Autor Thema: Gelb - 02/2397  (Gelesen 9187 mal)

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Dahkur

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Antw:Gelb - 02/2397
« Antwort #15 am: 04.08.15, 14:48 »
Also diese Folge war der Hammer! Da bist Du echt an die Grenze gegangen.
Schon der Anfang, als Hunter mit seinem Gebahren (mal wieder) Pµ den Elan nimmt und wie er das eingehende Gespräch abtritt … Ich habe im privaten Umfeld momentan einen Fall von gestörter Selbst- und Fremdeinschätzung und ich komme nicht umhin, Hunters Verhalten laufend damit zu vergleichen. Der Mann ist meines Erachtens ein Fall für einen Psychologen und ich denke, dass ein Charakter wie er nur durch die veränderte Lage des Krieges in einer personalführenden Stellung möglich geworden ist.
„In der großen Besprechungsrunde suchte er sich seinen leitenden Techniker heraus und warf ihm grundlos einen vorwurfsvollen Blick zu.“ – Das ist so ein Beispiel eines genialen Satzes, der Hunters Irrationalität deutlich hervortreten lässt.
Ebenso bezeichnend ist das folgende Gespräch, in welchem Hunter sich mehr mit dem Anblick von Commander McKnight beschäftigt als mit der wissenschaftlichen Aussage (das Hin und Her Deiner Sätze hier hat mir übrigens sehr gut gefallen). Das leitet ein wenig den Irrsinn des letzten Teils ein.

Den wissenschaftlichen Teil dieser FF fand ich faszinierend! Die Idee, der Funkkontakt, das Ausscheren, die Kollision – ungemein spannend geschrieben. Vor allem, da Pµ nach Hunters unrühmlichem Abgang von der Brücke endlich einmal zeigen konnte, welche Qualitäten sie hat, wenn der Nerv-Boss sie nicht unterbuttert. Ich empfand es dann fast als schade, dass dieser Teil im Endeffekt eher als Beiwerk der Sicht auf Hunters verkorksten Charakter diente. Da sind so viele spannende Fragen geblieben, was das Schicksal der Nestor betrifft, die einen ganzen Roman lostreten könnten.

Ja … und dann der Endteil. Da musste ich erst mal schlucken. Da textet er die Commander völlig selbstbezogen zu (von wegen, ihr Schiff kommt gut alleine zurecht, ist zur Forschung geboren etc. … wie soll das funktionieren, wenn ein wichtiger Teil der Besatzung auf die Satyr geholt wurde?) und erwartet tatsächlich Dankbarkeit von ihr. Er merkt in keiner Sekunde, in was für einen menschlichen Abgrund er da hinabsteigt. Ich muss gestehen, ich habe diese Passagen mit einer gewissen abstoßenden Faszination gelesen. Du bringst diese Szene so leidenschaftslos herüber, dass sie komplett surrealistisch wirkt.
Ich hatte mir gehofft, dass sie ihm eine Ohrfeige verpasst, aber Deine Anmerkung, dass ihre Apathie sozusagen ihre Rettung war, weil Hunter somit keinen Anhaltspunkt für eine Reaktion hatte, fand ich dann eine interessante Betrachtungsweise.

Diese Episode hätte ich mir gut direkt vor Inkarnat vorstellen können, da Hunter hier den Bogen komplett überspannt hat und ihm emotional nur noch die Flucht nach vorne bleibt. Da dazwischen jedoch noch eine (für Hunter) recht „normale“ Folge kommt, gehe ich davon aus, dass sein Verhalten ohne Konsequenz blieb. Weil er die Frauen eingeschüchtert hat? Weil sie gar nicht die Tragweite in dieser unrealen Situation begriffen haben?

Diese Folge empfinde ich als sehr mutigen Ausflug in die Abgründe der menschlichen Seele. Sie hat sicherlich  einen der stärksten Eindrücke aus Deiner Reihe bei mir hinterlassen.
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Antw:Gelb - 02/2397
« Antwort #16 am: 05.08.15, 11:34 »
Danke fürs Lesen und, einmal mehr, für den ausführlichen Kommentar.
"Gelb" ist ja eine der kontroversen Folgen aus der Reihe. Für mich war sie insofern wichtig, als dass hier Hunter so auftritt, wie er eben auch ist - wirkliche miese Seiten, die in anderen Geschichten nicht direkt versteckt sind, aber durch den anderen Fokus der Plots andere - auch produktive - Kanäle finden.

Also diese Folge war der Hammer! Da bist Du echt an die Grenze gegangen.
Danke!  ??? Gerade weil die Folge etwas heftiger ist, habe ich mich etwas gesorgt, wie Du die Folge wohl finden würdest.
Meine Figuren sind ja meistens sehr brav, nett, verständig. Hunter wollte ich früh als Gegenentwurf in die Serie holen, um zu sehen, ob ich auch so eine Figur schreiben kann.

Schon der Anfang, als Hunter mit seinem Gebahren (mal wieder) Pµ den Elan nimmt und wie er das eingehende Gespräch abtritt … Ich habe im privaten Umfeld momentan einen Fall von gestörter Selbst- und Fremdeinschätzung und ich komme nicht umhin, Hunters Verhalten laufend damit zu vergleichen. Der Mann ist meines Erachtens ein Fall für einen Psychologen und ich denke, dass ein Charakter wie er nur durch die veränderte Lage des Krieges in einer personalführenden Stellung möglich geworden ist.
„In der großen Besprechungsrunde suchte er sich seinen leitenden Techniker heraus und warf ihm grundlos einen vorwurfsvollen Blick zu.“ – Das ist so ein Beispiel eines genialen Satzes, der Hunters Irrationalität deutlich hervortreten lässt.
Ebenso bezeichnend ist das folgende Gespräch, in welchem Hunter sich mehr mit dem Anblick von Commander McKnight beschäftigt als mit der wissenschaftlichen Aussage (das Hin und Her Deiner Sätze hier hat mir übrigens sehr gut gefallen). Das leitet ein wenig den Irrsinn des letzten Teils ein.
Auch wenn Auseinandersetzungen in ST immer präsent waren, konnte ich mich nie an die Kriege in dieser an sich positiv-utopischen Welt gewöhnen. Wenn man einen Krieg in der Serie zeigt, und ich das nicht ignoriere, kommen für mich zwangsläufig Charaktere wie Hunter heraus: Da ist durch die Umstände und falsch verstandenen Pathos in der Kriegsrhetorik Traumata weniger bearbeitet, als "umgelenkt" worden. Hunter folgt also sehr seinen Trieben und lebt Aggressionen aus, die eigentlich keine Grundlage haben. Da hat die Flotte mit ihrer "Wenn es schlimm wird, müssen wir auch dreckig werden"-Politik eben einen Mann "herangezüchtet", der zwar Erfolge herbeiführen kann, aber eigentlich ein einziger Unsicherheitsfaktor ist.
Dass gut rüberkommt, dass Hunter nicht eben ein begnadeter Chef ist, freut mich ;) :D

Den wissenschaftlichen Teil dieser FF fand ich faszinierend! Die Idee, der Funkkontakt, das Ausscheren, die Kollision – ungemein spannend geschrieben. Vor allem, da Pµ nach Hunters unrühmlichem Abgang von der Brücke endlich einmal zeigen konnte, welche Qualitäten sie hat, wenn der Nerv-Boss sie nicht unterbuttert. Ich empfand es dann fast als schade, dass dieser Teil im Endeffekt eher als Beiwerk der Sicht auf Hunters verkorksten Charakter diente. Da sind so viele spannende Fragen geblieben, was das Schicksal der Nestor betrifft, die einen ganzen Roman lostreten könnten.
Ich wollte zwei so große Schiffe mal ordentlich in Aktion fordern.
Von Pµ und ihren Fähigkeiten bin ich irgendwie sehr, sehr überzeugt, obwohl sie selten ein Bein auf den Boden bekommt, wenn Hunter ihr nicht aus welchen Motiven auch immer freiwillig Raum gibt. Vielleicht ist ihr einziger großer Fehler, sich nicht besser durchsetzen zu können, aber ehrlich gesagt macht das sie in meinen Augen eher sympathischer, weil sie dadurch eher beweist, dass sie von einer anderen Mentalität geprägt wurde und Leuten wie Hunter relativ fassungslos gegenüber steht.
Die Geschichte rund um die "Nestor" wäre wirklich ein Kapitel für sich. Aber ich würde mich da auch freuen, wenn die Leserinnen und Leser da am Ende eigene Bilder im Kopf entwickelt, was das Ende für dieses Schiff und seine verbliebene Crew bedeutet.

Ja … und dann der Endteil. Da musste ich erst mal schlucken. Da textet er die Commander völlig selbstbezogen zu (von wegen, ihr Schiff kommt gut alleine zurecht, ist zur Forschung geboren etc. … wie soll das funktionieren, wenn ein wichtiger Teil der Besatzung auf die Satyr geholt wurde?) und erwartet tatsächlich Dankbarkeit von ihr. Er merkt in keiner Sekunde, in was für einen menschlichen Abgrund er da hinabsteigt. Ich muss gestehen, ich habe diese Passagen mit einer gewissen abstoßenden Faszination gelesen. Du bringst diese Szene so leidenschaftslos herüber, dass sie komplett surrealistisch wirkt.
Ich hatte mir gehofft, dass sie ihm eine Ohrfeige verpasst, aber Deine Anmerkung, dass ihre Apathie sozusagen ihre Rettung war, weil Hunter somit keinen Anhaltspunkt für eine Reaktion hatte, fand ich dann eine interessante Betrachtungsweise.
Hunters krasse Aktion ist schon nict mehr grenzwertig :( Er denkt da nur an sich, gut, im Grunde denkt er gar nicht. Ich fürchte, es gibt nur eine Sache, die Hunter von McKnight erwartet. Ihre Apathie wiederum... Joah, es ist natürlich schon ein Problem, dass ich hier keine Frau gezeigt habe, die sich ob des (begonnenen) Übergriffs deutlich zur Wehr setzt. Aber sie sollte einfach so geschockt sein, dass Hunters Gerede sie gar nicht wirklich erreicht.

Diese Episode hätte ich mir gut direkt vor Inkarnat vorstellen können, da Hunter hier den Bogen komplett überspannt hat und ihm emotional nur noch die Flucht nach vorne bleibt. Da dazwischen jedoch noch eine (für Hunter) recht „normale“ Folge kommt, gehe ich davon aus, dass sein Verhalten ohne Konsequenz blieb. Weil er die Frauen eingeschüchtert hat? Weil sie gar nicht die Tragweite in dieser unrealen Situation begriffen haben?

Diese Folge empfinde ich als sehr mutigen Ausflug in die Abgründe der menschlichen Seele. Sie hat sicherlich  einen der stärksten Eindrücke aus Deiner Reihe bei mir hinterlassen.
Ich habe den Verdacht, dass dieses Kapitel noch nicht abgeschlossen ist, aber ich brauche da Zeit, um mir im Klaren darüber zu sein, wie das weitergehen kann.
Hunters Sündenkonto füllt sich mit mal größeren, mit mal kleineren Einträgen ja eigentlich immer weiter. Das gipfelt dann nicht in einer plötzlichen Einsicht, sondern in einer irren Aktion, in der er sich selbst los werden will ("Inkarnat") und erst anschließend beginnt er, sich wirklich zu verändern ("Schneeweiß").
Ich freue mich, dass Dich diese ungewöhnliche Folge nicht abgeschreckt hat :)


 

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