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Der Feind/Antagonist/Horror etc.

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SSJKamui:

--- Zitat von: David am 09.05.13, 06:27 ---Hui, lange nix mehr passiert hier.
Ich habe mir gerade auf meinem Balkon ein paar Gedanken über den neuen Star Trek Film gemacht und ein kleines Gedankenspiel über Antagonisten aufgestellt.

Wie müsste eine völlig neue Art von Gegenspieler aussehen, der sich völlig von den typischen Klischees abhebt?
Also kein Diktator (Khan), Kriegsherr (Gen. Chang), Borg oder rachesüchtiger Fanatiker (Nero, Rua'fo, Soran), sondern völlig anders, als bisher bekannte Figuren

Für uns FF-Autoren gibt es da eigentlich eine menge Potenzial für Gedankenspiele.

Also, wie müsste so eine Figur aussehen?

Mein Beitrag dazu:

* Er müsste dem Zuschauer/Leser sympathisch sein und zwar durch seine ganze Art (Verhalten, etc.)
* Sein Verhalten müsste durch Plottwists, etc. sich im Laufe der Story wandeln (erst mal klarer Schurke und dann - wenn immer mehr Details offenbart werden, muss er Sympathien gewinnen -> aber kein ... er tut das, was er tut, ja aus nachvollziehbaren Gründen -> Schurke bleibt Schurke)
* Darf die Figur am Ende überleben? -> eher ja oder nein? -> ich würde sagen: eher ja, denn es ist viel zu stereotypisch, dass er Antagonist am Ende drauf geht - in welcher Form auch immer
* Wie kann die Figur überhaupt Sympathie erzeugen? Geht das nur über den "klassischen Robin Hood"? oder über das Umdrehen der Situation -> die Bösen sind gar nicht böse sondern ... ich nenn es mal "missverstanden" (Undinen, etc.)Nur mal ein paar Grundfragestellungen zu diesem Thema.

Ich denke, es ist ziemlich schwierig, einen "Bösewicht" sympathisch darzustellen.
Aber es wäre mal einen Versuch wert.

Habt ihr euch mal mit diesen Dingen befasst?
Oder sind eure Antagonisten idR eher typische Bösewichte?

Ich persönlich würde mich gerne mal an so einer Figur versuchen, aber das dürfte nicht einfach sein.

--- Ende Zitat ---

Also, das hört sich für mich stark nach Char Aznabel (http://gundam.wikia.com/wiki/Char_Aznable ) und den ihm nachfolgenden Charakteren an. Diese Charaktere Arbeiten meistens zu Anfang für einen "bösen Diktator" und kämpfen gegen die Helden, aber nur, weil sie glauben, so besser gegen den Diktator kämpfen zu können. Sie sind aber auch bereit, den Helden helfend unter die Arme zu greifen, wenn es ihnen nutzt, oder wenn ihr persönliches Ehrgefühl es verlangt. In Wahrheit sind diese Figuren aber zu niemandem loyal und "nur ihrem Gewissen" verpflichtet, was bedeutet, sie sind sogar bereit, wenn sie es für richtig erachten, die Erde selbst unbewohnbar zu machen. (Zum Beispiel, wenn sie denken, nur so könnte man die Kriegslust der Menschen stoppen.) Deshalb sind diese quasi immer unberechenbar, aber es sind fast die einzigen Figuren, zu denen der Zuschauer aufsehen kann, und die "heldenhafte Attribute" zeigen. (Char Aznabel z.B. als blonder Recke mit Schwert, der zum König wird um sein Volk zu retten.) In gewisser Weise sind das Helden, die aber nur sich selbst und ihrer eigenen Moral verpflichtet sind.

Meine Caine gingen aber in eine ganz andere Richtung. Diese sind extrem unverständliche, rätselhafte Feinde, die überhaupt keine Emphatie zulassen, aber deshalb nicht unbedingt böse sein müssen.

David:
Interessantes Konzept.
Das ist mir ehrlich gesagt völlig neu.

Danke für diese Darstellung.

SSJKamui:

--- Zitat von: David am 09.05.13, 16:55 ---Interessantes Konzept.
Das ist mir ehrlich gesagt völlig neu.

Danke für diese Darstellung.

--- Ende Zitat ---

Auch deshalb, weil Tomino die Antagonisten meistens symphatischer dargestellt hatte, als die Protagonisten, und damit mehrfach gefragt wurde "wieso bekämpfen wir uns eigentlich?" wurde Gundam auch häufig als "Japanisches Star Trek" bezeichnet. (Und auch, weil Gundam ähnlich wie Star Trek vorzeitig abgesetzt wurde, aber in Wiederholungen erfolgreich wurde, weshalb Kinofilme und Nachfolgeserien produziert wurden.)

(Typisch für Tomino ist auch, nach dem Sieg der Protagonisten zu zeigen, wie die Antagonisten Schmerz und Trauer angesichts ihrer eigenen Verluste erleben.)

Der Hauptunterschied ist allerdings, Yoshiyuki Tomino litt an einer psychischen Krankheit und wahrscheinlich an einem Kriegstrauma. Deshalb endete bei ihm fast alles extrem tragisch, (Zuerst arbeitete er für das Kinderprogramm und hat dort eine Serie produziert, die mit dem Suizid des Protagonisten endete.(!)) während Roddenberry das utopische Element betonte. Erst als Tomino lange bei der Produktion ausfiel (weil er nach dem Ende einer Nachfolgeserie der Urserie direkt erst einmal für Jahre in Psychotherapie musste), haben Nachfolgeautoren die Dunkelheit etwas reduziert und ebenfalls gewisse utopische Themen miteinfließen lassen. (Unter Anderem die Politikerin Relena Peacecraft ( http://gundam.wikia.com/wiki/Relena_Darlian ), welche es schafft, einen dritten Weltrkieg zu beenden und die Menschheit friedlich zu vereinen, um Kriege zwischen den Menschen endgültig zu beenden. )

Lord_Doomhammer:
Kann da meinem Vorredner bezüglich Gundam nur zustimmen - die Serie ist sehr anti-Krieg und dementsprechend werden beide Seiten als menschlich dargestellt. Char Aznable ist ein genialer Charakter und manchmal habe ich mehr für ihn als für den Protagonisten geeifert. Allerdings muss man noch anmerken dass es bei den meisten Serien letztendlich doch einen klassischen Bösewicht gibt - der meist allerdings wieder in Vergessenheit gerät, zumindest bei mir^^
Aber es ist bei so etwas auch immer ratsam den Bösewicht an das Setting anzupassen. Char kann man zum Schluss nicht mehr töten lassen, das würde die ganze Aussage zunichte machen. Dementsprechend braucht man auch einen absoluten Bösewicht, den der Protagonist auch besiegen kann ohne in das moralische Dilemma zu fallen. Gerade bei Serien die stark auf Kämpfe ausgelegt sind, ist es schwer einen symphatischen Feid einzubauen, denn dann besteht die Gefahr dass sich die ZuseherInnen irgendwann fragen "warum eigentlich?" Darum ist das Schwarmbewusstsein auch so ein beliebter Feind - da gibt es keine leidenden Einzelpersonen (d.h. sie sind gesichtslos) und sie sind schlichtweg nur böse.

Bei Spielen passt man stark auf dass es sehr schwarz-weiß ist (Ausnahmen gibt es natürlich auch - siehe Spec Ops: The Line, Halo z.T, etc.), weil man ja ein gutes Gefühl haben muss sie umzubringen... klingt drastisch, ist aber so ;)
Alles in allem ein sehr spannendes Feld, mit dem man leicht Bücher füllen kann, denn Möglichkeiten gibt es genug :)

SSJKamui:
Ein interessantes Thema bei sowas ist auch die Idee der Sublimierung. Dies bedeutet, dass jemand ein Problem mit X hat, dies aber nicht lösen kann und deshalb seine Gefühle auf etwas eigentlich Unbeteiligtes verschiebt. Dieser Gedanke kann als Strukturierung für eine Geschichte benutzt werden, dass genau ab einem Moment, wo der Protagonist vor seinen Problemen in gewisser Weise davon rennt, stattdessen das Monster auftaucht, als Metapher für seine Probleme agiert und die Konfrontation mit dem Monster auch Konfrontation mit dem Problem darstellt.

(Slavoj Zizek beschrieb in seinen Büchern, das Hitchcock sehr gerne nach diesem Schema vorging und auch Chucky, die Mörderpuppe, wird häufig als Verkörperung der Probleme der Protagonistin mit ihrer Mutterrolle gesehen. Deshalb kann die Puppe auch dann besiegt werden, als sie ihr Kind vor dem Monster beschützt und damit ihre Rolle als Mutter annimmt. Das "Id Monster" aus Forbidden Planet ist sogar Storyseitig im wörtlichen Sinn aus den Ängsten und Problemen von Dr.Morbius erschaffen worden und kann nur durch eine Konfrontation mit diesen Ängsten besiegt werden.)

So kann eine dichtere Story geschrieben werden, wo es einen stärkeren Zusammenhang zwischen Protagonist und Antagonist gibt.

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