Autor Thema: Mit Schirm, Charme und Melone  (Gelesen 3188 mal)

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Tolayon

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Mit Schirm, Charme und Melone
« am: 03.04.12, 17:57 »
Im Original heißt diese britische Kultserie schlicht "The Avengers", nach der Grundhandlung der noch sehr ernsten ersten Staffel, in welcher Dr. David Keel den Mord an seiner Verlobten rächen will und in John Steed einen Mitstreiter findet, der damals noch als Nebenrolle auftrat.
Diese erste Staffel wurde bis auf ein, zwei nachträglich synchronisierte Folgen im deutschen Fernsehen nie gezeigt. Erst die zweite Staffel von 1962-63 wurde vor einem Jahr auf Arte zum ersten Mal gezeigt; Steed war dort bereits zum Hauptcharakter mit wechselnden Partnern aufgerückt, aber insgesamt immer noch ein eher rauer Bursche (ähnlich James Bond zu Beginn seiner Agentenlaufbahn).

Erst mit Emma Peel als Partnerin (Staffel 4 und 5, 1965-67) war Steed zu dem perfekten Gentleman avanciert, als den ihn die meisten Zuschauer heute kennen und schätzen. Diese Ära der Serie wird auch gemeinhin als die beste betrachtet, mit zum Teil ziemlich abgehobenen, dem SciFi-Genre nahestehenden Plots und der wohl ersten TV-Heldin, die mit männlichen Gegenspielern den Boden wischte. Mit der fünften Staffel erschien die Serie auch erstmals in Farbe.

Tara King als wesentlich jüngere, am Anfang noch ziemlich naiv erscheinende Agentin konnte in der 6. Staffel ihrer Vorgängerin nicht wirklich das Wasser reichen, da nützten auch ihre dauernden Perückenwechsel und die Einführung des Geheimdienst-Chefs "Mutter" mit immer skurilleren "Büroräumen" wenig. Nach nur einer Staffel wurde die Serie dementsprechend auch eingestellt.

Erst 1976 erschien eine über zwei Staffeln gehende Fortsetzung, die im Original "The New Avengers" genannt wurde und in der ein neues Agentenpaar (Mike Gambit und Purdey)  im Vordergrund steht, mit John Steed als väterlichen Mentor hinter ihnen.


Soweit zur Geschichte, jetzt ein wenig zum Inhalt und zur Aufmachung der Serie.
Wie schon angedeutet, wurde "Mit Schirm, Charme und Melone" mit der Einführung Emma Peels schrittweise abgehobener, mit Robotern, KI-gesteuerten Horror-Häusern und weiteren technischen Spielereien, die meist gegen die Hauptcharaktere eingesetzt wurden. Zu abgehobene Elemente wie Zeitreisen und Unsichtbarkeit wurden am Ende allerdings als technisch herbeigeführte Illussionen entlarvt; lediglich in einer der letzten Folgen mit Emma Peel kam eine tatsächlich funktionierende Schrumpf-Maschine vor.

Ein weiteres wichtiges Element ist der typisch britische Humor, der zwar längst nicht so ausgeprägt ist wie in Monty Python, die Serie aber deutlich von der James-Bond-Reihe unterschied und gerade in der Staffel mit Tara King zum Teil ziemlich surreale Prägungen annahm (wie in der Folge mit den mordenden Clowns, wo der Endgegner im Sekundentakt mehrmals das komplette Kostüm wechselte). Ebenfalls in diese Kategorie fallen die immer ausgefalleneren Arbeitsplätze von "Mutter", der sein "Büro" auch schon mal unter freiem Himmel aufschlug und selbst dort von einem guten Dutzend Telefonen umgeben war, die ihm seine Assistentin je nach Anruf abwechselnd reichte.


Noch eine kleine Begebenheit am Rande:
Emma Peel hieß mit Mädchennamen "Knight" und übernahm bereits mit 21 Jahren die Firma ihres Vaters, wo sie als erste Amtshandlung einen Ingenieur feuerte, der es mit der Automatisierung übertrieb und sich später mit dem erwähnten computergesteuerten "Horror-Haus" rächte.

So gesehen könnte man "Mit Schirm, Charme und Melone" auch als inoffizielle Vorgänger-Serie zu "Knight Rider" ansehen; die amerikanische Firma wäre dann eine Niederlassung ihres britischen Pendants und K.I.T.T. nur die konsequente Weiterentwicklung der bereits erwähnten technischen Spielereien.
Zudem wäre die "Foundation für Recht und Verfassung" auch ganz im Sinne Emma Peels gewesen.

Tolayon

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Antw:Mit Schirm, Charme und Melone
« Antwort #1 am: 30.04.12, 21:21 »
Noch ein paar kleine Ergänzungen zur Serie:

Auch in der Tara-King-Staffel gibt es durchaus Highlight-Folgen, die nicht zuletzt auch der herrlich britischen Figur des Oberagenten "Mutter" (klingt wie eine direkte Anspielung auf James Bonds Vorgesetzten "M") zu verdanken sind.
Was Tara betrifft, so kommt diese aber wie schon erwähnt niemals an Emma Peel heran, auch wenn Tara im Verlauf der Staffel deutlich an Naivität verliert.

An dieser Stelle noch eine kleine Szenenbeschreibung, die typisch für den Humor der Serie ist:
Am Ende einer Folge, nachdem er die feindlichen Agenten im Faustkampf besiegt hat, kniet John Steed vor dem halb bewusstlosen Oberschurken und sagt, er müsse ihm noch eine sehr wichtige Frage stellen. Tara glaubt, es ginge um das Herkunftsland der Spione, doch Steed will lediglich den Namen des Schneiders wissen, der den perfekt sitzenden Anzug des feindlichen Chefagenten angefertigt hat.


Nun noch ein paar Worte zur Spielfilm-Adaption von 1998:
Emma Peel - gespielt von Uma Thurman - erscheint hier nicht als verheiratete Frau, sondern wird lediglich als "Doktor" tituliert (Emma war bereits in der Originalserie eine begabte Naturwissenschaftlerin). Zwischen ihr und Steed beginnt sich am Ende eine sichtbar angedeutete Romanze zu entwickeln, was in der Serie noch nicht einmal bei Tara King der Fall war.
Trotz guter Effekte und Darsteller (wie Sean Connery als Bösewicht) ist dieser Film aber nur eher durchschnittliche Unterhaltung. Es fehlt dieser US-amerikanischen Adaption einfach die britische Eleganz, die beinahe perfekte Balance zwischen Ernsthaftigkeit und komischen Einsprengseln.

 

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