Kapitel 7.1 - Die Wahrheit ist irgendwo da draußen Der schwarze Dodger hielt in der Tiefgarage des NCIS-Hauptgebäudes in Washington D.C.
Gibbs stieg aus und verspürte eine Art Wehmut. Seit dem 15. September war das Hauptgebäude nicht mehr das Hauptgebäude. Es war nicht mehr – aber auch nicht weniger – als eine Dependance, eine Zweigstelle, des NCIS-HQ, das inzwischen seinen Platz in Quantico hatte. Er und sein Team waren noch hier und vermutlich würde auch Vance zwischen diesen beiden Gebäuden hin und her pendeln, wenn es noch Sachen zu erledigen gab. So wie diese hier.
Die Tür des Dodgers schlug mit diesem charakteristischen Klatschen zu, Gibbs warf erneut einen Blick auf die Tiefgarage und stellte fest, wie leer sie momentan wirkte. Was würde wohl aus dieser Dependance werden, was aus seinem Team? Würde man seine Leute wirklich auseinanderreißen?
McGee hatte am Stone’schen Tatort schon erste Vermutungen in diese Richtung geäußert und vielleicht war es ja auch genau so. Aber wenn Vance auch nur über den Hauch eines Hirns verfügte, dann würde die Sache vermutlich anders ablaufen – nämlich dergestalt, dass das Team zusammenbliebe – als ein Team, als eine Familie, an einem Dienstort, egal ob sie nun am Standort Quantico Verbrechen aufklärten oder am Standort DC.
Vielleicht würde man ihn auch bald Pensionieren, denn so langsam, aber sicher spürte er das Alter in jeder Faser seines Körpers – wenngleich er noch nicht bereit war, tatsächlich aufzugeben. Nein, dafür war er viel zu zäh – er war wie ein alter Wolf, der schon hier und da einige Narben, Kratzer und Wunden hatte, sie aber nicht versteckte, sondern sie als Zeichen der unbestrittenen Anführerschaft und wie eine Art Schmuck trug.
Es gab diese Momente, da konnte der Agent Ziva David vollkommen verstehen, die ebenfalls die Zeichen, dass sie im Kampf war, nicht als Makel trug, sondern als Signum ihres Sieges.
Auch er bevorzugte es, sich stolz und aufrecht zu präsentieren und tat es bei jeder Gelegenheit, wenngleich sein Körper ihm deutliche Signale sendete, dass er eben nicht mehr zu denen gehörte, die wie Rehe herumspringen konnten. Dies mochte in der freien Wirtschaft ein Zeichen von Schwäche sein, aber in seinem Team galt dies als Zeichen von Stärke, von Führungsbewusstsein und von Verbissenheit. Er würde sich niemals jemandem einfach so ergeben. Er nicht. Nichts und niemandem. Er würde weder vor seinem Chef kuschen, noch vor seinem größten Gegner – sich selbst und seinem Alter.
Das leise
Ding , mit dem die Aufzugtür hinter ihm zuglitt, ließ ihn kurz aus seinen Gedanken erwachen – und das, obwohl dies gar nicht notwendig war. Den Aufzug bediente er seit Jahren fast schon im Schlaf. Das Büro des Direktors würde er auch recht zügig erreichen, um dem Mann die entscheidende Frage zu stellen. Was wusste Captain / Direktor Leon Vance über das PADD, das sie am Tatort gefunden hatten? Und war dies eventuell sogar der eigentliche Grund für den Auftrag gewesen?
Gibbs wusste es nicht, ahnte aber, dass er bald ausreichende Antworten erhalten würde – zumindest würden sie so ausreichend ausfallen, wie es im Falle von Vance überhaupt möglich war.
Der Lift trug ihn in den ersten Stock, dorthin, wo bis vor ein paar Wochen noch das Leben gepulst hatte – und als sich die Tür öffnete, traf ihn eine Erinnerung an die Vergangenheit.
Ziva, Abby und Agatha kamen lächelnd aus dem Aufzug und betraten den Bullpen, wo die Herren der Schöpfung sie anblickten.
Cal hob eine Augenbraue, betrachtete seine XO von Kopf bis Fuß und schüttelte amüsiert grinsend den Kopf: „Habt ihr etwa den ganzen Tag verwendet, um Shoppen zu gehen?“
„Naja, wir haben uns noch einen schönen Mädels-Abend gegönnt. Das hab ich auf der DRAGONFLY zu selten.“, sagte Agatha und Cal verschluckte sich beinahe an den Konsonanten: „Zu Sel… Agatha, Gina und Jill sind vielleicht keine Mädels?“
Die XO trat auf ihn zu, küsste ihn und streichelte ihm sanft über den Kopf: „Das erkläre ich dir später. Nachdem ich dir gezeigt habe, was ich mir gekauft habe, bin ich sicher, Du wirst wollen dass ich mit Ziva und Abby öfter mal shoppen gehe.“
Cal räusperte sich: „Vorsicht, sonst werden wir Klischee. Ich würde es nicht gerne haben, wenn wir die Geschichte auf den letzten Metern tatsächlich mit Volldampf an die Wand fahren.“
„Ich übrigens auch nicht.“
Damit betrat Leon Vance den Bullpen, was Cal und Agatha dazu brachte, zu salutieren.
Der afroamerikanische Captain und NCIS-Director schaute die beiden an: „Rühren.“
Dann blickte er in die Runde.
„Das war eine sehr anstrengende Geschichte. Für alle von uns, wie ich anmerken möchte.“
Einer seiner viel gekauten Zahnstocher wanderte im Mund herum, bevor er ihn nahm und in den nächsten Mülleimer verfrachtete, um ihn durch einen neuen auszutauschen. Er wandte seinen Blick Gibbs zu, der ihn vollkommen ungerührt erwiderte.
‚Typisch’, dachte er sich, ‚Als ob sich der große Leroy Jethro Gibbs von so etwas wie ‚Offizieren aus der Zukunft’ beeindrucken lässt.’
„Ich habe auch gleich einen neuen Auftrag für Sie und ihr Team, Gibbs.“
Vance hatte das Gefühl, in den eisblauen Augen seines besten Agenten so etwas wie Amüsement aufleuchten zu sehen, als er in einem professionellen Tonfall, mit einem dennoch vorhandenen Unterton von Irionie, ein „Tatsächlich“ von sich gab.
„Ja.“, sagte Vance, förderte eine Akte zutage und übergab sie dem Grauhaarigen: „Angela Stone. Inoffiziell zurückgekehrt in ihre Zeit – offiziell tot. Sie sollen Spuren verwischen und die Ermittlungen in die Richtung führen, dass es tatsächlich ein Unfall war.“
Die Unterlippe des Chefermittlers zuckte verräterisch und Vance erkannte, dass Gibbs tatsächlich extrem amüsiert war: „Spuren verwischen? Das heißt, wir sollen einen Tatort verschleiern?“
„So in etwa.“, erklärte Vance, ehe er sich an Agatha und Cal wandte: „Und Sie, Captain und Commander, haben auch einen neuen Auftrag. Kehren Sie in Ihre Zeit zurück, nehmen sie Captain Angela Stone und die Leichen ihres Mannes, sowie von Ensign McConnaugh mit. Und dann wäre da noch etwas.“
Damit übergab er ihnen ein PADD, das der Captain studierte. Verwirrt blickte er auf.
„Sir?“, fragte er, „Lese ich das richtig? Kontakt?“
Vance nickte: „Ja – nach allen Anzeichen findet sich im Sternbild der Jagdhunde eine Intelligenz, die Signale aussendet. Fliegen Sie dort hin und nehmen Sie Kontakt auf.“
Nun war es am Captain, zu nicken. „Aye, Sir.“
Damit salutierte er.
Vance schaute ihn an, erwiderte den Salut, ehe er ihm die Hand reichte: „Schön, Sie mal kennen zu lernen, Captain Cat. Ich hätte es mir zwar weitaus weniger chaotisch gewünscht aber …“
„Wat willste machen?“, grinste der Captain und drückte angemessen fest zu.
Die Verabschiedung von Cal und Agatha verlief für Gibbs nach altem, bekanntem Zeremoniell. Es war eigentlich immer angenehm, zu wissen, dass sich manche Rituale auch in Zukunft nicht änderten. Er konnte die leichte Anspannung in Cal erkennen, als Agatha DiNozzo umarmte und ihm einen sanften Kuss auf die Wange hauchte, sah die leicht eifersüchtigen, aber sehr amüsierten Blicke als Ziva das selbe mit Cal tat, worauf der Offizier rot wie eine Tomate wurde und das beinahe schon schweinische Grinsen, als Agatha und Ziva sich umarmten.
So ließ er, einfach aus Gewohnheit, seine flache Hand auf den Hinterkopf seines besten Agenten klatschen. Er würde schon wissen, warum.
Kurz nickte er Cal und Agatha zu, folgte ihnen mit seinem Blick in den Fahrstuhl und kurz, bevor die Tür sich schloss, konnte er erkennen, wie ein blaues Leuchten die Kabine erfüllte.
Er blickte in die Runde, lächelte: „Also dann – ihr habt den Chef gehört. Ein Tatort will verunstaltet werden. Nehmt euer Zeug.“
Die verblüfften Blicke seiner Leute trafen ihn und er rollte kurz mit den Augen, ehe er nachdrücklich zu Tony starrte. Dieser nickte, griff nach seinem Rucksack. Ziva und McGee taten es ihm gleich und machten sich dann, ganz eingespieltes Team, auf den Weg zum Fahrstuhl.
„Moment“, erklang die Stimme Leon Vances, was seine Wirkung nicht verfehlte. Gibbs wandte sich um, schaute seinen Vorgesetzten an und dachte sich ‚Wie sollen wir den Tatort verunreinigen, wenn Du uns nicht losziehen lässt?’. Aber er würde diesen Satz nicht sagen – vielleicht hatte der Direktor ja noch den einen oder anderen Tipp? Schließlich war der Tatort ein Haus, das vermutlich Technologie enthielt, von der selbst McGee, ihr Computerexperte, nur insofern Ahnung hatte, als das er sie im Fernsehen gesehen hatte.
„Ja, Direktor?“, fragte Gibbs daher, in seinem ihm sehr üblichen Duktus, mit dieser kleinen Pause, die allerhöchstens eine Attosekunde dauerte, also 10 Hoch Minus 18 Sekunden, oder 0,000 000 000 000 000 001 Sekunden, die er immer zwischen einem Ja und der Anrede der Person macht.
Leon Vance – sollte er ihn immer noch als Direktor anreden oder als Captain? Durfte er Gibbs überhaupt irgendwelche Befehle geben? Zählte seine Position als Captain als Qualifikation? Und wie war er überhaupt in diese Position gekommen?
Je mehr Fragen sich Gibbs über Vance stellte, desto mehr fragte er sich, ob er dem Mann überhaupt Vertrauen schenken konnte. Und irgendwie hatte er das Gefühl, wieder zur Zeit von Jennys Tod zu leben und erneut den Charakter des „neuen Chefs“ zu evaluieren.
Doch das Räuspern von Vance ließ ihn diese Frage auf später verschieben. Momentan konnte er sehen, dass in den braunen Augen Vances irgendetwas schimmerte. Es war keine Träne, es war sowas wie Gewissheit. . Anders konnte Gibbs es nicht beschreiben. Es war so, als wüsste Vance mehr, als er seinen Untergebenen zu diesem Zeitpunkt sagen konnte – oder wollte - und Gibbs hatte das Gefühl, als würde in einer Sekunde sein komplettes Leben erneut eine Umwertung erfahren.
Und beinahe so, als wäre diese eine Sekunde ein Universum in sich selbst, wollte sie nicht vergehen.
Einundzwanzig .
Die Sekunde war vergangen, Vance öffnete den Mund und die Welle der Veränderung traf Gibbs mit nur einem einzigen Satz: „Das Hauptquartier zieht ins Quantico.“
Es war wahrlich eine Meisterleistung, Leroy Jethro Gibbs sprachlos zu bekommen und Vance würde sich rühmen können, genau dieses Meisterstück für sich verbuchen zu können. Wie vor den Kopf geschlagen, blickte der Senior Special Agent seinen Vorgesetzten an, hörte hinter sich ein überraschtes Aufkeuchen von Ziva und ein „Das kann nicht wahr sein“ von Tony, ehe er ein „Doch, es ist beschlossene Sache“ von Vance hörte.
Gibbs hatte noch nie die besten Manieren.
Gut, das ist jetzt eine Lüge, aber zu sagen, dass er zwischendurch ein wenig rau sein kann, ist eine durchaus detailgenaue Beschreibung. Und Gibbs hielt sich nicht mit langen Wartereien auf. Er öffnete die Tür, die zu Vances Büro führte, sah, wie der Direktor ihn anblickte und dann auf den Stuhl vor sich deutete.
„Kommen Sie rein, Special Agent Gibbs“, sagte er und der Ermittlerlegende entging der ironische Unterton des Satzes nicht. Das konnte er auch.
Also setzte er sich, fixierte seinen Vorgesetzten mit seinen eisblauen Augen und sagte nur ein Wort: „Danke.“
„Möchten Sie einen Scotch?“
Dies fragen, aufstehen und zum Schrank gehen war für Leon beinahe eine einzige Handlung. Er nahm ein Glas aus dem Schrank, blickte zu Gibbs und holte, nachdem der Special Agent genickt hatte, ein weiteres Glas heraus.
„Eis?“, fragte der dunkelhäutige Sternenflottencaptain-NCIS-Direktor und ließ drei Eiswürfel in sein Glas klirren, ehe er einen Fingerbreit der göldlichen Flüssigkeit aus der Flasche ins Glas laufen ließ.
Dann schenkte er die selbe Menge in das Glas, welches er nun an Gibbs reichte.
Beide Männer standen einander gegenüber, ließen die Gläser aneinanderstoßen und tranken die Flüssigkeit in einem Zug aus.
Der Scotch arbeitete sich die Speiseröhre herunter, Vance nahm einen Zahnstocher und klemmte ihn, wie eine Zigarette, zwischen seine Zähne, ehe er zu Gibbs herüberblickte.
„Wie kann ich Ihnen diesmal helfen, Special Agent Gibbs?“
Der Angesprochene ließ das Glas auf den Tisch sinken, blickte Vance an und schüttelte den Kopf: „Wann hatten Sie vor, mir mitzuteilen, dass der NCIS umzieht?“
„Eigentlich ist es seit dem 15. September amtlich. Da waren Sie aber gerade mit dem Hernandez-Fall beschäftigt – und später kam die Traceless-Angelegenheit dazwischen. Sie sehen also, ich konnte ihnen nicht bescheidgeben.“
Gibbs blickte ihn überrascht an als sein Vorgesetzter seinen Blick über das zerkratzte PADD gleiten ließ, das er ihm in diesem Moment, nachdem sie sich einen Scotch gegönnt hatten, übergeben hatte.
„Faszinierende Technik, nicht wahr?“, fragte der Dunkelhäutige nun, ließ den „Notizblock aus der Zukunft“ auf den Tisch niedersinken und wandte sich dann, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, seinem Untergebenen zu, der mit den Schultern zuckte und dann, mit deutlichem Amüsement in der Stimme, feststellte: „Wirklich, Leon? Ich hab es nicht ausprobiert.“
„Hätte ich mir irgendwie denken können.“
Vance blickte ihn ausdruckslos an, wandte sich dann um und machte sich daran, einige Sachen in einen Karton zu packen.
Gibbs sah ihm einige Sekunden lang zu, trat dann zu ihm und holte einen Stapel Bücher aus dem Regal, um sie in den Karton gleiten zu lassen.Vance blickte auf, Gibbs tat dasselbe, ihre Blicke trafen sich. In einer Slash-Fanfiction würde vermutlich jetzt etwas vollkommen anderes gesagt werden, doch als Gibbs Vance anblickte sagte er nur drei Worte.
„Calvin Nathan Cat.“
Vance runzelte verblüfft die Stirn: „Bitte?“
„McGee sagt, er sei der Unterzeichner dieses PADDs gewesen.“, erklärte der Grauhaarige und sein Vorgesetzter warf einen kurzen Blick auf den zerkratzten Datenträger: „Wie kommt ein PADD mit dem Signum Captain Cats in das Haus der Stones?“
Gibbs schaute ihn an: „Das habe ich mich auch gefragt – ich dachte, Sie hätten darauf eine Antwort.“
„Vielleicht“, vermutete Vance, „verlor der Captain dieses PADD, als er zusammen mit mir und seiner XO das Haus von Captain Stone aufsuchte?“
„Das wäre
eine Möglichkeit.“, nickte Gibbs und Vance hob den Blick: „Und eine andere wäre, dass er schon länger mit Stone Kontakt hatte?“
Der Special Agent nickte, trat dann zum PADD, um es in die Hand zu nehmen: „Aber McGee vermutet, dass es sehr alt ist. Sehr alt und sehr beschädigt.“
„Lassen Sie es von Miss Sciuto untersuchen.“, schaute der Direktor den Leiter des Major Response Teams an, der nickte und mit einem gedachten „Na, da wird Abby sich freuen“ das Büro verließ.
TBC Kapitel 7.2 Musik – da wackelt das Labor.
Gut, der Satz heißt eigentlich „Musik, Musik – da wackelt die Penne“ und ist der Filmtitel einer Klamotte aus den 70ern und strenggenommen müsste man hier festhalten, dass das, was da aus Abbys Lautsprechern kam Gibbs Ohren nur sehr vage als Musik ausmachen konnten, aber er stellte jedes Mal fest, dass die junge Frau mit musikalischer Begleitung einfach mehr erreichte. Schon ehe er das Labor überhaupt betreten hatte, waren die Klänge ans eine Gehörgänge gestoßen und am Liebsten hätte er sich im Aufzug versteckt, bis die Vergewaltigung diverser Gitarren vorbei war, aber – was wollte man machen? Wenn Abby „brain matter“ hörte, waren sämtliche Anmerkungen Lautstärkeregelungen bezogen vollkommen überflüssig, da sie sich sowieso nicht drum kümmerte. Und als Gibbs im Labor stand, sah er, wie Abby einen Purzelbaum hinlegte, dass ihr weißer Kittel sie einmal komplett umrundete, dann auf die Beine kam und nach der Puppe trat, die sie vor ein paar Tagen als „Sh’tu“ aufgestellt hatte.
Ja, der Fakt, dass es Ausserirdische gab hatte Gibbs in eine leichte Sinnkrise gestürzt, Abby hingegen hatte es beflügelt, als habe sie sich den Inhalt von 10 Bechern Caf-Pow intravenös gegeben, um auf das lästige Trinken und Schlucken zu verzichten. Der grauhaarige Mann schaute zu ihr herüber, trat auf sie zu und hielt ihr dann die Hand mit dem PADD hin. Kurz blickte Abby auf, schaute ihn mit einer Spur Desinteresse an und kam dann hoch.
„Hey, danke, dass du mir eine Requisite aus Star Trek mitgebracht hast, Gibbs.“, sagte sie dann, ging in den Teil des Labores, in dem sie für gewöhnlich Waffen testete, kam wieder und hielt ein graues Kästchen hoch, das ungefähr die Größe einer Zigarettenschachtel hatte.
„Hier“, sagte sie, „ich hab einen originalen Tricorder geschenkt bekommen.“
Sprachs, klappte ihn auf und richtete ihn auf Gibbs. Kurz betrachtete sie die Anzeigen und schüttelte den Kopf: „Das gefällt mir aber ganz und gar nicht. Du solltest mehr auf deine Gesundheit achten. Weniger Scotch, mehr Wasser.“
Der Chefermittler betrachtete sie kurz, wollte dann ansetzen, etwas zu sagen, wurde aber von Abby unterbrochen, die nun, in einer erstaunlich guten Gibbs-Parodie das aussprach, was sie dachte, das die Ermittlerlegende sagen würde: “Danke, Abby, aber Du musst dir um mich keine Sorgen machen.“
„Doch, Gibbs, das muss ich, ich mache mir um jeden sorgen.“
„Nicht nötig, Abby.“
„Doch, Gibbs.“
„ABS!“
Das Interessante an dieser Konversation war, dass sie vollkommen und ausschließlich durch Abby stattgefunden hatte, Gibbs also keinen Ton gesagt hatte. Dennoch hatte er das Zwigespräch-als-Monolog mit großem Amüsement verfolgt, ehe er sich räusperte und den elektronischen Datenblock wieder zu Abby reichte.
Dies tun, und dabei nur das Nötigste sagen – das war Gibbs Lebensmotto und sein Lebensstil.
„Das ist kein Requisit.“
Das war das Nötigste und es reichte, um bei Abby die Reaktion zu erzielen, die er eigentlich sofort von ihr erhofft hatte. Die Augen weiteten sich, sie riss ihm das PADD aus der Hand und betrachtete es – beinahe schon eine Spur zu – ehrfürchtig.
„Wo hast Du das her?“, fragte sie dann und legte das Gerät auf den Labortisch, um es besser untersuchen zu können. Die Kratzer bemerkend, wandte sie sich an Gibbs und schüttelte den Kopf: „Hab ich Dir nicht schon mal gesagt, dass elektronische Ausrüstung pfleglich behandelt werden soll?“
Gibbs war sich nicht sicher, ob das Amüsement in seinen Augen zu sehen war oder ob er es gut verbergen konnte, aber er blickte zu der Labortechnikerin und Vollzeit-Goth, räusperte sich und nickte dann Richtung PADD.
„Kannst Du mir sagen, was damit los ist?“
Abigail Sciuto nahm das Gerät wieder in die Hand und betrachtete es – maß es mit ihren hübschen, dunkelumrandeten Augen millimetergenau aus, kippte es dann und legte es wieder ab.
Sie atmete tief durch, wandte sich so schnell herum, dass es schien, als würde ihr Kittel ersteinmal überlegen wollen, was zu tun wäre, ehe er ihr folgte und stand dann kerzengerade da, die Haltung militärisch, der Blick spottend: „Ich würde sagen, das berühmte Oximoron über Militär und Intelligenz hat mal wieder zugeschlagen.“
Es war durchaus interessant, was sich Abby bei Gibbs erlauben konnte. Ihn selbst überraschte dies immer wieder, denn er hatte Tony schon für weniger eine Kopfnuss verpasst. Wobei er dringend über einen neuen Namen nachdenken musste, denn streng genommen war das, was er machte, keine „Kopfnuss“, eher ein „Headslap.“.
„Ein Schlag ins Gesicht ist eine Beleidigung, ein Schlag auf den Kopf ein Weckruf.“, pflegte er immer zu sagen, wenn er jemanden zum allerersten Mal mit dieser sehr besonderen Tradition vertraut machte. Abby hatte er noch nie einen solchen Weckruf verpassen müssen und wollte es eigentlich dabei belassen. Momentan war die Laborgoth sowieso vollkommen auf einem ganz eigenen Trip und von Nerds-wegen nur bedingt zurechnungsfähig. Und solange sie gute Arbeit ablieferte, war es ihm egal.
Also räusperte er sich einmal kurz, Abby schaute ihn an, schien zu merken, dass ihre Zunge und ihr Herz ihren Verstand nicht nur mal ein wenig überholt, sondern gerade gnadenlos umrundet hatten, senkte den Blick und wirkte von einer Sekunde auf die Andere sehr schuldbewusst.
„Autsch“, machte sie, hob dann den Blick wieder, sagte ein „Sorry Gibbs“ und machte sich daran, das PADD zu untersuchen. Doch da es eigentlich klar war, dass auch hierbei ihr Mund nie wirklich still stand, tat Gibbs genau dies, er blieb still stehen und schaute Abby bei der Arbeit zu. Eigentlich sehr interessant, wenn er sich das so genauer überlegte. Vielleicht sollte er ihr öfter zusehen, so könnte er noch was dazulernen. Wenn da nur nicht diese Ausdrücke wären, die man gemeinhin „Techno-Babbel“ nannte – er verstand kein Wort von dem, was Abby da von sich gab, obwohl es einfache englische Wörter zu sein schienen.
„Abs?“, fragte er, was sie dazu brachte, erneut herumzufahren, ihn anzusehen und zu sagen: „Ich kann dir sagen, dass dieses PADD ziemlich ramponiert, der Arbeitsspeicher bis auf drei Dateien vollkommen leer ist und die Bedienung ziemlich in den Binsen ist.“
Sie schaute Gibbs an: „Dass dieses PADD von der
DRAGONFLY ist und von Cal persönlich gegengezeichnet wurde, ist Dir vermutlich schon lange klar, oder?“
Der Grauhaarige nickte, zauberte dann einen Caf-Pow hervor, den er wohlweißlich eingesteckt hatte und gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er sich umsah: „Weitermachen, Abby.“
TBC Kapitel 7.3 Schon seit sie sich endlich in Zivas Mini-Cooper gesetzt hatten, hatte Tony gefühlt, wie seine Augen immer wieder zufielen und am Liebsten geschlossen geblieben wären. Seine Gedanken kamen langsam, aber sicher zur Ruhe und er war sich sicher, dass er, wenn er heute noch einen Bericht schreiben müsste, diesen mit einer Menge rechtschreibtechnischen Fehlern auf das virtuelle Papier bringen würde. Entweder das, oder der Bericht würde so konfus werden, dass jeder Leser die berühmte WTFMOFU-Frage stellen würde, die Erod gerne stellte.
Seit sie auf Captain Cat getroffen waren – genauer auf die Reviewer „TGWTG“ – hatte McGee keine Gelegenheit ausgelassen, sie mit nutzlosem Hintergrundwissen zu füttern. Dabei hatte er den Reviewer „Erod – the blockbuster buster“ nicht ausgespart und erzählt, dass einer seiner Lieblingssätze „Dabbel-you Tieh Ef, Mo Fu“ war, also „What the fuck, Motherfu...“
Was das letzte Wort heißen soll, wissen wir alle, es muss nicht noch näher beleuchtet werden.
Tony fühlte sich aber so, als könnte er heute keine geraden, englischen Sätze ausformulieren und war deshalb froh, als er die Tür des Coopers hinter sich schloss und sich anschnallte. Kaum, dass die Schließe des Sicherheitsgutes durch das charakteristische „Klack“-Geräusch signalisiert hatte, dass der Sicherheitsgurt von nun an das tun würde, wozu er konstruiert war, nämlich ihn, im unwahrscheinlichen Vorfalls eines Unfalls davon abzuhalten, mit dem Kopf dem Amaturenbrett guten Tag zu sagen, hatte selbiger Kopf gesagt „So, Feierabend“ und mit dem Runterfahren des Körpers begonnen. Die Augen fielen zu und obwohl Tony versuchte, sie zu öffnen, wollten sie ihm nicht gehorchen. Zivas Stimme und Nähe lullte ihn ein, wickelte ihn in eine komfortable Decke und ließ den Wunsch, sich endlich, wenigstens für ein paar Minuten, dem Schlaf hinzugeben übermächtig werden.
Selbst der Fahrstil der Israeli ließ ihn in diesem Moment kalt.
Als Tony neben ihr weggesackt war – gut, weggesackt ist vielleicht ein bischen übertrieben dargestellt – wusste sie, dass er Halbitaliener den Schlaf nachholte, den er so dringend zu brauchen schien. Zwar versuchte Ziva noch ein, zwei Mal, Konversation zu machen, aber das schläfrige „Mhm“, das Tony von sich gab, war doch ein deutliches Zeichen dafür, dass er nicht aufzuwecken wäre. Auch über sie wusch die Welle der Schläfrigkeit, aber sie musste wach bleiben – schließlich fuhr sie. Da konnte sie sich so etwas wie einen „Sekundenschlaf“ nicht erlauben, zumal der Stunt, den sie mit ihrem Auto hingelegt hatte, als Traceless sie damals angegriffen hatte, ein ziemlich kapitales Loch in ihre Haushaltskasse gerissen hatte. Zwar konnte sie den Wagen noch fahren – was sie nicht gedacht hätte – aber es musste einfach nicht sein, erneut zu Big Mikes Werkstatt zu fahren, um das Dach erneut auszubeulen. Vor allem nicht, wenn es ihre Schuld wäre, weil sie in diesem Fall einfach eingeschlafen wäre und daher den Unfall verschuldet hätte.
Nein – sie fuhr höllisch konzentriert, defensiv und vorrausschauend, sodass sie nach knappen 30 Minuten das NCIS-HQ erreicht hatten.
Tony schlafen zu lassen – das war eine Sache.
Ihn zu wecken, eine komplett andere.
„Tony?“, fing sie an, wohlwissend, dass sie es beim ersten Versuch nicht schaffen würde, den Halbitaliener aus Morpheus Armen zu bugsieren.
Das schläfrige „Mhm?“ gab ihr da recht.
Sie stubste ihn an, was dazu führte, das sein Kopf sich zur Seite drehte und dann gegen das Beifahrertürfenster klatschte.
„Großartig.“, murmelte die Israeli und seufzte, ehe sie sich selbst im Spiegel zuzwinkerte. Das war zwar dämlich, aber sie hatte gerade eine Idee. Schnell schnallte sie sich ab und sagte: „Mir ist es hier viel zu heiß. Ich glaube, ich zieh mir meinen Pullover und meinen BH aus.“
„mhm.“
Typisch – einmal an die niederen männlichen Instinkte appellieren und dann klappte das noch nicht einmal.
Vielleicht funktionierte es ja so: „Hey, da ist ja ne nackte Frau auf der Motorhaube.“
„Mhm:“
Okay das machte einen Stand von zwei zu null.
Ziva David 0 schlafender Tony DiNozzo 2.
Aber noch war sie nicht am Ende ihrer Kunst. Es gab da noch eine Standardvariante, mit der sie versuchen konnte, Tony zu wecken. Sie nahm Ziel, presste ihren Daumen auf den Knopf und lächelte, als der Halbitaliener erschrocken zusammenzuckte. Das laute Dröhnen der Minicooper-Hupe hallte durch die momentan erschreckend leere Tiefgarage.
„W… wha?“, machte der schläfrige Agent und schnallte sich ab, „Sin… sind wir schon da?“
Es gibt Fragen, die sind so überflüssig – diese gehörte dazu.
Ziva focht gegen ihr inneres Bedürfnis, sarkastisch zu grinsen und zu sagen „Nein, Tony, ich halte nur alle fünf Minuten an und vollführe ein riesiges Rührstück, von dem du die Hälfte verpennst, um dich wach zu bekommen.“.
Stattdessen nickte sie nur, bedeutete ihm auszusteigen und verließ ihren Wagen.
Die Aufzugtür öffnete sich mit eben jenem
Ding , das Gibbs inzwischen schon so vertraut in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er es vermutlich vermissen würde, wenn sie tatsächlich in Quantico stationiert würden. Aber vermutlich ließe sich da was machen. Er hob den Kopf, sah, wie Tony und Ziva den Aufzug verließen und zu ihrem Sitzplatz herübergingen, um sich kurz zu schütteln und dann hinzusetzen.
Kurz ließ er seinen Blick zum Fenster schweifen und sah, wie eine Menge lauter Regen gegen die Fensterscheiben geworfen wurde.
„Was habt Ihr für mich?“
Die Frage war in purem, geschäftsmäßigen Duktus gestellt worden und er sah, wie Tony und Ziva ihn anblickten und augenblicklich vergessen hatten, wie bescheiden das Wetter draußen doch war. Mit einem Seufzen schaute Ziva ihn an und zuckte mit den Schultern: „Wir haben den Tatort, so gut es geht, verwüstet. Da sollte eigentlich nichts mehr auf das Vorhandensein von Föderationstechnologie hinweisen.
‚Verhandensein von Föderationstechnologie’ – auch so ein Satz, der vor knapp 3 Wochen nicht mal ansatzweise gefallen wäre, zumindest nicht, ohne, dass er von McGee ausgesprochen worden wäre.
Sie hatten den ganzen Tag und die vorherige Nacht darauf verwendet, den Tatort entsprechend zu kontaminieren – irgendwie klang das ganze wesentlich lustiger, als es tatsächlich war und Tony DiNozzo konnte es kaum erwarten, endlich nach Hause zu gehen und sich eine kalte Dusche zu gönnen. Aber – er kannte seinen Boss und wusste, dass er ihn so schnell nicht entlassen würde. Zumal da ja immer noch diese Sache mit ihm und Ziva war, die Gibbs ihm vermutlich immer noch nachtragen würde.
„Hey Boss“; hörte er sich in Gedanken sagen, „Ja, es ist wahr, ich habe eine Beziehung mit Ziva aufgebaut – aber das ist doch immer noch besser als mit EJ – oder mit Jeanne.“
Und während er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass seine Beziehungen tatsächlich nicht unbedingt von großem Erfolg und langer Dauer gekrönt waren. Im Gegenteil. Die Sache mit Jeanne war damals sowieso nur Tarnung gewesen – ein Auftrag von Direktor Jenny Shepard, damit er, DiNozzo, über Jeanne an ihren Vater, den Waffenhändler ‚La Grenouile’ kommen konnte.
Mit EJ war es auch nicht besser – im Gegenteil, die Beziehung zu ihr scheiterte aus durchaus offenslichtlichen Gründen – nicht zuletzt dem, dass er mit Ziva zusammengekommen war. Und Ziva? Zum ersten Mal seit langer Zeit – seit Mandy ihn vor dem großen Tag verlassen hatte – fühlte er sich bei ihr sicher und geborgen. Als könne er in ihrer Gegenwart seine sorgsam zurechtgelegte Maskarade ablegen und nur Anthony DiNozzo Junior sein.
Dies musste er Gibbs allerdings erst einmal klar machen und ob der Ältere tatsächlich davon ablassen konnte, auf seine Regeln zu pochen, das wusste er nicht. Und wenn er so ganz ehrlich zu sich selbst war, würde er – Tony – von
seinen eigenen Untergebenen , so er denn mal wieder welche hätte, einfordern, dass sie sich an seine Vorschriften hielten. Aber dies war doch etwas völlig anderes. Oder nicht?
Er konnte sehen, dass Gibbs ihn abwartend anblickte – wollte er jetzt mit ihm über den Verstoß gegen Regel… erm…
Tonys Gedankengang legte eine spektakuläre Vollbremsung hin. Welche Regel besagte nochmal, dass eine sexuelle Interaktion mit seinen Teamkameraden verboten war? Irgendwie fiel es ihm nicht mehr ein. Das hatte natürlich einen unschätzbaren Vorteil, nämlich den, dass er jetzt freiheraus behaupten konnte, dass er keine Idee hatte, von was Gibbs da sprach, wenn sein Vorgesetzter jetzt von den Regeln anfangen wollte.
Und gerade, als Gibbs Luft holen wollte, klingelte das Telefon.
Abby Sciuto „legte gerade auf“. Das macht man heute nicht mehr. Zwar gibt es den Begriff „ich leg auf“ noch, aber eigentlich – streng genommen – müsste man sagen „Ich drück dich mal weg.“
Auflegen – das war ein Satz aus den Zeiten, als das Telefon noch ein Kabel hatte und auf eine Telefongabel „aufgelegt“ werden musste, um die Verbindung zu beenden. Noch schlimmer ist der Begriff „sie hängte auf“. Das tut man schon lange nicht mehr – zumindest nicht in Verbindung mit Telefonen.
Aber sie hatte gerade etwas gefunden, was definitiv interessant war.
Eine der Dateien war leicht zu öffnen gewesen und Abby hatte dies getan, und…
„Was hast Du für mich, Abs?“
Teufel auch – Gibbs war verdammt schnell. Sie hatte die Verbindung doch gerade eben erst beendet.
Andererseits war es kein langer Weg von Gibbs Schreibtisch zum Aufzug und von dort zu ihrem Labor.
Sie drehte sich um, lächelte Gibbs, Ziva und Tony zu und deutete dann auf das PADD.
„Wie schon im vorherigen Kapitelteil festgehalten, ist das Ding sehr ramponiert.“, eröffnete sie und Gibbs blickte sie verblüfft an: „Vorheriger Kapitelteil? Wovon sprichst Du?“
„Komm schon – hast Du nicht auch manchmal das Gefühl, dass Du einfach nur der Darsteller in einer miesen Fanfiction bist, die gerade geschrieben wird?“
„Eigentlich nicht.“, erwiderte Gibbs und legte dann lächelnd den Kopf schief: „Aber wenn ich es wäre, würde ich gerne mit dem Autoren sprechen.“
„Würden wir das nicht alle gerne?“, grinste Abby und deutete wieder auf das PADD: „Aber ich habe hier einige interessante Sachen rausgefunden. Wie schon gesagt – drei Dateien sind auf der Platte. Zwei, die nicht so leicht zu öffnen sind und eine, die sehr leicht aufrufbar ist. Also hab ich sie geöffnet und das, was ich sehen konnte, auf den Bildschirm gelegt.“
Damit betätigte sie eine Taste an der Tastatur ihres Rechners und nickte in Richtung Schirm.
Wenn Gibbs jemand wäre, den man einfach überraschen könne, würde man ihn jetzt mit weit geöffnetem Mund vor sich stehen sehen. So aber blickte er relativ ausdruckslos auf das Geschehnis vor ihm und dann zu Abby: „Sind das…“
„Hierogylphen.“, beendete die hübsche Laborgoth den Satz: „Genau – und nicht nur irgendwelche. Ich habe mir eine Software heruntergeladen, die den Text zumindest annähernd übersetzen kann.“
Erneut betätigte sie einige Tasten und blickte dann zu Gibbs: „Oh Silberfuchs – ich glaube, wir müssen noch einmal mit Colorado Springs telefonieren.“
„Das glaube ich auch.“, murmelte der grauhaarige Ermittler und las erneut, was das PADD sagte: „Holt Daniel Jackson.“
Wären wir hier bei „Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann“ würde die „Opening Narration“ so gehen: „Steve Austin – Astronaut. A man barely alive.“
Da wir aber bei „Der Sechs-Millionen-Dollar-Daniel“ sind, lautet die Narration so: „Daniel Jackson – Anthropologe. Ein Mann mit einer Mission.“
Früher war Daniel Teil eines Teams gewesen, dass sich SG-1 nannte und von Jack O’Neill geführt wurde.
Jack O’Neill, eigentlich Jonathan Jack O’Neill war nicht nur Leiter des Teams SG-1 gewesen, sondern auch kurzzeitig Basiskommandant und danach Chef der „Homeworld Security“. Zu seinen Glanzzeiten hatte SG-1 aus vier Leuten bestanden. Dem damaligen, Colonel Jack O’Neill, der blonden, brillianten und gut aussehenden Majorin Samantha Carter, dem intelligenten, multilingualen Doktor Daniel Jackson und dem stoischen Jaffa Teal’C, der sein Volk, die Jaffa, für die gute Sache verlassen hatte und hoffte, die Goa’Uld zu besiegen und sein Volk, das als Sklaven der Goa’Uld lebte, zu befreien.
Die Goa’uld – in der unendlichen Weite der Galaxis hatte keine Rasse einen so negativen Leumund, ausser natürlich, den Goa’Uld selbst. Wobei sie prinzipiell für ihre ursprüngliche Existenz herzlich wenig konnten. Sie waren Parasiten, die irgendwann im Laufe ihrer Evolution erfahren hatten, dass sie das tun können, was andere Parasiten zu tun pflegen – Wirte besetzen.
Als sie dann auch noch feststellten, dass sie diese Wirte kontrollieren konnten – da machten die Goa’Uld erstmal ein Fass auf. Nun könnte man es den Goa’Uld ja von Herzen gönnen, dass sie sich über ihre Verwundbarkeit erhoben haben und feststellten, wie sie Wirte besetzten – es ginge uns ja im Grunde nichts an.
Jetzt kommt aber die Krux - die Goa’uld konnten nicht nur die Wirte kontrollieren, was in einer kompletten Teilnahmslosigkeit und in einem geistigen Dahinvegetieren für den entsprechenden Wirt endete – nein, sie hatten auch noch das Glück, auf einem Planeten zu wohnen, der ein Stargate besaß.
Das Stargate wiederrum muss man sich zunächst mal als großen Hohlkreis vorstellen – einen Ring von ungefähr 4 Metern im Radius – der über eine Innenspur, eine Mittelspur und eine Aussenspur verfügte. Innen und Aussenspur waren durch sogenannte Chevrons miteinander verbunden, die Mittelspur war frei drehbar und besaß 39 kleine eingravierte Bildchen.
Nun kann man nicht sagen wie die Goa’uld es geschafft haben, das Stargate funktionsfähig zu machen – manche vermuten, sie besetzten einen zufällig vorbeikommenden Asgard und nahmen ihm sein Wissen – die Asgard sind übrigens jene Rasse von Greys, die seit Jahren in unseren Medien dafür verantwortlich gemacht werden, des nächstens junge Frauen aus den Betten der amerikanischen Nation zu entführen und dort unschöne Experimente mit ihnen zu veranstalten. Lustigerweise sind diese Asgard nicht böswillig, die meisten sind sehr nette Wesen und bestens mit O’Neill befreundet, aber dazu später mehr. Die Vermutung Anderer, zum Thema, wie es die Goa’uld geschafft hatten, das Stargate zum Laufen zu bekommen, ist ein wenig anders gelagert und hört auf den Namen „Brute Force“ Methode.
Sprich: Die Goa’Uld tippten in den Körpern ihrer Wirte einfach mal „auf gut Glück“ irgendwelche Kombinationen in das Anwahlgerät und schauten, was passierte.
Es gibt noch andere Theorien – und keine von denen erscheint einem unglaubwürdiger, als die ersten beiden.
Wie schon gesagt, wie die Goa’Uld es schafften, sich Zugang zum Stargate-Netzwerk zu verschaffen, ist unbekannt…
Wohl aber, wie die Menschheit es schaffte.
Das ist auch wieder Daniel Jackson zu verdanken, dem Doktor und Multilinguisten.
Eines Tages wurde er, nach seiner letzten und wohl desaströsesten Vorlesung überhaupt, die ihn sein Stipendium und seine Wohnung kostete, von einer älteren Dame angesprochen, die sich schon in der Universität in die letzte Vorlesung gemogelt hatte und mit einem amüsierten Grinsen Jacksons Theorien mit angehört hatte.
Theorien, die sich später als Wahr herausstellen sollten, die jedoch für die akademische Welt mehr als Grund genug war, Jackson der selben Welt zu verweisen.
Jackson bekam einen Auftrag.
Der Auftrag war recht einfach – er sollte eine Übersetzung anfertigen.
Man brachte ihn in die Cheyenne-Mountain-Facility in Colorado Springs in Colorado – dorthin, wo auch NORAD, also das North-American Aerospace Defense Command, sprich, das Nordamerikanische Luft- und Weltraumverteidigungskommando seine zentrale Koordinierungsstelle für sämtliche Sensorendaten stationiert hatte. .
Als er in dem unterirdischen ehemaligen Raketensilo auf Ebene UG 28 ankam, war seine erste Amtshandlung ein kräftiger Nieser.
Daniel Jackson war nämlich Reiseallergiker – ein Zustand, der sich in den nächsten Jahren zwar nicht ganz legen, aber wenigstens mildern sollte.
Was Doktor Jackson nämlich noch nicht wusste, war, dass er gleich die Übersetzung seines Lebens machen würde.
Momentan erschien es ihm noch ein wenig albern, das man ihn in einen Militärbunker schleifte, und noch alberner, dass man hier einen gigantischen Abdeckstein aufbewahrte, den er just in diesem Moment zu sehen bekam, als er sich dachte, das es mysteriöser nicht mehr ginge.
Man setzte ihn auf eine altägyptische Textpassage von diesem Abdeckstein an, die sich folgendermaßen übersetzte:
Jahr Millionen Himmel Ra Sonnengott
versiegelt und begraben für alle Zeit
Tor zum Himmel
Es klang schon sehr kryptisch und mysteriös: „Millionen Jahre in diesem Himmel liegt Ra, der Sonnengott, versiegelt und begraben für alle Zeit.“
Nach genauerer Überprüfung der Übersetzung hatte Daniel auch die Worte ‚Tor zum Himmel’ gestrichen und durch das ersetzt, was die Übersetzung eigentlich hatte sagen sollen: „Stargate.“
Was sollte dies heißen?
Es fanden sich noch andere Symbole, die Jackson zunächst nicht zuordnen konnte.
Dies geschah zwei Wochen später und sei mal ein Beispiel dafür, wie nützlich es sein kann, manchmal einen Blick in die Zeitung zu werfen.
Die Zeitung, die einer der Wachmänner las, der gerade Wache hatte als sich Daniel den mindestens zehnten Kaffee der Nacht gönnte, hatte einen Artikel über die „Sternenkonstellation der Woche“ – und Daniel fiel sofort eine Ähnlichkeit zu den Zeichnungen auf dem Abdeckstein auf.
Er ‚lieh’ sich die Zeitung, verband die Punkte, eilte zum Abdeckstein und glich die Zeichnungen auf der inneren Kartusche mit der Sternenkonstellation ab.
Sie passte.
Von dort aus war alles einfach.
Es war klar, das in jedem drei-dimensionalen Raum sechs Punkte benötigt wurden, um eine Koordinate festzumachen.
Sechs Sternensysteme, wenn man so wollte, waren nötig, um im Weltall eine Koordinate zu finden – sechs Plus das siebte Symbol, sprich den Ursprungspunkt.
Den Daniel übrigens auch fand… und dann ging es los – die Erkundungsmission führte auf den Planeten Abydos, wo Ra, der Sonnengott, das Volk von Nagada brutal unterdrückte.
Was damals noch keiner wusste: Ra war ein Goa’Uld, der sich den Körper eines Jungen angeeignet hatte, um seinen eigenen Tod zu überlisten.
Ra wurde nach kurzer und heftiger Revolte besiegt, Daniel, der in der schönen und gleichzeitig schüchternen, aber auch kämpferisch-wilden Sha’re von Nagada die Frau seines Lebens gefunden hatte, blieb zurück und wurde für „kia“ erklärt, also für ‚killed in action’ - im Einsatz getötet.
Die Charade ging ein Jahr lang gut.
Dann, das Stargate war schon eingemottet worden, passierte es:
Die Goa’Uld griffen an.
Sie drangen durch das irdische Tor in die Basis ein, veranstalteten ein ziemliches Blutbad und entführten eine Frau.
Ziel? Nutzen?
Das war noch nicht bekannt.
Man reaktivierte Jack O’Neill, der sich eigentlich vom Dienst zurückgezogen hatte und der von General Hammond erstmal befragt wurde.
„Wie bewerten Sie die Mission?“, war die Kernfrage, und: „Sind Sie sicher, das Ra tot ist?“
Nach einigem Hin und Her erzählte O’Neill seinem neuen Befehlshaber die ganze Geschichte. Das er hiermit einer neuen Mission und einem langfristigeren Engagement im SGC entgegenblickte, konnte O’Neill damals nicht ahnen.
Der erste Verdacht war natürlich, dass die Aliens von Abydos her kamen – deswegen sandte man ein Team dorthin. Doch während des Aufenthaltes griffen die Aliens auch Abydos an, entführten den jungen Krieger Ska’ara, mit dem sich O’Neill schon während seiner ersten Mission befreundet hatte – und Sha’Re.
Durch den Wunsch motiviert, seine Frau zu retten, kehrte Daniel zur Erde zurück, ließ sich in O’Neills Team einteilen und ging mit ihnen nach Chulack, einem Planeten, an dessen Addresse sie durch Major Ferretti gekommen waren, der bei dem Angriff zwar schwer verwundet worden war, sich aber alle sieben Zeichen einprägen konnte.
Auf Chulack wurden Daniels Hoffnungen, die Sache schnell beenden zu können, jäh enttäuscht – Apophis, der Schlangengott, hatte Sha’Re als Körper für seine Frau, Amaunet gewählt.
Aber Daniel schwor sich, Sha’re zu finden und…
So ganz einfach wurde es nie. Im Gegenteil – es fanden sich unterschiedliche Schwierigkeiten, Sha’re wurde getötet, die Machtverhältnisse änderten sich und all das kulminierte in den Ereignissen, die vor knapp 2 Wochen die Leben des SG-1 Teams forderten.
Daniel selbst hatte dabei „Glück gehabt“ – wobei man auch das eher zynisch sehen konnte. Schließlich hatte er – zum zweiten Mal in seinem Leben – die Frau, die er mehr als alles auf der Welt liebte, verloren.
„Ich bin nicht wütend auf dich, Cal.“
Mit diesem Satz eröffnete der Anthropologe, der in der Leichenhalle auf einem Stuhl neben Sams Körper saß und, obwohl er mit Cal sprach, selbigen nicht anschaute. Stattdessen hatte er sanft eine Hand auf die Schulter seiner Frau gelegt und versuchte, die Tränen wegzublinzeln. Ein Versuch, der kläglich scheiterte.
Aber es stimmte.
Daniel Jackson war nicht sauer auf den Captain – so merkwürdig dies auch klang. Er war sich sicher, der Offizier hatte alles mögliche getan, um den Tod seiner Frau zu verhindern. Und er war sich ebenfalls sicher, wie das wohl gelaufen sein mochte.
Cal hatte Sam auf die Nase binden müssen, dass es ihr Schicksal war, hier zu sterben und sie hatte dieses Schicksal mit einem leidenschaftlichen Vortrag darüber, dass Schicksale unabänderbar wären und was passieren würde, wenn man tatsächlich die Zeitlinie änderte, angenommen.
Das war so typisch für Sam. Sie konnte selbst über die hahnebüchensten Dinge eine Leidenschaft an den Tag legen, die ihn immer wieder faszinierte.
Und nun war sie tot. Seine Frau. Seine Sam – in deren lebhaften, eisblauen Augen er sich immer wieder verlieren konnte, die Frau, die verblüffenderweise den Drei-Beine-Spagat zwischen Wissenschaftlerin, cooler Frau und Soldatin mit einer Lässigkeit hinnahm, das es nur so eine Freude war.
Und Daniel wusste, wie schwer es sein konnte, diese beiden anscheinend widersprüchlichen Punkte „Wissenschaftler“ und „normaler Mensch“ zu kombinieren.
„Ich hätte sie retten können“, erklang das bebende, brechende Stimmchen Cals und nun wandte er seinen Kopf dem Offizier zu.
„Wir wissen beide, das hättest Du nicht. Sam ist…“
Er stockte, schluckte und korrigierte sich: „Sie war Wissenschaftlerin. Sie kannte die Implikationen dessen, was vermutlich passieren würde, wenn Du sie gerettet hättest.
Neben dem Captain räusperte sich die Bordärztin der DRAGONFLY, Gina Intrupper, und sagte: „Ich lass euch Beiden dann mal alleine.“
Damit wandte sie sich ab und verließ den Raum.
Kaum, dass die Tür geschlossen war, schauten Cal und Daniel sich an, nickten einander zu und setzten sich auf den Fußboden.
„Ich hätte etwas tun können.“, murmelte der Captain der DRAGONFLY und blickte Daniel aus braunen Augen an, in denen Tränen schillerten. Der Antrhopologe hob seinen Kopf, schüttelte selbigen und machte eine wegwerfende Bewegung: „Was hättest Du tun können? Sie hat dich ausgeschaltet. Neben dem, dass sie Wissenschaftlerin ist und wusste, was passiert wäre, wenn Du sie gerettet hättest, war sie Soldatin und wusste, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um jemanden kampfunfähig zu machen.“
Und dann, mit festem Blick: „Es ist nicht deine Schuld.“
„Hast Du eine Ahnung.“, seufzte der Captain und ließ seinen Kopf sinken. Daniel seufzte, als er plötzlich eine Berührung spürte. Überrascht wandt er seinen Kopf und sah die Hand Sams, die auf seiner Schulter ruhte.
Er seufzte. Vermutlich war sie zur Seite gesunken, als die Leichenstarre nachgelassen hatte.
Sich aufrichtend, griff er nach der kalten Hand seiner Frau, führte sie sanft auf ihren Bauch und ließ sie dort sinken.
Daniels blaue Augen füllten sich nun auch mit Tränen, als er sah, wie ruhig und friedlich sie wirkte.
„Wach auf.“; dachte er sich, „Verdammt, wach auf.“
Es war pure Unlogik, die von ihm Besitz ergriff, doch in diesem Moment interessierte es ihn nicht. Der Wunsch, dass Sam doch nicht tot war, so kindisch und doch verständlich, er auch war, bohrte sich in seinen Kopf. Und dann öffnete die Astrophysikerin die Augen
Daniel schluckte.
„S… Sam?“, fragte er, als die hübsche Frau sich aufrichtete und ihn anblickte.
Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen: „Ja.“
Und dann öffnete Daniel die Augen.
Er starrte an die weiße Decke seine Appartements, das ihm plötzlich viel zu groß und viel zu leer vorkam. Seufzend richtete er sich auf.
Nur ein Traum.
Der Traum, der ihn seit knapp zwei Wochen verfolgte. Der Traum, der Sam noch lebend zeigte und der von Tag zu Tag, an dem er ihn quälte, immer detaillierter wurde.
Am Anfang waren es nur sie beide gewesen – er und Sam – und sie würde die Augen aufmachen, sich aufrichten und dann würde er aufwachen.
Und wieder in ein tiefes, emotionales Loch fallen.
Nein, Sam würde nicht wiederkommen.
Sie war tot.
Das Klingeln des Telefons ließ Daniel zusammenzucken und er griff nach dem Hörer.
„Ja“, machte er und befeuchtete kurz seine Lippen: „Daniel Jackson hier?“
Die Stimme am anderen Ende kam ihm bekannt vor. Abigail Sciuto vom NCIS.
„Können Sie nach Washington kommen?“, fragte sie und Daniel zuckte mit den Schultern. Er trat zu seinem Kalender, öffnete ihn, ging ihn durch und sagte dann, mit geschäftsmäßiger Stimme: „Natürlich – worum geht es denn?“
„Wir haben eine Nachricht für Sie.“
TBC