Okay. All jene, die von ihren Kunst-, Musik-, und Sportlehrern wirklich etwas neues beigebracht und den Spaß an dem entsprechenden Unterrichtsfach vermittelt bekommen haben, bitte mal laut "hier" rufen.
*zirpende Grille*
Uh-huh. Dachte ich mir.
@CaptainCalvinCat, Ich glaube, wirklich gute Lehrer in dem Bereich sind sehr selten. Die meisten machen das doch nur nebenbei zu Deutsch, Erdkunde und zur Pausenaufsicht und haben vom Malen oder Zeichnen auch nicht mehr Ahnung als ein Einbeiniger im Arschtrittwettbewerb - und wenn doch, dann sind die eher daran interessiert, sich diejenigen herauszupicken, die schon was können, und sie entsprechend in Vereine und Gruppen zu schieben (denn Geld muss ja fließ- äh, Talent muss gefördert werden), und alle anderen werden eben nach Anwesenheit und dem Grad des dummen Anstellens bewertet.
Wenn dein Kunstlehrer dir/euch nicht vermittelt bekommen hat, dass man erstmal eine ganze Weile schlecht in etwas sein muss, ehe man langsam besser und irgendwann auch gut wird, dann... hat er schon mal eine Menge falsch gemacht. :/
Ich kann ja mal anhand eines kleinen Tutorials einen Blick hinter den Vorhang gewähren. Lasst uns... Shannyn kritzeln

. Nur den Kopf, nur von vorn, ganz unspektakulär.
Schritt 1Wir beginnen... mit einer hässlichen Ei-Form. Und eigentlich ist das nicht nur Schritt 1, sondern Schritt 1 bis 50.000.000, denn es ist gut diese Ei-Formen aus dem FF zeichnen zu können, und ehe man ein Gefühl dafür bekommt, muss man sie gefühlte drölftausend Mal machen. Das ist wie damals im Textschreib-Unterricht, wo man das zehn-Finger-System dadurch erlernen sollte, dass man eine Stunde lang nix anderes gemacht hat, als den Zeigefinger zwischen dem J und dem U hin und herzubewegen. Bei einem Rollenspiel kommt man auch nicht gleich zum Erschlagen des Drachen in edler Rüstung, sondern man muss erst mal eine ganze Weile in Buddlerhose und mit einem Knüppel bewaffnet auf Rattenjagt gehen um hochzuleveln. Scheißlangweilig, aber so ist das bei jeder Disziplin.
Es hilft allerdings immer, die Sachen auf kleinere Schritte herunterzubrechen - so auch hier, wo man feststellt, dass diese Ei-Form im Grunde nur aus einem großen Kreis, und einem kleineren, leicht überlappenden darunter besteht. Man verbindet sie, macht den unteren Bereich, der später mal das Kinn darstellen soll, etwas kantiger, und schon ist man auf einem guten Weg. Das muss natürlich auch ein bisschen geübt werden, man muss auch ein Gefühl für die Hand-Augen-Koordination bekommen, damit der Stift auch wirklich das macht, was man will. Also nicht gleich verzagen, wenn es bei den ersten paar (oder auch sehr vielen) Versuchen nicht auf anhieb klappt. Das ist ganz normal.
Schritt 2Orientierungslinien. Um uns die Sache noch etwas zu vereinfachen setzen wir uns ein paar Linien zu orientierung. Eine vertikal und mittig, für Nase und Co - da kann man dann schon mal sehen, ob man einigermaßen gerade gezeichnet hat (habe ich nicht) -, und zwei Linien im Mittelteil, die bei mir je von einer Ohrenspitze und einem Ohrläppchen zum anderen verlaufen. Die Linien besitzen eine ganz leichte Krümmung nach unten hin, denn man muss sich den Kopf, also die Ei-Form, als dreidimensionales Objekt vorstellen. Die Brauen verlaufen übrigens bei jedem Menschen auf einer Linie mit dem oberen Teil der Ohren, sowie die Nasenflügel immer auf der Linie der Ohrläppchen liegen.
Schritt 3Brauen. Eine der wichtigsten Emotionsträger im Gesicht überhaupt. Bei Erstaunen wandern sie nach oben, bei blanker Wut so weit nach unten, dass sie die Augen ein bisschen eindrücken. In dieser Skizze soll der Blick freundlich sein, von daher befinden sie sich in normaler/neutraler Form.
Augen. Eigentlich eine furchtbar komplizierte Sache. Aber beim Kritzeln mache ich es mir immer leicht und zeichne eine leicht ovale Form ein, die recht grob ist, und für die ich nicht einmal den Stift absetze. Das ist eine einzige Handbewegung. Erfordert etwas Übung usw, aber das dürfte ja inzwischen durchgesickert sein.
Wohin setzt man die Augen? Wie groß sollen sie sein? Trick siebzehn: zwischen die beiden Augen muss ein drittes von gleicher Größe passen. Und der Abstand zwischen dem rechten und linken Auge und dem rechten und Linken Gesichtsrand beträgt mindestens ein halbes Auge.
Ich habe es rechts daneben noch einmal dargestellt, wenn auch mit Maus und daher etwas krakelig. Aber ich denke, die Idee kommt rüber.
Mit Wimpern, Tränsensäcken, Pupillen oder sonstwas muss man sich hier noch gar nicht herumschlagen. Das kann man alles später noch machen. So eine Pyramide lässt sich auch besser von unten nach oben bauen, als umgekehrt.
Nasen sind eigentlich recht einfach. Ein Dreieck von der Seite und ein schmales Quadrat von vorn. Unten ein einfacher Kreis, daneben zwei Halbkreise. Reicht völlig. Wer jemanden mit einer dicken Nase zeichnen will, der macht den Kreis größer, und die beiden Halbkreise eventuell weiter auseinander. Da kann man schön variieren.
Schritt 4Lippen sind eigentlich furchtbar einfach und nur eine Ansammlung von mal mehr, mal weniger sanft geschwungenen Bögen. Wir beginnen mit einem nach unten gebogenen... Bogen in der Mitte, und fügen dem zwei weitere, sanft verlaufende Bögen an den Seiten hinzu. Die Form richtete sich nach dem Gesichtsausdruck. Wäre Shannyn wütend, wären die Seitenbögen kurz und würden eher gen Boden wandern. Würde sie grinsen, wären sie breiter.
Hier soll Shannyn aber einfach nur lächeln, also verlaufen sie einigermaßen sanft zu den Seiten, mit nach außen hin leichtem Schwung nach oben.
Schritt 5Fehlen noch Ober- und Unterlippe. Bei der Oberlippe machen wir ebenfalls einen (etwas kleineren) Bogen in der Mitte, und an den Seiten brauchen wir nur zwei Linien einzufügen, die zu den Bögen darunter aufschließen.
Die Unterlippe ist hier ein, in der Mitte, sanft nach oben geschwungener Bogen - gefolgt von den Anschlussstrichen.
Seven of Nine und Angelina Jolie bekämen etwas dickere Lippen. Man kann noch kleinere Spielereien wie Grübchen einbauen, oder eine Kinnlinie hinzufügen.
Schritt 6Das sieht ja schon ganz ordentlich aus. Um den angedeuteten Hals habe ich ihr noch den Kragen einer Jacke gezeichnet, und auf dem Kopf fehlt natürlich das Haupthaar. Im Zeichnen von Haaren bin ich nicht allzu gut, von daher gebe ich hier mal lieber keine Tipps, aber... zumindest beim Kritzeln muss man hier auch nicht allzu detailliert sein
Schritt 7Jetzt werden eventuelle Hilfslinien ausradiert, und die Teile des Kopfes, die von den Haaren verdeckt sind.
Tadaaaa! Magic. Das ist jetzt natürlich etwas vereinfacht ausgedrückt, und... nur EIN Weg zum Ziel. Jeder Zeichner hat irgendwann seine ganz eigenen Tricks, Ticks und Methoden. Man muss auch nicht Richtung Realismus gehen. Manga oder Cartoon sind genauso gut - je nachdem, wa seinem Gefällt.
Aber wenn man den Prozess auf einfache Schritte herunterbricht, und diese oft genug übt, dann kann man irgendwann schon mal ein Gesicht von Vorne zeichnen. Der nächste Schritt ist dann, ein Gesicht von der Seite zu zeichnen, von oben, von unten, usw. Damit ist man dann schon mal gut ein paar Jahre beschäftigt, und man arbeitet sich weiter vor

Und dann, wenn man das alles nach Jahrzehnten perfektioniert hat, seine Zeichnungen einer freundlich lächelnden Shannyn stolz präsentiert, und irgendeiner sagt: "Kannst du auch einen Elefanten auf einem rückwärtsfahrenden Ruderboot im Orbit um Deneva Vier zeichnen"?, etwas, das man noch nie zuvor gemacht hat, DANN beginnt die wahre Kunst, nämlich die, nicht Amok zu laufen.
