakterielle Ansteckung über Hautporen oder die Atemwege war nicht auszuschließen gewesen, einen direkten Krankheitserreger zu isolieren hatte man indes erfolglos versucht. So war Ter-Nedden darauf verfallen, die eigentlichen Symptome zu lindern oder zu heilen und sich der Krankheit über Aus- oder Rückschlüsse zu nähern. Anfangs war Jonas etwas Inoprovalin verabreicht worden, gute Erfolge hatte man in der Folgezeit vor allem mit Hydrocortilen erreicht. Enttäuschend war jedoch doch die ästhetische Behandlung verlaufen: Die violetten Male im Gesicht hatte Jonas noch Wochen behalten, ehe sie ohne erkennbare Ursache schließlich binnen Stunden wieder vollkommen verschwunden waren. Ter-Nedden hatte es bei dieser Entwicklung nicht gewagt, die Krankheit als endgültig überwunden zu bezeichnen, sondern insgeheim bereits mit weiteren Schüben gerechnet, die schließlich – Jonas hatte seinen normalen Dienst wieder aufgenommen – wirklich eingetreten waren. Hatte er sich nach Harus-Sieben schwach gefühlt, so waren nun die juckenden Zeichnungen in seinem Gesicht die größte Form der Beeinträchtigung gewesen. Als sie zurückgekehrt waren, hatte Ter-Nedden noch einmal alle ihm zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden angewandt und obwohl sie ergebnislos geblieben waren, hatte Jonas diese mit den Untersuchungen einhergehende Isolation des normalen Umgangs mit den Leuten an Bord nicht als verlorene Zeit empfunden. Dieser Male hatte er sich von nun an zu schämen begonnen und Ter-Nedden hatte die Ursache hierfür in einem merkwürdigen Selbsthass Jonas’ erspürt, Unzufriedenheit mit seinem Verhalten als Commander, Unzufriedenheit mit dem Verhalten des Captains als kommandierenden Offizier.


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel X

Statt aufzulösen, mit welchem "Märchen" Jonas den Häuptling abspeisen möchte, wird jetzt der Ursprung seiner Male geklärt.
Hier geht es beinahe ausschließlich um Jonas. So bleibt der Captain, unter dem Jonas diente, ebenso namenlos wie dessen Frau. Dass der Begleiter Jonas' auf der Außenmission einen Namen trägt, stärkt weniger dessen Bedeutung als vielmehr den Umstand, dass sich Jonas in eine Situation begeben musste, in der er die Veränderungen, die aus ihr folgen, einfach zulassen muss.

Eine der Hauptfiguren erhält eine neue chronologische Einordnung: Ter-Nedden. Endgültig ist die Verbindung zu Jonas klar und die Unterhaltung in Kapitel VI ergibt nun einen Sinn: Ter-Nedden hatte befürchtet, die Administration hätte ihn Jonas' zur Seite gestellt, weil sie dem jungen Mann sonst nicht zugetraut hätte, ein Kommando zu führen.
Die Rückblende ist außerdem wieder ein Fall, durch den die Grenzen des Arztes und der Person Ter-Nedden aufgezeigt werden.


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Kapitel XI
« Antwort #39 am: 21.07.12, 12:27 »

XI

»Häuptling, glauben Sie wirklich, dass Liebe bewiesen werden kann?«, fragte Jonas, doch er ließ seinem Gegenüber keine Zeit, etwas zu entgegnen. »Keine geringe Aufgabe haben Sie mir da gestellt. Ich – und nicht Williams – soll eine tatsächliche Liebe mit einem Beweis verteidigen. Sie ließen mich nicht lange überlegen, ein Problem war das für mich aber nicht, denn auf meiner Heimatwelt ist so eine Situation schon einmal vorgekommen. Schon einmal wollte jemand von Außen über die Liebe richten.«
Er machte eine kurze Pause, es kam ihm aber gelegen, dass Maahzel mit keiner Bemerkung des Captains Redehoheit in diesem Moment unterbrach.
»Der Mann, der sich selbst damals diese Aufgabe stellte, war reich: Reich an Erfahrung, reich aber auch an Vermögen und Land – kurzum, nennen wir ihn einen Herrschenden. Seine Frau hatte er vor Jahren verloren, von ihr geblieben waren ihm zwei Kinder. Dem älteren Sohn würde er, das stand schon fest, die Macht übertragen, mehr lag ihm jedoch an der jüngeren Tochter. Er wusste, wie viel er an ihr zu verlieren hatte und doch sah er die Notwendigkeit, sie der Hand eines Bräutigams zu übergeben. Da man die Tochter wohl nicht zu unrecht zu den schönsten Mädchen des Landes zählte, und weil allgemein bekannt war, dass es ihr und ihrem Ehemann zu Lebzeiten nie an den Mitteln fehlen würde, sich jeden Wunsch zu erfüllen, warben Tag für Tag Freier um die Tochter des Herrschers. An dem Tag, an dem der Herrscher beschloss, sie tatsächlich zu verheiraten, hatten sich drei Männer bereits eingefunden, um um die Hand des Mädchens anzuhalten. Er verfügte, dass sie alle drei sein Anwesen nicht verlassen dürften. Weil der Herrscher wusste, dass seine Tochter auf mehrere Weisen begehrt wurde, wollte er sie nur demjenigen geben, der sie aufrichtig liebe. Jeder der drei sollte ihm ein Zeichen für eben diese Aufrichtigkeit geben, nach dem der alte Herrscher dann urteilen wollte. Nur einer, dessen Liebe echt sei, bekäme die Tochter, die beiden anderen hingegen würden auf der Stelle getötet. Für die drei Freier gab es nun kein Entrinnen mehr. So überlegte jeder von ihnen, welchen Beweis er dem Herrscher vorlegen könnte.
Der erste Freier war bereits ein alter Mann. Er versicherte, er werde seine gesamten Seelenkräfte – denn körperliche besäße er keine nennenswerten mehr – zum Wohle des Mädchens aufbieten. So signalisierte er, ohne Leidenschaft zu sein.
Der zweite war mittleren Alters und verfügte über große Reichtümer. Er verpflichtete sich, seine Güter allesamt dem Herrscher auf der Stelle zu überschreiben. So signalisierte er, dass es ihm nicht um den Besitz, sondern nur um das Mädchen ging.
Der dritte war ein Jüngling. Er bot sogar sein Leben auf: Dürfe nicht er die Tochter zur Braut nehmen, werde er nicht durch die Vollstrecker des Herrschers, sondern aus eigener Hand sofort den Tod finden. So signalisierte er, dass ihm sein Leben ohne das Mädchen ohnehin nichts mehr wert wäre.«
An dieser Stelle unterbrach Maahzel den Captain. Er hatte aufmerksam zugehört, doch man konnte merken, dass er gerne schon früher Jonas’ Redefluss mit Zwischenfragen oder Bemerkungen ein Ende gesetzt hätte. Erst jetzt hatte der Captain dem Häuptling hierfür eine Gelegenheit gegeben; schlicht aus dramaturgischen Gründen schien es ihm hier nämlich angemessen. Maahzels Frage war die zu erwartende.
»Wenn das die Beweise waren, wie entschied sich der Mann?«
Jonas glaubte, in den Augen des Fremden ein Funkeln entdeckt zu haben, etwas, das mehr preisgab, als dieser vielleicht beabsichtigt hatte. So konnte der Captain hoffen, zumindest mit dem Ansatz, den seine Antwort auf die Aufgabe, den Liebesbeweis zu erbringen, in die richtige Richtung zu gehen.
»Der Herrscher wusste immer noch nicht, wie er sich entscheiden sollte. Er hatte jedes Zeichen für die aufrichtige Liebe scharf beobachtet. Jeder Aspekt beruhigte eine seiner Befürchtungen, keiner jedoch alle Sorgen. So ließ er die drei Freier zunächst in der Ungewissheit zurück. Er rief seine Tochter zu sich, berichtete ihr alles und übertrug ihr schließlich die Entscheidung. Hören Sie, Maahzel?«
Genau beobachtete Jonas die Reaktionen Maahzels, hütete sich allerdings davor, zu rasche Schlüsse aus ihnen zu ziehen.
Maahzel nickte eifrig: »Ja«, entgegnete er mit einer Stimme, die nichts mit der polternden Stärke seines sonst so präsenten Habitus’ gemein haben wollte, »ich höre. Nur weiter!«
»Das Mädchen wusste die Lage einzuschätzen und entgegnete ihrem Vater, keiner der drei Freier werde ihr Mann, da sie keinen der drei liebe. Damit würde aber, so die Tochter, die väterliche Drohung gegenstandslos und alle drei Freier dürften ihr Leben behalten.«
Jetzt schwieg Jonas. Er gab dem Häuptling Zeit, über die bisherige Geschichte nachzudenken und Maahzel nahm dieses Angebot an. Er ging ein paar Momente im Raum auf und ab, Jonas, ganz so, als sei er ruhig, setzte sich. Maahzel blieb stehen. Natürlich konnte er so noch nicht befriedigt sein. Die Signale, mit denen in der Erzählung Beweisführungen geschehen sein sollten, hatten zwar etwas in ihm getroffen, allerdings keine Erwartungen gestillt. Hier lag Jonas mit seiner Einschätzung also richtig und auch mit seiner nächsten Reaktion sollte der Häuptling der Erwartung, die zu einem nicht unerheblichen Teil Hoffnung war, gerecht werden; während er sich dem Captain zuwandte, fragte Maahzel nämlich:
»Wer also war aufrichtig?«
Ein leichtes Lächeln konnte Jonas nicht unterdrücken: Den Rahmen der Erzählung unterzog Maahzel keinen Zweifeln, es war ihm vollkommen natürlich, dass die Natur des Verhältnisses der drei Freier zu der Tochter des Herrschers in einem grandiosen Akt offenbart und wahrhaftig erfasst werden konnte. Das Spiel mit den Stellvertretern war vollkommen aufgegangen. Jonas beeilte sich mit der Antwort und als er sich schließlich erhob, sprach er langsamer als zuvor, zog die Sätze und verzögerte ihre Pointen.
»Der erste Freier liebte das Mädchen nicht. Bereits alt an Jahren und ohne Furcht vor dem Tod berief er sich auf den einzigen Vorteil, den er zu haben schien: den Rat des Alters oder anders ausgedrückt: Der Vorzug des Geistes vor dem Körper. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, suchte er nicht nur die Ferne, sondern auch die Arme eines beliebigen weiblichen Geschöpfs, das ihn ohne solch Aufwendungen noch einmal das volle Leben spüren ließ.«
Maahzel ging auf und ab, seine Teilnahme am Erzählten war erstaunlich. Erst als er sich etwas beruhigt zu haben schien, fuhr Jonas fort.
»Der zweite Freier liebte das Mädchen nicht. Im Angesicht des sicheren Todes, falls dies ans Licht käme, versprach er aber alle seine Güter; tot würden sie ihm nichts nützen. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, vergas er sein Versprechen und floh mit all seinem Hab und Gut aus dem Einflussbereich des Herrschers.«
Auch das löste etwas bei Maahzel aus, fast schien es, als sei Anspannung von ihm gewichen, als er die Worte »Nun also doch der Dritte...« anhob, nur um gleich von Jonas unterbrochen zu werden.
»Der dritte Freier liebte das Mädchen auch nicht. Da sein Leben ohnehin beendet gewesen wäre, falls dies ans Licht käme, bot er die eigene Existenz gleich als größt mögliches Opfer an. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, vergas er seine Ankündigung und floh sofort aus dem Einflussbereich des Herrschers.«
Joans riss mit seiner Erzählung plötzlich ab, so als habe er das Interesse daran verloren. Dieses Spiel aus Angeboten und Enttäuschungen so auf die Spitze zu treiben, war eigentlich gar nicht seine Absicht. Das grundsätzliche Risiko, von Maahzel missverstanden zu werden, ging er indes zwar ein, eigene Unsicherheit und die noch juckenden Male hingegen erzeugten einen eigenartigen Effekt: Jonas stand jedes mal kurz davor, die neue Zwischenpointe zu vergessen. Maahzel schwieg, der Captain wusste nicht, ob er nachdachte oder sich – gegenteilig – von der narrativen Kraft entfernte. Der Captain fuhr also fort, moralisierender und direkter als vielleicht notwendig, doch jetzt begriff er, wie schädlich es sein konnte, fälschlicherweise darauf zu vertrauen, dass der Fremde ausgerechnet die passendsten Lehren aus dieser Geschichte ziehen würde.
»Der Herrscher erkannte nun, dass sämtliche Aufbietungen der Freier Täuschungen gewesen waren. Aber weil er aus der eigenen Schwäche heraus geneigt gewesen war, eigene Befürchtungen zerstreut zu sehen, hatte er sie für wahr gehalten. So musste der Herrscher einsehen, dass er aus seiner Warte nicht nur nicht die Liebe testen konnte, sondern dass er mit seinen Testbedingungen überhaupt erst verhindert hatte, dass ein wahrhaft Liebender erkennbar wird. Aus diesem Grund stellte der Herrscher den Betrügern auch nicht nach.«
Ein, zwei Sekunden gab sich Jonas die Zeit, Maahzel zu beobachten, dann legte er nach.
»Drohungen helfen also nicht, ein Einstieg in das Hinterfragen der Liebe kann vielmehr von den Gefühlen der eigenen Seite ausgehen; das bedeutet nicht, dass im Falle der Enttäuschung – wenn also keine Liebe vorhanden ist, so wie es nicht nur bei den Freiern, sondern auch bei dem Mädchen der Fall war – die Situation durch Rache irgendwie gelöst werden kann oder muss.« Leise fügte er hinzu: »Wenn Sie Williams frei lassen, werden wir sehen, was passiert.«
Jonas schwieg, Maahzel auch. Dann, und seine feierliche Stimme war zurück gekehrt, sprach er: »Liebt er Jumi?«
Einen Moment überlegte der Captain, seine Antwort kam mit festem Klang der Stimme.
»Ich habe zur Sache nichts mehr zu sagen.«
Beinahe verzweifelt war Jonas.
Sein Herz klopfte, als er vom Häuptling ins Freie geschickt wurde, so stark, dass er glaubte, es bis hinein in die Augen als den Blick verschwimmendes Pulsieren wahrzunehmen. Es war, das merkte er, als er den heraneilenden Ter-Nedden gewahr wurde, kein angenehmes Gefühl, den Ausgang dieser Angelegenheit nun nicht mehr bestimmen zu können. Noch schlimmer war aber die damit einhergehende Empfindung, den Ausgang dieser Bedrohung schlicht noch nicht zu kennen.
Die Sonne schien, einzelne Schatten huschten über das im Dorfzentrum platt getretene und dennoch wie frisch und saftig grün glänzende Gras.
Ter-Nedden wandte sich formlos an Jonas, es waren Aufeinandertreffen wie dieses, bei denen der Doktor nicht wie ein Dienstniedrigerer wirkte.
»Und?«
Jonas zuckte mit den Schultern, »ich weiß es nicht, man wird sehen.«
»Noch nichts verloren, also!«
Jonas zuckte wieder mit den Schultern, er ging weiter, an Ter-Nedden vorbei, der zu ihm aufschloss, und hinter einem der wandernden Schatten her, der zufällig aus dem Dorf hinaus gen Landestelle wie ein dunkler Scheinwerfer führte.
Gegen Abend hatte Jonas eine Wache im Dorf abstellen lassen. Es war weder Reev, noch einer aus dessen Sicherheitsteam, sondern Clerke. Der zweite Offizier hatte inzwischen einen ganz erstaunlichen Kontakt zu den Eingeborenen aufgebaut, den der Captain zwar nicht verstand, aber durch ein paar Zeichen und vor allem von Clerke weitergereichte Informationen wahrgenommen hatte. Eine andere Person als Wache schien also nicht zweckdienlich, weil Clerke sich freier als die anderen im Dorf bewegen konnte. Die Instruktionen des Captains fielen knapp aus; zwar war Jonas mit dem Häuptling relativ vertraut, sah aber keine Veranlassung, Clerke irgendwelche Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Sogar die Frage, ob Clerke eine Waffe mitnehmen sollte oder nicht, ließ er von diesem selbst beantworten. Die Wochen auf dem Raumschiff hatten Jonas einen intuitiven Eindruck von Clerke gegeben, aber da das vielleicht nicht ausreichte, entschied sich Jonas, diese Freiheiten zu gewähren, erst durch die Erfahrungen auf dem Planeten selbst. So dachte der Captain auch nicht weiter nach, ob Clerke bewaffnet durch das Dorf gehen würde; es würde noch ein paar unangenehme Vorfälle wie die mit Williams bedürfen, ehe Jonas seinen Leuten diese Freiheiten kategorisch einschränken würde. Ob nun durch Zufall oder aufgrund ähnlicher Ansichten, Jonas’ Entscheidung wäre wohl auch die Clerkes gewesen, der es vorzog, unbewaffnet zu bleiben.


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel XI

Captain Jonas antwortet mit einem Gleichnis und unterscheidet sich damit von den allermeisten Herangehensweisen, die wir sonst aus Star Trek kennen.
Bemerkenswert ist hierbei, dass auch Jonas' Erzählung von einer patriarchalischen Basis aus funktioniert (was einleuchtet, weil sie ja für den Häuptling funktionieren soll), diese Struktur aber am Ende aufbricht, indem das Mädchen entscheidet und alle beteiligten Männer entweder ratlos oder unaufrichtig sind.

Der Erfolg bleibt ungewiss und der Captain erweckt den Eindruck, als wäre er bereit, Williams notfalls zu opfern. Die Hoffnung, das Problem gelöst zu haben, besteht, aber sie ist nicht ungetrübt: "Die Sonne schien, einzelne Schatten huschten über das im Dorfzentrum platt getretene und dennoch wie frisch und saftig grün glänzende Gras." [S. 67] oder auch: "Jonas zuckte wieder mit den Schultern, er ging weiter, an Ter-Nedden vorbei, der zu ihm aufschloss, und hinter einem der wandernden Schatten her, der zufällig aus dem Dorf hinaus gen Landestelle wie ein dunkler Scheinwerfer führte." [S. 67].
Es ist ja nicht groß überraschend, dass die atmosphärischen Felder eine derartige Symbolik hatten, haben und haben werden.


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Kapitel XII
« Antwort #40 am: 28.07.12, 11:15 »

XII

»So war das?«, entgegnete Clerke beinahe ungläubig, als Ter-Nedden ihm erzählte hatte, aus welchem Grund Maahzel die Hinrichtung aufgeschoben hatte. »Das macht die Sache nicht leichter, übrigens gerade für den Commander nicht.«
»Wieso?«, fragte Ter-Nedden.
»Das Problem des Commanders ist, dass er nicht versteht, womit wir es hier zu tun haben. Sonst hätte er sich nie in dieses Mädchen verliebt. Das ist doch klar. Commander Williams lebt so etwas wie einen Jahrhunderte alten Traum, eine Südseeromanze, die damals schon falsch war. Leider passt die Reaktion Maahzels auf«, Clerke unterbrach sich selbst für einen kurzen Augenblick, weil er nicht gleich wusste, wie er den Zustand Jonas’ am besten umschreiben sollte, »das momentane Erscheinungsbild des Captains genau zu den Schablone exotischer Fremdheit, wie sie der Commander meiner Meinung auf eine fremde Zivilisation anwendet.«
Der Doktor schmunzelte ein wenig, denn er hatte an etwas denken müssen, was weit jenseits der Überlegungen des Lieutenant-Commanders lag.
»Nun«, sagte er, »aber so ist das nun mal mit der Liebe auf den ersten Blick.«
»Ja, ja«, entgegnete Clerke, mit starker Betonung; das erste Worte klang freundlich, beim zweiten brachte er es indes fertig, es höhnisch zu verzerren.


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel XII

Das zwölfte Kapitel zeigt Clerke wiederum als Gegenpol zu Williams. Außerdem weist es in dem Sinne in die fernere Zukunft, als dass das Schicksal Williams' nicht nur am Erfolg von Jonas' Erzählung hängt.


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Kapitel XIII
« Antwort #41 am: 04.08.12, 09:04 »

XIII

»Computer«, sprach er im Befehlston. Er hatte den Versuch, mehr über das erste Schiff mit dem Namen Cœur de Marie herauszufinden, noch nicht vollkommen aufgegeben. Die eigentlichen Datenbanken enthielten keine Informationen, die über eine grobe zeitliche Einordnung hinaus gingen, doch er wusste, dass damit noch nicht alle Möglichkeiten der Nachforschung ausgereizt waren. »Es gab ein Segelschiff, das Cœur de Marie hieß; im achtzehnen Jahrhundert.«
»Diese Information ist zutreffend.«
»Woher stammt diese Information?«
»Diese Information ist Teil der allgemeinen Namensregistratur für Vehikel in ihrer Auflage des Jahres Dreiundzwanzighundertvierundachtzig.«
Der Computer hatte also auf die wohl aktuellste Version dieser Listung zurückgegriffen. Er überlegte, wie ihm das weiterhelfen könnte.
»Ist eine Rückverfolgung möglich: Wer zeichnete für die Auflistung der Schiffe mit dem Namen Cœur de Marie verantwortlich?«
»Dieser Eintrag wurde von Hamid Celem bearbeitet.«
»Taucht in anderen Arbeiten – ich meine jegliche Arbeiten – von Hamid Celem der Name Cœur de Marie noch einmal auf? Alle Erwähnungen aufzählen!«
»Ihre Anfrage wird überprüft«, sagte die künstliche Computerstimme. Es klang, als schwinge doch so etwas wie eine einprogrammierte Nuance Demut mit. Es war eine Floskel, um den Bittsteller anzukündigen, dass die Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. »Es gibt keine weiteren Übereinstimmungen.«
Er dachte nach, nur kurz, fragte dann:
»Computer: In welcher Auflage taucht der Eintrag zu diesem Schiff aus dem achtzehnten Jahrhundert zum ersten Mal auf?«
Wieder begann der Computer die Antwort mit dem Hinweis, die Überprüfung laufe, in diesem Fall wäre es allerdings nicht nötig gewesen. Ohne Verzögerung fuhr die künstliche Stimme fort. »Dieser Eintrag findet sich in der allgemeinen Namensregistratur für Vehikel erstmals im Jahr Zweiundzwanzighundertvierzehn.«
»So«, sagte er, als sei dies bereits ein Gewinn für ihn. »Wer wird hier als Bearbeiter genannt, worin unterscheiden sich die Auflagen?«
Ihm fiel auf, dass der Computer die zweite Frage zuerst beantwortete.
»Dieser Eintrag umfasst nur zwei Schiffe mit dem Namen Cœur de Marie – den französischen Frachter des einundzwanzigsten Jahrhunderts und das französische Segelschiff des achtzehnten Jahrhunderts. Dieser Eintrag wurde von Haywood Quanchi bearbeitet.«
»Wurde bei meiner Anfrage bezüglich weiterer Informationen über das Segelschiff auch das Gesamtwerk von Haywood Quanchi berücksichtigt?«
»Negetiv.«
»So!«, entfuhr es ihm mit Genugtuung; ein Stück Hoffnung, doch noch mehr erfahren zu können, war auch Teil dieses spontanen Ausrufs.
»Computer: Alle Informationen zu Haywood Quanchi hinsichtlich des Namens Cœur de Marie überprüfen: Sämtliche Eintragungen in Lexika, allgemein alle Hinterlassenschaften«, befahl er dem Computer und, als gelte es das wirklich deutlich zu machen, fügte er noch hinzu: »Auch den biographischen Hintergrund des Autors in die Suche miteinbeziehen.«
»Ihre Anfrage wird überprüft.«
»Und«, wollte er beinahe ungeduldig wissen, »gibt es Treffer?«
»Positiv.«


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel XIII

Wieder ein Zwischenkapitel, wieder wird die Identität des Recherchierenden nicht entlarvt. Der einzig mögliche Schluss aufgrund der Gegebenheiten ist der, dass es sich nicht um Williams handelt. Doch da dieser sich ohnehin nie als besonders reflektiert erwiesen hat, kam Williams ja ohnehin nie in Frage.
Als Aussage dieses Kapitels bleibt eine Absage an die Informationsqualität des Computers bestehen - Technik wird also hinterfragt. Eine scheinbare Grundsäule des Vertrauens in Erkenntnismöglichkeiten gerät also mehr als nur ins Wanken.
Trotzdem auch bemerkenswert: Das letzte Wort des Kapitels...


ulimann644

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #42 am: 06.08.12, 13:27 »
Sohoho...
Habe die Geschichte gelesen. Zwischenzeitlich hatte ich mal nach etwa 88 Seiten (das READER-File mit großer Schrift) abgebrochen. Eigentlich seltsam, da die Geschichte spannend zu lesen war - gerade an dem Punkt...

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.

Die Parabel war wirklich gut eingefügt - erinnerte etwas an die VOY-Doppelfolge SKORPION, als Chakotay ähnliches tat, wenn auch in einer anderen Weise und mit anderem Ziel.

Nicht zugesagt hat mir die defensive um nicht zu sagen, saft- und kraftlose Haltung des Captains. Über weite Strecken habe ich mich gefragt, wie ein solcher Typ als Captain tragbar ist.
IMO MUSS ein Captain in der Lage sein Entscheidungen zu treffen - bei Jonas´ Passivität wurde zeitweise der Eindruck vermittelt, dass seine Offiziere dessen Job zur Hälfte mit erledigen...

Der Part von Williams erinnerte mich - auch ohne die Anspielung auf die Südsee-Idylle - spontan an "Die Bounty". Aber auch etwas an AVATAR... (Der Sternenflottenoffizier (Soldat) und die Dorfschönheit... ;))
Leider wurde seine Geschichte nicht zu Ende erzählt, was einerseits einen gewissen Charme hat - andererseits bedienst du dich dieses Charmes zu häufig IMO. Einen Plot auch einmal bewusst zu einem KLAREN Ende zu bringen wäre mal eine nette Ausnahme... ;)
So wurde es - zusammen mit dem guten Ende der Geschichte - eine TYPISCHE Max-Geschichte - was überwiegend als Kompliment verstanden werden kann.

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )

Die Beschreibungen der Locations gefallen mir über weite Strecken - besonders lebendig fand ich die Beschreibung der Planetenoberfläche und der Umgebung, wobei sie schön in die Story integriert ist. Allein von dieser Warte aus gesehen ist die Geschichte schon ein Genuss.
Interessant - abseits der Symbolik, wenn die Figuren passend verdunkelt wurden - hätte ich gerne mehr über das Atmosphärische Phänomen der Schlieren erfahren, und welchen Zweck sie evt. noch erfüllen... :secret

Der Rückblick des Captains war für mich einer der besten Parts der Geschichte - solche Elemente gefallen mir, und gelegentlich verwende ich sie selbst gerne.

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
« Letzte Änderung: 06.08.12, 13:30 by ulimann644 »

Max

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Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #43 am: 16.08.12, 13:34 »
So, sorry; hat ein wenig gedauert mit der Antwort :(

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.
Danke :) Das zu lesen, freut mich natürlich sehr.
Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich in meiner Wahrnehmung nie etwas an Deinen Dialogen auszusetzen fand, also ich glaube - und die anderen werden da vermutlich miteinstimmen -, dass es da für Dich keinen Anlass zur Sorge gibt.

Die Parabel war wirklich gut eingefügt - erinnerte etwas an die VOY-Doppelfolge SKORPION, als Chakotay ähnliches tat, wenn auch in einer anderen Weise und mit anderem Ziel.
Ich finde so Art der "Problembehandlung" hin und wieder ganz nett, weil sie eben eine weitere Option zu den bekannten Handlungsmusterns darstellt.

Nicht zugesagt hat mir die defensive um nicht zu sagen, saft- und kraftlose Haltung des Captains. Über weite Strecken habe ich mich gefragt, wie ein solcher Typ als Captain tragbar ist.
IMO MUSS ein Captain in der Lage sein Entscheidungen zu treffen - bei Jonas´ Passivität wurde zeitweise der Eindruck vermittelt, dass seine Offiziere dessen Job zur Hälfte mit erledigen...
Na ja, der Captain ist in der Tat ein Kapitel für sich. Ich wollte ihn auch wirklich eher passiv darstellen, allerdings geht das ja auch nicht soweit, dass er nicht zu Entscheidung fähig wäre. Ein, zwei Mal wird ja auch explizit deutlich, dass er eher bereit ist Williams zu opfern, als einen Einsatz des Sicherheitsteams anzuordnen - letztlich ja eine sehr drastische Entscheidung.
Mit Captain Jonas wollte ich hier einiges zeigen. Es fängt schon mit der Sternenflottenadiministration an, die sich sozusagen weich zeigt, und ihm ein Kommando überträgt, obwohl man da über seine (momentane) Eignung ja durchaus Zweifel haben kann. Richtig interessant fand ich, einen jungen Captain zu beleuchten, der einerseits ja wirklich Kommandant sein möchte (und es letztlich auch drauf hat), der aber andererseits ein ganz großes Problem mit diesem Amt zu haben scheint. Dass er bei seinem ersten Kommando noch so ein wenig einen eigenen Weg suchen muss, ist vielleicht höchstens in der Tragweite ungewöhnlich, aber die resultiert eben aus dem Trauma auf dem Harus-Planeten.
Hier habe ich also eher auf einen "Antihelden" als Captain gesetzt: Er hat seine Fähigkeiten und "rettet den Tag" mit seiner Parabel, aber er stützt sich auch sehr auf die anderen Offizier und offenbart hin und wieder auch einen richtigen Empathiemangel.

Der Part von Williams erinnerte mich - auch ohne die Anspielung auf die Südsee-Idylle - spontan an "Die Bounty". Aber auch etwas an AVATAR... (Der Sternenflottenoffizier (Soldat) und die Dorfschönheit... ;))
Leider wurde seine Geschichte nicht zu Ende erzählt, was einerseits einen gewissen Charme hat - andererseits bedienst du dich dieses Charmes zu häufig IMO. Einen Plot auch einmal bewusst zu einem KLAREN Ende zu bringen wäre mal eine nette Ausnahme... ;)
Das ist ein interessanter Punkt - vielen Dank für das Feedback, das meine Schreibstrategien glaube ich gut entlarvt! Einen Plot zu einem klaren Ende zu führen... in Bezug auf "Fremde eigene Welten" bin ich hier ambivalent, bei vielen anderen Geschichten hast Du zweifellos recht und das wird seine Folgen haben (wobei ich ein kleines offenes Ende bei der nächsten auch drinnen haben werde, aber im Gegensatz zu einem Roman gehört das ja bei einer Kurzgeschichte dazu ;) :) ).

Ich kann Dir einerseits nicht widersprechen, andererseits aber doch auch wieder schon.
Es mag sein, dass man nicht erfährt, was aus Williams wird, für mich war das allerdings dennoch ein abgeschlossenes Ende, weil ich keinerlei Zweifel habe, dass er bei seinem Rettungsversuch ums Leben kommt. Ich habe mich für die Geschichte dafür entschieden, bei den Figuren Jonas, Ter-Nedden und Clerke zu bleiben, die mit ihrem Verhalten in Bezug auf Williams umgehen müssen. Hier kommt eben auch dazu, dass ich diese drei Figuren für die Geschichte als wertvoller empfinde, als Williams, weshalb ich das Gefühl hatte, sein Ende gar nicht erzählen zu müssen, um es klar zu machen.

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )
Danke auch für dieses Feedback :)
Darf ich nachhaken: woran machst Du dieses Niveau fest? Ich würde hier gerne Klarheit gewinnen, nicht dass ich mich beim Schreiben in einer Richtung entwickle, die zu übertrieben ist. (Möglichweise ist das damals bei "L'homme nouveau" passiert).

Die Beschreibungen der Locations gefallen mir über weite Strecken - besonders lebendig fand ich die Beschreibung der Planetenoberfläche und der Umgebung, wobei sie schön in die Story integriert ist. Allein von dieser Warte aus gesehen ist die Geschichte schon ein Genuss.
Interessant - abseits der Symbolik, wenn die Figuren passend verdunkelt wurden - hätte ich gerne mehr über das Atmosphärische Phänomen der Schlieren erfahren, und welchen Zweck sie evt. noch erfüllen... :secret

[...]

Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
Es freut mich, dass Dir die Beschreibungen gefallen haben :)

Auch hier muss ich etwas nachhaken und Dich nach Deiner Vermutung in Bezug auf die atmosphärischen Felder fragen. Vielleicht bist Du auf eien Deutung gekommen, die auch mich hier überraschen wird :)

Der Rückblick des Captains war für mich einer der besten Parts der Geschichte - solche Elemente gefallen mir, und gelegentlich verwende ich sie selbst gerne.
Danke schön :) Einerseits fand ich dieses Kapitel auch sehr reizvoll, vor allem eben inhaltlich, andererseits hatte ich auch Schwierigkeiten damit. Das lag vor allem daran, dass ich die ganze Passage im Plusquamperfekt schreiben musste und in der Länge war das ungewohnt und ich finde, diese Zeitform bereitet nicht gerade den größten Lesegenuss ;) Aber es gab ja keine Alternative dazu ;)

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Danke für den aufschlussreichen Review :)

ulimann644

  • Gast
Antw:Fremde eigene Welten
« Antwort #44 am: 16.08.12, 14:40 »
So, sorry; hat ein wenig gedauert mit der Antwort :(

Kein Problem... :)

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.
Danke :) Das zu lesen, freut mich natürlich sehr.
Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich in meiner Wahrnehmung nie etwas an Deinen Dialogen auszusetzen fand, also ich glaube - und die anderen werden da vermutlich miteinstimmen -, dass es da für Dich keinen Anlass zur Sorge gibt.

Man kann sich selbst gelegentlich schwer einschätzen. Ab und an denke ich bei Dialogen - besonders wenn ich mit ihnen ringen musste - dass das Ergebnis dann manchmal eher so lala ist.
Um so besser, wenn Leser das nicht so sehen... :)

Es mag sein, dass man nicht erfährt, was aus Williams wird, für mich war das allerdings dennoch ein abgeschlossenes Ende, weil ich keinerlei Zweifel habe, dass er bei seinem Rettungsversuch ums Leben kommt. Ich habe mich für die Geschichte dafür entschieden, bei den Figuren Jonas, Ter-Nedden und Clerke zu bleiben, die mit ihrem Verhalten in Bezug auf Williams umgehen müssen. Hier kommt eben auch dazu, dass ich diese drei Figuren für die Geschichte als wertvoller empfinde, als Williams, weshalb ich das Gefühl hatte, sein Ende gar nicht erzählen zu müssen, um es klar zu machen.

Ich bin oft der Meinung, dass es auch in solchen Situationen noch eine Chance gibt (da bin ich halt Optimist - ich verliere nicht gerne)...
Es war zwar absehbar - aber man hofft dennoch manchmal... ;)

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )
Danke auch für dieses Feedback :)
Darf ich nachhaken: woran machst Du dieses Niveau fest? Ich würde hier gerne Klarheit gewinnen, nicht dass ich mich beim Schreiben in einer Richtung entwickle, die zu übertrieben ist. (Möglichweise ist das damals bei "L'homme nouveau" passiert).

Nu ja - man muss von Beginn an höllisch aufpassen, gerade auf die Details.
Schon ob eine Figur namentlich erwähnt wird, oder nicht, kann den Unterschied machen. Oder aber der Schiffsname...
Anders als bei mir, gibt es da keine Zufälle - ich nutze schon mal eine USS SIRIUS, ohne dass ein Bezug zur Geschichte entsteht. Das - so zumindest meine ich - ist bei deinen Geschichten anders...

Diese Art, sich auch bei den kleinsten Details etwas zu denken - was ich als Leser mag - und so Informationen zu portieren ist für mich ein wesentlicher Punkt.
Wichtiger: Die Geschichten sind in der Summe von vorne bis hinten durchdacht. Man spürt das am Ende von "Fremde eigene Welten" wenn man etwas zurückblickt und begreift, wann ein wichtiger Punkt bereits subtil vorbereitet wurde.

Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
Es freut mich, dass Dir die Beschreibungen gefallen haben :)

Auch hier muss ich etwas nachhaken und Dich nach Deiner Vermutung in Bezug auf die atmosphärischen Felder fragen. Vielleicht bist Du auf eien Deutung gekommen, die auch mich hier überraschen wird :)

Na ja - ich habe mich bei den Schlieren zwischendurch immer wieder gefragt, wohin die Besatzung der Station nun wirklich verschwand (zugegeben es ist vage, aber der Gedanke würde mir irgendwie gefallen...)

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Danke für den aufschlussreichen Review :)

War mir ein Vergnügen...
« Letzte Änderung: 16.08.12, 14:42 by ulimann644 »

 

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