Autor Thema: [RPG] Archäologie-Labor  (Gelesen 3747 mal)

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[RPG] Archäologie-Labor
« am: 14.04.15, 20:31 »


Beep-Beep.
Jasmine schaltete mit einer resignierenden Bewegung den Monitor vor sich aus und massierte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ihre Nasenwurzel, ehe sie sich umdrehte um ihr Padd auf der Ablage zu suchen, das sich diesen Augenblick ausgesucht hatte, um loszulärmen. In der Stille des Archäologie-Labors klang das Geräusch wie die Probe eines besonders enthusiastischen Synphonieorchesters –eine vielleicht nicht einmal unwillkommene, aber doch ziemlich radikale Störung, immerhin war Jasmine seit ihrem Eintreffen am Morgen alleine gewesen. Nur vor einer Stunde hatte sich die Eingangstür kurz für einen Crewman geöffnet, der sich im Raum geirrt und nach einer knappen Entschuldigung schnell wieder kehrtgemacht hatte. Ansonsten war niemand aufgekreuzt.
Nach McDougals Tot, dem Leiter des A&A-Bereichs, gab es allerdings auch nicht mehr viele, die es hätten tun können; ihr Fachbereich war an Bord schon vorher unterbesetzt gewesen. Nein, die einzigen, die ihr schweigend Gesellschaft leisteten, waren die summenden Computer und die verschiedenen Artefakte, die sich auf den Ablagen und in den Schränken stapelten –Figuren, Idole, Antike Etwasse. Und die afrikanischen Masken an der Wand, die sie aus breiten Augenschlitzen anfunkelten. Lachende, weinende, wütende Masken, mit vorgestülpten, wulstigen Lippen, einem vorwurfsvollem Stirnrunzeln, oder verzogenen Augenbrauen. Als McDougal sie stolz als einen Teil seiner privaten Sammlung vorgestellt hatte, war Jasmine fasziniert gewesen. Inzwischen fühlte sie sich unter den richtenden Blicken der Masken unwohl. Besonders die eine mit dem vor Wut verzerrten Gesichtsausdruck, bereitete ihr Unbehagen. Sie war zu leicht mit dem Gesicht eines Jem’Hadar zu verwechseln.
Aber vielleicht begann Jasmine jetzt auch einfach Gespenster zu sehen.
Es musste die Müdigkeit sein. Vor ihren Augen drehten sich gelbe Glühwürmchen, wenn sie die Lider schloss, und sie spürte eine ganz leichte Verspannung im Nacken; eindeutige Beweise dafür, dass sie zu lange gearbeitet hatte. Mehrere Stunden konzentriertes Sitzen am Computer waren nicht empfehlenswert, selbst für eine junge Frau wie sie. Auf der Suche nach dem Padd streifte ihr Blick kurz das Chronometer – Sechs Stunden war sie nun schon zugange. Nicht wenig, aber auch noch nicht so viel, dass die einprogrammierte Erinnerung an die Holodecksimulation hätte bereits lospiepen müssen. Bis dahin war noch etwas Zeit.
Was wollte man dann von ihr?
Beep-Beep.
Schließlich entdeckte sie das Padd auf der Spitze eines ganzen Stapels an Datenblöcken, griff danach und deaktivierte rasch das ohnehin viel zu laut eingestellte, akustische Signal. Dann las sie die soeben eingetroffene Nachricht: Vertreten sie mich auf der Brücke an der Wissenschaftlichen Konsole, ASAP – M’Rass.
Eine Furche bildete sich zwischen Jasmines Brauen. Sie hatte M’Rass schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen – seit der Nachbesprechung zur Mission auf Faras III nicht mehr, genaugenommen. Nicht, dass sie sich vorher oft über den Weg gelaufen wären. Irgendwie war immer etwas dazwischen gekommen – selbst für ihre Einweisung hatte M’Rass keine Zeit gehabt, und weil ihr Verhältnis in der kurzen Zeit, seit Jasmine an Bord war, auch sonst nicht viel Gelegenheit bekommen hatte, über die Professionelle Ebene hinwegzureifen, und der Lieutenant in ihrem Genesungsurlaub zweifellos mit eigenen Dämonen zu kämpfen gehabt hatte, hatte Jasmine sich nicht überwinden können, den Kontakt von sich aus zu suchen.
Nicht nachdem, was M’Rass mit McDougals Leiche angestellt hatte. Die Bilder suchten Jasmine immer noch heim. Sie war allerdings verblüfft gewesen, dass es heute Morgen keine Abteilungsbesprechung gegeben hatte, immerhin war M’Rass ebenfalls seit kurzem wieder im Dienst. Jetzt dämmerte Jasmine langsam, dass sich das Schiff wohl wieder auf Mission befand, eine Mission, für die M’Rass zweifellos hatte bereitstehen müssen. Jetzt war sie wohl wegbeordert worden, vielleicht zu einer Außenmission.
Und Jasmine sollte ihre Brückenstation übernehmen.
Nun, darin hatte sie wenigstens schon Erfahrung gesammelt.
Und die Störung kam ihr nicht einmal so unrecht. Die letzten beiden Stunden hätte sie sich im Grunde schenken können. Statt sie zu ordnen, hatte sie allem Anschein nach nur noch mehr Durcheinander in McDougals verworrene Artefakten-Bestandsliste hineingeschrieben, an dem sie aus Mangel an anderen Aufgaben seit dem frühen Morgen gearbeitet hatte, um sie zu ordnen. Viel gebracht hatte es nichts. Es wäre besser gewesen, die Liste von Anfang an neu aufzusetzen, am besten nach einem simpleren System.
Aber das musste warten.
Sie warf das Padd wieder auf den Stapel, schob den Stuhl unter den Tisch, und begab sich zur Tür. Auf dem Weg dorthin blieb sie nur noch einmal an der Scannereinheit in der Mitte im Raum stehen, um sich sowohl vom Arbeitsfortschritt zu überzeugen, als auch davon, dass alles ordnungsgemäß funktionierte. In der Mitte der Kammer – fast ein bisschen verloren wirkend, lag der kleine Anhänger, den Jasmine auf DS9 erstanden hatte, und der angeblich zur mythologischen Khalesi-Flotte gehörte.
Ja klar.
Es war wohl eher eine Fälschung, und vermutlich auch keine gute. Der Computer würde es sicher bald Schwarz auf Weiß bestätigen. Aber es war ein nettes Andenken – und noch wichtiger – eine sichere Art, die Geräte im Labor kennenzulernen, und richtig zu kalibrieren, ohne, dass sie Gefahr lief, in dem Prozess etwas wertvolles zu beschädigen.
Auf dem Bildschirm konnte sie sehen, dass der Computer die ersten gründlichen Analysen bereits abgeschlossen hatte; Form, Maße und Zusammensetzung waren eingehend untersucht. Das Material aus dem der Anhänger bestand, war nicht besonders ungewöhnlich, und auch nicht sehr wertvoll. Eine Legierung aus mindestens zwölf verschiedenen Elementen. Der Computer konnte keine verborgene Struktur feststellen. Noch im Prozess, war die Molekularanalyse, nach der man auch eine Datierung vornehmen konnte. Jasmine schätzte, dass der Computer damit noch ein paar Stunden beschäftigt sein würde.
Wir haben Zeit, dachte sie, und programmierte mit raschen Handgriffen einen dreifachen Analyse-Durchlauf ein. Schaden konnte es nicht. Sollte es Diskrepanzen geben, würden sie ihr nicht verborgen bleiben. Auf die Art konnte sie feststellen, ob die Geräte auch wirklich bis ins letzte Mikron hinein einwandfrei kalibriert waren. Als der Computer die Eingabe bestätigte, nickte Jasmine zufrieden. Sie warf noch einen letzten Blick auf die Scannereinheit, und eilte dann auf den Korridor hinaus und zum nächsten Turbolift.
« Letzte Änderung: 14.04.15, 20:37 by Star »
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Antw:[RPG] Archäologie-Labor
« Antwort #1 am: 25.05.15, 22:52 »
Bevor sie in ihr Quartier ging, machte Jasmine noch einen kleinen Abstecher ins Labor. Als sie eintrat, blinkten alle Anzeigen auf der Scannereinheit rot. Eine Diagnose ergab schnell, wo das Problem lag; die Solarpartikel hatten die empfindlichen Sondierungsstrahlen gestört. Irgendwann hatten die Geräte nur noch Fehler angezeigt.
Sie musste von vorn anfangen.
Schlimm war es nicht, sie hatte Zeit.
„Morgen.“, sagte sich Jasmine. Beim nächsten Mal wollte sie dabei bleiben. Sie deaktivierte die Geräte, sicherte den Anhänger in einem gesonderten Fach, das sie mit einer Codeeingabe verriegelte und begab sich zum Ausgang.
Sie schaltete das Licht aus. Als sie aus der Tür treten wollte, verharrte sie plötzlich. Da... war etwas, ganz am Rande ihrer Seele, ein Kratzen und Schaben, und für einen winzig kleinen Moment kam es ihr vor, als höre sie Geräusche; Stimmen und gebellte Befehle in einer harten, fremden Sprache, und dann den Klang zahlloser gepanzerter Stiefelsohlen auf hartem Metall; vielleicht auch etwas, wie den fernen Klang eines Horns, das zu einer Schlacht rief, die für alle Beteiligten die letzte sein würde.
Das Gefühl verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war. Jasmine blickte mit klopfendem Herzen über die Schulter. Das Labor lag im Stillen.
Nichts rührte sich.
Sie runzelte die Stirn. Lauschte.
Stille.
Ein paar Augenblicke verharrte sie noch bewegungslos. Dann seufzte Jasmine und rieb sich den Nasenrücken. Sie war überarbeitet. Zeit für’s Bett. Kopfschüttelnd trat sie hinaus auf den Gang und überließ das Labor der Nachtruhe.
Dort alleine, und im Dunkeln, weggesperrt in einem kleinen Schubladenfach... begann der Anhänger für einen kurzen Moment zu vibrieren.
Das Horn hatte Antwort erhalten.
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Antw:[RPG] Archäologie-Labor
« Antwort #2 am: 05.06.15, 18:51 »
„Auf die Vergangenheit“, murmelte Jasmine in den leeren Raum hinein. Sie saß hinter ihrem Arbeitstisch im archäologischen Labor, hatte soeben die Arbeiten an der neu aufgesetzten Artefakten-Bestandsliste beendet, und war gerade dabei, ihr Wasserglas an die Lippen heben, als eine Anzeige auf dem Monitor anfing zu blinken; eine eingehende Nachricht, adressiert an alle Abteilungen.
Jasmine stellte das Glas wieder ab, ohne getrunken zu haben, rief die Nachricht auf und las sie stirnrunzelnd durch. Der Text war nicht besonders lang, aber weitreichend. Die Wissenschaftsabeilung war an eine neue Leiterin übertragen worden; Lieutenant Alison McMeredith. Jasmine suchte in ihren Erinnerungen. Der Name war ihr von den Dienstplänen her vertraut, die Person selbst jedoch weniger. Jasmine konnte sich jedenfalls nicht erinnern, ob sie McMerideth schon einmal begegnet war oder nicht. Ungewöhnlich konnte man das nicht nennen – die meisten Wissenschaftler zogen es vor, in ihren Labors zu werkeln, sofern es sich einrichten ließ, und meistens blieben die einzelnen Abteilungen auch unter sich, es sei denn, es kam zu Überschneidungen der Projekte – oder zu den wöchentlichen Besprechungen, in denen sich zumindest die Teamleiter miteinander trafen.
Jasmine gehörte neuerdings auch dazu. Nicht, weil sie die beste in ihrem Team war.
Sondern die einzige.
Okay, strenggenommen machte sie das auch gleich wieder zum Besten A&A-Offizier an Bord, aber eben nur aus Mangel an Alternativen, und sie hätte auch nichts über einen Kollegen gehabt, von dem sie hätte lernen können.
Vielleicht würde McMeredith einen Anfordern.
Bis dahin kam sie ganz gut zurecht – und dank der Sonde, die Daten über Veridian IV geliefert hatte, würde sie so schnell auch nicht ohne Arbeit sein.
Ob es sich bei McMerideth Ernennung zum Wissenschaftsoffizier um eine vorübergehende Maßnahme handelte, oder nicht, wurde in der Nachricht nicht erwähnt. Vielleicht war man sich selbst noch nicht sicher. Was soll’s.
Jasmine deaktivierte den Monitor und lehnte sich zurück.
Wieder eine Veränderung.
Davon gab es in letzter Zeit eine Menge. Eigentlich nur. Aber wenn die jüngsten Erfahrungen mit den Ermittlern eines gezeigt hatten, dann, dass man sie nicht unbedingt fürchten musste. Als Jasmine den Vernehmungsraum verlassen hatte, in den man sie heute Mittage überraschend beordert hatte, war sie verstört und enttäuscht gewesen. Nach dem  das Abenteuer über Veridian III sie die Ereignisse von Faras III fast hatte vergessen lassen – wenigstens vorübergehend -, war alles wieder hochgekommen, und sie hatte sich überrumpelt und verloren gefühlt. Warum hatten die Ermittler das getan?
Die Antwort war einige Stunden später gekommen. Der Live-Feed von Captain sh’Draniis Rede war überall an Bord ausgestrahlt worden. Jasmine hatte ihn ebenfalls verfolgt, hier vom Labor aus, und ihr war mit jedem Wort klarer geworden, welchen Zweck die Ermittler verfolgt hatten. Und welche wahren Absichten. Hinter ihren vermeintlich harschen Vernehmungen hatte eine gute Absicht gestanden, und letztendlich hatte die ganze Mannschaft davon profitiert. Ihnen war ein Neuanfang vergönnt worden. Die Chance einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, und den Dämonen von Gestern die Nahrung vorzuenthalten. Jasmine hatte es verstanden und fühlte sich seither auch schon weitaus besser. Sie hatte vor, die Chance zu nutzen. Faras III würde sie nicht länger quälen. Was passiert war, war passiert. Zeit, nach vorne zu schauen. Und die Zukunft sah gar nicht so schlecht aus.
Jasmine beherrschte ihre Arbeit, hatte die Freude hin und wieder Brückendienst schieben zu dürfen, und allmählich knüpfte sie sogar... nun, vielleicht noch keine Freund- aber doch Bekanntschaften, und auch Commander Harris sah sie wieder mit anderen, wesentlich unverbrauchteren Augen. Das schiefe Grinsen in seinem Gesicht, das ihr nach den Ereignissen auf Faras III unpassend vorgekommen war, wirkte auf einmal wieder so attraktiv, wie am ersten Tag ihrer Begegnung. Natürlich würde sie das niemandem mitteilen. Nicht, dass man es noch für eine Schwärmerei hielt. War es eine?
Sie schob den Gedanken beiseite und überlegte stattdessen, ob sie ihn vielleicht besuchen solle. Immerhin hatte Captain sh’Dranii gebeten, ihm Unterstützung zukommen zu lassen. Sie entschied sich dagegen - vorerst. Dafür war sie dann doch noch zu neu und unwichtig an Bord. Sie würde sich einfach etwas umhören, ob die anderen Kollegen es taten.
Wenn sie ihm die Tür einrannten, war ihre Beteiligung nicht auch noch nötig. Wenn nicht jedoch... nun, die Idee würde sie dann noch mal ins Auge fassen. So oder so, sie nahm sich vor, sich bei der nächsten Gelegenheit bei ihm für den unpassenden Bericht zu entschuldigen, den sie geschrieben hatte. Letztendlich war nichts schlechtes dabei herausgekommen, und verübeln mochte man es ihr vielleicht auch nicht, aber sie verübelte es sich selbst, und sie wollte reinen Tisch machen mit den Ereignissen.
Aber nicht mehr heute. Sie blickte auf das Chronometer. Es war schon spät, ihre Schicht seit zwei Stunden vorüber. Grinch, ihr Zimmergenosse hatte sicher schon gegessen und lag vermutlich auch längst in der Koje. Sie wollte selbst noch eine Kleinigkeit zu sich nehmen, und dann seinem Beispiel folgen. Der Tag war nicht sonderlich anstrengend gewesen, hatte aber einen kleinen Paradigmenwechsel mit sich gebracht. Veränderungen. Einen neuen Blick auf die Zukunft.
Und in die sollte man sich nicht mit hungrigen Magen begeben.
Jasmine nahm das Glas in die Hand, stand auf, deaktivierte ihre Arbeitsgeräte, und verdunkelte das Labor. Bevor sie in den Korridor hinaustrat, prostete sie ihrem Refugium noch einmal zu, änderte abe den Trinkspruch: „Auf die Zukunft.“
Was immer sie bringen mochte.
« Letzte Änderung: 05.06.15, 19:32 by Star »
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