Autor Thema: Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere  (Gelesen 6043 mal)

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Tolayon

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Vor allem an mir selbst fällt mir auf, dass ich am liebsten starke Frauen an vorderster Front stelle. Zuerst war da eine umtriebige Andorianerin, dann wurde es eine Androiden-Dame, die sogar eine ganze Dynastie gründet sowie den Grundstein für ein neues Volk legt.

Aber auch andere männliche Autoren hier haben weibliche Hauptcharaktere in ihren Fan-Fictions, was zusammen mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen, im Fall der gerade anlaufenden Q-Mission zu einem fast reinrassigen "Hühnerstall" zu führen scheint.

Was macht eurer Meinung nach den Reiz an starken Frauen in Fan-Fictions aus? Ist es bei männlichen Autoren vielleicht auch ein Fall von Sexismus, der die Heldinnen trotz oder gerade wegen ihrer Stärke zum Teil auch als Lustobjekte präsentiert?

Ich kann auf jeden Fall von mir sagen, dass meine besagten Haupt-Charaktere geradezu perfekt aussehen; eine unscheinbare, vielleicht sogar etwas hässliche Frau würde ich als Hauptperson eher nicht schreiben wollen (wohl aber manche weibliche Autoren).

Und in diesem Zusammenhang auch eine Frage an die Autorinnen hier:
Sind eure "Heldinnen" zumindest in physischer Hinsicht perfekt, oder spielt bei euch auch schon mal der eine oder andere leicht übergewichtige weibliche "Geek" eine Hauptrolle?

Leela

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #1 am: 11.08.16, 23:45 »
... mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen

Ich bezweifle ernsthaft das dies repräsentativ oder gar eine Tatsache ist. Meiner Erfahrung nach ist es ziemlich ausgeglichen, ebenso oft und gerne wie Männer Frauencharaktere schreiben (was sie in den seltensten Fällen gut können, imho) schreiben/spielen Autorinnen Männerrollen.


Zitat
Ich kann auf jeden Fall von mir sagen, dass meine besagten Haupt-Charaktere geradezu perfekt aussehen; eine unscheinbare, vielleicht sogar etwas hässliche Frau würde ich als Hauptperson eher nicht schreiben wollen (wohl aber manche weibliche Autoren).

Ich glaube der Knackpunkt ist eher die Ästhetik also das "hässlich", statt eine Genderpräferierung. So gut wie kein mir bekannter Autor/in schreibt sich für Rollen Charaktere an die Hand die er/sie selbst nicht mag - also als unästhetisch empfindet und daher nur mit Abneigung schreibt (oder im RP eben spielt).

VGer

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #2 am: 12.08.16, 04:11 »
George R.R. Martin sagte einmal auf die Frage, wie er es schaffe glaubhafte Frauencharaktere zu schreiben: "You know, I've always considered women to be people." Ich halte nicht viel von ihm als Autor, aber umso mehr von diesem Zitat.

Ich muss ehrlich gestehen, mir gehen viele der Frauenfiguren in Fanfiction und Science Fiction allgemein inzwischen etwas auf die Nerven - eben weil bei vielen Autoren dieser Grundsatz "women are people" nicht angekommen ist. Was ewig das "damsel in distress" Stereotyp als Frauenrolle Nummer Eins war, ist im Laufe der Zeit zum "badass bitch" Stereotyp geworden. Doch ein bisschen auf eigenen Beinen stehen bzw. auf eigenen Beinen kickboxen können macht eben noch keinen guten Charakter aus. Das ist tatsächlich Sexismus im neuen Kleid, und umso widerlicher wenn es durch "nahaaain das kann gar nicht sexistisch sein weil das ist doch eine staaarke Frau!" gerechtfertigt wird.

Wunschtraumerfüllung durch Fiktion ist sicher ein nicht unwesentliches Thema, aber das gibt es, denke ich, bei beiden Geschlechtern gleichermaßen, sowohl bei Schreibenden als auch bei ihren Figuren. Das merkt man aber in der Regel recht schnell: ob sich jemand (egal welchen Geschlechts) wirklich Gedanken gemacht hat, einen glaubhaften Charakter (egal welchen Geschlechts) mit Stärken und Schwächen zu kreieren, oder ob jemand da einfach nur unreflektiert seine Phantasien aufschreibt, die dann schnell zu Mary Sues und Self Inserts ausarten.

Ich muss ehrlich gestehen, wenn ich schreibe bzw. lese ist die Optik für mich erstmal zweitrangig. Anders als in einer visuell erzählten Geschichte (Film, Serie, Theaterstück) tut es nicht viel zur Sache. Schönheit und Attraktivität sind keine Charaktermerkmale, und selbst wenn ausführlich beschrieben wird wie hübsch Figur XY denn sei gibt es Wichtigeres, das eher Eindruck hinterlässt.

Ich achte schon darauf, dass keine meiner Figuren perfekt ist (weder physisch noch sonstwie, und das geschlechtsunabhängig). Ich fand es aber auch immer schon irritierend, dass in Filmen alle Personen - von der Prinzessin bis zur Putzfrau, vom Präsidenten bis zum Baggerfahrer - immer von Hollywoodschönheiten verkörpert wurden, während Personen aus Büchern vor meinem inneren Auge immer viel gewöhnlicher ausgesehen haben.

Und in diesem Zusammenhang auch eine Frage an die Autorinnen hier:
Sind eure "Heldinnen" zumindest in physischer Hinsicht perfekt, oder spielt bei euch auch schon mal der eine oder andere leicht übergewichtige weibliche "Geek" eine Hauptrolle?

Ja und nein. "Form follows function", sozusagen. Der übergewichtige weibliche Geek spielt eine Hauptrolle, aber eben nicht als Elitesoldatin oder Primaballerina, aber ganz sicher auch nicht als comic relief Mauerblümchen.

Das ist übrigens etwas, was mir im Fanfiction-Bereich gerade bei männlichen Autoren schon immer wieder mal unangenehm aufgefallen ist, obwohl es gewissermaßen auch die gesamtgesellschaftliche Tendenz widerspiegelt: dass weibliche Charaktere oft per Photoshop die Attribute von dezidierten "Sexsymbolen" verliehen bekommen während für männliche Charaktere viel öfter die Gesichter von (zumindest für Hollywood-Verhältnisse) "Normalos" ausgewählt werden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ... ;)

Ich glaube der Knackpunkt ist eher die Ästhetik also das "hässlich", statt eine Genderpräferierung. So gut wie kein mir bekannter Autor/in schreibt sich für Rollen Charaktere an die Hand die er/sie selbst nicht mag - also als unästhetisch empfindet und daher nur mit Abneigung schreibt.

Das kommt ganz darauf an. Viele meiner Charaktere empfinde ich als ästhetisch / körperlich / sexuell unattraktiv. Die meisten meiner Charaktere mag ich trotzdem und schreibe sie trotzdem gerne, aus so vielen anderen und so viel wichtigeren Gründen. Das ist so wie im echten Leben ... jeder Mensch ist umgeben von Menschen, auf die man nicht unbedingt steht, die aber interessante und großartige Persönlichkeiten sind die vielseitige und spannende Leben führen. Das beste Beispiel ist wahrscheinlich meine beste Freundin - bei aller Liebe, man könnte sie mir nackt auf den Bauch binden und ich wüsste nicht was anfangen damit (obwohl sie konventionell hübsch ist), aber sie hat trotzdem eine Persönlichkeit und ein Leben, das erzählenswert wäre, wäre sie ein fiktiver Charakter (und das gilt auch für ihre Liebesgeschichten, denn nur weil ich sie nicht attraktiv finde, heißt das noch lange nicht, dass sie in den Augen von anderen unattraktiv ist). Und genauso verhält es sich mit meinen Charakteren eben auch ...

Aber auch andere männliche Autoren hier haben weibliche Hauptcharaktere in ihren Fan-Fictions, was zusammen mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen, im Fall der gerade anlaufenden Q-Mission zu einem fast reinrassigen "Hühnerstall" zu führen scheint.

Und genau da liegt, meiner bescheidenen Meinung nach, der Hund begraben. Eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die zufällig hauptsächlich aus Frauen besteht - aus Charakteren, die kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht, wohlgemerkt - wird doch recht despektierlich als "Hühnerstall" bezeichnet. Doch niemandem würde es auch nur im Traum einfallen, eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die (weniger zufällig, seien wir uns mal ehrlich) hauptsächlich aus Männern besteht, die ebenfalls kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht - nehmen wir als besonders eindrückliches Beispiel mal TOS her - in erster Linie als "eierschaukelnde Machopartie" o.ä. zu bezeichnen.
I hola què tal? Som es vostres amics de sa Terra, un planeta de pols i de merda d'un inhòspit sistema solar.
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Ich wär' hier so gerne zuhause, denn die Erde ist mein Lieblingsplanet. Doch ich werde hier nie so zuhause sein wie die Freunde der Realität.
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Suthriel

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #3 am: 12.08.16, 10:53 »
Vor allem an mir selbst fällt mir auf, dass ich am liebsten starke Frauen an vorderster Front stelle.

Was, wenn man es militärisch betrachtet ja auch nur Sinn macht, da es schon eine gewisse Stärke, erfordert, eine Truppe erfolgreich unter widrigsten Umständen zu führen oder solche Situationen allein zu meistern, ohne daran zu zerbrechen bzw. zu scheitern.
Und rein physisch kommt man um eine besser trainierte Person nicht drum rum, wenn auch schwereres Gerät dabei zum Einsatz kommen soll, was sich nicht von allein bewegt, sondern irgendwie von den Charakteren werden muss ;)
Einen in fast jeder Hinsicht starken Charakter kann man auch mehr zumuten und ihn in weitaus extremere Situationen werfen als einen Normalsterblichen, es erzeugt mehr Freiheiten. Andersrum ists wesentlich schwerer, einen Übergegner mit Normalos zur Strecke zu bringen, da selbst der Schreiber mehr nachdenken muss, wie kann man diesen Übergegner mit normalen Mitteln besiegen. Gilt auch für so gut wie aussichtslose Situationen, ein Normalo würde durchaus aufgeben, was für einen Helden oder Hauptcharakter nicht in Frage kommt.


Zitat
Aber auch andere männliche Autoren hier haben weibliche Hauptcharaktere in ihren Fan-Fictions, was zusammen mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen, im Fall der gerade anlaufenden Q-Mission zu einem fast reinrassigen "Hühnerstall" zu führen scheint.

Ich würde sagen, das es erst dann zu einem Hühnerstall wird, wenn keine klaren Strukturen mehr erkennbar sind und sich jede dieser Damen für die wichtigste hält und unbedingt ihr Ding durchsetzen will... dann wird's drunter und drüber gehen, und das zeichnet ja einen Hühnerstall aus :)
Kann die ganze weibliche Truppe hingegen als ein großes Team arbeiten, ohne das es chaotisch wird, würde es wohl auch kaum jemand als Hühnerstall bezeichnen *denk*


Zitat
Was macht eurer Meinung nach den Reiz an starken Frauen in Fan-Fictions aus? Ist es bei männlichen Autoren vielleicht auch ein Fall von Sexismus, der die Heldinnen trotz oder gerade wegen ihrer Stärke zum Teil auch als Lustobjekte präsentiert?

Ich würde sagen, weniger Sexismus, sondern es kommt eher daher, das sie eine in jeder Hinsicht starke Frau (oder Person im allgemeinen) erschaffen haben (ob nun bewusst oder nicht), die es mit allem und jedem aufnehmen kann und sich entsprechend auch mehr rausnehmen kann, als andere, und daher auch auf die ein oder andere Anstandsregel pfeiffen kann.
Gerade wenn du solche Personen noch in Gebiete oder Geschichten schickst, in denen Zivilisation, Moral, Ehre und das ganze restliche soziale "Gedöns" nicht viel weiter hilft, oder diese Personen wissen, das sie schon morgen tot sein könnten, würden sie eher dazu tendieren, das Leben so zu genießen, wie sie es für richtig halten und eben auch vor... verruchteren Methoden nicht Halt machen. Und wenn es ihnen gefällt, dabei noch schlampig oder nuttig rumzulaufen, und der Welt aufgrund übersteigereten  Selbstvertrauens oder einer "who cares" Einstellung zu zeigen, was sie so an körperlichen Attributen haben... joar, warum auch nicht? Wer wollte sie in diesen Geschichten davon abhalten?
Denn eine berechtigte Frage wäre dann, warum sollten sich solche Personen nach den Moralvorstellungen anderer richten, wenn diese Moralvorstellungen die in den Geschichten entstandenen Situationen eh nicht verhindern konnten?

Zitat
Ich kann auf jeden Fall von mir sagen, dass meine besagten Haupt-Charaktere geradezu perfekt aussehen; eine unscheinbare, vielleicht sogar etwas hässliche Frau würde ich als Hauptperson eher nicht schreiben wollen (wohl aber manche weibliche Autoren).

In einem Buch über Comic-Zeichner kam auch mal dieses Thema auf, warum bestimmte Leute immer bestimmte Charaktertypen zeichneten (zb Asiaten gerne Europäer mit großen Nasen ^.^) und eine sehr treffende Antwort von einem der Zeichner war: "Man zeichnet gerne das, was man selbst nicht hat." (aber gerne hätte)

Ich schriebe zwar keine Fan-Fictions und auch sonst keine Geschichten, aber im Kopf tanzen natürlich auch die ein (oder andere) weibliche Überheldin rum (Sci-Fi-Universum mit diverser High-Tech). Und auch wenn die erstmal rein optisch natürlich auch der typisch gut trainierten Soldatin entspricht (eben weil sie im Militär tätig ist als eine Art Frontsoldat), ist das zumindest rein optisch nur solange der Fall, wie ihre persönliche Verkleidung intakt ist, welche sie wie eine normale Person aussehen lässt. Fällt die jedoch aus/ab oder wird beschädigt, was öfter mal kampfbedingt passiert, weil zuviele Granaten oder Geschosse usw. ringsrum einschlagen, sieht man das, was von ihrem Körper nach den ganzen Kampfeinsätzen übrig geblieben ist und mit Maschinenteilen wieder zusammen geflickt wurde. Ohne die Tarnung und Verkleidung (im Grunde künstliche Haut auf passend geformten Teilen, welche die Oberfläche/Haut der Orignalkörperteile nachbilden, und die Prothesen drunter verstecken sollen) ist sie ein eher unschön anzusehender Cyborg. Nur als kleines Beispiel ihrer Verletzungen: Vom linken Unterarm ist nur noch die leicht verkohlte, tote und spitz abgebrochene Elle übrig, über die eine Handprothese gestreift und am Ellbogen verriegelt wird. Wenn ihr ab und zu mal die Waffen und Optionen ausgehen, zieht sie genau diese Handprothese ab und nutzt diesen noch vorstehenden Knochen als Dolchersatz. Welcher normale Charakter könnte sowas machen? :) Und welchem nicht so starken Charakter will man sowas zumuten?

Es ist schließlich meiner Meinung nach unrealistisch, das eine solche Frontfrau oder jeder Frontsoldat alles immer relativ unbeschadet oder ohne bleibende Verletzungen übersteht. Und auch wenn die Heilmethoden für Bio-Komponenten dort auf einem sehr hohen Niveau sind und eine vollständige Heilung und Wiederherstellung eigentlich kein Problem wäre, macht sie es schlicht und einfach deswegen nicht, weil sie eh viel zu oft in Kämpfen wieder neu verletzt wird und die Maschinenteile einfach widerstandsfähiger, stärker und vor allem wesentlich leichter zu beschaffen sind, als ihre natürlichen Originale. Eine Fabrikanlage mit Werkzeug findet sich aller Naselang, ein Hospital mit passender Regenerations- oder teurer Klonkammer nicht.

Die Verkleidung trägt sie auch nur deswegen, weil die "zivilisierte" Gesellschaft abseits der Kriege sich an solchen Kriegswunden stört und die Auswirkungen des Krieges nicht direkt sehen will und sie die Blicke der Leute, die sie nicht kennen und sie so sehen, schlicht nerven. Sie hat also kein Problem, sich unverkleidet als unästhetischer Cyborg zu präsentieren (macht siesogar gerne mal wenn sie ein paar Leute schocken will), es ist für sie abseits der Front nur leichter, voll verkleidet und maskiert als normale, optisch etwas besser trainierte Person zu handeln, weils weniger Aufmerksamkeit erregt, als ein wandelnder, zerstört wirkender Cyborg aus einem Horrorfilm.
Jede Geschichte hat vier Seiten: Deine Seite, Ihre Seite, die Wahrheit und das, was wirklich geschehen ist.

Welten brechen auseinander, Formationen nicht.

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #4 am: 01.01.17, 12:39 »
Vor allem an mir selbst fällt mir auf, dass ich am liebsten starke Frauen an vorderster Front stelle. Zuerst war da eine umtriebige Andorianerin, dann wurde es eine Androiden-Dame, die sogar eine ganze Dynastie gründet sowie den Grundstein für ein neues Volk legt.

Aber auch andere männliche Autoren hier haben weibliche Hauptcharaktere in ihren Fan-Fictions, was zusammen mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen, im Fall der gerade anlaufenden Q-Mission zu einem fast reinrassigen "Hühnerstall" zu führen scheint.

Was macht eurer Meinung nach den Reiz an starken Frauen in Fan-Fictions aus? Ist es bei männlichen Autoren vielleicht auch ein Fall von Sexismus, der die Heldinnen trotz oder gerade wegen ihrer Stärke zum Teil auch als Lustobjekte präsentiert?

Ich kann auf jeden Fall von mir sagen, dass meine besagten Haupt-Charaktere geradezu perfekt aussehen; eine unscheinbare, vielleicht sogar etwas hässliche Frau würde ich als Hauptperson eher nicht schreiben wollen (wohl aber manche weibliche Autoren).

Und in diesem Zusammenhang auch eine Frage an die Autorinnen hier:
Sind eure "Heldinnen" zumindest in physischer Hinsicht perfekt, oder spielt bei euch auch schon mal der eine oder andere leicht übergewichtige weibliche "Geek" eine Hauptrolle?

Meine Darsha-Geschichte wurde von dem Roman "Kinder von Bogota" von Alberto Vázquez-Figueroa ispiriert: Dieser schreibt über einen Menschen, der in in einem Elendsviertel in Bogota aufwächst und sich schon als kleines Kind selbst um sich kümmern und seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Solch eine Geschichte auf der Erde des 24. Jahrhunderts zu plazieren ist unmöglich; die naheliegendste Ecke des Weltraumes ist die Borderland-Region. Warum ich mich für ein Mädchen und keinen Jungen entschieden habe ist das meist stereotypische Denken der heutigen Gesellschaft: Die Gleichberechtigung ist zwar per Gesetzt gegeben, aber bedenkt man alleine die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen dann ist diese eben nur auf dem Papier erreicht und noch lange nicht im Gedankengut verankert. Daher ist es viel leichter eine Frau als Opfer hinzustellen als einen Mann, die heute Gesellschaft ist viel eher bereit dies zu akzeptieren. Als Autor vermeide ich auf diesem Wege viele Erläuterungen nachreichen zu müssen. Geradezu bemerkenswert finde ich daher Werke wie "Jim Carroll – In den Straßen von New York", die es trotzdem schaffen, einen "schwachen Mann" in der Opferrolle darzustellen - aber solche (Hollywood-)Werke sind doch eher die Ausnahme.


Darsha ist bei weitem nicht perfekt. Ihr Aussehen ist aufgrund ihres Alters noch sehr unreif, ihr Charakter wirkt wankelmütig da sie sich anpasst wie Wasser, das man mal in eine eckige Vase, mal in eine bauige Karaffe und mal in eine zylidrische Tasse gießt. Nicht, dass sie aktuell eine andere Wahl hätte, als zu gehorchen, und dennoch beginnt sie sich zu fragen, was sie von ihrem Leben erwartet und wie sie es erreichen kann. Ihre Stärke ist ihre Anpassungsfähigkeit und dass sie den Charakter eines Steh-Auf-Männchens besitzt.

Ihre Anziehungskraft geht für mich von ihrem Charakter aus, nicht von ihrem nicht vorhandenen (Victoria-Secret-)engelhaftem Aussehen. Wie viele Menschen versucht auch sie herauszufinden wer sie ist und was sie kann - und, bei Weitem am Wichtigsten: Was sie selbst will! Und damit ist ihre Geschichte im übertragenen Sinne die vieler Menschen...


Und genau da liegt, meiner bescheidenen Meinung nach, der Hund begraben. Eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die zufällig hauptsächlich aus Frauen besteht - aus Charakteren, die kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht, wohlgemerkt - wird doch recht despektierlich als "Hühnerstall" bezeichnet. Doch niemandem würde es auch nur im Traum einfallen, eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die (weniger zufällig, seien wir uns mal ehrlich) hauptsächlich aus Männern besteht, die ebenfalls kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht - nehmen wir als besonders eindrückliches Beispiel mal TOS her - in erster Linie als "eierschaukelnde Machopartie" o.ä. zu bezeichnen.
Hört, hört! Ich sehe das genauso, ein Punkt mehr, der die These die Gleichberechtigung sei noch nicht in allen Köpfen verankert, unterstützt. Manche Dinge, so wird es uns suggeriert, sind eben "normal", andere nicht...

Max

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #5 am: 01.01.17, 18:06 »
Und genau da liegt, meiner bescheidenen Meinung nach, der Hund begraben. Eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die zufällig hauptsächlich aus Frauen besteht - aus Charakteren, die kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht, wohlgemerkt - wird doch recht despektierlich als "Hühnerstall" bezeichnet. Doch niemandem würde es auch nur im Traum einfallen, eine wild zusammengewürfelte Mannschaft, die (weniger zufällig, seien wir uns mal ehrlich) hauptsächlich aus Männern besteht, die ebenfalls kaum mehr gemeinsam haben als ihr Geschlecht - nehmen wir als besonders eindrückliches Beispiel mal TOS her - in erster Linie als "eierschaukelnde Machopartie" o.ä. zu bezeichnen.
Hört, hört! Ich sehe das genauso, ein Punkt mehr, der die These die Gleichberechtigung sei noch nicht in allen Köpfen verankert, unterstützt.
Na ja, das finde ich - der ja allerdings leider oft zu naiv ist - jetzt aber schon ein bisschen pessimisitisch.
Wenn man eine Gruppe chaotischer Männer ins Geschehen wirft, werden die doch in ihrer Wirkung nicht besser wegkommen, nur weil es Männer sind. Ich würde das eher mit der Perspektive sehen wollen, wie Helden heute generell zu sein haben. Der strahlende Held zählt schon lange nicht mehr, heutzutage müssen die Protagonisten immer auch eine dunkle Seite und einen Haufen Probleme vorweisen können. Okay, Männer- und Frauenbilder spielen sicher noch eine Rolle, aber wie gesagt, so pessimistisch würde ich das gar nicht sehen wollen.

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #6 am: 01.01.17, 18:23 »
Meine Äußerung war schon etwas pessimistisch, ja. Und dennoch ist auch mir klar, dass dies nicht die Wahrheit ist, sondern nur eine sehr polarisierte, subjektive Wahrnehmung. Es hat sich viel getan - aber es muss sich noch viel tun, wenn wir 2161 die Föderation gründen wollen!  ;)

Ob "eierschaukelnde Machopartie" oder "Hühnerstall" - es ist doch eigentlich unwichtig. Wenn eine Geschichte der Untarhaltung dient sollte diese auch der Maßstab sein, nach der man die Geschichte beurteilt: Ist sie unterhaltsam, hat man sich gerne damit beschäftigt? Wenn ja ist doch alles in Ordnung. Und wenn nicht - muss man die Konsequenzen ziehen.

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #7 am: 01.01.17, 19:28 »
Na ja, das finde ich - der ja allerdings leider oft zu naiv ist - jetzt aber schon ein bisschen pessimisitisch.

Oh, you sweet summer child ...

Wenn man eine Gruppe chaotischer Männer ins Geschehen wirft, werden die doch in ihrer Wirkung nicht besser wegkommen, nur weil es Männer sind.

Doch, schon, weil es aufgrund der bewusst oder unbewusst in den Köpfen einzementierten Rollenbilder entsprechend anders wahrgenommen wird - sowohl in der Fiktion, als auch im echten Leben. Eben eine Frage der Perspektive, die sich bei den allermeisten noch nicht radikal genug geändert hat.

Ein aktuelles Beispiel aus meinem Berufsleben, das diese subtile Diskriminierung, wie ich finde, recht gut aufzeugt: Ein Konflikt in unserem rein weiblichen Team in einer männlich dominierten Branche wurde von allen Seiten mit einem augenrollenden "Kein Wunder, Weiber sind halt zickig! (Hühnerstall!)" quittiert. Es war richtig mühsam, sich da Gehör zu verschaffen und ernstgenommen zu werden, um Unterstützung bei dem zugrundeliegenden fachlichen Problem zu bekommen. Ein paar Wochen zuvor sind bei einem rein männlichen Team die Fetzen geflogen, und da implizierte keiner "Kein Wunder, Männer sind halt aggressiv und wegen ihrer testosteronverseuchten Macho-Egos nicht kompromissfähig!" sondern sie haben gleich sachliche Unterstützung bekommen.

Das ist das Problem: ein Team wird immer in erster Linie als organisiert, chaotisch, gut oder schlecht ausgebildet, (hier Adjektiv nach Wahl einsetzen) empfunden und ihre Handlungen danach beurteilt. Außer, das Team wird von einer Frau angeführt bzw. setzt sich hauptsächlich aus Frauen zusammen - dann wird es in erster Linie als weiblich empfunden, und Erfolg bzw. Scheitern wird dadurch erklärt (Scheitern: nicht weil chaotisch und schlecht ausgebildet, sondern weil "Bah! Weiber!", Erfolg: nicht weil organisiert und gut ausgebildet, sondern "obwohl sie eine Frau ist").

Das ist nicht pessimistisch, das ist realistisch.
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Ich wär' hier so gerne zuhause, denn die Erde ist mein Lieblingsplanet. Doch ich werde hier nie so zuhause sein wie die Freunde der Realität.
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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #8 am: 01.01.17, 19:35 »
Na ja, da habe ich im Berufsleben auch andere Fälle beobachtet; da habe ich schon üble Beschimpfungen (dagegen klingt "zickig" oder "Hühnerhaufen" niedlich) gehört und das war ein Konflikt, in dem nur Männer eine Rolle spielten.

Dahkur

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Antw:Männliche Autoren, weibliche Hauptcharaktere
« Antwort #9 am: 07.01.17, 08:09 »
... was zusammen mit der Tatsache, dass weibliche Autoren ebenfalls weibliche Charaktere bevorzugen, ...


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Bislang war das Thema für mich nur zum Lesen interessant, da ich mich auf Canon-Charaktere beim Schreiben eingeschossen hatte. Aber seit ein paar Episoden stellt sich bei mir heraus, dass ich verdammten Spaß an zumindest einem OC gefunden habe, der in meiner Serie so ein wenig zu einer Hauptfigur avanciert.
Allerdings ist das ein männlicher Charakter ohne perfekte Eigenschaften. Klar, er sieht gut aus (das muss leider auch bei mir immer sein, liegt aber natürlich auch im Auge des Betrachters, da ich z.B. Model-Männer à la Chris Pine nicht als gutaussehend betrachte), ist aber kein after-the-book Offizier, hat sich mit minimalem Aufwand an allem Sportlichen und Taktischen durch die Akademie gewurschtelt und ist eher der chaotische, liebenswerte Wissenschaftler.
Ich finde es allgemein sehr viel spannender mit "normalen" Charakteren zu schreiben (und auch davon zu lesen) als mit tollen, hochdekorierten, tapferen, erfindungsreichen, whatever Heldentypen.
"I am the sum of my art, therein lies my life." (Duncan Regehr/"A Dragon's Eye")

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