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Der Feind/Antagonist/Horror etc.

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Max:

--- Zitat von: SSJKamui am 09.06.13, 17:03 ---Ein interessantes Thema bei sowas ist auch die Idee der Sublimierung. Dies bedeutet, dass jemand ein Problem mit X hat, dies aber nicht lösen kann und deshalb seine Gefühle auf etwas eigentlich Unbeteiligtes verschiebt.

--- Ende Zitat ---
Das ist ein super Konzept, das man sicher schön nutzen kann.
Bei vielen Serienfolgen und Filmen hat man den Eindruck gehabt, es wäre sich dieser Methode bedient worden - zuletzt ja eigentlich bei den beiden JJA-ST-Filmen. Am Ende waren aber eher Drehbuchschwächen der Grund, warum man so denken konnte.
Ordentlich, gezielt angewendet, hat diese Idee aber wirklich viel für sich!

BTW: Žižek ist so genial ;) Ich weiß, es gibt einige, die ihn (auch wegen seiner Art) nicht ausstehen können, ich bin ein Fan von ihm!

SSJKamui:

--- Zitat von: Max am 12.06.13, 11:26 ---BTW: Žižek ist so genial ;) Ich weiß, es gibt einige, die ihn (auch wegen seiner Art) nicht ausstehen können, ich bin ein Fan von ihm!

--- Ende Zitat ---

Žižek hat auch einige der besten psychologischen Analysen von Horrorgeschichten und deren Methoden der Angsterzeugung verfasst. Die sind echt hilfreich beim Entwickeln von Monstern. (Seine Thematisierung des Realen war für mich auch sehr stark hilfreich, die Caine bei meiner Geschichte zu planen.)

Durch ihn wurde ich auch auf dieses Schema bei Alien auf sich, wo zuerst eine langweilige Trucker im All Geschichte erzählt wird und versucht wird, den Zuschauer davon abzulenken, dass er eine Sci Fi und Horror Geschichte ansieht, bis dann scheinbar plötzlich, aus dem Nichts, das Alien auf der Bildfläche erscheint.

(Gleichzeitig war mir dann aufgefallen, dass Katastrophen in der realen Welt fast auch diesem Schema folgen. z.B. der elfte September oder Fukushima. Bei Letzterem war ja einen Tag davor das Hauptthema der Medien noch Herr zu Guttenberg gewesen. Direkt danach, nach dem Aufstehen, hat man direkt im TV die Bilder dieser Mega Katastrophe gesehen.)

SSJKamui:
Für Ethikgeschichten kann es sehr effektiv sein, mit Begriffen wie Ungeheuer, Dämon etc. zu spielen. Beispielsweise existiert eine Twilight Zone Episode mit dem originalen Titel "Die Ungeheuer sind (leben) in der Maple Street." (The Monsters are on Maple Street.) Dort zieht eine unschuldige Familie in die Maple Street und nach einem Stromausfall verdächtigt die Nachbarschaft diese Familie, Ungeheuer zu sein. (im Original Aliens, im Remake islamische Terroristen.) Deshalb bildet sich ein Lynchmob, der der Familie ans Leder will und man erfährt, die Ungeheuer leben wirklich in der Maple Street, aber mit Ungeheuer ist eher der Lynchmob gemeint und nicht die unschuldige Familie.

Devilman ist auch sehr gut in dem Bereich. Dort haben wir Sachen wie "jeder Mensch kann zu einem Dämon werden", "jeder muss sich seinem persönlichen Dämon stellen" etc. die sehr, sehr Doppeldeutig sind und eine ethische Komponente aufweisen.

Visitor5:
Hm, ich habe einen ähnlichen "Rollentausch" in meinen Geschichten: Jemand, der über dem Gesetz steht und dennoch - zumindest zeitweise - dafür eintritt.  :D

Wirklich "Böse" und wirklich "Gut" gibt es zwar auch, aber letzten Endes ist es ein Zwist der "Grauen"...

Drake:

--- Zitat von: SSJKamui am 29.10.13, 14:03 ---Devilman ist auch sehr gut in dem Bereich. Dort haben wir Sachen wie "jeder Mensch kann zu einem Dämon werden", "jeder muss sich seinem persönlichen Dämon stellen" etc. die sehr, sehr Doppeldeutig sind und eine ethische Komponente aufweisen.

--- Ende Zitat ---

Die negativen Charakterzüge des Protagonisten (oder eines anderen Charakters) in einem mehr oder weniger monströsen Antagonisten zu personifizieren hat ja auch nicht umsonst eine lange Tradition. Wenn ich mich nicht irre ist das sogar eins der "klassichen" Horrorkonzepte, ein Wesen das die "dunkle Seite" eines Menschen spiegelt, metaphorisch wie wörtlich.

Die Dresden-Files-Reihe hat da finde ich ein paar sehr interessante Umsetzungen so eines Konzepts.
Die Reihe spielt allgemein sehr oft mit dem Gegensatz zwischen der "Natur" (den unterbewussten Impulsen und Trieben) eines Wesens und dem freien Willen. Tatsächlich ist der freie Wille das, was die Menschen von "Monstern" unterscheidet, die zwar teilweise hochintelligent, aber völlig unfähig sind, sich ihrer Natur zu widersetzen. "Monsters have power, Mortals have choice", wird es an einer Stelle zusammengefasst.
Und auch in jedem Menschen (in manchen mehr, in anderen weniger) schlummert das Potenzial, zu einem "Monster" zu werden, wenn er sich komplett seinen Trieben hingibt.
Was mir hier besonders gut gefällt ist dass ein "Monster" hier nicht mit einem abstrakten "Bösen" gleichgesetzt wird, sondern eher mit einem "Raubtier", das sich zuallererst oder ausschließlich um die eigenen Bedürfnisse kümmert und für das ethische Überlegungen komplett gegenstandslos sind.

Beim "Mantel" des Winter Knight (dem sterblichen Vollstrecker der Winterfeenkönigin) ist das sehr schön ausgeführt: Der Mantel ist weniger ein Kleidungsstück als vielmehr eine körperlose Essenz dessen, was den Winter Knight ausmachen sollte.
Der Mantel verstärkt dafür bestimmte Impulse und Charaktereigenschaften seines Trägers, genauer gesagt sorgt er dafür, dass niedere Instinkte wie Selbsterhaltung, Territorial- und Konkurrenzdenken oder der Sexualtrieb wesentlich stärker in dessen Entscheidungen einfließen als es unter normalen Umständen der Fall wäre. Der Träger wird quasi zu einer Art menschlichem Raubtier und verliert langfristig seine Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen und wird komplett seinen Impulsen unterworfen.

Und interessanterweise ist diese Einflussnahme ziemlich subtil, sowohl für den Protagonisten als auch für den Leser. Die Übergänge zwischen den Gedanken des Trägers und den Impulsen des Mantels sind derart fließend, dass sie einem teilweise erst mehrere Sätze oder Absätze später auffallen - was Sinn der Sache ist und metaphorisch dafür, dass in der Reihe ein Abstieg zum "Monster" nicht immer sofort offensichtlich und bewusst ist, sondern ein schleichender Prozess den man womöglich erst bemerkt wenn es schon zu spät ist.

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