Kapitel 29 Retardierendes Moment
Ihr Captain, ihr Freund, ihr Geliebter, war tot.
Nach all dem, was sie miteinander erlebt hatten, starb er … einfach so. Klappte in sich zusammen, erlebte einen Albtraum - und war tot.
Agatha Silverbirds Gefühlsleben war in einem ziemlichen Chaos gefangen. Einerseits merkte sie, wie heiße Tränen ihre Wangen herunterliefen, andererseits spürte sie eine mordsmäßige Wut im Bauch und empfand drittens eine gewisse geistige Distanziertheit von den Dingen, mit denen sie sich gerade beschäftigen musste. Es war nicht leicht.
Er merkte, wie er erwachte.
Das war komisch, denn – er war doch erschossen worden?
Sollte er nicht in einem zylonischen Basisstern in einem Downloadbecken liegen und von einer schönen Eight und einer heißen Six willkommen geheißen?
Nein – er hatte keine Schmerzen, aber er war definitiv noch in San Francisco.
Der Captain sprang auf die Beine, schaute sich um – direkt neben ihm lag die schöne Frau, die ihn gerade eben noch getötet hatte - und öffnete die Augen.
„Hey, Cal.“, lächelte sie, stand auf und legte ihm eine Hand in den Nacken, sodass sie ihm unweigerlich in die Augen schaute.
„Programm beenden.“, lächelte sie.
Gina riss die Augen auf, als der Herzmonitor seinen langgezogene Piepslaut für ein schnelles Piepsen unterbrach.
Sie blickte auf und lächelte: „Hey, ich glaube, er…“
Und dann brach alles zusammen.
Alles machte Sinn…
„Ich… hab ich euch eine gute Jagd geboten?“, lächelte der Captain schief.
„Oh ja.“, sagte Jack vom Boden her, „Und es macht Dir Spaß auf mich zu schießen, oder?“
Cal grinste: „Immer Jack, immer.“
Der Captain lächelte.
Er hatte es ja selbst angeleiert.
Gina war eigentlich gar nicht einverstanden, aber der Captain hatte sich nicht beirren lassen.
„Ich will einfach wissen, wir ihr mit einem möglicherweise amoklaufenden Cal-Klon fertig werdet. Und damit ich absolut authentisch agiere, als Schläfer und dann Amokläufer, muss ich genau das werden.“
Gina hatte mit den Augen gerollt: „Ich weiß, worauf Du hinauswillst. Das ist eine bescheuerte Idee.“
Cal hatte genickt: „Klar ist sie das. Aber die funktionieren meistens. Und Du kannst es, ich weiß es.“
Die Ärztin hatte geseufzt: „Gut, leg dich hin.“
Nachdem der Captain ihrem Befehl gefolgt war, hatte sie das Licht ausgeschaltet, bis auf eine kleine Handlampe, die kontinuierlich Farbe und Lichtintensität änderte.
„Cal?“, begann die Ärztin mit samtweicher Singsangstimme, „Schau auf das Licht. Deine Augenlieder werden schwer.“
Oh ja – sie konnte ihn hypnotisieren… und ja, es war eine bekloppte Idee gewesen, aber wenigstens hatte sich keiner der Crewmitglieder verletzt. Und es konnte wirklich eine gute Übung sein – denn die Zylonen sahen ja aus wie Menschen, und nicht wie irgendwelche Menschen, sie hatten bei ihrem letzten Coup Klone mit dem Aussehen der Dragonflycrew erschaffen.
Und das, so wusste Cal, war gar nicht gut.
„Cal?“, erklang eine sanfte Stimme und eine noch sanftere Berührung streifte seine Wange, „Cal wach auf.“
Was war das gerade gewesen?
„Ich dachte schon, ich wäre komplett bekloppt.“, lächelte er Agatha an, die ihn mit einem sanften Kuss auf die Wange geweckt hatte.
Dann merkte er, dass ihre Augen tränennass waren und er legte sanft eine Hand auf ihre Wange: „Hey, Schatz?“
Und ohne eine weitere Erklärung schlang die XO ihre Arme um ihn und gab ihm einen langen Kuss.
Er richtete sich auf, schaute seine XO an und legte den Kopf schief: „Ich nehme einfach mal an, dass wir es geschafft haben?“
Schulterzuckend schaute Agatha an ihrem Freund und Captain vorbei zu der, sich gerade aufrappelnden, Jill, die sich im ersten Moment an der Konsole festhalten musste.
„Wow!“, stieß sie hervor, „ich fühl mich schwindlig.“
Cal betrachtete sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: „Da bist Du nicht die Einzige. Auch ich hab das Gefühl, als wär ich nicht auf einem Raumschiff, sondern auf einem, das im Wasser hin und her dümpelt.“
„Aber immerhin sind wir soweit wieder in Ordnung, das sollte doch auch etwas zählen.“,meinte Agatha und schaute die beiden Offiziere an. Der Captain zuckte mit den Schultern: „Klar, besser so als wenn es komplett anders wäre. Ich meine, das Schiff könnte ja auch abstürzen.“
Hinter ihm explodierte eine Konsole.
Der Captain zuckte erschrocken zusammen und rollte mit den Augen, als plötzlich die Beleuchtung beschloss, in Urlaub zu fahren – denn von jetzt auf gleich ging die normale, helle Beleuchtung aus und die paar roten Funzeln, die Alarmstufe Rot signalisierten, wurden aktiviert.
„Klasse.“, seufzte der Kommandant und wandte sich an seine taktische Offizierin: „Wenn Du wieder geradeaus gucken kannst, könntest Du mir sagen, was das war?“
Jill Menacer nickte, wandte sich an ihre taktische Konsole und begann, Eingaben vorzunehmen.
Ungläubig ruckte ihr Kopf hoch, sie schaute zum Captain, sowie zu dessen XO – und als das Schiff erneut bebte und erneut Funken aus einer Konsole zu sprühen begannen, versuchte sie, ihrer Stimme einen normalen Klang zu verleihen, woran sie jedoch scheiterte.
„Cal? Agatha?“
Die Reaktion der beiden Offiziere kam quasi stereo, als sie zuerst einander anblickten und dann die Cheftaktikerin der
Dragonfly . Erneut bebte das Schiff, dieses Mal kam ein Funkenregen von der Decke, genau hinter Jills Konsole.
„Das werdet ihr nicht glauben.“, sprach sie und spürte, wie ihre Stimme zu beben begann: „Wir haben die Flotte verloren.“
Der Blick Calvin Nathan Cats huschte von seiner XO zu seiner taktischen Offizierin, ehe er die Stirn runzelte: „Wie – Flotte verloren?“
„Nun ja – die Koordinaten stimmen, wir sind da, wo wir sein sollten… aber die Flotte ist nicht da.“, hörte er die Stimme Jills und seufzte, während er in seinem Kopf immer nur ein Wort wiederholte: „Scheiße!“
Das konnte doch nicht wahr sein. Wie… wie war das möglich?
Er blickte zu Jill, als das Deck unter ihm nachgab und er mit voller Wucht auf selbiges knallte.
„Klasse.“, murmelte er, „hab ich mich mal wieder langgelegt.“
Was war er eigentlich für ein Kommandant? Konnte er denn gar nichts richtig machen? War er denn zu gar nichts zu gebrauchen?
Fluchend war er auf seinen Beinen, schaute sich um und sah, dass auch Agatha hingefallen war. Verblüfft runzelte er die Stirn, ging neben ihr in die Knie und schaute sie an: „Hey, alles okay?“
Sie blickte ihn an, stieß einen abfälligen Laut aus und richtete sich auf: „Klar, das ist kein arroganter, selbstgerechter Versuch, ein paar Freunde zu retten. Und wo sind deine letzten Überlebenden der Menschheit?“
Hey, moment mal – das is unfair! , schoss es dem Captain durch den Kopf, ehe er seine Freundin verblüfft anblickte und sich aurichtete. Den Kopf schieflegend, hob er beide Hände in einer beschwichtigenden Geste und sagte: „Ich gebe zu, dass ich da einen Fehler gemacht habe, aber, verdammt noch mal – meinst Du, ich kann mit ansehen, wie Leute umkommen? Wir dürfen nicht vergessen, dass die Galactica-Crew uns geholfen hat, die
Dragonfly wiederzuerlangen.“
Die XO blickte ihn an, schüttelte den Kopf und stieß einmal Luft zwischen ihren vollen Lippen aus.
„Schon klar, und Du hattest nicht rein zufällig vor, dich beim Schicksal für die missglückte Rettung SG-1 zu revanchieren?“
Dies zu hören, einmal hörbar Luft zu holen und Agatha erzürnt anzublicken war für den Captain eine Handlung: „Willst Du mich eigentlich vergackeiern, Rotschopf? Es mag sein, dass ich mich damals nicht unbedingt clever angestellt habe, aber wenn Du mich wirklich kennen würdest, wüsstest Du dass meine Absichten verdammt noch mal ehrenhaft sind!“
Und gerade, als Cal merkte, wie eine Wut in ihm aufstieg, die er kaum beherrschen konnte und am liebsten einen Stuhl durch die Gegend geschmissen hätte, sah er, wie Agatha ihn anblickte und wie ihr Tränen in die Augen stiegen.
„Schatz?“, fragte er, allen Zorn vergessen und trat auf sie zu: „Hey, was hast Du?“
Sie schlang die Arme um ihn, presste ihm die Lippen auf den Mund und schaute ihm in die Augen: „Du.… du hast es nicht gemerkt, oder?“
„Was?“
„Du warst tot!”
Dieser Satz traf ihn wie ein Kinnhaken, er keuchte kurz auf, blickte seine XO und Freundin an und war sich sicher, dass er seine Augen weit aufgerissen und einen extrem dämlichen, weil ungläubigen, Gesichtsausdruck zeigte: „W… was?!“
Erneut sah er, wie seine XO schluckte und versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen, aber… es schien ihr nicht gelingen zu wollen.
Eigentlich hätte er es schon vorher bemeken
können , aber aus einem Grund, den er selbst nicht kannte, war dem nicht so.
Nickend schaute die XO zu ihm, barg ihre Augen an seinem Hals und er merkte, wie seine Uniform nass wurde.
Langsam, als wäre er unsicher, was zu tun wäre, hob er seine Hände, umfasste erst ihre Hüfte und fuhr ihr dann beruhigend über die flammendroten Haare.
„Hey, ich bin doch da.“
Es war… definitiv ein merkwürdiges Gefühl, dass seine Agatha so in Tränen ausbrach und er handelte nur einem Automatismus zu Folge, der sich in den Jahrtausenden Menschheitsgeschichte, deren momentanen Gipfel sie alle darstellten, als „sinnvoll“ herausgestellt hatte – ehe er bemerkte, was er getan hatte, hatte er sie umarmt und murmelte ihr beruhigende Worte ins Ohr.
Er wusste nicht, wie lange er sie festhielt, ob es nun fünf Sekunden, fünf Minuten, fünf Stunden oder fünf Tage waren, und es war ihm egal. Die beiden – Captain und XO – waren in ihrer vollkommen eigenen Welt, in der sie nichts und niemand ablenken konnte…
To be continued Kapitel 30 - Überraschungen - Ausser einem plötzlich nach unten sackenden Schiff.
Die Lichter gingen nun komplett aus, nur um fünf Sekunden später von der notdürftigen Notbeleuchtung ersetzt zu werden.
Cal riss den Kopf zur Navigation herum, wo gerade Alexander Strange wieder zu sich kam, und warf ihm einen finsteren Blick zu. Der Navigator, von dem wir auch nicht wirklich viel in dieser Geschichte gesehen haben, schaute ihn verblüfft an, zuckte mit den Schultern und begann, einen Befehl einzugeben.
„Dafür kann ich nix.“, meinte der Navigationsoffizier und Cal legte den Kopf schief: „Soso, und wer kann dann was dafür?“
„Das kann ich dir sagen, Captain“, meldete sich Jill und warf erneut einen Blick auf die taktische Konsole, „Das heißt, wir sind umstellt.“
„Wir sind im Weltraum
umstellt ?“, hob der Kommandant verblüfft die Augenbrauen, was Jill dazu brachte, mit ihren Augen zu rollen: „Du kannst auch umzingelt sagen, Cal, aber Fakt ist, wir sind es.“
Erneut bebte das Schiff, Funken sprühten und Cal runzelte die Stirn: „Feuern die auf uns?“
„Japp“, machte Jill, mit einem erneuten Blick auf die Taktik, „Und wir haben keine großartigen Verteidigungsmöglichkeiten.“
Was das bedeutete, wusste nun auch der Kommandant – spätestens als die
Dragonfly erneut einen so starken Treffer kassierte, der sie wie nach einem Kinnhaken nach hinten warf, war dem Kommandanten klar, dass die Situation sehr kompliziert geworden war.
Alex räusperte sich: „Jill, wenn Du mir für 10 Sekunden Schilde garantieren kannst, kann ich versuchen, uns wegzubringen – von wem auch immer.“
„Ich versuche es.“; meldete die Taktikerin und hielt sich fest, als ein weiterer Treffer das Föderationsschiff taumeln ließ.
Cal verlor den Boden unter den Füßen und krachte in seinen Kommandantensessel, sich an den Armlehnen festhaltend. Sein Kopf wandte sich nach Links und er stellte amüsiert lächelnd fest, dass Agatha sich schon lange hingesetzt hatte und ihn mit einem Kopfschütteln musterte: „Du hättest natürlich auch jederzeit vorher Platz nehmen können.“
„Wär doch viel zu einfach.“, grinste Cal, wandte sich dann über seine Schulter Jill zu und rief: „Kannst Du nicht wenigstens einen kleinen Warnschuss auf – wer auch immer da auf uns ballert – abgeben?“
Die taktische Offizierin schüttelte den Kopf: „Das nicht, aber ich kann dir einen Blick auf unseren Angreifer geben.“
Mit einem „Wenigstens etwas“ wandte sich der Kommandant kurz an seine XO und grinste dann zu Jill herüber: „Wie würde Captain Picard sagen? ‚Make it so’.“
Ein amüsiertes Lächeln kroch langsam über die Lippen der blonden Taktikerin, ehe sie nickte, „Aye,
Sir “ sprach und dann eine Taste auf ihrer Konsole betätigte.
Erst jetzt fiel dem Captain auf, dass der Bildschirm die ganze Zeit das selbe Bild zeigte, wie ein Fernseher bei kaputter Antenne und kaum, dass er es bemerkt hatte, klarte sich das Bild auf und zeigte etwas, das den Kommandanten und die XO aufstehen ließ.
„Verdammt.“, fluchte er, als er die einfache, geometrische Figur auf dem Bildschirm erkannte.
Die Pyramide schwebte direkt vor der
Dragonfly und gab erneut einen Schuss ab, der das Föderationsschiff erneut taumeln ließ.
Auf der Brücke tat Cal dasselbe – also taumeln, nicht schießen – und wandte sich dann an Jill: „Kannst Du sie rufen?“
„Sie blockieren alle Frequenzen, Captain.“, erwiderte die hübsche Blonde und hielt sich fest, als das Schiff bebte.
Cal wandte sich zu Alex um: „Hast Du nicht gesagt, du kannst uns von hier wegbringen?“
Ein weiterer Treffer ließ das Schiff erbeben, dieses mal kippte das Deck um knappe 90 Grad, was nun wirklich alle Brückenoffiziere zu Boden gehen ließ.
Der Captain bedachte seinen, sich gerade aufrappelnden, Navigator mit einem sarkastischen Lächeln. „Tolles Wendemanöver“, sprach er und derselbe Sarkasmus, der aus seinem Lächeln ersichtlich war, tropfte nun bei dem nicht ernstgemeinten Lob aus dem Mund des Offiziers.
„Ich kann nichts dafür“, zuckte der junge Mann mit den Schultern,, „Ich fürchte, wir haben die Kontrolle verloren.“, was Cal mit einem geknurrten: „Heute verlieren wir wirklich alles“ toppte. Er warf dem Navigator einen Blick zu: „Was heißt das im Klartext?“
„Wir stürzen ab.“, seufzte der Navigationsoffizier und warf einen Blick auf die Konsole, murmelte ein „Wenn sie nicht so flackern würde, könnte ich auch was sehen“ und hieb einmal dagegen. Grinsend wandte er sich an Cal, als die Beleuchtung der Konsole wieder funktionierte: „Geschätzte Aufprallzeit in knappen 45 Minuten.“
Cal seufzte, wandte sich an Jill: „Lieutenant Menacer? Geben Sie Evakuierungsalarm.“
„Aye, Sir.“
Keine zwei Sekunden später röhrte eine Alarmsirene und Cal hoffte, dass spätestens jetzt jeder begriffen hatte, was die Stunde geschlagen hat.
Er betätigte seinen Kommunikator: „Cat an Intrupper? Evakuiere deine Krankenstation und das ein bischen plötzlich.“
„Und was ist mit unseren Zylonenklonen?“, erklang es aus dem Kommunikator, was Cal dazu brachte, überrascht aufzusehen.
Ja, richtig, die waren ja auch noch da.
Kurz warf er einen Blick zu Agatha, die sich gerade die Tränen wegwischte und den Kopf schüttelte.
„Lass sie da.“, seufzte der Kommandant anschließend, „Wir können sie nicht aufwecken, sie vor die Wahl stellen, mitzukommen oder hier draufzugehen, und hoffen, dass wir dann zeitig rauskommen. Also – nimm dir mit, was du brauchst, wir müssen dann.“
Er beendete die Kommunikation und betätigte den Kommunikator erneut: „Cat an Middlegate?“
„Ja, Middlegate hier – sag mal, welcher Spinner hat denn Evakuierungsalarm geben lassen?“
Cal seufzte und schüttelte den Kopf. Das war wirklich sein bester Kumpel.
„Wir stürzen ab, mein Bester. Was sollen wir sonst tun?“
Kurz entstand eine kleine, beklemmende Pause, ehe der Chefingenieur hörbar grinste: „Erm… das werden wir nicht alle schaffen. Aber ich hab eine Idee.“
Der Captain war sich sicher, dass ein Grinsen auf seinen Lippen zu sehen war, als er ein „Das war mir irgendwie klar“ sagte und dann Agatha zunickte: „Gathy und ich sind gleich bei dir.“
Einige Minuten später stand der Captain vor dem Chefingenieur und blickte ihn verdattert an. Es war
so typisch für den Mann, den er nicht umsonst „Scotty“ nannte, dass er buchstäblich im letzten Augenblick solche Ideen aus dem Hut zauberte. Ob sie es schaffen würden, den Plan umzusetzen, ehe die
Dragonfly sich in den Boden bohrte, wusste Cal nicht, aber er hoffte es.
Agatha blickte den Kommandanten des Raumschiffes an und warf dann einen Blick zu Sebastian: „Und Du bist Dir sicher, dass das klappt?“
„Bei Scotty und … wie auch immer sein Name war, hat das auch funktioniert.“, nickte der Chefingenieur, „Ich bin mir ziemlich sicher.“
„Das heißt“, grinste die XO, „Ich kann dich nicht dadurch verunsichern, dass ich dir sage das „wie-hieß-er-gleich“ sein Leben gelassen hat?“
„Inzwischen haben wir für diesen Fall Sicherungen eingebaut.“
Cal blickte Scotty an: „Für diesen Fall? Wie häufig passiert sowas?“
„Das ist doch auch eigentlich unerheblich, oder?“, gab der Chefingenieur zurück, „Willst Du deine Crew retten, oder nicht?“
„Ist das eine Fangfrage?“
Scotty grinste: „Eigentlich nicht – also … hör mir genau zu, ich versuche es Dir in einfachen Worten zu erklären.“
Und während Sebastian ‚Scotty’ Middlegate seinen Vortrag begann, sank das Föderationsschiff immer tiefer in die Atmosphäre.
Das die Wüste lebt ist nicht nur eine Binsenweisheit. Eine ebenso schnelle, wie gründliche und gewissenhafte Überprüfung dieses Faktes bei unserem Wissensdealer Nummer 1 – dem berühmt-berüchtigten Onkel W. Iki-Pedia – ergab den Fakt, dass in Wüsten nicht nur Sand und Geröll zu finden ist, sondern auch Lebewesen, wie kleine Nagetiere, Spinnen oder auch in geringerem Ausmaße, Pflanzen. Aber keines von diesen Lebewesen würde sich für Astronomie interessieren, oder den Ereignissen, die diese Wüste bald erschüttern würden, großartige Bedeutung beimessen. Ein hypothetischer Betrachter hätte sicherlich etliches erzählen können – davon angefangen, dass der Tag, den man fortan nur noch „Tag des Knalles“ nennen würde, im westlichen Horizont ein roter Widerschein aufgeflammt wäre, der minütlich immer heller wurde. Dann wäre ein lauter Knall zu hören gewesen, was dem Tag den Namen „Tag des Knalles“ gegeben hätte – und wenn der hypothetische Betrachter abergläubisch gewesen wäre, wäre äußerungstechnisch von „Gott zürnt uns“ über „Der Himmel fällt uns auf den Kopf“ bis zu „Das Ende ist nah!“ alles dabei.
Dazu passten auch die sich plötzlich über der Wüste auftürmenden Wolken, aus denen sich eine silbrige Speerspitze bohrte. Sie spuckte Feuerkugeln und Lichtstrahlen, die den Boden erzittern ließen, ehe sie hart aufschlug, einmal hochhüpfte, von der Schwerkraft wieder angezogen wurde und dann etliche hundert Meter über den Boden zu schliddern begann, ehe sie gegen eine Felsformation prallte, die sie effektiv stoppte.
Würde der hypothetische Berichterstatter nun die
U.S.S. Dragonfly NCC 0815 , Version A, höchst selbst sein, würde es sich vermutlich eher so anhören.
Ich hab den Kaffee sowas von auf.
Seit Tagen und Wochen arbeiten Zylonen in mir, setzen mir Teile ein, die ich gar nicht haben möchte und machen Dinge mit mir, die mich nicht unbedingt glücklich stimmen. Meine Crew hilft fleißig mit, bis auf diesen Vollidioten, den sie sich als Captain gewählt haben – aber ich darf da ja nicht so laut tuten, ich verdanke dieser Crew – und dem Captain – ja mein zweites Leben. Aber dennoch – man sollte eigentlich meinen, dass gerade Chefingenieur Sebastian Middlegate weiß, was mir gefällt und was nicht – aber er benimmt sich, als wäre er ein vollkommen anderer Mensch.
Die Kommunikation mit den Schiffen im Umkreis stellt sich auch als sehr kompliziert heraus – es ist beinahe so, als sprächen sie eine andere Sprache. Und diese anderen Schiffe, die auch zwischendurch mal auftauchen, verständigen sich untereinander mit einer sehr alten Form meiner gebräuchlichen Sprache.
Ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt wie jemand, der im wilden Westen angekommen ist – oder noch besser: Im Mittelalter. Einige Wörter sind bekannt, andere nicht wirklich. Und wieder andere – naja – eine gewisse Grundähnlichkeit ist da, aber sie sind dermaßen verzerrt, dass man sie nur mit viel Fantasie zuordnen kann.
Und dann befohl mein Captain einen Sprung mit Vater GALACTICA, Mutter PEGASUS, deren Schwester COLONIAL ONE und den ganzen anderen Schiffen, über die Mutter und Vater tatsächlich wie Eltern wachen.
Nur irgendwas ging schief – und ehe ich mich versah, fand ich mich zwischen mehreren Pyramidenschiffen der Goa’Uld wieder, die auf mich eindroschen, wie „schoolyard bullies“ auf ihr wehrloses Opfer. Der Sprung durch die Zeit, mit diesem komplett anderen System, hatte meine Verteidigung geschwächt und so tat jeder Treffer tatsächlich weh.
Ich merkte, wie ich immer schwächer und wie die Anziehungskraft des Planeten unter mir immer unwiderstehlicher wurde. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr im Orbit halten und strebte dem erstbesten Ziel entgegen, der erstbesten Landemöglichkeit, wo sich mein Chefingenieur wieder um mich kümmern konnte, mich „zusammenflicken“ und meine Wunden versorgen. Und mit meiner gesamten Familie im Kopf und der letzten Unze Willenskraft ließ ich mich auf dem Planeten nieder, wobei ich versuchte, meine Landebahn so lang wie möglich zu halten und… moment, was machen diese Idioten, die an Bord sind, jetzt schon wieder? Warum lassen sie mich Photonentorpedos auf den Planeten spucken?
Ich verstehe es nicht, aber bevor ich mich darüber wundern kann - AU! - schlage ich das erste Mal auf. Die kinetische Energie zwingt mich wieder nach Oben, ich merke, wie sich Teile meiner Haut verabschieden und die Kraft meine Arme – die Warpgondeln - verlässt.
Kurz hebe ich ab, ehe mich die Gravitation wieder auf den Boden der Tatsachen holt.
AU!!!
Das war mein Deflektor, der sich nun in den Sand unter mir bohrt und ich schon befürchte, dass ich eine ungeschickte Rolle vorwärts hinlegen werde und dann auf dem Rücken zu liegen komme, hilflos wie eine Schildkröte.
Aber nein, ich habe Glück – die Deflektorschüssel bremst meine Vorwärtsbewegung ab und ich denke mir noch, dass es schlimmer nicht werden kann – dann sehen meine Sensoren die Felsformation, auf die ich zuhalte. Kurz stelle ich Berechnungen an – merkwürdig, mein Speicher ist auf einmal so voll - und stelle fest, dass ich einen Aufprall nicht vermeiden, aber sehr wahrscheinlich durchaus überleben werde.
AU!
Meine Schnauze hat Kontakt zur Felsformation hergestellt, granitharte Steine treten in Konkurrenzkampf mit dem leichten, aber resistenten Metall, aus dem ich gefertigt bin. Noch schiebt mich mein Trägheitsmoment immer weiter gegen die schroffkantigen Felsen, von denen einige abbrechen und auf die Hülle schlagen, andere die Hülle glatt durchschlagen, wie Messer. Das metallische Knirschen, das man hören könnte, ist mein Äquivalent zu einem schmerzerfüllten Todesschrei.
Ich bremse endlich meine Vorwärtsbewegung, aber zur Ruhe komme ich dennoch nicht. Noch einmal sorgt Geschwindigkeit plus vermaledeite Physik dafür, dass sich mein Heck hebt und meine deformierte Schnauze auf einem besonders scharfkantigen Felsen aufsetzt. Dann knalle ich mit dem Heck auf den Boden, die Schwerkraft zieht noch einmal an mir, sodass ich zurückrutsche und damit die Felskante, die sich in mein Kinn gebort hat, mitnehme.
Ich zische – das ist mein Äquivalent eines schmerzerfüllten Ausatmens – und ahne, dass es eigentlich nicht mehr schlimmer kommen kann.
Dann sind die Schoolyard-Bullies wieder da.
Ihr nehmt mich nicht ins Visier, ich trage die Verantwortung für…
Der grellorange Rotationsellipsoid leckt über meine Brückenkuppel und schlägt knapp vor meiner Schnauze ein und jetzt erkenne ich, was sie vorhaben. Ich soll begraben werden. Ohne Möglichkeit, mich zu wehren, viel zu müde, um zu reagieren, sehe ich zu, wie die Jaffa Stellung beziehen und ihre Stabwaffen auf den Berg, zudessen Füßen ich ruhe, abfeuern. Ich spüre jeden einzelnen Steinschlag, jeder scharfkantige, sengendheiße Felsensplitter, der in meine Hülle eindringt, oder sie durchschlägt, wird von mir wahrgenommen.
Die Jaffa verbringen Tage damit, mich zu begraben, mich flugunfähig zu machen und mich zu foltern. Das Einzige, was ich ihnen voraus habe, ist der Fakt, dass sie mich zu dieser Zeit noch nicht knacken können. Deswegen werde ich ja auch begraben. Und dennoch sehne ich mich nach der Hilfe meiner Schwestern, der Bellerophon und der Voyager – oder vielleicht sogar der GALACITCA und der PEGASUS.
Und plötzlich, es mag sein, dass es Tage oder Wochen, nachdem ich meine Ruhestätte gefunden habe, ist – ziehen die Jaffa ab. Sie fliegen einfach weg – und ich stelle fest, dass ich alleine bin.
Nein, alleine ist nicht das richtige Wort – ich habe meine Familie, aber ich spüre sie nicht mehr. Was ist hier passiert?
To be continued Kapitel 31 – Das Leben ist immer noch kein langer, ruhiger Fluss. Captain Calvin Nathan Cat schwitzte.
Sie waren hier gerade per Notfalltransport aufgetaucht, da hatte sie der Typ, Marke Kleiderschrank Edelfichte, schon gesehen und sich ihnen genähert.
Die Sprache, der sich dieser Mann, dieser Brocken, dieser Koloss befleißigte, kam ihm irgendwoher bekannt vor, allerdings nicht genug, um ihm antworten zu können. Und dann war da noch eine andere Sache, die ihm auffiel. Wenn der Mann in einer Sprache sprach, die er nicht verstand, musste der Universaltranslator ausgefallen sein.
Eigentlich war der Plan, den Scotty da wieder ausgekocht hatte, von für Greta und Scotty typischer knapper Brillianz. Und eigentlich hatte den Grundstein für diesen Plan ein ganz anderer „Scotty“ gelegt, nämlich Montgomery Scott höchstselbst. Damals war er mit der U.S.S.
Jenolen unterwegs gewesen und hatte sein Überleben durch einen Schritt in den Transporter und damit eine Diagnostik-Endlos-Schleife gesichert. Er und Matt Franklin waren in den Transporter gestiegen – leider hatte es der junge Offizier nicht überlebt.
Das war wiederrum Sebastian ‚Scotty’ Middlegate eine Lehre gewesen und er hatte, nachdem er Gelegenheit hatte, mit dem großen, dem bedeutenden Montgomery Scott einige Worte zu wechseln, ihn gefragt, ob er die Spezifikationen haben könne. Es hatte Jahre gedauert, bis er den Trick genauer herausgefunden hatte und nun sicher sein konnte, dass mehr als nur eine Person die Sache überlebten.
Doch das Problem bei der Sache war, dass eine Person, bevorzugterweise zwei, diesen Schritt in den Transporter nicht unternehmen konnten und auf altmodischem Wege aus der Gefahrenzone „bruchlandende
Dragonfly “ gebracht werden mussten. Er selbst hatte sich mit dem typischen Spruch „Delegiere niemals eine Arbeit, die Du nicht einmal selbst erledigt hast“ freiwillig gemeldet und Agatha mit einem „Na, einer muss ja auf dich aufpassen, Schatz“ seinem Beispiel Folge geleistet.
Und ehe sie begriffen hatten, was passiert war – das heißt, Agatha hatte es natürlich begeiffen, Cal nicht so ganz – standen sie in einer Seitengasse. Der Captain hatte gerade die Gelegenheit, festzustellen, dass es hier genau so sandig, wie heiß, war, als jemand auftauchte, sie zuerst von oben bis unten anblickte und dann in einer vertraut-kehlig-klingenden Sprache ansprach.
Cal und Agatha bedachten einander mit einem genau so fragend, wie ehrlich verwirrt-hilflos wirkenden Blick, ehe sich der Captain an den Kleiderschrank wandte.
„Entschuldigung, ich verstehe sie nicht.“
Und in dem Moment, in dem er dies sagte, stellte er fest, dass er hier einem ziemlichen Problem gegenüberstand. Wenn er Kleiderschrank nicht verstand, wie sollte Kleiderschrank ihn verstehen?
Kurz räusperernd wünschte er sich, dass Daniel hier wäre, auch wenn er in seiner Vision – Ausblick – Traum – Halluzination? – gegen den Anthropologen gekämpft hatte. Dennoch gefiel es ihm nicht, ohne Universaltranslator einem Typen gegenüberzustehen, der ihm vermutlich ohne jegliche Anstrengung das Rückgrat brechen konnte. Wobei – das war Blödsinn. Er war nicht Batman und der Typ war nicht Bane.
Erneut kehlte der Mann los, erneut stellte Cal fest, dass er keine Ahnung hatte, was der Typ sagte und zum allerersten Mal stellte der Captain fest, dass seine XO tatsächlich
verängstigt wirkte.
Es war nicht das allererste Mal, dass sie Angst erfahren hatte, aber momentan blickte sie drein, wie er, wenn er mal wieder eine Wespe gesehen hatte. Die Augen waren vor Panik aufgerissen und starrten in die Ferne.
Cal wandte sich zu ihr: „Schatz?“
Keine Antwort.
Dafür kehlte es hinter ihm wieder los, doch Cal wusste, dass er hier keine andere Wahl hatte, als unhöflich zu sein. Vielleicht wollte der Typ ja nur nach dem Weg fragen? Wobei, jetzt, wo er erneut einen Blick auf Kleiderschrank warf und feststellte, dass er Klamotten trug, wie sie vielleicht zu Sultans Zeiten als ‚in’ angesehen wurden und das Schwert erblickte, dass in Kleiderschranks Hosenbund steckte, ahnte Cal, dass es nicht nur eine einfache Wegbeschreibung war, die Kleiderschrank haben wollte.
Bestenfalls verlangte er einfach nur nach ihren Personalien, unglücklichenfalls nach ihren Wertsachen, schlimmstenfalls nach ihrem Leben.
Mit einem „Sorry, ich versteh dich immer noch nicht“ wandte sich der Captain nun vollends seiner XO zu, schaute ihr in die weitaufgerissenen, grasgrünen Augen und merkte, wie sein Herz zum Halsansatz wanderte, um dort zu schlagen.
Verdammt – was war mit Agatha los?
„Schatz?“, fragte er – nun zum zweiten, oder dritten Mal – und griff nach ihren Schultern, um sie sachte zu berühren.
Sie blinzelte und der Captain merkte, erleichternd aufatmend, wie Leben in ihren Gesichtsausdruck trat. Ehrliche, offene Verwirrung.
„Liebling?“, fragte er nun, lächelte sie beruhigend an und bedeutete nach hinten, dorthin wo Kleiderschrank stand und wieder kehlte, noch einen kleinen Moment still zu sein, ehe er den Kopf schieflegte, und Agatha neugierig betrachtete.
„Was war los?“
Ein Lachen kroch aus seinem Mund.
Agatha blickte ihn an, ihre grünen Augen leuchteten förmlich im Halbdunkel und sie schüttelte den Kopf: „Das glaubst Du mir eh nicht. Ich hab da gerade etwas gesehen, das nicht wahrsein kann.“
„Und was?“, fragte der Kommandant und zuckte erschrocken zusammen, als direkt neben ihn ein Schwert in den Sand eindrang.
Er warf den Kopf herum und blickte zu Kleiderschrank, der gerade offenbar jegliche Geduld verloren und sein Schwert gezogen hatte, um damit auszuholen.
Man sagte ihm, dem Captain, ja gerne mal nach, dass er kopflos handelte, aber das war dann doch zu wörtlich genommen.
Er hob abwehrend beide Hände, warf sich aus der Schwungbahn des Schwertes, nahm eine Handvoll Sand und warf sie ihm ins Gesicht. Dann griff er sich Agathas Hand, versicherte sich, dass sie am restlichen Körper angebracht war und schaute ihr dann zu: „Schnell weg?“
„Schnell weg.“, sagte sie und dann eilten sie los.
Es ist nun schon der hundertste Tag.
Erneut öffne ich mein Bewusstsein, spüre die Familie in meinem Kopf und dehne mein Bewusstsein aus. Es hat sich viel getan, das kann man nicht anders beschreiben. Mein Grab – das ich eher als „Mein Bett“ zu bezeichnen pflege – wurde in den letzten tausend Tagen mehr als einmal gestört – allerdings nie ernsthaft und nie tief genug, das man mich finden würde. Ich muss an diesem Tag nur diese eine Sache erledigen, nur diese beiden Lebenszeichen ertasten. Wenn ich das geschafft habe, sind wir in Sicherheit. Zunächst dehne ich richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Himmel. Ich kann vermutlich erst, wenn die Sonne untergegangen ist, feststellen, wie lang die Nacht dieses Mal war, aber ich kann jetzt schon erkennen, dass die Bullies seit hundert Tagen nicht wieder aufgetaucht sind. Das ist beruhigend.
Dennoch bin ich müde. Ich glaube, seit ich meine Familie im Kopf habe, schlafe ich häufiger, als normal.
Ich würde gerne wieder dort sein, wohin ich gehöre – in den Sternen schweben, in Gammastrahlen baden und so schnell und so lange rennen, wie mein Herz dies aushält.
Mein Herz. Sebastian würde es „Warpkern“ nennen. Ich weiß, was sie getan haben und ich weiß, dass es keine Alternative gab. Ich musste sie…
Moment – ich empfange ein Signal.
Hätte ich ein Gesicht, hätte ich gelächelt. Meine Sensoren haben Calvin Cat und Agatha Silverbird ausfindig gemacht und da Agatha in den Plan eingeweiht ist, wird sie mich jetzt suchen. Ich muss nur lange genug rufen, dann werden sie kommen.
Das laute Kreischen aus seinem Kommunikator ließ den Captain erstarren und verdattert die Brosche anblicken.
Was zum Henker?
„Das ist ein Peilungssignal, das die
Dragonfly sendet. Sie hat unsere Kommunikatoren gefunden und das Programm, das Sebastian geschrieben hat, sorgt dafür, dass sie uns auf sich aufmerksam macht. Ich muss jetzt nur mit dem Tricorder die Frequenz klarkitzeln, dann können wir…“
Agatha Silverbird brach überrascht ab, als der Captain sie packte, ihren Körper gegen die nächste Wand und seinen Mund gegen ihre Lippen presste. Er küsste sie so hart, so leidenschaftlich, dass sie dachte, er würde allerhöchstens loslassen, wenn sie beide vor Sauerstoffverlust ohnmächtig werden würden. Innerlich konnte sie nur mit dem Kopf schütteln – das war wieder etwas, das so typisch Cal war, dass man es beinahe in eine Markenpräsentation einbauen könnte. Andererseits – der stürmische Cal entfachte auch in ihr ein Feuer und so tat sie das, was ihr Körper ihr befahl. Sie presste ihren Kommandanten gegen sich und spürte, wie seine Hände über sie glitten.
Mit geschlossenen Augen gab sie sich dieser Hitze hin, bis sie Schritte hörte, die ihren militärischen Geist wieder wachriefen. Sie öffnete ihre Augen und sah den Riesen – zumindest seine Silhouette – an sich vorbeirauschen, wobei er von einigen anderen Leuten verfolgt wurde.
Der Kommandant löste sich von ihr, schaute sie ein wenig verwirrt an und lächelte: „Gute Taktik, oder?“
„Ja, eine der Besten.“, grinste die XO, aber sie ahnte, dass Cal sie nicht aufgrund des alten „knutschende Pärchen stört man nicht“-Tricks geküsst hatte, auch wenn er es gerade so aussehen lassen wollte.
Er lächelte ihr zu: „Eigentlich müssten wir jetzt hier unbeschadet raus…“
Weiter kam er nicht, denn erneut quietschte der Kommunikator los. Schnell richtete Agatha ihren Tricorder auf die Brust ihres Captains, scannte die Frequenz und startete einen Suchlauf, als plötzlich der Kleiderschrank wieder in der Gasse stand.
„Verdammt, wo kommt der her?“, fragte Cal, als der Typ erneut sein Schwert hob und irgendetwas bellte.
Den Kopf schüttelnd trat der Captain auf den Riesen zu und legte eine Hand auf das Schwert – und bevor er zu sprechen ansetzte, wusste Agatha, dass das ganze nichts werden konnte.
„Erstens“, sagte er und bohrte seinen Blick in die Augen des Riesen, „Halt das Ding jemand anderem unter die Nase und zweitens
verstehen wir dich nicht , verstehst Du das?“
Die Antwort des Riesen war eine genau platzierte Gerade in Cals Gesicht, die ihn gegen die nächstbeste Wand taumeln ließ, an der er mit verdrehten Augen herunterrutschte.
Ihr erster Gedanke war „Typisch Cal“ und sie war versucht, es mit einem genervt-amüsierten Schulterzucken abzutun, aber dann fiel ihr ein, dass sie ihn heute bei einer eben so einfachen wie, in seinem Fall, oft auftretenden Ohnmacht verloren hätte.
Jetzt durfte sie nur nicht überreagieren – auch wenn sie gerade mit dem Gedanken flirtete, dem Kleiderschrank das Schwert aus der Hand zu treten, unter den gezogenen Waffen der anderen Typen, die ihnen gerade Gesellschaft leisteten, hinwegzutauchen, sie mit einem Phaserschuss, auf Fächerstrahl gestellt, zu betäuben und dann zu Cal zu eilen, aber sie war sich sicher, dass genau diese Aktion sie genau so zu Boden schicken würde, wie den Captain. Stattdessen sah sie , wie der Typ sie anblickte, schenkte ihm ein ebenso harmloses, wie ehrliches, Lächeln und versuchte, allein durch Tonmodulation, Körperhaltung, Mimik und Gestik zu schildern, dass sie in Frieden kamen und das von ihnen keine Gefahr ausginge.
„Sir“, sagte sie daher in einer Tonlage, die von den meisten Humanoiden als „neutral-freundlich“ gewertet wurde, hob beide Hände und kniete sich dann nieder, den Blick gen Boden gesenkt: „Wir haben nicht vor, Ihnen etwas zu tun.“
Dann, mit gehobenem Kopf und ihm direkt in die Augen blickend: „Wir wünschen nur zu wissen, wo wir sind.“
Es gab Momente, in denen begrüßte sie die moderne Technologie – dieser war so einer. Mit dem Universalübersetzer hätte sie sich dem Mann verständlich machen können, aber so war sie auf andere Kommunikationsmöglichkeiten angewiesen.
Sie erinnerte sich an den Crashkurs, den Daniel ihr und Cal seinerzeit hatte angedeihen lassen, und führte ihre Hand auf den sandigen Boden.
„Wir kommen von hier.“, sagte sie und zeichnete ein Symbol auf den Boden.
Man konnte es entweder als Pyramide ohne Boden, Dreieck ohne abschließende Seite, als ein Größer-als oder Kleiner-als-Zeichen sehen, als V, als A ohne Mittelstrich oder als das Symbol, das gedoppelt in der Internetcommunity als „Lachen“ gewertet wird – also als ^.
Über dieses ^ skizzierte die XO nun einen Kreis und schaute die Männer abwartend an. Eigentlich war es klar, was sie ausdrücken wollte. Das Zeichen des ^ mit dem Kreis über diesem Symbol, war nichts Anderes als das Stargate-Zeichen für „Erde“. Auch dem „Alphabet“ der Antiker, der Rasse, die das Tor-Netzwerk überhaupt erst konstruiert hatte, war dieses Symbol zugeordnet, es bedeutete, laut dem tragisch-verstorbenen Jack O’Neill „At“ – doch den Typen bedeutete es anscheinend nichts.
Der Mann blickte Agatha zuerst etwas verwundert, dann verwirrt an und sprach wieder in seiner kehligen Sprache, von der sich Agatha zwar schon sicher war, sie mindestens einmal gehört zu haben, sie aber partout nicht zuordnen konnte.
„Es…“, setzte sie an und blinzelte, als sie bemerkte, wie Cal sich aufrichtete und benommen in ihre Richtung blickte. Er schüttelte den Kopf und sie hatte das Gefühl, dass er ihr entweder sehr heftig wiedersprechen wollte, oder einfach nur den Kopf klar bekommen. Momentan schien ihr beides ziemlich realistisch.
Sie blickte den Typen an und zuckte mit den Schultern: „Sie verstehen kein Wort was ich sage, oder?“
Resignation klang in ihrer Stimme mit und sie glaubte, bei dem Mann sogar einen Anflug von Mitgefühl in seinen Augen sehen zu können. Auch, als er zu sprechen ansetzte, stellte sie fest, dass seine Stimmfärbung eindeutig einen Klang bekommen hatte, den man als „mitfühlend“ bezeichnen konnte. Natürlich verstanden ihre Ohren nicht, was er sagte, ihr Herz verstand es jedoch mehr als deutlich. Es klang ein „Das ist nicht schlimm“ mit und es hätte sie nicht gewundert, wenn er sie noch tröstend getätschelt hätte.
Dazu kam es nur aus dem Grunde nicht, weil Cal erstens die Gelegenheit beim Schopfe und zweitens sie bei der Hand ergriff und losrannte.
„Hältst Du das für so eine gute Idee?“, fragte die XO, als ihr auffiel, das Cal, statt geradeaus zu laufen, sehr schlangenlinien-mäßig rannte.
Das gebellte Wort, das der Kleiderschrank von sich gab, verstand ihr Herz nur allzu deutlich: „HINTERHER!“
Und wenn man denkt, blöder geht’s nicht mehr, dann kommt von irgendwo eine typische Cal-Idee her. Sie hinter sich herziehend, schien der Captain einem Weg zu folgen, den entweder nur er sehen konnte oder der sich ihr aus Gründen der noch vorhandenen Rationalität verschloss. Der Weg führte sie durch eine Unzahl von kleinen, verwinkelten Gässchen, vorbei an unzähligen Möglichkeiten, sich neu einzukleiden und somit zumindest für ein paar Minuten unter dem Radar ihrer Häscher hinweg zu tauchen und dann hinauf, auf einen Turm, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Mit ihren Möchtegern-Fängern und komplett ohne den Dillanger-Roggen im Genick wurde der Captain gleich nochmal so schnell und Agatha konnte sich der Frage nicht erwehren, wo der Mann auf einmal seine Kräfte herhatte? Sie konnte letzendlich nur mutmaßen und schob es darauf, dass er noch einmal alle Reserven mobilisierte, nur um dann, wenn sie dann doch irgendwann in Sicherheit sein sollten, in Ruhe und ungestört zusammenklappen zu können. Das wäre schließlich nicht das erste Mal. Doch plötzlich stoppte er, wild mit den Armen rudernd und prallte zurück. Sie machte einen Schritt zur Seite und stellte fest, was den Captain so cartoonisch hatte reagieren lassen.
„Das ist nicht das Ende der Welt“, grinste sie, „nur das Ende unseres Fluchtweges, hm?“
‚HÄ?’, schoss es dem Captain durch den Kopf, ‚Wir sind gerade auf der Flucht vor diesen Kleiderschränken und sie nutzt diese Gelegenheit, um einen
Witz zu machen?“
Er wandte sich ihr zu, sah, wie sie sich an die Wand presste, eine Hand auf ihre Brust und ihm zulächelte. Die Frau hatte viel zu viel Spaß.
Vermutlich sah er gerade aus, als habe man ihm irgendwo hineingetreten, denn er spürte, dass er seine Gesichtsmuskeln nur noch bedingt unter Kontrolle hatte, als er fragte: „Wie kannst Du dabei noch so gut drauf sein?“
Sie zuckte mit den Achseln, deutete auf die Treppe, die sie gerade hochgerannt waren und von deren ersten Stufen die Schritte Kleiderschranks und seiner Gefolgsleute heraufpolterten.
„Ich nehme nicht an, dass Du diese Raufbolde betäuben willst, oder?“, fragte sie und Cal schaute sie an: „Ich dachte nicht, dass Du es mir erlaubst.“
„Würde ich auch nicht. Wir haben immerhin keine Ahnung,
was sie von uns wollen?“
„Wie, was sie von uns wollen? Das kann doch nun alles sein. Räuber, Mörder, durchgeknallte Profi-Wrestler…“
„Palastwachen…“, warf Agatha ein, was ihm nur ein abfälliges Geräusch entlockte, das man in der englischen Sprache als „scoffing“ kennt, „Ja, klar, genau. Von welchem Palast?“
Seine XO deutete hinter ihn: „Von dem da, eventuell?“
Verblüfft drehte sich der Captain um … und erstarrte.
Sie waren sicherlich noch einen knappen Kilometer entfernt, aber dieser Palast war gewaltig. In der Mitte befand sich ein Gebäude, dessen Kuppel ihn an eine Zwiebel erinnerte, die auf dem Kopf stand… und er fühlte sich an ein Märchen aus Tausend und Einer Nacht erinnert.
Sanft lächelnd wandte er sich an Agatha: „Na, meine kleine Sheherazade?“
Die XO hob eine Augenbraue: „Ganz schlechter vergleich, Cal, gaaanz schlecht. Oder willst Du mich nach der Hochzeitsnacht umbringen lassen?“
„Erm“, machte der Kommandant, „Da müsste ich schon ziemlich bescheuert sein.“
In diesem Moment war auch Kleiderschrank da, gefolgt von seinen Leuten, und blickte mißmutig in die Runde, doch ehe er ansetzen konnte, schaute Cal seine XO an: „Jetzt guck dir diesen extem intelligenten Gesichtsausdruck an. Das is nich unbedingt Universitätsmaterial. Ich würde eher sagen, der Mann is zu dämlich, um gerade aus aus dem Busch zu winken.“
Erneut warf ihm der Typ erdolchende Blicke zu – doch die Umgebung hatte Cal gerade in ihrem Griff. Beinahe so, als wäre er Aladdin aus der Disney-Serie, die er auch zwischendurch mal gesehen hatte, kniff er dem Typen in die Wange und wandte sich lächelnd an Agatha: „Jetzt guckt der auch noch so, als ob er mich verstehen würde.“
Doch in dem Moment, in dem er sah, dass Agatha ihn unverständlich anblickte, stellte er fünf Sachen fest – erstens, ein Treffer mit der Faust gegen das Kinn ist eine schmerzhafte Angelegenheit, zweitens ein Treffer mit der Faust gegen das Kinn, durchgeführt von einem extrem wütenden Riesen reicht aus, um einen 75 Kilo-Captain seitwärts gegen eine 65 Kilo-XO zu schleudern, die durch die Wucht gegen eine Wand geschleudert wird, drittens sah Agatha, trotz der Kopfverletzung ziemlich friedlich aus, viertens hatte sie ihn nicht verstanden und fünftens, der grobe Klotz ihn dafür um so mehr.
Schnell wirbelte er herum, hatte seinen Phaser gezogen, ihn aktiviert und fühlte sich bemüßigt, einen weiteren Disneyhelden zu zitieren – oder besser gesagt – ihn an seine Situation anzupassen: „Frei nach Darkwing Duck – siehe Licht, Bösewicht!“
Damit feuerte er, was Kleiderschrank und seine Mannen auf der Stelle erstarren und dann kollabieren ließ.
Erleichtert atmete der Captain aus und eilte dann zu seiner bewusstlosen XO. Er tastete nach ihrem Puls, atmete erleichtert aus, beugte sich vor und tat das, was ein Prinz mit einer Prinzessin tut – er gab ihr einen langen Kuss.
Die schallende Ohrfeige tat noch zwei Stunden danach weh.
Da saßen sie allerdings schon… aber ich greife vor.
Als Agatha die unglaublich grünen Augen aufschlug, war der Captain sofort wie hypnotisiert – ganz ohne Erdbeerparfait, ohne Pendel, ohne Massagen, ohne sonstige Blickfänge, er war einfach nur vollkommen im Bann dieser wunderschönen Frau und merkte, wie er breit lächelte, als sein Kopf ihm zuflüsterte „Das ist deine Freundin.“
Das laute Rauschen, das er dann hörte, tat er zunächst als Blätterwald ab, versetzte sich und Agatha gedanklich in einen grünen Garten, wie den, in dem Sebastian als junger Mann gerne gewerkelt und seine eigenen Projekte gestaltet hatte, wo Linda Layd und Gina Intrupper, bevor sie Bordcounselor und Bordärztin wurden, eine kleine Gemüse- und Kräuterecke betrieben hatten, wo er sich bevorzugterweise mit einem PADD und einem kühlen Getränk in den Schatten gesetzt und wo Agatha gerne sonnengebadet hatte. Ja, so ließ es sich gut leben – aber sie waren nicht in einem Blätterwald, sie waren in einer Stadt in der Wüste und demzufolge konnte das Rauschen auch nicht von Blättern herrühren. Vielleicht war es ja das Meer oder der Lago Maggiore, wo er mit Agatha und Gina mal Urlaub gemacht hatte?
Nein, das Meer war viel zu weit weg.
Dann sah er Agatha an und bemerkte, dass sie einen extrem ungläubigen Gesichtsausdruck spazieren trug.
Verblüfft wandte er sich um und fand seine Nase in den Bommeln eines Teppichs wieder.
„Wer…“, brachte er hervor und bemerkte dann, dass auf diesem Teppich jemand stand. Seine Augen fuhren die strammen Waden hoch, die Hüfte, den freiliegenden Bauch und die Weste, das jungenhaft-lächelnde Gesicht , bis hinauf zum Fez.
„Hör mal, ich weiß ja, das Fezze cool sind, aber… warum trägst Du einen?“
„Vielleicht, weil es ihm einfach nur steht?“, fragte seine XO und Cal blickte sie an: „Erstens: Was? Zweitens: Das hast Du verstanden?“
Sie nickte und grinste: „Ich glaube, als ich mit dem Kopf gegen die Wand geknallt bin, ist der U.T. wieder angesprungen.“
U.T. - Universaltranslator.
Cal war sich nicht sicher, wer auf die grandiose Idee gekommen war, im Fall einer Gefangennahme oder falls sonstige Unberufene mitlauschen sollten, in Abkürzungen zu verfallen, aber zwischenzeitlich war es ziemlich praktisch.
Ein einfaches „H.D.K.“ war schneller in den Raum gebrüllt, als ein „Halt die Klappe!“, ein „N.R.D.“ deutlich simpler, als ein „Name, Rang, Dienstnummer“. Zumal, wenn man vor Leuten, die sich mit der Thematik nicht auskannten – ja, nicht auskennen
sollten – sprach und der Universalübersetzer das, was man die Nasen eigentlich nicht verstehen sollten, übersetzte, die Sache ein wenig unschön werden konnte. Vielleicht war es nicht die Beste der Ideen, den Grund, warum man sich verstand so laut auszuposaunen und zu hoffen, dass nur die Buchstaben U.T. ausreichten, damit nur Sternenflottenoffiziere die Begründung verstanden – aber auch Agatha hatte ein Anrecht darauf, mal in ein Fettnäpfchen zu treten, fand Cal. Das geschah einfach zu selten. Und so toll es auch war, mit einer ebenso schönen, wie athletischen, wie kompetenten, wie cleveren Offizierin zusammenzusein – Abwechslungen waren halt das Salz in der Suppe.
Das ihre Äußerung ein Fehler gewesen war, merkten sie beide, als der unbekannte Fremde lächelte und mit einer sympathisch klingenden Stimme fragte: „U.T.? Was ist das?“
„Oh, großartig“, entwich ein Seufzen der Kehle der hübschen XO, „das kann noch was werden.“
Cal blickte sie an, nickte und warf dann wieder einen Blick auf den Typen, der gerade auf einem Teppich vor ihnen stand. Was eigentlich kein Problem wäre, würde dieser besagte Stofffetzen nicht ungefähr einen knappen Meter in der Luft schweben. Dann legte der Offizier den Kopf schief: „Kein schlechter Trick, dieses … Ding… in der Luft schweben zu lassen. Aber… wie geht das?“
Er betrachtete den Teppich genau, ging in die Knie um unter ihm hindurchzulugen: „Ich sehe keine Streben, die ihn in der Waagrechten halten.“
Damit klopfte er einmal gegen das Produkt feinster Webkunst, was zur Folge hatte, das der Teppich ihm mit dem Bommel auf die Nase schlug.
„Er mag es nicht, geschlagen zu werden.“, sagte der junge Mann, der auf dem Teppich stand, was Cal dazu brachte, ihn anzusehen und bissiges ein „Aber er scheint drauf zu stehen, dass man auf ihm steht“ zurückgab.
Dann stockte er erneut, tastete nach seiner Kehle, machte ein paar Sprechbewegungen und schaute den Mann auf dem Teppich erneut an: „Sag nochmal was.“
„Und was?“, fragte der Junge, was Cal dazu führte, entsetzt zu Agatha zu blicken: „Schatz? Der hat meine Stimme!“
Und dann – als wäre der Blitz der Erkenntnis in ihn gefahren, zückte der Captain seinen Phaser und richtete ihn auf Teppich und Mann: „HA! Hab ich dich, Traceless! Du magst tausend verschiedene Gesichter haben, aber du hast nur einen Kopf. Und es wird der Tag kommen, an dem Du überhaupt keinen mehr hast, dann werde ich ihn nämlich geholt haben, Fantomas. Jaja, wer zuletzt lacht, lacht…“
Er stockte, als zwei unterschiedliche Dinge zum selben Zeitpunkt geschahen. Zuerst schlug der Teppich ihm den Phaser aus der Hand, dann Agatha mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, wobei sie grinste: „Cal, du bist nicht Juve! Bringt also nichts, Sprüche aus dem ersten Fantomas-Film mit Louis de Funes zu zitieren. Und ausserdem, ich bezweifele, dass dieser junge Mann Traceless ist.“
„Ich weiß nicht, wovon ihr beiden redet, aber, wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich lieber schnell von hier verschwinden, ehe Razul wieder zu sich kommt.“, lächelte der Junge und streckte seine Hand aus, die Agatha dankbar ergriff.
„Danke“, sagte sie, „vielleicht können Sie uns auch sagen, wo wir uns befinden?“
Cal versuchte, seinerseits den Teppich hochzukraxeln, als er spürte, wie kleine Füße über ihn liefen und sich dann unter lautem Keckern ein Affe seinen Phaser nahm.
„Hey“, rief der Captain, „Lass … nein, gib ihn her.“
Er hatte kurz überlegt, ob es cleverer wäre, den Affen zu bitten, die Waffe liegen zu lassen, aber in Hinblick darauf, was Kirk und seine Mannen schon für einen Trouble erlebt hatten, nur weil jemand ein Buch verloren hatte, bezweifelte er, dass es eine gute Idee wäre, seine hochtechnologische Waffe hier – wer weiß wo – liegen zu lassen.
Das wäre sicher nicht im Sinne der ersten Direktive, wobei er befürchtete, dass hier so einiges nicht im Sinne irgendeiner ersten Direktive verlief – ob nun der temporalen Variante oder der herkömmlichen.
„Wer sind deine Freunde?“, hörte er plötzlich eine angenehm weibliche Stimme, nahm all seinen Mut zusammen und versuchte sich, am Teppich hochzuziehen, als der Affe über seinen Rücken lief und der Teppich plötzlich losflog.
Als dann plötzlich seine Füße in der Luft schwebten, gab es einmal einen kurzen, kräftigen Ruck und das nächste, was er wusste, war, dass seine Hände sehr angestrengt in die Fasern des Flugteppichs fassten und wie die Schwerkraft an ihm zog.
Wenn jetzt noch einer rufen würde „Schau nicht nach unten“, würde er ihn spontan erschlagen. Aber der Klischeesatz fiel nicht, stattdessen hörte er Agathas entsetzten Aufschrei und spürte, wie vier Hände nach seinen Oberarmen griffen. Und irgendwie hatte der Junge viel zu zarte Hände.
Als der Captain dann nach oben blickte, stockte er.
Entweder war der Typ ein Wechselbalg oder aber er hatte die Frau irgendwie übersehen. Sie und Agatha und dann auch der Junge halfen ihm, sich auf den Teppich zu bugsieren, irgendwann spürte er sogar, wie der Affe nach seinen Haaren griff. Und irgendwie wusste er nicht so ganz, was das Tier damit bezwecken wollte. Hatte er tatsächlich vor, ihn zu retten oder einfach nur, ihn zu lausen? Was auch immer der Plan des Affen war, nach ein paar Sekunden der eher bangen Frage, ob er nicht doch noch auf Planet X im Land Y auf dem Marktplatz zermatscht enden würde, befand er sich in aufrecht sitzender Position auf dem Teppich.
Und dieses Wort klang einfach viel zu – abgefahren.
Oder abgeflogen, in dem Fall.
Ein fliegender Teppich, wie bei 1001 Nacht, wie bei Aladdin, wie bei den Abenteuern des Straßenjungen, der sich in die unglaublich schöne Prinzessin Jasmin verliebte und…
Cal umarmte seine XO und nickte dem Jungen und der Frau dankbar zu, ehe er zusammenzuckte.
„Ja bin ich denn Leo?“, fragte er und blinzelte die Beiden an.
Dann schluckte er und merkte, wie er gegen seine Freundin sackte, die ihn besorgt ansah: „Was ist los?“
„D… das…“, stammelte er, deutete auf die beiden Teppichreiter und schaute seine XO an: „Das sind … Aladdin und Jasmin.“
Die Prinzessin bedachte ihn mit einem sanftmütigen Lächeln, nickte ihm zu und hielt ihm die Hand hin: „Sehr erfreut… wer sind Sie?“
Das war der Moment, in dem es wieder Dunkel um Cal wurde.
Für eine sehr lange Zeit.
TBC