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Deck sieben

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Will Pears:

--- Zitat von: Max am 27.10.21, 11:01 ---Oh, darf ich ganz neugierig nachfragen, mit welchen Bereichen oder welchen Epochen oder auch welchen Autoren Du Dich beschäftigst? :) (Ich hatte nämlich NdL als Nebenfach).

--- Ende Zitat ---

Ich hatte mein Studium tatsächlich ursprünglich mit Geschichte und Politikwissenschaft begonnen, nur um nach 3 Semestern festzustellen, dass PoWi alles versucht, um nicht wie eine Geisteswissenschaft zu wirken. Sehr skurrile Versuche, alles empirisch und falsifizierbar zu machen, alles sehr statistisch. Das war der Moment, an dem ich dachte, dass mir Germanistik auch liegen würde.

Gerade auch, weil diese naturwissenschaftlichen Ansätze mich in PoWi sehr gestört hatten und mir nicht leicht gefallen waren, hatte ich mich dann sehr auf den Literaturanteil gefreut. Ich ging davon aus, dass ich Einführung in die Sprachwissenschaft und alles andere notwendige aus dem Bereich irgendwie bestehen würde, um dann v.a. mit Prosa und Lyrik Spaß zu haben. Aber es kam dann genau anders. Die einführenden Literatur-Seminare waren enttäuschend. Ältere Deutsche Literatur war ausschließlich die Sprache lernen. Ich sollte am Ende als ein "Essay" eine Kurzgeschichte abgeben, was irgendwie nice war, aber mich jetzt nicht weitergebracht hat. Und NDL ging nicht wirklich über Oberstufen-Leistungskurs-Niveau hinaus. Ich hatte auch da gehofft, irgendwie tiefer einsteigen zu können.

Letztlich hatte ich dann in Sprachwissenschaft jede Menge interessante Erkenntnisse. Es war viel systematischer als jemals in der Schule. Bis dahin war alles, was ich an Grammatik gelernt hatte, irgendwie ein inkonsistentes Regelwerk mit Ausnahmen und vielem, das einfach auswendig gelernt werden musste. Und ab der - ich schätze - 7. Klasse war Grammatik dann in Deutsch eh kein Thema mehr gewesen. Hier kam dann auf einmal Systematik da rein. Regeln, die zwar schwierig zu verstehen sind, die ein sehr tiefes Verständnis von Phonetik, Syntax, etc. erfordern, aber dafür dann viel, viel mehr Sinn ergeben.

Und von da an habe ich dann in Literatur nur das Minimum belegt und alle Wahlpflicht-Anteile in Sprachwissenschaft belegt. Ich hatte letztlich eine VL zu Simplicissimus, eine zu Comics als literarischer Gattung und eine zu Nachkriegsliteratur bis zur Wiedervereinigung. Seminare hatte ich zu Else Lasker-Schülers v.a. lyrischem Werk, zu deutsch-jüdischer Gegenwartsliteratur (Billers "der gebrauchte Jude", ich fand schon den ambigen Titel super; Roggenkamps "Familienleben", das sehr gut und authentisch Diskriminierungserfahrungen in der Schule nachzeichnet; Petrowsjakas "Vielleicht Esther" hat sehr schön die auch sprachliche Diversität jüdischer Identität gezeigt; mit Mirna Funks "Winternähe" konnte ich tatsächlich am wenigsten anfangen, denn obwohl mir das Identitätschaos gefiel, war mir dann doch ein wenig zu viel Versuch, den Nahostkonflikt zu bewerten, drin und das wiederum etwas zu vereinfacht) ein Seminar bei der hiesigen Theaterdramaturgin, bei dem wir dann das aktuelle Bühnenprogramm durchgegangen sind (ich hab letztlich ne Hausarbeit zu Shakespeare in Deutschland geschrieben, weil die The Tempest in Übersetzung aufgeführt haben). Dann hatte ich noch was zu Heine und einen Kurs zu Satire, der mir aber zu überblicksartig und referatslastig war (bin nach der Hälfte gegangen).

Was mich letztlich an Sprachwissenschaft bis heute fasziniert, ist, dass es zunächst einmal nur der Beobachtung bedarf. Ich habe in den verschiedenen Kursen quasi Beispiele, was mensch so machen kann, kennengelernt und damit die Denkweise dahinter. Bspw. dass es im Deutschen verschiedene "es" gibt. Da hatte die Dozentin damals dann gefragt, wer bitte "es" ist, wenn es regnet. Hier ist das es rein syntaktisch Subjekt, weil das im Deutschen nicht anders geht. Aber semantisch ist es das nicht. Das "es" steht auch nicht für irgendetwas. Oder in so alten Märchen- oder Liedersätzen wie "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach", in denen die Mühle eigentlich Subjekt ist. Es gibt insgesamt 9 verschiedene "es", die sich im Deutschen identifizieren lassen.

Sehr schön fand ich auch die Idee der Implikatur im Gegensatz zur Implikation (Hauptunterschied: Implikaturen erscheinen uns logisch, obwohl sie es formell nicht sind). Ein Beispiel in einem Buch erklärte das mit folgendem Beispiel:

Ins Logbuch eines Schiffs werden nur die wichtigsten Dinge, die auf der Reise geschehen aufgeschrieben. Am 23. Tag erwischt der Kapitän den ersten Maat betrunken im Dienst und schreibt ins Logbuch: "Erster Maat war heute betrunken." Der beschließt, sich zu rächen, und überlegt, wie er das am geschicktesten anstellen könnte. Am letzten Tag der Reise geht er hin und schreibt ins Logbuch: "Heute ist der Kapitän nicht betrunken".

Ausgehend von sowas habe ich seither immer wieder Momente, in denen ich Ideen habe für sprachwissenschaftliche Erklärungen zu Phänomenen. Zuletzt dachte ich zum Beispiel, dass das, was Kindern zur Auslautverhärtung beigebracht wird, nicht vollständig ist. Diese lernen, dass der stimmhafte Plosiv am Ende eines Wortes nur ausgesprochen wird, wenn dieser der letzte Buchstabe (Bsp: [hʊnt] vs. <Hund>) ist, und nicht, wenn noch etwas folgt (Bsp. [hʊndə] vs. [Hunde]). Dass das als Regel nicht ausreicht, fiel mir auf, als ich über das gesprochene [k] am Ende des ersten Wortes in Bergkette gestolpert bin. Dann kamen noch Wörter wie Ewigkeit hinzu und auf einmal hat mich das fasziniert. Habe mir dann einiges zu Auslautverhärtung angesehen und z.B. bei meiner Konstruktion andorianischer Eigennamen einmal eine Anlautverhärtung hinzugenommen.

Ich finde diese Möglichkeit, einfach mit ein wenig Aufmerksamkeit, so etwas zu erkennen, unheimlich faszinierend. Und das geht in allen Bereichen der Sprachwissenschaft (die vermeintlich wertneutrale Aussage "Es zieht." kann entweder Aussage oder Aufforderung sein. Das ist ein Ding aus Pragmatik). Und fast alle davon sind unheimlich spannend :) :)

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