Science Fiction, 3D Modelling & Fan Fiction

FanFiction => Star Trek FanFiction - Generell => Thema gestartet von: Max am 03.11.11, 19:02

Titel: Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 03.11.11, 19:02
Fremde eigene Welten

(http://img510.imageshack.us/img510/1751/cdmfew.jpg)

Warum meldet sich eine Kolonie der Sternenflotte nicht mehr? - dieses Rästel soll Captain Mark Jonas lösen. Obwohl die Welt der Außerirdischen friedlich wirkt, droht auch der Mannschaft des Raumschiffes "Cœur de Marie" Gefahr und Jonas sieht sich der Situation ausgesetzt, dass ein Fehler von ihm den Tod bringen könnte

"Fremde eigene Welten" ist der wohl bislang längste fiktive Text von mir. Die Erzählung greift klassische Motive auf und findet ungeahnte Lösungen für Probleme, mit denen jeder Sternenflottenkommandant wohl rechnen muss.
Jede der Figuren agiert aus ihrem Horizont an Erfahrungen und Schwächen heraus, jede Figur findet in der fremden Welt dabei die eigene Welt wieder - so nah, wie das Fremde und das Eigene liegen dann auch Erfolg und Scheitern beieinander.

Viel Spaß beim Lesen :)


Veröffentlich ist dieser Roman auch als Fortsetzungsgeschichte mit Hintergrundinformationen hier im Thread.
Um zu den einzelnen Kapiteln zu kommen, einfach dem entsprechenden Link folgen:

Kapitel I (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg137573.html#msg137573)
Kapitel II (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg137793.html#msg137793)
Kapitel III (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg138060.html#msg138060)
Kapitel IV (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg138348.html#msg138348)
Kapitel V (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg138958.html#msg138958)
Kapitel VI (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg139348.html#msg139348)
Kapitel VII (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg140009.html#msg140009)
Kapitel VIII (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg140295.html#msg140295)
Kapitel IX (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg141072.html#msg141072)
Kapitel X (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg141450.html#msg141450)
Kapitel XI (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg141755.html#msg141755)
Kapitel XII (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg142099.html#msg142099)
Kapitel XIII (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2848.msg142446.html#msg142446)





Link-Hinweis: Wiki-Artikel zu "Fremde eigene Welten" (http://de.trekspace.wikia.com/wiki/Fremde_eigene_Welten) mit Handlungsbeschreibung, Interpretation und Hintergrundinfos!

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Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Visitor5 am 03.11.11, 19:28
Oha... hm, das Lesen wird aber ein bisschen dauern...  :-[
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 03.11.11, 19:33
Kein Problem, ich kenne das! Dass die Geschichte jetzt auch noch länger ist als andere von mir, wird da sicherlich auch seinen Einfluss haben. Aber die Story ist ganz konventionell geschrieben, also nix wie "L'homme nouveau", sodass (von hoffentlich wenigen Rechtschreibfehlern abgesehen) das Lesen selbst nicht zu anstrengend sein sollte ;) :D :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: David am 04.11.11, 00:12
Klingt gut Max.
Falls ich die Zeit finde, werde ich sie mir sicher vornehmen, spät. Anfang des nächsten Jahres.

PS: Habe deinen Hinweis in deinem Portfolio gelesen, bin gespannt, wie Nahe sich unsere Werke kommen werden.  ;)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 04.11.11, 10:58
Ich würde mich freuen :)

Hilf mir doch bitte auf die Sprünge: Wie hieß Deine Geschichte? Damit auch ich das "Vergleichslesen" machen kann? ;) :D
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Fleetadmiral J.J. Belar am 05.11.11, 11:11
Runtergeladen ist es. Aber wann ich zum lesen komme, weiss ich noch nicht. Ich muss erstmal ICICLE lesen und danach Defender und dann sehen wir weiter. Es landet aber in meinem ToRead Ordner und wird sicher gelesen werden.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Visitor5 am 06.11.11, 11:28
Ah... doch noch gefunden! Nachdem ich ein verräterisches Portrait des Schiffes fand...  :whistle



Sooo... fangen wir an:

Als erstes solltest du die Story vielleicht nochmals Korrekturlesen lassen. Ich bin über recht viele kleine Fehlerchen gestolpert, mal eine Endung, mal ein falsches Pronomen - nichts wirklich Gravierendes (schließlich haben wir alle Fehler in unseren Geschichten), aber diesmal waren es deutlich mehr als ich sonst von dir gewohnt bin.


Inhaltlich fand ich die Geschichte toll! Die kulturelle Situation war hochinteressant, wenn auch ab einem gewissen Zeitpunkt absehbar, die biologische Gefahr auf diesem siebten Planeten reichte aus um die Gefährlichkeit der Umgebung zu beschreiben - und das fand ich auch bemerkenswert: Es war spannend, auch wenn kein einziger Phaser abgefeuert wurde.

Die ursprüngliche Mission des Schiffes trat schnell in den Hintergrund. Zu Beginn fand ich das etwas verwirrend - aber es entspricht deinem Stil. Der Zeitpunkt, als mir das klar wurde stimmt übrigens mit dem oben genannten Zeitpunkt überein (Stichpunkt "kulturelle Situation").  ;)


Was gibt es noch zu sagen? Ach ja - ich werde mir nun mal das MSD des Schiffes anschauen, um meine Neugierde zu befriedigen!  :thumb

So, nachdem ich nun Tolayons und deine Story abgehakt habe, habe ich noch Lairis' und ulimann644s Story auf der ToDo-List. Mal sehen, wie ich die zwischen den Projekten noch unter bekomme...  :think
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 06.11.11, 13:29
Ah... doch noch gefunden! Nachdem ich ein verräterisches Portrait des Schiffes fand...  :whistle
Alles klar :D

Und: Erstmal vielen Dank fürs Lesen  :bounce :bounce :bounce


Als erstes solltest du die Story vielleicht nochmals Korrekturlesen lassen. Ich bin über recht viele kleine Fehlerchen gestolpert, mal eine Endung, mal ein falsches Pronomen - nichts wirklich Gravierendes (schließlich haben wir alle Fehler in unseren Geschichten), aber diesmal waren es deutlich mehr als ich sonst von dir gewohnt bin.
Oha, danke für den Hinweis. Ich mag ja bekanntermaßen Rechtschreibfehler überhaupt nicht und ärgere mich dementsprechend über jeden einzelnen. Dass hier noch so viele vorhanden zu sein scheinen, liegt wohl unter anderem an der Länge des Text und infolge dessen der zusätzlichen Zeit, die man für das Korrekturlesen braucht. Aber ich werde mich wirklich noch einmal daran setzen und die Fehler ausmerzen!


Inhaltlich fand ich die Geschichte toll! Die kulturelle Situation war hochinteressant, wenn auch ab einem gewissen Zeitpunkt absehbar, die biologische Gefahr auf diesem siebten Planeten reichte aus um die Gefährlichkeit der Umgebung zu beschreiben - und das fand ich auch bemerkenswert: Es war spannend, auch wenn kein einziger Phaser abgefeuert wurde.

Die ursprüngliche Mission des Schiffes trat schnell in den Hintergrund. Zu Beginn fand ich das etwas verwirrend - aber es entspricht deinem Stil. Der Zeitpunkt, als mir das klar wurde stimmt übrigens mit dem oben genannten Zeitpunkt überein (Stichpunkt "kulturelle Situation").  ;)
Ich freue mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen und ich muss gestehen: Das Lob, sie sei spannend obwohl kein einziger Phaser abgefeuert wird, macht mich doch ein wenig stolz :)!

Den Umgang mit der ursprünglichen Mission fand ich dann selbst irgendwann, nun, ein wenig verstörend ;) Aber es war die Richtung, in der sich die Ereignisse vor allem durch die Charaktere und damit auch Handlungsweisen der wichtigsten Figuren Jonas, Williams, Clerke (und auch Ter-Nedden) entwickelten. Daraus ergab sich dann auch die Reaktionen, etwa Jonas', der ja wenn er nur gewollt hätte, doch die Phaser hätte sprechen lassen können.

BTW: Darf ich Dich noch etwas zu den Figuren fragen? Rein aus der Warte der Sympathie betrachtet: Wie kamen die Leute bei Dir an?
Meiner Meinung darf es nämlich durchaus schwer fallen, für eine der Hauptfiguren wirklich Sympathie zu empfinden (na ja, vielleicht mit einer Ausnahme)...


Was gibt es noch zu sagen? Ach ja - ich werde mir nun mal das MSD des Schiffes anschauen, um meine Neugierde zu befriedigen!  :thumb
Hier noch der .:Link:. zum MSD der "Cœur de Marie" (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2291.msg126422.html#msg126422)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Visitor5 am 06.11.11, 14:28
Nichts zu danken!  :]


(Zu den Fehlern: Zu Beginn glaubte ich dass Clerke weiblich sei - ich bin mir aber nicht sicher, ob da wirklich mal das Pronomen "sie" einschlich; Aus Clerke wurde aber auch an einer Stelle "Clarke", zum Beispiel... )



Btw.: Das MSD ist mir zu klein! Aber das dürfte wohl kein Geheimnis sein, ich denke in diesem Punkt bin ich gut einzuschätzen.  :harhar
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 06.11.11, 21:27
(Zu den Fehlern: Zu Beginn glaubte ich dass Clerke weiblich sei - ich bin mir aber nicht sicher, ob da wirklich mal das Pronomen "sie" einschlich; Aus Clerke wurde aber auch an einer Stelle "Clarke", zum Beispiel... )
Oha, da hat Clerke also eine sponate Geschlechtsumwandlung durchmachen müssen ;)
Wenn "Clarkes" übriggeblieben sind, dann muss ich was beim Ersetzen falsch gemacht haben. Beim früheren Stand war ich nämlich noch am überlegen... mich schlussendlich aber für die ganz, ganz direkte Anspielung entschieden.

  • Clerke war mir übrigens am sympathischsten, und dieser Trieb, Puzzles zu lösen haben doch auch einige meiner Charaktere mitbekommen;
  • Der Captain wirkte äußerst passiv - das muss kein Fehler sein! Niemals musste er seine Entscheidungen begründen, d.h.: für alle der Crew war sein Wort Gesetz und wurde respektiert. Die Geschichte, woran man wahre Liebe erkennen könnte, hat mir auch sehr gefallen.
  • Williams, nun ja... Einer muss ja den Frauen verfallen, das war klar. Natürlich könnte man sagen, dass ein gereifter verantwortungsbewusster man im Range eines Commander der den Posten des Ersten Offiziers bekleidet wohl wissen sollte was passieren kann, wenn man sich mit einer Einheimischen einlässt! Erst Recht im Hinblick auf seine Diensterfahrung und der Obersten Direktive hätte man etwas anderes erwartet - allerdings habe ich im Bekanntenkreis auch jemand (40j, seit 15j verheiratet, Sohn mit 14j und eine Tochter) - und wirft das alles für eine 20 Jährige über Bord! So ein bisschen habe ich ja gehofft, dass er noch seine Quittung bekommt...  ^-^
  • Die Shuttlepilotin war auch gut in Szene gesetzt, finde ich. Dezent, aber charmant, finde ich.
  • Der Doc. Ein Arzt ist immer wieder ein beliebter Schlüsselcharakter. (Da fällt mir ein... Darshas Ärztin hat auch noch wenig Story. Hm...) Er diente in der Geschichte... nun sagen wir mal als "Rückhalt" des Captains.
Aha, dass Clerke Dir am sympathisten war, finde ich erstaunlich! Der forschende und auch reflektierende Ansatz in seinem Wesen hat schon was, auf der anderen Seite verhält er sich schon, hmm, relativ skrupellos Williams gegenüber.

Ja, der Captain ist durchaus recht passiv. Ich fand diese Einstellung bei einem kommandierenden Offizier sehr interessant - und auch gar nicht mal mal so unlogisch, denn immerhin kann er sich aus der Haltung heraus, Chef vom ganzen zu sein, für diesen Weg entscheiden, ein paar Vorgaben zu geben und ansonsten die Dinge laufen zu lassen. Gut, am Ende muss er ja für die Entscheidungen geradestehen.

Williams, tja, diese Figur musste es halt für die Geschichte geben und er bleibt ja bis auf ein paar Andeutungen recht blass; dazu passt dann auch sein Schicksal am Ende, ich glaube aber, irgendwie bekommt er seine Quittung schon...

Beim Arzt weiß ich inzwischen selbst nicht mehr, wie ich ihn finden soll. Er ist ja über weite Strecken souverän - ein Bild, dass sich dann am Ende (fast) vollkommen aufzulösen beginnt!

Ach ja! Bei der Aufgabe, die der Captain vom Häuptling gestellt bekam, hatte ich Jahrhunderte alte Inspirationsquelle. Mal sehen, ob das wer errät. Hmm, wobei, ich denke, darauf kann man nicht kommen...

Btw.: Das MSD ist mir zu klein! Aber das dürfte wohl kein Geheimnis sein, ich denke in diesem Punkt bin ich gut einzuschätzen.  :harhar
Es lebe die Vektor-Grafik :happy2
Wie groß möchtest Du den MSD denn sehen? Von Haus aus schlägt mir Corel Draw beim Exportieren die Auflösung 3591 auf 1448 Pixel vor :D
Eine Kostprobe im Anhang...

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Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: David am 06.11.11, 21:29
Woah!; das ist wirklich klasse gemacht.

Hoffe, es gibt bald den Rest des Schiffes zu sehen.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 06.11.11, 21:32
Danke :)
Ich kann die MSD-Grafik gerne auch noch mal in richtig groß posten - dann allerdings doch wirklich lieber im Design-Thread.
In der großen Auflösung werden freilich ein paar "Lücken" auffallen, also, dass nicht jeder Raum total zugestellt ist, aber das ist eine Notwendigkeit, soll die Grafik in einer Auflösung um die 700 Pixel mehr als nur blauen Brei zeigen :D
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: David am 06.11.11, 21:48
Immer wieder gerne.

btw. ich habe mir deine Geschichte auch gerade runtergeladen, aber ich weis noch nicht, wann ich dazu komme, sie zu lesen. ;)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 08.11.11, 21:14
Danke fürs Runterladen, David :) Ich freu' mich schon auf Deinen Kommentar!
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 10.04.12, 22:14
Ich möchte an dieser Stelle noch mal allen 27 Downloadern und auch besonders Visitor5 für sein Feedback danken :)  :bounce

Ich habe mir Visitors Kritik zu Herzen genommen, und den Text nocheinmal auf Rechtschreibfehler hin überprüft.
Das Lesen hat mir richtig Spaß gemacht, so nach etwa einem Jahr erinnert man sich an die Feinheiten der eigenen Geschichte so auch gar nicht mal.

Und es ist ja auch alles drinnen: Spannung, Rätsel und sogar auch Action, Liebe und Philosophie :)

Also, im Eingangsbeitrag befindet sich im Anhang jetzt die durchgesehene 2. Auflage und ich würde mich freuen, wenn diese Geschichte noch Leser finden würde und ich Feedback dazu bekäme :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: ulimann644 am 10.04.12, 22:53
Einer wird sich ganz sicher noch finden... :andorian
Bin schon gespannt auf die 2. Auflage.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 11.04.12, 19:47
Schön, danke, ich freu' mich :)
Titel: Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 06.05.12, 21:24
Ich habe mir ein weiteres Angebot für Euch ausgedacht.
In den nächsten Woche werde ich in diesem Thread "Fremde eigene Welten" als Fortsetzunggeschichte veröffentlichen.
In regelmäßigen Abständen gibt es hier also immer ein neues Kapitel Statt einen "großen Block" vor sich zu haben, kann man also schön einzelne kleine Abschnitte lesen.

Aber auch für diejenigen unter Euch, die den Roman schon kennen und sich bislang einfach nichts zu posten getraut haben, wird diese Reihe interessant sein. Nach jedem Kapitel folgt nämlich ein Autorenkommentar, der ähnlich wie bei DVD-Audiokommentaren Hintergründe erklärt. Keine Angst, hier halte ich mich schon zurück, sonst wird dieser Teil länger als das jeweilige Kapitel selbst ;) :D Und Spoiler auf kommende Kapitel werden eigentlich auch vermieden.

Damit zu den Kapiteln gesprungen werden kann, werde ich das Eingangsposting mit Kapitel-Links versehen.

Es gibt also einiges zu entdecken!
Viel Spaß dabei.







Fremde eigene Welten

I


»Herein!«, sagte Ter-Nedden mit fester Stimme.
Der angekündigte Besucher war pünktlich. Von seinem Schreibtisch erhob sich Ter-Nedden nur, um seinem Gegenüber die Hand zu geben. Der Mann, der eingetreten war, trug die Uniform eines Admirals, er war aber mindestens zwanzig Jahre jünger als Reto Ter-Nedden. Er sah sich im Arbeitszimmer um, verglich es unbewusst vermutlich mit dem eigenen. Dieser Raum war etwas kleiner, das Grau der Wände hatte einen Hauch Transparenz, an der einen Seite befand sich eine Sitzgruppe, in der Mitte der anderen konnte eine kleine Statue aus Silber ungestört von anderen Einrichtungsgegenständen ihre Wirkung entfalten. Dieses Zimmer, so stellte der Admiral fest, hatte zumindest einen Vorteil – es befand sich auf der Erde. Erst jetzt, als sich das Fenster der Wand hinter dem Schreibtisch schloss, war der Balzgesang der Vögel nicht mehr zu hören.
»Sie möchte etwas trinken?«, fragte Ter-Nedden und bot seinem Gast gleichzeitig einen Platz an.
Jetzt besah sich der Admiral seinen Gastgeber. Ter-Nedden war groß, verfehlte die zwei Meter aber doch deutlich. Früher mochte er wahrscheinlich eine sportliche Figur besessen haben, doch diese Zeit lag weit zurück. Das graue Haar trug er relativ kurz; den Eindruck aber, Ter-Nedden halte nicht wirklich etwas von Frisuren, brachte der Admiral mit den Stoppeln des Dreitagebartes in Verbindung, die er beobachtet zu haben glaubte.
»Danke. Nein«, beantwortete er die Frage.
Beide setzten sich.
»Wie Sie wünschen. Falls sich das ändern sollte: Etwas herzuschaffen, dauert ja nicht lange.«
Beide schwiegen ein paar Momente.
»Weshalb sind Sie zu mir gekommen?«, fragte Ter-Nedden schließlich. Er stand langsam auf und ging um den Schreibtisch herum. Leicht musterte er den Admiral; er besaß durch die vielen Jahre eine gewisse Erfahrung, nicht nur im Beobachten und darin, daraus Schlüsse zu ziehen, sondern vor allem in der Fähigkeit, seine Blicke nicht zu forschend wirken zu lassen. Ein paar Vermutungen hatte er jedenfalls bereits.
»Seit wann sind Sie wieder zurück?«, wollte der Admiral wissen.
»Seit ein paar Wochen. Lassen Sie mich nachdenken. Es sind neun. Etwas mehr als zwei Monate, ja.«
»Und wollen Sie wieder hinaus?«
»Hinaus ins All?«, Ter-Nedden lachte. »Nein«, sagte er fröhlich, setzte aber immer noch heiter hinzu: »Obwohl, wer weiß! Ich kann es mir immer noch gut vorstellen.«
»Wie waren ihre letzten Missionen?«
Ter-Nedden wurde schlagartig ernster. Ihm dämmerte, dass er einer kleinen Fehleinschätzung aufgesessen war. Dennoch begab er sich noch nicht wieder hinter seinen Schreibtisch, sondern setzte sich leicht auf die Tischplatte.
»Wie das immer so ist...«, entgegnete er vage. Es war dennoch eine zutreffende Beschreibung.
»Sie kennen Mark Jonas?«
»Das wissen Sie aus den Akten. Ja, ich kenne ihn«, bestätigte Ter-Nedden. Nun nahm er doch wieder in seinem Sessel Platz. Schmunzelnd fuhr er fort. »Wenn es um ihn geht: Sie wissen, wie das ist. Da kann ich nichts sagen.«
Der Admiral nickte verständig; und doch bereitete er sich vor, nachzuhaken. Dazu konnte es nicht kommen, weil Ter-Nedden in einem fast schon ans Schelmische grenzenden Tonfall wieder das Wort ergriff.
»Nun, da Sie schon einmal hier sind, kann ich nicht doch etwas für Sie tun? Seitdem das xandrinische Fieber vor ein paar Monaten im Typhon-Sektor grassierte, empfehle ich jedem vorsorglich eine Impfung. Das ist schnell geschehen.«
Der Admiral lächelte.
»Nein, Doktor«, sagte er. »Ich bin bereits geimpft.«
Ter-Nedden zuckte spaßhaft mit den Schultern. Die Lüge, die er klar als solche erkannt hatte, machte ihm nichts aus. Schnell wurde seine Miene wieder ernster.
»Sie wollen meine Einschätzung über Jonas? Es gibt doch den Bericht. Da steht ja alles von Bedeutung.«
»Aus medizinischer Sicht.«
»Sicher, dazu bin ich ja da.«
»Es geht nicht nur um den Vorfall selbst, sondern auch um die Zeit danach.«
»Auch dafür gibt es Berichte. Es gibt für alles Berichte.«
»Und aus psychologischer Sicht, Doktor?«
»Die psychologische Sicht ist bei mir auch immer Teil der medizinischen«, sagte Ter-Nedden ruhig. Es interessierte ihn, worauf das Gespräch hinauslaufen sollte.
»Ich wollte persönlich Ihre Meinung hören. Als Arzt sind Sie Ihrem Patienten zuliebe zu Misstrauen verpflichtet. Aber manchmal bewirken Auskünfte auch Positives.«
Lange dauerte die Unterredung nicht mehr. Ter-Nedden wusste genau, was er sagen konnte und durfte, und wann er den Admiral in seine Schranken zu weisen hatte. Als der Doktor das Fenster wieder öffnete, klang das unermüdliche Singen der Vögel wie zuvor. Beinahe hätte sich der Admiral doch noch zu einem Getränk breitschlagen lassen, mit Blick auf die Uhr und noch anstehenden Terminen opferte er es aber einem anderen Ansinnen. Schon fast bei der Tür angelangt, sagte er:
»Wenn ich Sie doch noch etwas fragen dürfte, Doktor: Seit ein paar Tagen verspüre ich ein merkwürdiges Ziehen, das linke Bein entlang...«
Ter-Nedden lächelte.

In den Weiten des Alls lag ein Planet. Man hätte ihn für die Erde halten können; blickte man unvermittelt auf ihn, so wirkte die Größe vertraut, der Abstand zum Zentralgestirn, die Färbung der Meere und der großen Kontinente und deren Verteilung. Mit zartem blauen Leuchten hob er sich von der Finsternis des Weltraums ab wie die viele Lichtjahre entfernte Erde. So vertraut schienen die Formen dieses Planeten, doch wer sie zu ernst nehmen würde, beginge einen folgenreichen Fehler. Je mehr man sich näherte, desto stärker fielen die Unterschiede auf; das satte Türkis der Ozeane und das verwaschene Oliv der prägenden Landmassen – aus dem Kosmos war der Blick darauf nur deswegen so gut möglich, weil beinahe die ganze dem Stern zugewandte Hemisphäre wolkenlos war. Und doch huschten vereinzelt und in scharfen Formen, die, obgleich Produkte der Natur, wie mit geometrischer Genauigkeit gezeichnet zu sein schienen, als Trapeze in den oberen Lagen der Atmosphäre ihre Bahnen. Es mangelte der Erde an diesem Phänomen, sie besaß nichts vergleichbares und wenn der Vergleich misslingt oder gar ausbleiben muss, wird die Differenz unterbunden. Fremdes und Eigenes können verschwimmen.

»Es wurde beschlossen«, begann der Admiral, »Sie in den Stand eines Captains zu erheben.«
Jonas stand auf; obwohl ihm der Gedanke gefiel, sagte er zunächst nichts dergleichen; er ging langsam gen Fenster, sah, ohne die Augen auf etwas zu fixieren, hinaus. Der Admiral war ebenfalls aufgestanden, trat neben ihn und in einer beinahe väterlich anmutenden Geste legte er Jonas die Hand auf die Schulter.
»Nun?«
»Ich hoffe«, entgegnete Jonas, »die Administration hat sich...«
»Das«, fiel ihm der Admiral ins Wort, »wurde mit eingerechnet. Meines Wissens gab es keine Gegensprache, Sie können sich also des vollen Rückhalts sicher sein.«
Noch immer lag des Admirals Hand auf Jonas’ Schulter; dieser empfand es beinahe als störend.
»Wir wissen, dass die letzte Zeit nicht leicht für Sie war. Das, was Ihnen passiert ist, kann eine Person leicht verändern. So was geschieht dort draußen häufig. Wenn Sie so wollen: Sie werden nicht trotz dieses Vorfalls befördert, sondern quasi deswegen.«
»Und dennoch sind seine Folgen noch nicht absehbar«, insistierte Jonas.
»Wir teilen Ihre Einschätzung bezüglich des Risikos nicht, Commander.« Der Admiral ging zurück zu seinem Schreibtisch.
»Es ehrt Sie, dass Sie diese Entscheidung nicht leicht nehmen. Es ist sicherlich ein großer Schritt. Die Verantwortung, die dieser Posten mit sich bringt, ist ungleich größer als alles, was sie bisher erlebt haben. Es wird Momente geben, in denen jeder Captain etwas über eigene Grenzen erfährt und ich kann Sie nur ermuntern, die Sache aus dieser Warte zu betrachten. Die Beförderung ist ein Angebot, Angebote kann man auch ausschlagen.«
Jonas stand noch am Fenster. Er blickte in die Weite.
»Überlegen Sie es sich«, meinte der Admiral.
Aber natürlich hatte Jonas seine Entscheidung schon getroffen.


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel I

Der Einstieg arbeitet mit einem Gegensatz:
Zunächst wird verschwiegen, welche Funktion Ter-Nedden hat. Der Besuch des Admirals legt eher eine Kommandofunktion nahe. Jede klassische ST-Geschichte hat ja einen Captain und so könnte man annehmen, dies sei Ter-Nedden. Aber es ist anders und weil Ter-Nedden, welchen Beruf er ausübt, glaubt er zunächst es wäre diese Funktion, wegen der er vom Admiral aufgesucht wird: Ter-Nedden ist Arzt und glaubt, der Admiral benötige einen Arzt. Die ironische Pointe lautet am Ende des kurzen Einstiegs, dass es dann doch noch so ist.
Dass Ter-Nedden die erste Figur ist, die vorgestellt wird, zeigt, wie wichtig sie ist; dass der Admiral nicht einmal einen Namen bekommt, zeigt hingegen, wie unwichtig er ist.

Die Beförderungsszene Jonas' ist obligatorisch, deutet aber schon einmal ein Geheimnis an. Die Figur wird nicht gerade enthusiastisch beschrieben. Dennoch scheint er ein Mann des Potenzials zu sein: "Jonas stand noch am Fenster. Er blickte in die Weite." [S. 6]
Noch etwas zum Namen: Mark Jonas - der Name des Captains setzt sich aus zwei Vornamen zusammen. Intuitiv baut das die Distanz ab, denn bei jeder Nennung hat man es mit einem Vornamen zu tun, als würde von einem guten Bekannten die Rede sein.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: ulimann644 am 06.05.12, 22:21
Ich finde den Ansatz, Personen die in der Folge nicht so wichtig sind, namenlos zu lassen shr gut. Vielleicht, da ich gemeinhin ebenso vorgehe.

Das mit den beiden Vornamen ist ein interessante Sache - leider funktioniert die nicht bei Aliens. Andererseits hat diese Namensgebung auch den (möglichen) Nachteil, dass man weniger Distanz schaffen kann, wo man vielleicht gerne damit arbeiten will (In Einzelgeschichten wohl weniger - für Serien sollte man das aber IMO im Auge haben... Sofern man Augen hat, die groß genug sind... ;))

Der Spannungsaufbau gefällt mir - zuerst das Gespräch ÜBER Jonas - danach erst das Gespräch MIT Jonas...
Lustigerweise besteht hier eine gewisse Parallele zu ICICLE - wo Pasqualina zuerst über Dheran sinniert, und ÜBER Dheran gesprochen wird, und dann erst das Gespräch mit ihm erfolgt...

Die Story gefällt mir bis dahin - die Idee der Erklärung halte ich für gelungen und auch sinnvoll.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 09.05.12, 19:52
Ich finde den Ansatz, Personen die in der Folge nicht so wichtig sind, namenlos zu lassen shr gut. Vielleicht, da ich gemeinhin ebenso vorgehe.
Ja, ich finde diese Herangehensweise halt wirklich sinnvoll :)

Das mit den beiden Vornamen ist ein interessante Sache - leider funktioniert die nicht bei Aliens. Andererseits hat diese Namensgebung auch den (möglichen) Nachteil, dass man weniger Distanz schaffen kann, wo man vielleicht gerne damit arbeiten will (In Einzelgeschichten wohl weniger - für Serien sollte man das aber IMO im Auge haben... Sofern man Augen hat, die groß genug sind... ;))
Och, der Vorteil geht meiner Meinung nach nicht verloren, denn man hat immer noch Optionen, Distanz zu erreichen. Die passendste Lösung hierfür ist die, die Person nicht beim Namen, sondern bei der Funktion zu nennen; statt "Jonas ging zur Türe" einfach "Der Kommandant ging zur Türe".

Die Story gefällt mir bis dahin - die Idee der Erklärung halte ich für gelungen und auch sinnvoll.
Danke :) :) Weiter geht es (wohl) am Wochenende mit Kapitel 2 :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 12.05.12, 22:08

II

Er hatte noch wählen dürfen: von den sechs bislang gebauten Schiffen der Lys-Klasse waren bislang nur zwei vergeben. Jonas nahm die Cœur de Marie.
Das Schiff war mit dreihundertdreißig Metern Länge nicht sonderlich groß, es verfügte mit knapp über hundert Personen über keine stattliche Besatzungszahl, aber es war ein modernes Schiff, das zwar nicht über herausragende Technologien verfügte, für die Mannschaft, die es beherbergte, dennoch gut sorgen würde und den reibungslosen Ablauf unterschiedlichster Aufgaben gewährleisten konnte.
Captain Jonas verbrachte den ersten Abend nach Dienstschluss alleine in seinem Quartier. Bis zu ihrem Ziel würden sie beinahe vier Monate unterwegs sein, so gab es für Jonas keine Eile Schiff und Besatzung kennen zu lernen. Merkwürdig teilnahmslos bewegte sich Jonas an Bord, das fiel ihm auf, als er vom Hangardeck kommend den Lift betreten und in den schmalen langen, in die Kabinenwand eingelassenen Spiegel gesehen hatte. Die Person, die ihm mit starrem Blick dort gegenüber stand, wirkte nicht glücklich. Vielleicht war sie zufrieden, doch auch das spiegelte sich in den Augen nicht wieder. Stattdessen stand dort ein Mann Ende dreißig, normaler Größe und Statur, mit hellbraunen Haaren und bemüht-forschendem Blick grün-grauer Augen. Der Klang, als sich die Lifttüren öffneten, gefiel Jonas. Er konnte sich umwenden und als er im Badezimmer seines Quartiers nur einige Minuten später seinem Spiegelbild das nächste Mal begegnete, war er bereits etwas heiterer in der Gewissheit, das erste Aufeinandertreffen mit sich selbst als tatsächlichen Kommandanten eines Raumschiffs überstanden zu haben.

»Hättest Du fragen können, ob ich an Bord bleiben darf?«
»Aber was brächte das denn?«
Charles Clerke hatte damit nicht gerechnet. Sie kannten einander nun seit beinahe vier Jahren, Zeit genug, wie er meinte, um ein Bild des Charakters einer anderen Person zu bekommen. Er versuchte sich an frühere, ähnliche Gelegenheiten zu erinnern, auf die Schnelle fielen sie ihm aber nicht ein.
»Als zweiter Offizier eines Schiff muss es Privilegien geben«, meinte Claire beinahe empört.
Sie ging ihm auf die Nerven. Er empfand dieses Gefühl als unangemessen, aber verleugnen konnte er es nicht. Vermutlich hätte er sich wirklich dafür einsetzen sollen, seine Verlobte mit an Bord nehmen zu dürfen, dann hätte sich dieses Problem nie ergeben. Er vermutete eine Künstlichkeit hinter ihrem Gehabe, so als spiele sie ihm diese Anhänglichkeit nur vor. Clerke ging sogar so weit, ihr zu unterstellen, sie sage das nun alles nur, weil sie glaubte, man – er – würde das von ihr erwarten. Ein paar Schritte im Korridor und ein paar enervierende Aussagen ihrerseits später äußerte er den Verdacht sogar.
»Lass es einfach auf sich beruhen, Claire. Du musst jetzt genauso wenig hier sein wie vor einem Jahr, oder in einem Jahr, wenn wir verheiratet sein werden.«
Sie lächelte mild, als habe er gar nichts verstanden. Clerke war froh, als sie das Schiff wieder verlassen hatte.

Die Cœur de Marie war nicht sonderlich schnell. Ihre Antriebsleistung ließ sich eher mit Beständigkeit charakterisieren. Auf den ersten Blick mochte sie also für den ihr zugewiesenen Auftrag nicht das geeignetste Vehikel sein, denn es wäre logisch erschienen, für eine möglichst rasche Ankunft auf ein schnelleres Schiff zurückzugreifen. Auf den zweiten Blick konnte sie jedoch einen nicht geringen Anteil dieses Mangels ausgleichen, indem sie in der Lage war, ein anständiges Reisetempo auf Dauer zu halten, statt sich, wie sich der leitende Ingenieur ausdrückte, nach einem halben oder ganzen Tag wie ein erlahmendes Pferd Ruhe gönnen zu müssen. Ein dritter Blick hätte Gepflogenheiten der Administration zutage gefördert, die von einem gewissen Fatalismus zeugten; die großen Distanzen, die zwischen einzelnen bewohnten Planeten lagen, begleiteten die Raumfahrt auch nach der Erfindung des Warp-Antriebs als lästige Herausforderung, die nicht selten mit dem Ruf nach einem gehörigen Maß Eigenverantwortlichkeit aufseiten der Betreibern einer Station beantwortet wurde. In diesem Kontext erklärbar wurde auch die Verzögerung, mit der man auf die mögliche Krise einer recht unbedeutenden, in einem mustergültigen Bereich der Mischung aus weiter Entfernung zur Erde und in sicherem Gebiet der Föderation liegenden Außenposten reagierte.
Die Cœur de Marie war unterwegs, beständig flog sie ihrem Ziel entgegen.


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel II

Der Name des Raumschiffs hat viele Bedeutungen.
Das Empfindungsgemenge, in dem sich Jonas befindet, wird durch den Namen bestärkt. Zusammen mit der Klassenbezeichnung wird klar, dass die Schiffe der Klasse nach Blumen benannt sind, deswegen ist die Wahl Jonas' durchaus bedeutsam: Er, der nicht glücklich zu sein scheint ("Die Person, die ihm mit starrem Blick dort gegenüber stand, wirkte nicht glücklich." [S. 7]), wählt das "tränende Herz". Der Name ist also sprechend. Die deutsche Übersetzung verrät hier also besonders viel. Doch auch das französische Original rekurriert vielsagend auf das Herz.

Clerkes Freundin trägt einen französischen Vornamen und kann sich so auch auf den Schiffsnamen beziehen (denn sie ist hier auch nicht positiv konnotiert). Mit Claire wird erstmals in der Geschichte die Rolle der Frau thematisiert. "Fremde eigene Welten" verfügt über durch und durch patriarchalische Strukturen, wie sich zeigen wird.

Titel: Kapitel III
Beitrag von: Max am 20.05.12, 11:58

III

»Computer«, sprach er in sein nur schwach beleuchtetes Quartier hinein; von irgendwo her ertönte zur Bestätigung ein leises Piepsen. Beim Replikator holte er sich ein Getränk und setzte sich, ohne die Lampen im Raum höher zu regeln, so, dass er nach draußen sehen konnte. Die Sterne rasten am Fenster vorbei. »Die Schiff mit dem Namen Cœur de Marie aufzählen.«
»Dieses Raumschiff ist das einzige der Sternenflotte, das diesen Namen trägt. In der Geschichte der Raumfahrt gab es zuvor kein Schiff, dass den Namen Cœur de Marie trug«, berichtete der Computer bar jeglicher lebendiger Intonation. »In der Geschichte der Seefahrt gab es vier Schiffe mit dem Namen Cœur de Marie: Einen französischen Frachter, in Dienst von Zwanzighundertachtzehn bis Zwanzighundertzweiundzwanzig; ein französisches Passagierschiff, in Dienst von Neunzehnhundertfünfzig bis Neunzehnhundertzweiundsechzig; eine französische Fregatte, in Dienst von Neunzehnhundertacht bis Neunzehnhundertzwanzig; ein französisches Segelschiff, in Dienst im achtzehnten Jahrhundert.«
Ihn interessierte nur das letzte.
»Computer: Ich möchte alles über das Segelschiff aus dem achtzehnten Jahrhundert erfahren.«
»Zu diesem Schiff sind keine weiteren Informationen verfügbar.«


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel III

Der Fragensteller bleibt - natürlich - unbekannt. Das ändert sich auch erst am Ende der Erzählung.
Mit diesen Zwischenkapiteln wird die Struktur aufgelockert und ein weiteres Rätsel aufgebaut. Und letztlich geht es um eine weitere Bedeutung des Schiffsnamens.

Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 27.05.12, 12:01

IV

»Commander!«, rief Ter-Nedden Clerke hinterher.
»Lieutenant-Commander. Ja, Doktor, was kann ich für Sie tun?«
»Ich dachte, es sei üblich, einen Lieutenant-Commander auf diese Weise anzusprechen.«
»Wenn es sich eingebürgert hat – ich bevorzuge die ausführlichere Variante«, entgegnete Clerke. »Es gibt nur einen Commander an Bord; das muss seine Richtigkeit haben.«
»In Ordnung«, lachte Ter-Nedden. Was er vom zweiten Offizier halten sollte, wusste der Doktor noch nicht. Die wenigen Eindrücke bislang zeichneten das Bild eines verantwortungsvollen Mannes kurz vor dreißig; immer wieder blitzte hinter der zur Schau getragenen Regeltreue aber noch etwas anderes hervor. Ter-Nedden empfand es als eine Erwartungshaltung, erstens sich selbst gegenüber, zweitens aber auch in Bezug auf alle anderen. Das Lachen hatte Clerke dem Doktor jedenfalls nichts übel genommen, seine Mimik blieb entspannt, sodass sich Ter-Nedden noch eine joviale Gestik herausnahm und sein Anliegen vorbrachte.
»Sie werden sicher viel zu tun haben«, begann er und Clerke nickte, »ich war aber – bislang erfolglos – auf der Suchen nach jemandem, der mir eine Führung durch das Schiff geben könnte.«
»Gerne, Doktor«, erwiderte Clerke. »Da Commander Williams allerdings erst morgen eintreffen wird, habe ich zusätzliche Aufgaben übernommen. Einen solchen Rundgang kann ich Ihnen also erst für morgen Mittag anbieten.«
»Der Commander ist noch nicht an Bord?«, wollte Ter-Nedden nachhaken und beinahe wäre dieser Frage noch die Bemerkung gefolgt, dass sich dann momentan sogar kein Commander auf dem Schiff aufhielte, doch Clerke bejahte so knapp und doch energisch, dass sich der Doktor sicher war, darin Spuren eines Vorwurfs gehört zu haben, den er nicht austreten wollte, sodass er hierzu schwieg.
»Morgen Mittag passt mir wunderbar«, sagte er stattdessen, »Wäre Sie so freundlich, mich um zwölf Uhr in meinem Büro aufzulesen?«
Mit dieser Verabredung schieden beide Männer voneinander. Das Schiff auf einige Faust zu erkunden, schien Ter-Nedden nun nicht mehr sinnvoll. Er begab sich lediglich noch einmal zu jenem galerieähnlichen Raum, in den man unweigerlich geleitet worden war, nachdem man das Schiff durch die Luftschleuse betreten hatte. Einige Bilder und Projektionen brachten dem Besucher den Hintergrund des Namens Cœur de Marie näher und dokumentierten die Entstehung der Raumschiffklasse. Dort, in diesem Raum, aber auch auf dem Weg dorthin und später auf den Korridoren, die zu seinem Quartier führten, beobachtete Ter-Nedden noch die neue Crew und verlor sich für den Abend in Einzelgesprächen.

Um Punkt zwölf Uhr des anderen Tages begrüßte Clerke Ter-Nedden mit den Worten, nur wenig Zeit zu haben und den Rundgang deswegen auf einige wichtige Stationen beschränken zu müssen. In Anbetracht der doch recht geringen Größe des Schiffs zeigte sich Clerke jedoch zuversichtlich, dem Doktor auch so einen guten Überblick vermitteln zu können. Sie begannen ihre Tour in der Bugsektion des Raumschiffs. Clerke erklärte, dass der Aufbau der Cœur de Marie mit einigen Standardkonstruktionen brach. Dass der Warpkern schräg im vorderen Teil der Untertasse angebracht sei, läge an der Ramscoop-Anlage, die nicht in die Warpgondeln integriert, sondern vorne an der Untertassenoberseite installiert war. Dadurch sei nicht nur der Deuteriumtank in den Hauptrumpf gewandert, sondern auch der Energiereaktor selbst und in logischer Konsequenz ebenso das Antimaterielager. Über einen Abstecher zum botanischen Garten, am Rücken der Untertassensektion auf Deck zwei gelegen, führte Clerke Ter-Nedden zur Shuttle-Rampe. Sie befand sich in der Mitte des Sekundärrumpfes, an dessen breitester Stelle. Die Beiboote des Schiffs verließen diese Halle, die sich über fünf Decks erstreckte, zunächst zur Seite, würden dann aber durch einen Tunnel nach hinten umgelenkt; so lag die Rampe wie geschützt. Der Sekundärrumpf und in Ebenen gedacht alles unterhalb von Deck sieben besaß lediglich logistischen Charakter: Clerke führte den Doktor durch sich über mehrere Etagen erstreckende, hallenartige Frachträume. Hier fasste Ter-Nedden eine bislang vage Beobachtung in Worte, indem er die immer wieder zutage tretende Eigenschaft des Schiffs pries, trotz seiner geringen Ausmaße immer wieder groß, immer wieder geräumig zu wirken.

   
Die Reise des Raumschiffs dauerte nun schon zwei Monate; nun, zur Halbzeit, hatte der Captain zum ersten Mal zu einer Abendrunde geladen. Von den Gästen – der Doktor, der erste und zweite Offizier, sowie der leitende Ingenieur – stieß Commander James Williams als letzter zu der Runde. Der Captain hatte sich seit Missionsbeginn was den Kontakt zur Crew anbelangt recht zurückgehalten, ein eigentliches Abbild für die Stimmung der Mannschaft konnte wohl am ehesten der Doktor zeichnen, aber entgegen anderer Vermutungen Williams’ war diese Zusammenkunft nicht seine, sondern Jonas’ Idee gewesen.
Schnell wurde indes deutlich, dass das Treffen nicht lediglich eine Gelegenheit darstellen sollte, um sich näher kennen zu lernen, vielmehr warf der Captain schon nach dem ersten Gang ein Thema zur Diskussion in die Runde.
»Was halten Sie nun von dieser Mission?«, meinte er recht unvermittelt und Teil dieses Einstieg war es bereits, niemanden direkt angesprochen zu haben. Hatte er sich vor Stellen der Frage noch einmal umgeblickt, richtete er währenddessen den Blick leicht nach unten; statt es als Emphase der Beiläufigkeit zu werten, hätte man auch Verlegenheit darin lesen können.
Der zweite Offizier, Lieutenant-Commander Clerke, antwortete als erster.
»Ich halte unsere Mission für höchst problematisch!«
»Wieso?« Die Frage kam von Williams.
Clerke positionierte sich, indem er den leeren Teller des ersten Gangs etwas gen Tischmitte schob, sich leicht vorbeugte und, die Ellbogen auf der Tischplatte aufsetzend, die Hände faltete.
»Das ganze Konzept, das unserer Mission zugrunde liegt, ist auf gefährliche Art überkommen. Schon seit Jahrhunderten. Ich halte es für unverantwortlich, auf einem fremde Planeten mit einer derart andersartigen Lebensform eine Kolonie zu errichten.«
»Mit ›andersartig‹ meinen Sie wohl unterlegen?«, hakte Ingenieur Borland nach und der Doktor fügte, langsam und mit innerster Ruhe sprechend, hinzu:
»Denn äußerlich unterscheidet uns nichts von den Bewohnern dieser Welt.«
Clerke hatte sich wieder zurückgelehnt. Er überließ sich nun der Wirkung seiner Worte.
»Hier beginnt bereits unser erster Fehler«, entgegnete er. »Wie kann man von ›Unterlegenheit‹ sprechen, wenn man es mit einem fremden Volk zu tun bekommt?«
»Sie kennen keine Technologie, wie wir sie haben«, erklärte Borland seinen Ausspruch. »Das eindrücklichste Beispiel wäre sicher, das sie gegen unsere Waffen keine wirksame Form des Widerstandes hätten. Sie sind für uns doch vergleichbar mit Indianern oder mit den Insulanern früherer Zeiten.«
»Und doch«, mischte sich Williams ein, »machen wir von unserer Überlegenheit nicht Gebrauch. Commander Clerke, etwas unterscheidet uns doch von den Kolonisten frührer Jahrhunderte: Wir drängen uns nicht auf, die Bewohner dieser Welt kennen bereits Weltraumreisende, unsere Anwesenheit auf ihrem Planeten hat ihre Erlaubnis und der Kontakt, wenn er denn stattfindet, ist nicht nur begrenzt, sondern auch harmlos oder für beide Seiten gewinnbringend.«
»Ich bin der Meinung«, entgegnete Clerke, scheinbar jeden Einwand erwartend, »dass wir immer noch dieselben Fehler wie früher begehen. In erster Linie meine ich damit Wertungen. Aus einer Ethik der Stärke heraus – woher sie für unser spätes vierundzwanzigstes Jahrhundert auch stammen mag – wertet ein Begriff wie ›Unterlegenheit‹ doch ab. Intuitiv sorgt er jedenfalls dafür, dass wir in letzter Instanz nicht bereit sein werden, unsere Möglichkeiten zu ignorieren: Wie sollen wir auch vergessen, dass wir im Fall der Fälle unseren Willen durchsetzen können?«
»Aber unserer Kontakt zu Fremden beruht gerade darauf, dass wir nichts über deren Willen hinweg entscheiden«, entfuhr es Williams.
»Das genügt nicht, Commander. Schon vor Jahrhunderten erkannten Menschen, dass die bloße Anwesenheit eine katastrophale Einmischung bedeutet.«
»Um das zu verhindern«, sprach Ter-Nedden, » haben wir die Oberste Direktive.«
»Ja, Doktor«, sagte Clerke, »und dieses Gesetz der Nichteinmischung wird hier sträflich ignoriert. Es tut nichts zur Sache, dass die Fremden schon Kontakt zu Außerirdischen hatten, bevor die Sternenflotte ihre Kolonie errichtet hat, genauso wenig wie die Siedlungserlaubnis. Denn dass die Fremden die Tragweite einer solchen Erlaubnis nicht absehen können, sehe ich darin belegt, dass selbst wir – mit dem Hintergrund der lange bestehenden Raumflotte und unserer Wissenschaften – das nicht vermögen.«
»Das können Sie nicht beweisen!« Williams Worte zeugten von einer Leidenschaft, die ihn in dieser Diskussion ergriffen hatte.
»Nein, Commander, noch nicht. Aber mit Blick auf unsere Mission: Der Grund dafür, dass sich die Kolonie seit Monaten nicht mehr meldet, könnte genau dieser Beweis sein.«
Einige Momente trat Ruhe ein.
»Sehr gut, meine Herren«, sprach Captain Jonas schließlich; er hatte, nachdem er die Eingangsfrage gestellt hatte, nur noch zugehört und beobachtet, »Der zweite Gang ist da.«

Zur Kolonie gab es immer noch keinen Kontakt, die Crew des Raumschiffs erging sich in Routine; das Ziel war noch so fern, dass sich der Arbeitsalltag an Bord nicht mit den zukünftigen Aufgaben vergleichen ließ. Es war Idee des bolianischen Sicherheitschefs Reev, mit den Mitgliedern seines Teams auf dem Holodeck Übungen durchzuführen, die man unter dem Motto einer Geiselbefreiung zusammenfassen konnte. Jonas ließ ihn gewähren, wohnte dem Training selbst aber nicht bei. Clerke wiederum, der als Stabsoffizier über derlei Vorgänge informiert wurde, besah sich die Szenarien und führte anschließend mit Reev noch gesonderte Analysen durch. So saßen beide auch an einem Abend zwei Wochen vor Ankunft zusammen. Die eigentliche Besprechung zur Aktion und Reaktion der Leute der Sicherheit war bereits beendet, es wäre nun ein Zeitpunkt gekommen, die Unterhaltung lockerer oder persönlicher zu gestalten, doch als habe Clerke diese Eigenschaft schon von seinem neuen Captain übernommen, übte er sich in Reserviertheit, und der Bolianer war für gewöhnlich ohne hin eher ruhig und abwartend. So drehte sich das kleine Gespräch letzten Endes immer noch um den Themenkreis, der die beiden Männer ohnehin hier erst zusammengeführt hatte.
»Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wird es Schwierigkeiten geben?«
»Nein«, antwortete Reev leise, es klang fast düster. »Es kann nichts geben, was uns die Einheimischen entgegenhalten können.«
»Aber die Siedler antworten nicht.« Clerkes Ton wirkte leicht provokant, doch er prallte an Reev ab.
»Die Gründe hierfür sind unbekannt. Ich weiß auch nicht, wie die Fähigkeiten der Kolonisten waren.«
»Beamen können wir nicht. Sie kennen ja die atmosphärischen Besonderheiten.«
»Sie haben die Übungen gesehen. Auch ohne den Transporter sind wir mit unseren Möglichkeiten überlegen.«
»Wie würde Sie vorgehen, Reev?«
»Sie haben die Übungen gesehen.«
»Das meinte ich nicht.«
»Ab einem gewissen Zeitpunkt...«, hob er an, doch wurde unterbrochen.
»Und davor?«
»Verhandeln.«
»Was können die Fremden schon von uns wollen? Umgekehrt: Was können wir ihnen schon geben? Oder noch besser ausgedrückt: Was dürfen wir ihnen schon geben? Aber das soll nicht Ihre Sorge sein. Wie würden Sie ab diesem einen, gewissen Zeitpunkt an also vorgehen?«
»Wir sorgen für eine Situation, in der wir eine momentane, taktische Mehrheit besitzen.« Der Bolianer griff die rhetorischen Fragen des zweiten Offiziers nicht auf. »Mit den Phasern auf Betäubung erhalten wird schnell die Oberhand, können die Kolonisten befreien und den Planeten verlassen. Sie haben die Übungen gesehen, das wir das schaffen, steht außer Zweifel.«
Clerke nickte geistesabwesend.

Ter-Nedden stütze sich mit dem Handgelenk auf dem Geländer ab. Leicht hätte man den Eindruck gewinnen können, dies wäre ein Zeichen von Kraftlosigkeit. Tatsächlich fühlte sich Ter-Nedden inzwischen wirklich etwas alt. Wie er so von der Galerie herabsah, in die leichte Dämmerung der botanischen Anlage, und die junge Frau an einem der künstlichen Gewässer beobachtete, kamen Erinnerungen an vergangene Abenteuer. Das Mädchen verschwand, Ter-Nedden verharrte in seiner Position; über Minuten, denn zum Nachdenken gab es immer viel.
Er hatte bemerkt, wie sie neben ihn getreten war, reagierte aber nicht gleich. Sie stand vielleicht zwei oder drei Meter von ihm entfernt, zuerst ihm zugewandt; als sie sich ihm gleich auf das Geländer stütze, sprach Ter-Nedden leise vor sich hin.
»Ich war hier noch nie am Abend.«
Sie schwieg, so fuhr er fort.
»Ich fand es hier von Anfang an schön. Ich glaube, hier her werde ich kommen, wenn ich mich mal unwohl fühlen werde. Ja.«
Da das alles nichts brachte, entschloss sich der Doktor, direkter auf sie einzugehen.
»Wir sind uns doch auf dem Gang erst von ein paar Tagen begegnet.« Es war kaum eine Frage.
»Ja, das stimmt wohl.«
»Erlauben Sie einem alten Mann, sich zum Charmeur aufzuspielen: Sie sind mir besonders aufgefallen.«
»Danke«, entgegnete sie, ihr Blick war nicht schüchtern.
»Nun«, fuhr er fort, in einem allzu unbedeutenden Tonfall, der gar nicht mehr recht auf sein Gegenüber zugeschnitten zu sein schien, »darin, charmant zu sein, bin ich gar nicht geübt. Ich muss Sie bitten, mir zu verzeihen. Jetzt erst erkenne ich, wie schön Sie wirklich sind. Das, was mir vor ein paar Tagen, bei unserer früheren Begegnung, aufgefallen war, das war etwas anderes.«
Er überlegte einen Moment, ob er sich wegdrehen und wieder in den Garten hinabblicken sollte. Das wäre indes die Art der Unhöflichkeit gewesen, die er nun wirklich nicht erreichen wollte, obwohl er dennoch Gefahr lief, auch mit seiner eigentlichen Intention diesen Eindruck zu vermitteln. Auch ohne dass er sich von ihr abwand, tat sie ihm den Gefallen, nicht darauf zu warten, dass er von selbst fortführe.
»Was ist Ihnen denn damals an mir aufgefallen?«
Er schnaufte durch, fast so als trage er eine gewisse Sorge mit sich herum, doch noch während er so ausatmete, begann ein leichtes Lächeln seine Lippen zu umspielen und dem Ausdruck damit die Schwere vollends zu nehmen.
»Wissen Sie, über fünfzig Jahre bin ich nun schon Mediziner auf Sternenflottenraumschiffen. Und wenn ich so zurückdenke, an meine ersten Jahre, an meine ersten Flüge – und wenn ich mir die Leute jetzt anschaue, vor allem die jungen Leute... Ich weiß, dass ich damals sehr aufgeregt war; dass ich damals nervös war. Aber heutzutage scheint das niemand mehr zu sein.«
Sie sah ihn an, nicht mehr als eine Sekunde verging, in der sie noch zu überlegen schien, sich dann aber zu einer Antwort entschlossen hatte; gerade hob sie dazu an, da sprach er schon wieder.
»Ja, Sie wirkten auf mich so sympathisch, weil ich – es war ja nur ein Moment – in Ihnen glaubte, irgendetwas von diesen jungen Mediziner von damals wieder gefunden zu haben.« Nach einer geschickten Pause fügte er hinzu: »Entschuldigen Sie diese wirren Gedanken eines Alternden.«
»Nein, nein«, entgegnete sie nun, recht energisch, damit Ter-Nedden nicht wieder das Wort erheben konnte, »Ihr Eindruck war schon richtig. Seit ein paar Tagen bin ich wirklich etwas nervös.«
Er lachte.
»›Etwas nervös‹? Der junge Mediziner hatte damals wirklich Angst«, meinte er fröhlich. Von ihr wich die Anspannung mehr und mehr.
»Was für eine Aufgabe haben Sie an Bord dieses Schiffs?«, fragte er.
»Steueroffizierin. Ich bin eingeteilt, das Shuttle-Schiff zu fliegen, das die Expedition zur Oberfläche bringt.«
»Wegen des Flugs selber werden Sie nicht aufgeregt sein«, spekulierte er, »und vielleicht außerirdisches Leben zu Gesicht zu bekommen, ist ein guter Grund, aufgeregt zu sein.«
»Aber was mit den Kolonisten geschehen ist, wissen wir nicht.«
»Das stimmt«, versetzte er, so als sei dies ein rein akademisches Thema. Er merkte aber, dass es ein heikler Punkt werden würde, spürte, dass nach Drehen und Wenden die Sorgen der jungen Frau womöglich eher noch vermehrt werden würden und so entschied er sich für die reine Zuversicht, die in noch aussichtloseren Situationen ihre Berechtigung hat. »Aber es wird schon alles gut gehen«, fügte er also phrasenhaft hinzu. »Meine Erfahrung sagt mir nämlich auch, dass sich die Sorgen am Ende als unbegründet herausstellen, die zur Vorsicht führten. So viele Gedanken, wie Sie sich gemacht haben, werden Sie sicher nichts leichtsinniges anstellen. Und unser Captain macht mir auch nicht den Eindruck, sich unbedacht in Abenteuer stürzen zu wollen.«
Sie atmete hörbar durch; auch sie mochte diesen Ort. Ein paar Sekunden standen sie noch schweigend beieinander, dann verabschiedete sie sich von Ter-Nedden.
»Waren Sie schon in der Aussichtslounge auf Deck fünfzehn?«, meinte sie, als sich schon die Tür hinaus in den Gang geöffnet hatte; das Licht draußen war zwar auch bereits abgedunkelt, dennoch so hell, dass ihr Körper nur als Schemen zu erkennen war. Sie trat noch einmal hinein in den Raum, so als sei es ungehörig, in den dunklen Dschungel zu rufen.
»Nein.«
»Das lohnt sich aber auch!« versetzte sie und schließlich: »Gute Nacht«. Sie machte kehrt, um tatsächlich zu gehen.
Er sah ihr noch ein wenig nach, ehe er sich zum Geländer zurückbeugte. Nur noch einzelne Lichter glommen, in der unteren Etage an den Wegführungen; es war Nacht. Gerade hatte das Belüftungssystem mit der Simulation eines leichten Windes begonnen, die Blätter der Bäume raschelten.
›Wahrscheinlich werde ich wirklich alt‹, dachte er bei sich, ›denn das hat sie kein einziges mal bestritten.‹
Der kurze Anflug von Eitelkeit amüsierte ihn jedoch mehr, als dass er sich wirklich getroffen fühlte. Mit gewisser Gelassenheit horchte er in die Dunkelheit und dachte bereits schon wieder über etwas anderes nach.

»Wir werden«, begann Jonas seine Rede vor der kleinen Versammlung der Offiziere, »zunächst die Station aufsuchen. Falls wir aus dem Orbit heraus Kontakt zu den Kolonisten herstellen konnten, vergewissern wir uns, dass die von ihnen gemachten Angaben zutreffen.« Der Leiter der Sicherheit Reev wollte an dieser Stelle etwas sagen, doch der Captain sprach, obgleich er es bemerkte, weiter. »Erscheint es uns dann notwendig, die Siedlung der Einheimischen aufzusuchen, werden wir das machen; falls nicht, nicht. Ist es uns nicht möglich, Kontakt zu den Einheimischen aufzunehmen, werden wir sie mit den Sensoren suchen. Ich gehe davon aus, dass Sie alle Mister Clerkes Bericht gelesen haben; eine Schicht der Atmosphäre besteht aus rasch zirkulierenden, geladenen Partikelchen, die ein Wetterphänomen ähnlich uns bekannter Wolken hervorrufen und gleichzeitig dafür sorgen, dass wir den Planeten nur mit dem Shuttle erreichen können. Es ist allerdings davon auszugehen, dass es für die Sensoren zur Erfassung von Lebenszeichen keine Einschränkung gibt. Falls wir die Kolonisten also auf diesem Weg finden, suchen wir sie dort auf, wo sie sich aufhalten. Der Kontakt mit unseren Leuten ist wichtiger als das Gebot, den Kontakt mit den Einheimischen zu meiden. Treffen wir die Kolonisten nicht an – das bedeutet: finden wir über den ganzen Kontinent keine Spuren von ihnen – suchen wir die Siedlung der Einheimischen auf und befragen sie.«
Hier machte der Captain eine Pause. Reev, der geduldig gewartet hatte, beobachtete die anderen Herren, die sich am Tisch befanden. Ter-Nedden blickte heiter, fast als sei er gedanklich bei etwas anderem, Clerke und Williams saßen an der jeweils anderen Seite des Captains; sie schwiegen, schienen auch zu beobachten. Der Ingenieur Borland hatte sich in seinen Stuhl zurückgelehnt, wirkte in dem Sinne passiv, dass er nichts direkt in die Versammlung einbringen wollte, sondern seine Aufgabe vielmehr in der Unterstützung oder Ausführung der Aufgaben anderer sah. Die Hand seines ausgestreckten rechten Arms reicht gerade an das in den Tisch eingelassene Computerbedienfeld heran. Er würde, falls notwendig, schnell Eingaben tätigen können. Nun, da die Sprechpause schon mehrere Sekunden andauerte, brachte Reev den Aspekt ein, der ihm zuvor eingefallen war.
»Sie erwarten ein unaufrichtiges Verhalten der Kolonisten?«, fragte der Bolianer.
»Ich möchte es nicht ausschließen«, entgegnete Jonas. Er begleitete diese Worte mit einigen Handbewegungen, die auf eine Weise lässig wirkten, als wolle er damit zum Ausdruck bringen, dass dieser Teil der Angelegenheit, unabhängig von der Konsequenz, die sich ergeben würde, gar nicht von entscheidender Bedeutung sei. Mit ruhiger Stimme sprach er weiter:
»Wir wissen nicht, zu welchen Verflechtungen es auf dem Planeten gekommen sein könnte. Die Motivation, zu schweigen«, er spielte auf lange Sendepause der Kolonisten an, »kann genauso viele Hintergründe haben, wie die, uns nicht die Wahrheit zu sagen.«
»Ist das nicht etwas weit gedacht?«, warf der Commander ein. Schnell hafteten die Blick aller anderen auf ihm. »Die Station ist abgelegen. Eine ›Motivation‹, wenn Sie so wollen, kann schlicht ein defekter Sender sein, der mit den Möglichkeiten vor Ort einfach nicht repariert werden konnte.«
»Sie haben Recht, Mister Williams«, gab Jonas zu. »Aber es geht hier und jetzt noch nicht darum, ein Ergebnis zu definieren. In den Wochen des Anflugs mussten wir untätig bleiben und das nur aus dem Grund, weil wir über die lange Verbindung nur ein Mittel der Aktion gehabt hätten, das der Kommunikation. Es blieb uns leider verwehrt. Was wir jetzt erreichen können, ist, ein klares Vorhaben zu benennen und uns der Eventualitäten bewusst zu werden.«
»Was könnte die Kolonisten denn bewegen, sich – im Falle der bestehenden Möglichkeiten dazu – einer Kontaktaufnahme mit uns zu verweigern?«, fragte Ter-Nedden in einem Tonfall, dessen Naivität etwas gekünstelt wirkte.
Der Captain wollte antworten, weil er einerseits durchaus mehrere Szenarien dafür erdacht hatte. Allerdings missfiel ihm die Vorstellung, mit diesem Beispiel zu sehr das Zeichen zu geben, freies Spekulieren sei an dieser Stelle erwünscht. So schwieg er, ein anderer nahm das Wort.
»Ein Druck von Innen oder von Außen.« Es war Borland.
»Genauer!«, meinte Williams fast harsch, nicht nur neugierig klingend.
»Die Einheimischen könnten sie zu falschen Aussagen zwingen«, antwortete Reev anstelle Borlands. »Vielleicht gibt es Geiseln.«
»Und womöglich haben die Kolonisten – oder zumindest einige von ihnen – eine Grenze im Kontakt zu den Einheimischen überschritten, die nach der Obersten Direktive nicht überschritten werden hätte dürfen. Diesen Übertritt nun könnten sie zu kaschieren versuchen«, ergänzte Ter-Nedden aus einem spontanen Einfall heraus.
Es war dies nun der Zeitpunkt, an dem sich die zuvor im Rahmen des Abendessens geführte Diskussion zu wiederholen drohte. Lieutenant-Commander Clerke schaltete sich sofort mit ein, doch der Captain ließ ihn diesmal nicht gewähren.
»Es ist ja das Problem an dieser Konstellation, dass die Oberste Direktive per Definition ausgehebelt wurde! Das schafft die Räume, in denen Sicherheit im Umgang mit...«
»Genug.«

Die kleine Versammlung löste sich auf; auf dem Gang sorgte Jonas mit einer schlichten Handbewegung noch dafür, dass der Ingenieur nicht wie die anderen sofort auf seinen Posten zurückeilte.
»Mister Borland«, sprach der Captain dann, »versuchen Sie bitte einen Weg zu finden, um den Beam-Transporter für diesen Planeten einsetzbar zu machen.«
»Nun...«, begann Borland eher zögerlich.
»Gibt es ein Problem mit diesem Befehl?«
Erst nun begriff Borland, dass es sich bei dieser Anfragen um mehr als eine bloße Erkundigung gehalten hatte.
»Das nicht.«
»Aber?«
»Der Effekt, der Beamen durch diese Atmosphäre verhindert, ist in dieser Form schon seit Jahrzehnten bekannt, das grundsätzliche technische Hindernis sogar schon seit annähernd hundert Jahren.«
»Ja. Und nun, Mister Borland?«
Leicht hätten Jonas’ Worte als scharfe Replik, als bloßstellender Sarkasmus aufgefasst werden können, aber zum einen war Borland vergleichsweise auf geradezu naive Art immun gegen solche verbalen Angriffe und zum anderen hatte es der Captain auch verstanden, genau diese Brisanz nicht entstehen zu lassen. Er sprach in solchen Situationen meist so gleichmütig, dass – und dies bedeutete Segen und Unannehmlichkeit zugleich – jedwedes Gegenüber kaum darüber nachdachte, was der Captain wohl in diesem Moment für Hintergedanken hegte. Borland jedenfalls sah sich hierin nicht veranlasst, seinen Status als leitender Ingenieur an Bord zu rechtfertigen.
»Ich glaube nicht«, entgegnete er, »dass ich dieses Problem nun plötzlich lösen kann.«
Des Captains Antwort, eigentlich nichts mehr als eine weitere Frage, indes traf ihn unerwartet; sie war so schlicht, dass sie sofort überzeugte.
»Was spricht dagegen, es zu versuchen?«
Borland wurde von einer irritierenden Verlegenheit ergriffen. Er nickte, rieb sich mit der Hand mehrere Male über den Nacken und verschwand. Jonas sah ihm noch ein paar Momente nach. Er war ein guter Ingenieur, das wusste Jonas aus den Akten, das Problem mit dem Transporter würde Borland allerdings wirklich nicht lösen können.
Hinter der nächsten Korridorbiegung hatte Doktor Ter-Nedden dem Captain aufgelauert. Wie als hätten sie denselben Weg, ging er ein paar Schritte neben ihm her, ehe Jonas das Wort ergriff.
»Gibt es noch etwas, Doktor?«
»Ja.«
Da sie immer noch gingen, der Doktor aber keine Anstalten machte, weiterzureden, hielt Jonas an. Erst jetzt sprach Ter-Nedden, in einem Tonfall, den nur er zu beherrschen schien: Unaufgerecht, selbstverständlich, naiv hüpften die Worte zusammen zu trügerischen Sätzen.
»Mir ist das erst heute aufgefallen«, begann er, »in der Besprechung. Warum hast Du mich bei dieser Mission dabei?«
Es fiel Jonas nicht gleich auf; er ordnete gerade seine Gedanken zur Antwort, ein Prozess, der in der Reflexion oft und gerne als lange wahrgenommen wird, in Wahrheit aber vielleicht gerade einmal eine Sekunde einnimmt; und am Ende dieser Sekunde wurde er der Tatsache gewahr, von Reto Ter-Nedden geduzt worden zu sein. Er war verblüfft, ein weiterer Augenblick verstrich, der Doktor sprach bereits weiter.
»Man hatte mich übrigens gefragt, ob ich noch mal ins All möchte, das weiß ich noch.«
»Wie lautete Ihre Antwort?«
»Das weiß ich nicht mehr. Wirklich: Ich kann mich nicht mehr recht daran erinnern. Das Alter! Ich weiß aber, dass diese Frage kam und heute ist es mir aufgefallen: ›Warum sitzt Du eigentlich hier?‹...«
»Ich habe Sie angefordert«, sagte Jonas.
»Wirklich: Sie haben mich angefordert? Das ist gut. Ja, das ist gut.«
»Sie waren damals dabei«, erklärte Jonas. Er wusste, dass Ter-Nedden bei ähnlichen Begründungen gewöhnlich abwinkte, dennoch führte er dieses Argument jetzt ins Feld, weil es bei seiner Mannschaftsauswahl tatsächlich eine Rolle gespielt hatte. »Wenn etwas passiert, wissen Sie am ehesten, was zu tun ist.«
Die Reaktion Ter-Neddens überraschte den Captain, denn diesmal kokettierte dieser nicht mit angeblich auch nur begrenzten Fähigkeiten und Kenntnissen.
»Schon gut«, sagte er stattdessen knapp. »Ich wollte nur nicht, dass es anders war.«
Sie beließen es bei diesem Satz als Abschluss ihrer Unterhaltung, Jonas wollte ihn gar nicht tiefer verstehen. Ter-Nedden war auch froh darüber. Er hätte gewiss noch rhetorische Finten erdenken können, die ihn davor bewahrt hätten, die Wahrheit aussprechen zu müssen und doch glaubte er, Jonas besäße eine Art Recht darauf, die Befürchtungen, die Ter-Nedden besessen hatte, zu erfahren. Wahrscheinlich, so zog der Doktor für sich als Fazit, ahnte der Captain sie ohnehin. Ter-Nedden hatte sich an das Gespräch mit dem Admiral erinnert und war an diesem Tag, bei dieser Besprechung, vom beunruhigenden Gedanken eingeholt worden, die Admiralität habe Jonas nur unter der Auflage befördert, dass ihm er, Ter-Nedden, wie ein Aufpasser zur Seite gestellt werden würde.
Immer noch leicht beunruhigt betrat der Doktor die Krankenstation.
In wenigen Stunden würde das Schiff die Kolonie erreichen.


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel IV

Bereits bevor Williams an Bord kommt, wird er "problematisiert". Sein Konflikt mit Clerke ist jedenfalls schon angelegt.
Die Vorstellung des Schiffs erfüllt weitestgehend gängige Konventionen. Allerdings zeigt sich auch, wie das Schiff ein Position zwischen Althergebrachtem und Neuartigem einnimmt.

Das Essen der Offiziere macht die Fronten endgültig klar. Erstmals kann aber auch etwas über den Führungsstil des jungen Captains in Erfahrung gebracht werden.

Die Szene im Garten verdeutlicht wiederum den Geschlechteraspekt: Mit der jungen Pilotin tritt die einzige wiederkehrende Frau (von Jumi, die ein Kapitel für sich ist, abgesehen) in Erscheinung. Zwar erfahren wir ein wenig über sie, in erster Linie geht es um Ter-Nedden. Letztenendes bleibt sie aber austauschbar, es fällt nicht einmal ihr Namen. Im Zuge des Patriarchatmotivs dient sie dann eher als Spiegel männlicher Eitelkeit (auch wenn diese schnell ironisiert und relativiert wird: "Mit gewisser Gelassenheit horchte er in die Dunkelheit und dachte bereits schon wieder über etwas anderes nach." [S. 19]).

In der folgenden Besprechung taucht der Begriff "Verflechtung" [S. 20] nicht zufällig auf. Denkt man an die Kulturverflechtung im Rahmen des Kolonialismus hat man bereits eine Art Vorahnung, wozu es kommen konnte oder kommen könnte.

Die Worte, die Ter-Nedden und Jonas wechseln, beziehen sich wiederum auf das Geheimnis, das beide verbindet. Das, was in dieser Unterhaltung nebulös angesprochen wird, hat durchaus große Bedeutung für die Beziehung, in der Jonas und Ter-Nedden zueinander stehen. Letztlich hat das auch etwas mit einem Gefühl der Unsicherheit zu tun, mit dem Ter-Nedden die Beförderung Jonas' womöglich betrachtet.

Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 03.06.12, 11:40

V

Die unablässigen Rufe blieben von der Station unbeantwortet. Aus dem Orbit scannte man nach den Lebenszeichen der Kolonisten; dass man sie nicht fand, war zwar als Anzeichen in eine bestimmte Richtung unumdeutbar, aber auch nach vier Stunden Sensorenarbeit konnten Fehler in der Untersuchung schließlich doch nicht ausgeschlossen werden. Borland beschrieb die Interferenzen in der Atmosphäre als besonders stark, Clerke fand riesige, in den bisherigen Berichten über den Planeten bislang so nur am Rande erwähnte Kelbonit-Adern, die für Störungen sorgten. Eine Sonde wurde abgeschossen; während sie in die niederen Luftschichten der Planetenhüllen eintrat, analysierten die Spezialisten an Bord des Raumschiffs den Zustand der Kommunikationsbojen. Testsignale erreichten ihr Ziel und wurden zurückgeschickt, ohne Intensitätsverlust und Zeitverzögerung. Die Satelliten funktionierten. Ob direkt oder über diesen Umweg und die abgesetzte Sonde – noch immer erhielt das Schiff keine Antwort von der Bodenstation. Borland führte danach einige Versuche durch, die Kommunikationsanlagen direkt mit dem Computer der Station in Verbindung treten zu lassen. Die Ergebnisse dieser automatischen Unterhaltungen stellten der Mannschaft Rätsel auf: Zwar erhielten sie die einfachen Datensätze vollständig zurück und der Computer der Kolonie verschickte auf Anfrage auch Zustandsberichte über die Systeme – wobei von Borland auch positiv vermerkte wurde, dass ein Abgleich der Sicherheitsprotokolle stattfand –, doch Zugriff auf den Speicher, wie auch Logbücher kam nicht zustande. Die Sonde hatte die Station inzwischen mehrere Male überflogen und unterstützte die Eigendiagnose des Stationsrechners mit der äußerlichen Beobachtung, wonach sich die Basis bestehend aus einigen kleinen Nebengebäuden der technischen Versorgung und dem großen Zentralbau, der alle Einrichtungen für die Kolonisten beherbergte, baulich in tadellosem Zustand befand.
Nachdem alle Nachforschungen eine akute Gefährdung auszuschließen schienen, gab Captain Jonas den Befehl für ein Außenteam. Er selbst wollte die Expedition leiten, Clerke und Williams sollten ebenso mitkommen wie Ter-Nedden als Mediziner und Borland als Ingenieur. Reevs Einwände gegen die Abordnung der vier wichtigsten Offiziere wurde von Jonas zwar zur Kenntnis genommen, änderte an der Zusammenstellung indes nichts. Der Bolianer protestierte dahingehend, dass er als Leiter der Sicherheitsabteilung auch Teil des Außenteams sein müsste, um für dessen Schutz zu sorgen, abermals unterlag er aber der Verfügungsgewalt seines kommandierenden Offiziers. So übernahm Reev die Brücke.

Ter-Nedden war vom Aufbau der Shuttle-Rampe immer noch beeindruckt. Er kannte die Einrichtungen dieser Art auf anderen Raumschiffen, hier war es anders. Als die fünf Männer die Liftkapsel verließen, tat sich vor ihnen ein Raum, eine Halle mit fünf Stockwerken Höhe auf. Drei Pendelschiffe standen auf der untersten Ebene in einer Reihe nebeneinander, man bestieg das startbereite mittlere, in dem die Pilotin sie bereits erwartet hatte. Die Rampe lag so im Bauch des Schiffs, dass sie die optimale Raumausnutzung zur Verfügung hatte. Die klassischen Hangartore fehlten. Langsam erhob sich das Shuttle unter dem Einfluss der Anti-Gravitationsaggregate und der Steuerdüsen, schwebte zunächst einige Zentimeter über dem Boden, stieg dann aber immer höher und höher, bis es auf dem Niveau von etwa neun Metern über dem untersten Deck der Halle angelangt war. Dann drehte die Pilotin das Shuttle um neunzig Grad, sodass es gegen die seitliche Hülle gerichtet war. Die Pilotin blickte auf die rechte Wand der Rampe, dort wo sich eine Einbuchtung wie ein großer Schlund befand. Sie lenkte das Shuttle darauf zu, schon übernahmen die automatischen Leitstrahlen die Kontrolle. Das Pendelschiff verschwand in der Ausbuchtung und wurde, immer noch vom Computer der Shuttle-Rampe gesteuert, durch den kleinen Tunnel gen Heck der Cœur de Marie geführt. Es passierte ein Kraftfeld und befand sich plötzlich im freien Raum. Das Öffnen und Schließen der Schotten dieser auf beiden Seiten des Sekundärrumpfs verlaufenden und endenden Durchgänge hatte die Mannschaft an Bord des Shuttles nicht bemerkt; aus dem Hauptraum der Shuttle-Rampe war der gebogene Tunnelverlauf mit den sich öffnenden Toren nicht einsehbar gewesen, jetzt blieb das Raumschiff Achtern zurück und der Blick aus dem Shuttle gehörte dem Planeten allein.
»Wie werden sie wohl sein?«, fragte die Pilotin vor sich hin.
»So schnell, wie man denkt, werden wir das vielleicht gar nicht erfahren«, sprach Ter-Nedden; er hatte sich schon vor einigen Minuten hinter den Sitz des Steuers gestellt, um an der Aussicht, die sich beim Eintritt in die Atmosphäre ergeben würde, teilzuhaben. Sie bemerkte ihn erst jetzt vollends, wandte den Kopf leicht nach ihm um.
»Ich wollte Sie nicht ablenken«, beeilte sich der Doktor zu sagen und fuhr ungerührt fort, nachdem die Ensign ihm den leeren Platz des zweiten Steuermanns der Fähre anbot.
»Es wird sicher spannend, sie zu beobachten. Manche Dinge werden wir schnell verstehen und auch schnell einsehen können. Andere werden wir nur zu verstehen glauben, weil wir sie entweder nicht hinterfragen, oder falsch deuten. Wussten Sie eigentlich, dass gelbe Zähne bei Andorianern als Zeichen von Würde gelten?«
Auf diese Weise erzählte der Doktor weiter. Es waren kleine Randnotizen, eher unterhaltsam als bedeutend, und doch verlor er mit ihnen nie den eigentlichen Zusammenhang aus den Augen. Beinahe hätte er darüber die Konzentration auf das sich vor ihm bildende Schauspiel aus ionisierenden Gasen eingebüßt. Die Pilotin, für die dieser Flug die eigentlich zu erwartende Routine darstellte, konnte des Doktors Erzählungen leicht folgen, der Übergang gestaltete sich ohne irgendwelche Probleme.

Das Shuttle setzte sanft auf. Nach Monaten im All dürstete es allen nach frischer Luft, denn obwohl sie Einrichtungen wie einen botanischen Garten oder Holodecks, die jeden erdenkbaren Ort imitieren konnten, an Bord hatten, mangelte es am Eindruck der wirklichen Natürlichkeit, der Natur als schier grenzenloser Umgebung und nicht nur als kleines, abgekapseltes Habitat oder Virtualität.
»Hier«, sagte Williams lachend und im Scherz, »gehe ich nicht mehr weg!«
Das nur knöchelhohe Gras war meist saftig grün, wie Adern oder auch Flüsse zogen sich auch türkise Halme durch die Landschaft. Das Gelände war leicht hügelig, nicht sonderlich hohe Laubbäume standen in Grüppchen oder Hainen zusammen, in beträchtlichem Abstand zur nächsten Baumansammlung, wie Inseln in einem Meer. Leichter Wind durchwehte das Blattwerk, zu Füßen mancher Bäume wuchsen bis zu mannshohe Pflanzen, deren braune bis schwarze Stängel sich fein ästelten und die an ihren Spitzen violette Blüten trugen. Wurden sie von Böen erfasst, tanzten sie, als handelte es sich um Lebewesen.
Clerkes Blick ging gen Himmel. Die Sonne stand hoch, ihre Wärme war aber nicht unangenehm. Wolken waren keine zu sehen, dafür aber die changierenden Atmosphärenschichten, die den Einsatz des Beam-Transporters unterbanden: Felder quadratkilometergroßer Ausmaße streiften über die Männern hinweg und wann immer sie über die Sonne kreuzten, filterten sie Teile des Lichtspektrums heraus, sodass die darunter liegenden Oberflächenbereiche wie in einer Art Schatten standen. Noch nach Minuten konnten sie sich an diesen Eindruck nicht gewöhnen; er blieb auch dann fremdartig, als der Doktor die Lichtstimmung mit der bei einer Sonnenfinsternis verglich. Immer wieder knieten sie nieder, strichen über das wie nasse Gras, das gerade in einen solchen Schleier gefallen war, richteten sich wieder auf, zeigten den anderen auf die wandernden Flächen in der Höhe hinweisend nach oben und staunten. Vor allem aber standen sie unter dem Bann der Schönheit der Gesamtheit dieser Umweltbedingungen. Nicht weniger als zwanzig Minuten mochten sie so an der Landestelle verbracht haben, ehe der Captain zum Aufbruch rief.

Die Station war verlassen, das sah das kleine Landungsteam schon aus der Ferne. Die Zugangspfade – nicht mehr als kieselige Linien, die recht unwillkürlich in der ansonsten unberührten Natur begannen und zusammen in einem Sternschema zur Basis hinführten – waren vereinzelt bereits wieder von Gräsern überwachsen. Das galt den Männern zunächst als bedeutsamstes Zeichen, auch wenn sie sich nacheinander eingestanden, hierfür auch weniger dramatische Ursachen als das Ende der Kolonie anführen zu können. Wild indes war hier nichts und würde hier auch nichts sein können, selbst wenn die Natur das Areal vollkommen zurückerobern wollte. Der feine Bewuchs war viel zu dezent, seit sie hier waren, erweckte alles eher den Eindruck, Teil eines Parksystems als eines Dschungels zu sein. Dieses Maß, das die Natur in ihren Arten und in deren Ausbreitung einhielt, wirkte beruhigend und doch, da sie sich der Station weiter näherten, auch auf merkwürdige Weise trügerisch.
Der Sensor der Tür reagierte; als Lieutenant-Commander Clerke vor ihn trat, wurde der Kommunikator mit seinem Identitätschip korrekt ausgelesen und nach Verifizierung der Daten wurde die Eingangtür automatisch geöffnet.
Das Foyer – ein Raum mit vielleicht zehn Metern Länge und fünf Metern Breite – war menschenleer, ansonsten aber unauffällig. Sie durchschritten ihn schnell, hinter der nächsten Türe lag bereits die Versammlungshalle als zentraler Ort für Treffen und Absprachen dienstlicher wie privater Natur. Auch sie war leer, so leer und aufgeräumt, als wäre sie gerade erst errichtet worden. Sonnenstrahlen aus dem großen runden Oberlicht fielen auf den blau-pastellfarbenen Teppichboden und die konzentrisch zur Hallenmitte gruppierten, hellgrauen Sitzmöbel. Die an den Wänden stehenden Konsolen erschienen den Betrachtern wie schwärzliches Glas, durchzogen von violetten Linien immer dort, wo das Tageslicht wie gebündelt auf sie fiel. Die Computer waren deaktiviert.
»Ist hier jemand?«, rief Commander Williams in die Halle und die angrenzenden Korridore hinein. Alle lauschten, es blieb aber still.
»Und jetzt?«, wollte der Doktor wissen.
»Wir teilen uns auf«, beschloss der Captain. »Mister Williams, Mister Clerke, Sie untersuchen Quartiere und Lagerräume. Mister Borland, Sie werden das Computersystem und, obwohl Energie vorhanden zu sein scheint, auch die Reaktorkammer überprüfen. Doktor, Sie und ich gehen die Kontrollräume und Laboratorien ab. Berichte erwarte ich in spätestens einer Stunde; wir treffen uns dann hier wieder.«
Alle bis auf Ter-Nedden zückten ihre Tricorder, begannen zum einen mit Scans und riefen zum anderen den Stationsplan auf, um ihre Suchen koordinieren zu können. Nur der Doktor besah sich den Lageplan, der sich in Form einer durchaus kunstvoll gestalteten eingefrästen Silberplatte in einem Sockel genau im Zentrum der Halle befand. Sie gingen los.
Das erste Quartier betraten Commander Williams und Lieutenant-Commander Clerke noch gemeinsam. Es war wie von fremder Hand aufgeräumt, denn sämtliche Kleidungsstücke hingen in den Schränken, das Bettzeug lag beinahe pedantisch gefaltet. Auch hier waren allee Computerdisplays inaktiv schwarz.
»Wir werden hier nichts finden«, urteilte der Commander und verließ den Raum mit dem Hinweis, er werde alle ungeraden Zimmer abgehen. Lieutenant-Commander Clerke blieb noch etwas, öffnete jede einzelne Schrank- und Schublade; erst im Bad fand er als bescheidenes Zeichen von Individualität einen kleinen Bilderrahmen. Zwei junge Frauen lachten ihm aus der Aufnahme entgegen. Er stellte den Fund an die gleiche Stelle zurück und verließ das Quartier.
Lieutenant-Commander Borland hielt sich nicht lang in den eigentlichen Zugangskorridoren auf. Schon nach der ersten Abzweigung verfiel er dem Gedanken, in den sich hinter den Wänden der Gänge befindenden Versorgungsröhren dem Zustand des Computer- und Energienetzwerks der Station auf die Spur zu kommen. Schnell war ein Zugangspanel abgebaut. Immer wieder die Leitfähigkeit an Knotenpunkten prüfend, gelangte der Ingenieur so nach etwa zehn Minuten in den Computerraum. Nur schwach glomm ein Licht an der Decke, aber er dachte sich nichts dabei und machte sich an die Diagnosearbeit.
Captain Jonas merkte schnell, wie fruchtlos die Bemühungen sein würden, einem Kontrollraum mit inaktiven Computern Lösungen für das Rätsel entlocken zu wollen. Noch immer waren sie niemandem begegnet, die immer wieder durchgeführten Scans wiesen darauf hin, dass sich daran auch nichts ändern würde: Ihre Geräte zeigten in der eingestellten Reichweite von einem Kilometer nur fünf Lebenszeichen an. Schließlich brachte der Captain eine der Konsolen zu einem lebendigen Flackern, indem er sie mit der Energiezelle seines Tricorders versorgte.
»Das vegetative Computersystem scheint intakt«, sprach er nur so vor sich hin, da Ter-Nedden sich gerade entfernte. »Aber zum Computerspeicher gibt es keinen Zugriff.«
Der Doktor lief inzwischen die Labore ab. Es schien, als seien einige ethnologische Studien durchgeführt worden, wie aus den handschriftlich vorgenommenen Aufzeichnungen an einer Magnetspurenwand geschlossen werden konnte. Die botanischen Experimente waren, so schätzte der Mediziner, schon vor Wochen sich selbst überlassen worden. Fast beruhigte ihn der Anblick der unter den Glasstürzen eingegangenen, nur noch trocken, braun, verrottet liegenden Pflanzenteile. Sie nahmen des Doktors Meinung nach diesem so perfekt konservierten Gebäude die vollkommene Künstlichkeit.
Captain Jonas hatte als erster in der Sitzgruppe Platz genommen und erwartete die anderen. Achselzuckend gesellte sich Doktor Ter-Nedden zu ihm. Schon ein paar Minuten über der Zeit trafen schließlich Commander Williams und Lieutenant-Commander Clerke ein. Sie diskutierten einigermaßen lebhaft, sodass der Captain hoffte, von seinen beiden Offizieren neue Erkenntnisse erwarten zu können.
»Die Lagerräume«, begann der Commander zu erklären, »sind beinahe leer.«
Lieutenant-Commander Clerke nickte langsam zur Unterstützung, meinte dann erläuternd:
»Obwohl die Kühlaggregate arbeiten, ist der gesamte Vorrat an verderblichen Waren – er war laut Stationsmanifest, das ich noch an Bord eingesehen habe, auf weitere fünf Jahre ausgelegt – aufgebraucht. Gefunden haben wir nur noch Ausrüstungsgegenstände wie Ersatzuniformen, aber auch technisches Gerät wie Scanner.«
»Und die Quartiere?«, erkundigte sich der Doktor unaufgeregt.
»Allesamt leer«, entgegnete der Commander. Er erntete ratlose Blicke des Captains; alles andere als die gegebene Antwort wäre zwar überraschend gewesen, dennoch brachte sie diese Manifestierung des Rätsels nicht voran. Wieder war es der zweite Offizier, der ausführlicher berichtete.
»In keinem der Räume – das gilt auch für die Frachträume – gibt es Anzeichen für Kämpfe oder überstürzte Aufbrüche. Ich bin der Überzeugung, dass auch Sie, Captain, in den Kontrollräumen und Laboratorien kein anderes Bild angetroffen haben.« Er wartete keine Zeichen der Reaktion ab, sondern fuhr gleich fort. »Wir fanden also auch keine Leichen von Kolonisten. Alles scheint in Ordnung hinterlassen worden zu sein. Einige Quartiere wirken seltsam steril: Ich meine damit, dass sie kaum Hinweise darauf geben, dass tatsächlich jemand in ihnen gewohnt hat. In ihnen fehlt das, was die meisten Privaträume auch auf dieser Station normal macht: Schmuck, Andenken, Gemälde. Der Commander und ich sind uns uneins, wie bedeutsam diese Beobachtung ist. Wie sehen die Laboratorien aus?«
»Nun«, holte der Doktor aus, als wolle er eine umständliche Erklärung abgeben. Er stand auf und wanderte während des Sprechens hin und her, und landete dabei immer wieder beim silbernen Lageplan. »Den eigentlichen Forschungskern kann ich nur schwer rekonstruieren. Sein Wohl und Wehe, sein Schicksal ist wohl untrennbar mit den Computerdatenbanken verknüpft. Die Untersuchung der indigenen Kultur, von denen ich nur ein paar Ansätze gefunden habe, war zuletzt wohl bio-soziologischen Charakters. Die untersuchten Pflanzenproben sind ausnahmslos eingegangen. Meiner Kenntnis der lokalen Flora nach zu urteilen, spielen sich die natürlichen Wachstumsprozesse in einem Wechselspiel aus Überfluss – viel Sonne, wohl vor allem in der Nacht häufiger Niederschlag, guter Boden – und Selbstbescheidung – geringe Wuchshöhen, geringer Ausbreitungsradius von Sporen, Samen, Pollen und dergleichen – ab. Daraus würde ich abschätzen, dass die Pflanzexperimente schon seit mindestens einem Monat nicht mehr betreut wurden.«
»Wo ist Mister Borland?«
Die Frage kam wie aus dem Nichts. Tatsächlich war der Ingenieur schon mehr als eine halbe Stunde überfällig.
»Williams an Borland. Bitte melden.« Mehr als ein paar Sekunden zur Antwort wurden ihm nicht gegeben, alle sprangen auf.
»Dort lang«, rief der Doktor, der immer noch beim Lageplan stand und so nur den Blick senken musste, um sich einen Überblick über die Raumanordnung der Station zu verschaffen. Er wies mit einer Bewegung auf dem Korridor, an dessen Ende die technischen Versorgungseinrichtungen lagen. Alle rannten sie nun los, der Doktor bildete das Schlusslicht. Gleichgültig wie immer öffnete sich die Zugangstür zum Computerraum, der Commander rief noch einmal den Namen des Ingenieurs, halb in seinen Kommunikator, halb hinein in den großen Raum mit der riesigen Computersäule in der Mitte. Von der anderen Seite des Kerns kam ein leises Stöhnen, dann ein angestrengtes Krächzen.
»Ja?« Es war die Stimme von Lieutenant-Commander Borland. »Was ist los?«
»Wo sind Sie?«
»Hier oben, auf der zweiten Ebene, im Zugangsschacht.«
Inzwischen hatten alle den Kern umwandert.
»Sie hätten schon lange am Treffpunkt sein sollen.« Commander Williams Stimme klang vorwurfsvoll. Niemand aber äußerte Ärger wie Erleichterung, dass man sich umsonst gesorgt hatte, offen.
»Ich war hier noch nicht fertig. Die Installationen sind schwer zu erreichen. Die Zugänge sind sehr eng, ziemlich unbequem. Ich kann noch nichts endgültiges sagen, aber ich glaube, der gesamte Speicherkern ist gelöscht. An die Sicherheitsspeicherungen versuche ich heranzukommen. Ich habe da aber Zweifel.«
Sie gaben dem Ingenieur noch eine weitere halbe Stunde, die jedoch ergebnislos verstrich. Die Offiziere wollten sich, als sie in die Haupthalle zurückgekehrt waren, wieder wie vorher zur Besprechung zu einer Sitzgruppe begeben, doch Captain Jonas durchquerte den Raum einfach, durchschritt auch das Foyer und trat ins Freie. Die anderen folgten.
»Und nun?«
»Jetzt«, entgegnete der Captain, den Blick über die Landschaft streifen lassend, »gehen wir zur Siedlung der Einheimischen.«



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Hintergrund-Informationen zu Kapitel V

Das Gespräch Ter-Neddens mit der Pilotin weist ihn als "regulative Kraft" aus. Wie sich nämlich zeigt, verfügt er über Wissen und Erfahrung, das er mit rhetorischen Strategien quasi zur Deeskalation benutzt. Auf diese Weise kann er die Pilotin einerseits beruhigen, andererseits nimmt er den zukünftigen Ereignissen die Bedeutung, obwohl er es gegenteilig ausdrückt ("Es wird sicher spannend, sie zu beobachten" [S. 27] ). Zur Tragik ihrer Figur gehört, dass die Pilotin am Außeneinsatz keinen großen Anteil haben und nur einmal einen Indigenen sehen wird.

Ein besonderer Augenmerk ist auf Commander Williams zu legen. Später aber noch mehr zu ihm.

Die Umwelt wird als äußerst idyllisch beschrieben, dazu gehört aber auch eine gewisse "natürliche Künstlichkeit", denn ohne besonderes Zutun von Menschen oder Indigenen wirkt es, als wandelten die Figuren durch einen Park ("Das nur knöchelhohe Gras war meist saftig grün, wie Adern oder auch Flüsse zogen sich auch türkise Halme durch die Landschaft." [S. 27] ). Befremdung lösen direkter die "Wolken" aus, doch auch hier relativiert Ter-Nedden den Eindruck zumindest etwas ("er blieb auch dann fremdartig, als der Doktor die Lichtstimmung mit der bei einer Sonnenfinsternis verglich." [S. 28] ).

Mit seiner Einschätzung, man werde hier nichts finden, beweist der Commander einen erstaunlichen Durchblick. Tatsächlich ist er am Anfang auf dem Planeten noch nicht vollends der Ignorant.
Der Station ist nicht viel zu entlocken, was der Lösung des Rästels um die verschwundenen Kolonisten dienen könnte. Doch zumindest einen wichtigen Hinweis wird der Captain im Gedächtnis behalten.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 10.06.12, 14:04

VI

»Warum«, erkundigte sich Williams beiläufig, »überbrücken wir die Distanz nicht mit dem Shuttle?« Es war eine völlig unbedarfte Frage.
»Ein wenig Gehen, wird nicht schaden«, bemerkte der Lieutenant- Commander.
»Wir sollten mit unserer Technologie nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als nötig«, meinte der Doktor bar jeglichen belehrenden Tonfalls. Einen Moment blieb er stehen, holte tief Luft, und fügte dann hinzu: »Außerdem ist es unglaublich schön hier. Das ist wie eine Form von Urlaub. Ich sage Ihnen, die vier Kilometer werden schnell vorüber sein.«
Bei ihrem Marsch hielten sie kein einheitliches Tempo. Der zweite Offizier Clerke trat immer wieder einige Schritte zur Seite oder ließ sich zurückfallen, sobald etwas in der Natur seine Aufmerksamkeit erregte; mit dem Scanner zeichnete er die unterschiedlichsten Pflanzenarten und Kleintiere auf, doch stoppten seine Ausreißer die vier anderen Männern nie länger als einige Sekunden. Die wandernden Schatten wurden schnell nicht zu einem gewohnten Anblick aber doch zu einer Erfahrung, die wie eine wohlige Überraschung weniger unerwartet als vielmehr wie herbeigehofft kam.
»Vielleicht wäre es doch besser, wenn Reev dabei wäre...«, sagte Borland. Ter-Nedden ging neben ihm.
»Wie kommen Sie jetzt darauf?«
»Ich meine nur... Hier ist alles wunderbar, und trotzdem gibt uns von unseren Kolonisten keine Spur. Es kommt mir etwas merkwürdig vor, Sie das jetzt zu fragen, immerhin sind wir schon Stunden hier, aber kann es irgendwelche Giftstoffe geben, in der Luft?«
»Nein, ich kann Sie beruhigen, Commander. Die Umwelt hier ist so schön und ungefährlich, wie sie sich gibt.«
Borland nickte. Diese Sorge, die ihn kurz erfasste hatte, war er los. Er dachte noch einmal zurück und musste unwillkürlich lächeln.
»Sie hätten Reev sehen sollen, Doktor! Er war wirklich nicht erfreut. Ich finde, man sah ihm an, dass er sich zusammenreißen musste.«
»Lieutenant Reev ist ohnehin oft sehr streng, mit sich und anderen«, entgegnete Ter-Nedden, sein Blick fiel auf die vor ihm gehenden Männer. Williams und Clerke wirkten nicht, als unterhielten sie sich. »Reev ist schon ein typischer Bolianer, wortkarg, manchmal beinahe schon mürrisch. Ich war ein paar Jahre auf der bolianischen Heimatwelt, müssen Sie wissen. Das ist nun schon... ja, fast ein Viertel Jahrhundert her. Das Gros der Bolianer ist wie Reev, aber hinter der oft distanzierten Art unseres Sicherheitschefs steckt eine große Leistungsfähigkeit. Da bin ich überzeugt.«
»Ja«, erwiderte Borland knapp, so wie ein Wanderer spricht, der angesichts eines zu schnell gewählten Schritttempos außer Atem ist. Die fünf Männer indes gingen langsam.
Immer wieder glaubten sie schließlich, Wege erkennen zu können: Das Gras wirkte auf breiter Spur stumpfer. Hielten sie kurz inne um zu beobachten, schien es ihnen nun, als stünden sie mitten in einem Fluss aus Grashalmen, denn der niedergetretene Rasen zog sich wie ein im Vergleich zum Bewuchs um ihn herum dunkleres Band zwischen Hügelchen als ansteigende Ufer dahin. Dann erblickten sie noch in einiger Entfernung etwas, das wie verwaschene braune Flecken oberhalb des Grüns stand; der Grasfluss führte direkt darauf zu. Sie wurden Stimmen gewahr, doch je näher sie kamen, desto stiller schienen sie zu werden. Als die Männer schließlich die einzelnen Hütten deutlich voneinander scheiden konnten, herrschten um sie herum nur die dezenten Klänge der Natur. Die Behausungen schienen aus Lehm oder einem verwandten Material zu bestehen; im Grundriss meist rund, alle einstöckig. Als die fünf eine Art Hauptstraße betraten, nun endgültig mehr aus staubiger Erde als aus Grasboden, fielen ihnen Gebäude auf, die aus mehreren Räumen aufgebaut waren: Mal standen Rondelle so nah beieinander, dass sie ineinander übergingen, mal waren wie getrennt errichtete Hütten durch einen ebenfalls aus Lehm gebauten, gewölbeartigen, kurzen Gang verbunden. Die Wände waren häufig dunkel, als seien sie noch nass von einem Regenschauer, doch konnte auch gleich neben so einer Hütte eine mit fahlem, trockenen gelben Putz stehen. Regelmäßige Streifen zogen sich an allen Wänden von unten nach oben wie eine schwarze Schnur, die, getränkt in irgendeinem Öl in der Sonne funkelte. Nur etwa zwei Drittel der Hütten verfügten über Fenster; dafür jedenfalls hielten die Männer die offensichtlichen Aussparungen, die von innen jedoch ausnahmslos mit Vorhängen aus krudem Stoff verschlossen waren. Der Doktor bemühte sich, darauf zu achten, ob sich eine dieser Blenden bewegte, wenn sie, die Neuankömmlinge, vorüberschritten, doch es tat sich nichts. Ohne es so verabredet zu haben, hatten die Sternenflottenoffiziere eine Formation gebildet. Der Captain ging voran, links von ihm Commander Williams, rechts Doktor Ter-Nedden. Leicht nach hinten versetzt, folgten Lieutenant-Commander Clerke und Borland.
»Bald sind wir durch«, scherzte Ter-Nedden. Er schien noch einer Zeit zu entstammen, die derartige Kontaktaufnahmen zwar nicht ohne Spannung, aber mit weniger Anspannung vorgenommen hatten. Seine Begleiter waren in dieser Hinsicht Geschöpfe ihrer Gegenwart; keiner antwortete.
Der Weg verbreitete sich, mochte nun schon drei oder vier Meter im Durchschnitt betragen. Sie schritten auf eine Art Platz zu, denn die nun vor ihnen liegende Fläche war, obgleich sie zwei der größten Hüttenanlagen, die sie bislang gesehen hatten, beherbergen hätte können, unbebaut. Hier stand in der Mitte, einer Statue gleich, ein Mann.
Williams ertappte sich bei dem Gedanken, in der Person, der sie sich näherten, durchaus auch einen der von ihnen gesuchten Kolonisten sehen zu können. Tatsächlich glich der Mann, von seiner Größe abgesehen, die zwei Meter ein wenig überragen mochte, einem völlig gewöhnlichen Menschen, ein Mann in den Fünfzigern mit dunkelgrauen Haaren, normaler Kräftigkeit und leicht bräunlichem Teint. Je länger ihn sich der Commander besah, desto mehr geriet er ob der eigenen spontanen Idee ins Grübeln. Er überlegte bereits, ob er sich mit den anderen darüber verständigen sollte, ob es einen der Föderationssiedler geben konnte, dessen Erscheinungsbild diesem Mann glich. Flüchtige Blicke warf er auf die anderen. Clerke sah leer nach vorne, doch er hielt die rechte Hand am Halfter des Phasers. Ter-Neddens Geste war ähnlich, nur bereitete er sich darauf vor, seinen Tricorder zu zücken.
Der Fremde schnaufte laut durch, hob die Arme, die er bisher nach unten hatte hängen lassen, ausgestreckt feierlich an, bis sie beinahe Schulterhöhe erreichten. Clerkes Hand entspannte sich, es war eine Geste des Willkommenheißens.
»Ich«, hob der Fremde mit fester Stimme an, »bin Häuptling Maahzel. Ihr seid Leute von der Föderation?«
Die Frage war in einem Tonfall an die fünf Besucher in Uniform gerichtet worden, der an der Grenze zur bloßen Feststellung lag. Keiner von ihnen hätte überrascht sein dürfen, den Anführer dieser Siedlung in Bezug auf ihr Erscheinen so abgeklärt vorzufinden, dennoch waren es manche unter ihnen.
»Ja, Häuptling Maahzel, das sind wir. Ich heiße Mark Jonas«, hob der Captain an. Er imitierte das Gehabe Maahzels soweit, wie es ihm möglich war, ohne es durch die Übernahme durch ihn als jemandem, dem die Sitten vor Ort fremd waren, zur Karikatur werden zu lassen. Jonas stellte seine Leute nacheinander gesondert vor, wobei er bei allen den Vornamen dazunannte, den Nachnamen indes betonte. Nach einer kurzen Pause hoffte er darauf, dass Maahzel das Heft des Handelns übernehmen würde, doch dieser begegnete den kurzen Ausführungen seines Gegenübers nur mit einem dezenten Nicken.
»Ist es uns erlaubt, uns in Ihrer Siedlung aufzuhalten? Als Gäste«, fragte Jonas so. Wieder nickte Maahzel.
Als sie einer Geste des Häuptlings folgend den Platz, der ihnen nun wie ein Knotenpunkt verschiedener kleiner Straßen vorkam, durch eine andere Abzweigung als die, von der sie gekommen waren, verließen, regte sich im Dorf Leben. Ohne die eigentliche Veränderung wahrgenommen zu haben, blickte der Doktor nun durch lauter geöffnete Fenster, entweder hinein in die dunklen Hütten oder in die freundlichen Gesichter Einheimischer, die, wie ihr Häuptling auch, völlig menschengleich aussahen. So angenehm sich die Aufnahme nun zu gestalten schien, so beklemmend wirkte dieser geheim vonstatten gegangene Wechsel auf Ter-Nedden. Hin und wieder wurden sie bei ihrem Weg durch das Dorf in den Schatten eines der gigantischen Felder getaucht, die hoch in der Atmosphäre umherirrten. Erst nach und nach trafen sie direkt mit weiteren Einheimischen zusammen, auch wenn noch immer zahlreiche verschämt-fröhliche Blicke aus dem Inneren der Hütten auf den Gästen ruhten. Schließlich erreichten sie einen kleinen Platz, er schien wie ein Vorhof für einen größeren auf der linken und eine der größeren Behausungen auf der rechten Seite zu sein. Hier standen eine Handvoll Einheimische, unter ihnen nur eine Frau, doch sie war es, die den Männern von der Sternenflotte besonders ins Auge sprang, sodass sie sich erst nach und nach auf den Mann konzentrierten, der zum Häuptling trat.
Maahzel sprach, mit sonorem Ton in der Stimme:
»Das ist mein Bruder Lhaazel«, er deutete auf diesen Mann, der dem Häuptling äußerlich nur wenig ähnelte. Lhaazel trat einen Schritt nach vorne, machte eine umständliche Geste, die einer Begrüßung gleich kommen sollte, blieb aber ansonsten still. Williams hatte ihn gar nicht wahrgenommen, er schaute nur auf die junge Frau. Maahzel legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter, doch die Berührung, so glaubte Clerke, der sich jetzt erst für Lhaazel zu interessieren begann, enthielt nicht nur Intimität, sondern auch Stärke; war es tatsächlich ein Griff gewesen, so dauerte er nicht länger als zwei Sekunden. Maahzel trat nun neben das Mädchen.
»Das ist meine Tochter Jumi«
Lautlos formte Williams mit seinen Lippen den Namen nach, Jumi lächelte und der Commander befand, dieses Lächeln habe ihm gegolten.
Als sei von irgendwo her ein Startsignal gegeben worden, lockerte sich die Gesellschaft nun auf: Nicht mehr in kleinen Gruppen, sondern verteilt standen nun Einheimische und Sternenflottenoffiziere, inhaltsflache Unterhaltungen begannen. So vergingen viele Minuten mit belanglosem Plauschen, einzig Williams schien mit seiner Gesprächspartnerin Sinn aus dem Aufeinandertreffen zu ziehen. Clerke warf hin und wieder tadelnde Blicke in Richtung des Commanders, die dieser aber mit Gleichmut überging. Es war Ter-Nedden, der den Grund ihres Hierseins wieder ansprach. Inzwischen war es dunkel geworden und Maahzel hatte die gesamte Zusammenkunft an einen Platz am Rand des Dorfes geführt, dessen Mitte von einer Kette von Lagerfeuern dominiert wurde. Der Doktor hatte sich gerade, dem Beispiel der Indigenen folgend, auf einen der Steine gesetzt, als Eneeli, eine der Frauen, von denen der Doktor vermutete, sie sei so etwas wie eine Priesterin, ein Gespräch mit ihm anfing.
»Sie sind«, fragte die Einheimische, »ein Kundiger in der Medizin?«
»Ja«, entgegnete Ter-Nedden freundlich. Der Stein war als Sitzfläche bequemer als erwartet. Ohne länger darüber nachzudenken, fuhr Ter-Nedden fort. »Sie werden hier auch einige Mediziner haben, nicht wahr? Unsere Kolonisten hatten auch einen Arzt bei sich.«
Erst ein paar Momente nachdem er die Worte gesprochen hatte, fiel ihm deren Inhalt auf und er bereute, ohne Notwendigkeit auf die Siedler gekommen zu sein. Fast verlegen kratzte er sich über die Schläfe und überlegte, wie er das Thema nun leicht wieder umlenken könnte. Zu seiner Verwunderung war das aber nicht nötig, denn Eneeli sprach darauf zusammenhanglos von den Flüssen und Seen der Region. Zunächst dachte er, sie begänne damit einen Exkurs zu heilkundlichen Ansichten der hiesigen Gesellschaft, doch Eneeli pries die Landschaft in ihm nicht verständlicher Weise und Absicht. Immer länger schweifte der Doktor in Gedanken ab, bis er schließlich – es geschah wie aus Trotz – eine Redepause mit der Rückkehr zum alten Thema beendete.
»Kannten Sie jemanden aus der Gruppe unserer Kolonisten?«
Durch Zufall hatte Jonas die Frage gehört; er wandte den Kopf leicht zu dem rund zwei Meter entfernt sitzenden Doktor um. Sein Blick verriet offene Verärgerung, wandelte sich aber sofort in Aufregung, befeuert durch dieselbe Neugierde, die vorab Ter-Nedden angetrieben hatte.
»Nein«, entgegnete die Einheimische kühl.
Beide waren von dieser Antwort enttäuscht. Ter-Nedden, der sich schnell der Aufmerksamkeit seines Captains gewahr geworden war, sah nun zu Jonas hinüber. Dessen jetzt ausdruckslose Miene galt ihm wie ein stummes Einverständnis, sodass er nachhakte.
»Warum nicht? Gab es keinen Kontakt?«
»Für mich gilt das so«, versetzte Eneeli knapp und schien keine Anstalten zu machen, ausführlichere Auskünfte geben zu wollen.
Wieder sah Ter-Nedden zu Jonas. Der presste die Lippen leicht aufeinander und schüttelte dann langsam den Kopf. Der Doktor schwieg, sah ins Feuer und als er den Eindruck hatte, Eneeli habe sich wieder etwas beruhigt, plauderten sie noch eine Weile über die Schönheit der Natur.
Inzwischen war es finster geworden. In regelmäßigen Abständen hatte Clerke gen Himmel geblickt, gespannt auf das Auftauchen erster Sterne, im flackerndem Schein der Lagerfeuer hatte er aber keine ausmachen können. Irgendwann stand er auf, um sich lediglich ein paar Meter zum Rand des Platzes zu bewegen. Wirkliche Wolken, nicht jene atmosphärischen Felder, waren aufgezogen, das erkannte Clerke nun an den feinen Schattierungen von dunklem Grau bis hin zum Aschschwarz. Da er nun einmal aufgestanden war, ging er langsamen Schritts um die Feuerstellen herum; er wollte das Gespräch mit Captain Jonas suchen. Dieser saß auf einem der Steine und hatte sich schon seit ein paar Minuten aus dem Gespräch mit Maahzel gelöst. Er schaute nun nur noch in die Lagerfeuer hinein, man hätte es fast als verträumt beschreiben können; doch als er sich, vom zweiten Offizier leicht an der Schulter angetippt, umwandte, meinte Clerke etwas Trauer oder vielmehr Melancholie im Jonas’ Blick zu sehen. Leicht zu ihm herunter gebeugt und in einem flüsternden Tonfall fragte er:
»Sir, wie wollen Sie weiter verfahren?«
Jonas stand auf, sodass er, die Stimme leicht senkend, auch davon ausgehen konnte, dass seine Antwort nur von Clerke vernommen werden würde.
»Es ist heute nicht mehr viel zu holen.«

Jumi strich sich immer wieder ihr braunes Haar aus dem Gesicht. Es schien Williams dunklere Strähnen zu besitzen, die er für sich mit den türkisfarbenen Zügen verglich, die das ansonsten grüne Gras durchflossen. Über diesen Gedanken hätte der Commander beinahe die Ansprache seines Captains verpasst.
»In Ordnung, Mister Williams«, sagte Jonas, »Sie bleiben hier. Mister Clerke, haben Sie Einwände gegen den Vorschlag, dass auch Sie zunächst auf der Oberfläche bleiben?«
»Nein, Sir.«
Clerke sah hinüber zu Williams und während sich die restlichen Männer der Sternenflotten auf den Aufbruch vorbereiteten, ließ er den Blick über das nächtliche Dorf schweifen; je weiter die Hütten von der Lagerfeuerstelle entfernt standen, desto stärker sorgten die Lampen, die in ihrem Inneren durch die leichten Vorhänge der Fensterdurchbrüche leuchten, für den Eindruck, dort schwebten Dutzende Laternen.
Obgleich ihnen die Geräte einen sicheren Rückweg zum Shuttle auch in der Nacht ermöglicht hätten, nahmen Jonas, Ter-Nedden und Borland das Angebot eines einheimischen Führers gerne an. Im Gegensatz zu anderen Vertretern des Dorfes, die sie an diesem Tag kennen gelernt hatten, schwieg dieser junge große Mann beinahe den ganzen Weg über beständig, sodass sie nicht einmal seinen Namen erfuhren. Er trug eine Fackel mit sich, machte aber den Eindruck, als brauche er sie gar nicht und leuchte nur den Gästen zuliebe. Die Nacht war ruhig, vereinzelt hörten sie ein paar Pfiffe, die sie schnell geneigt waren, einigen nachtaktiven Vögeln zuzuordnen. Die Flora und Fauna des Planeten hatte einen so idyllischen Eindruck auf die Besucher gemacht, dass sie auch in dieser Dunkelheit, da die Umgebung nicht mehr recht einschätzbar war, ohne Besorgnis voranschritten. Nur Jonas versuchte einige Male über die weiten Ebenen zu blicken und die dichten Haine nach Spuren von Bewegungen oder nach fernem Widerleuchten der Fackel hin zu beobachten. Die meiste Zeit des Weges gingen sie alle hintereinander, sie waren fast am Shuttle angekommen, da unternahm der Doktor noch einmal den Versuch eines kurzen Gesprächs mit ihrem Expeditionsführer. Dazu ging er, die kleinen Lampen der Positionslichter ihres Schiffs auf der nächsten großen Ebene schon im Auge, mit raschen Schritten an die Seite des Einheimischen und bedankte sich für dessen Hilfe. Der Indigene antwortete mit einem kurzen Wort, das der Doktor nicht verstand. Der Klang der Stimme indes war heiter, und so lächelte Ter-Nedden freundlich. Das Licht der Fackel begann zu flackern, immer wieder fielen Gesichtszüge nun für Augenblicke in die Dunkelheit. Es ergaben sich Lücken wie bei einem Film, in dem viele Einzelbilder durch Schwärze ersetzt werden.
Sie waren am Shuttle angekommen, die junge Pilotin begrüßte sie an der geöffneten Hecktüre. Der Einheimische wandte sich noch einmal kurz an Jonas, den er wohl als eine Art Anführer vorgestellt bekommen hatte, hob die freie Hand etwas in die Höhe, sprach Worte der Verabschiedung und verschwand in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Alle schauten ihm noch eine Weile nach, am längsten Ter-Nedden. Mit leisen Gesprächen gingen die Pilotin, Borland und Jonas in das Pendelschiff. In den Stunden der Abwesenheit hatte sich an der Landestelle nichts ereignet. Der Doktor verfolgte mit den Augen immer noch den Weg des Einheimischen. Dieser mochte noch nicht einmal einhundert Meter entfernt gewesen sein – die freie Landschaft lag so eben, dass Ter-Nedden die Sicht nicht behindert wurde –, da ging mit einem Mal die Fackel aus. Der Doktor lauschte in die Dunkelheit, doch er hörte nicht einmal mehr die Rufe und das Pfeifen von Vögeln. Schließlich ging auch er in das Shuttle, die Tür schloss sich hinter ihm.
Sie hatten gerade abgehoben, da ging Ter-Nedden vor zum Cockpit.
»Die Aufregung war wohl umsonst«, sagte er in einem merkwürdigen Tonfall, es klang weder nach Schadenfreude, noch nach Mitleid.
»Ja«, lautete die knappe Antwort der Pilotin.
»Machen Sie sich nichts daraus, es werden auch andere Tage kommen.«
Er ließ offen, was er genau damit meinte. Er wollte sich gerade umdrehen, um sich zu den anderen zu setzen, da beobachtete er durch die große Frontscheibe, wie man gerade die Wolken durchflog. So setzte er sich auf den Platz des Co-Piloten und blickte gebannt nach vorne. Für Sekunden hatte man die Wolkenschicht hinter sich gelassen, war aber noch in einer hohen Zone der Atmosphäre, dort, wo die Felder um die Planetenkugel geisterten. Sie zeichneten sich in der Dunkelheit kaum ab, waren wenn überhaupt nur als Schleier in einem kühlen Blauton erkennbar. Wann immer sie über funkelnde Sterne glitten, ließen sie deren ansonsten weißes Licht blau oder violett erscheinen; beim Übergang spalteten sie es sogar in andere Farben des Spektrums.
»Schön«, kommentierte Ter-Nedden den Anblick. Die Pilotin lächelte.



___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel VI

Nun hat Williams bereits den Wechsel zum Ignoranten vollzogen. Diese Veränderung geschah wie aus dem Nichts und sie wird durch Clerke mit Wiederaufnahme des Konfliktes zwischen den beiden quittiert.

Anhand der Passage, in der die Figuren in das Dorf gelangen und es durchqueren, kann auch etwas von der Erzählstrategie, die Offensichtliches hinterfragt, gezeigt: Denn die Behausungen sind nicht aus Lehm, sie scheinen aus Lehm zu sein.

Im Dorf entlarvt sich Williams immer wieder: "Williams ertappte sich bei dem Gedanken, in der Person, der sie sich näherten, durchaus auch einen der von ihnen gesuchten Kolonisten sehen zu können." [S. 36] - er vermag nicht mehr zwischen Eigenem und Fremdem zu unterscheiden. Und dann kommt Jumi! Immerhin wird sie die wichtigste Frauenfigur der Erzählung sein.
Am Ende begeht der Captain einen Fehler, indem er Williams auf der Planetenoberfläche lässt.

Das, was man trotz gefühlter Nähe zu den Indigenen nicht weiß, wird gleich problematisiert ("So angenehm sich die Aufnahme nun zu gestalten
schien, so beklemmend wirkte dieser geheim vonstatten gegangene Wechsel auf Ter-Nedden. Hin und wieder wurden sie bei ihrem Weg durch das Dorf in den Schatten eines der gigantischen Felder getaucht, die hoch in der Atmosphäre umherirrten." [S. 37] ).
Viel Gelegenheiten, etwas von sich preiszugeben, erhalten die Einheimischen nicht, wenn sie doch mal eine bekommen, verstreicht sie praktisch ungenutzt ("Beide waren von dieser Antwort enttäuscht." [S. 39] ).

Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Tolayon am 10.06.12, 17:47
Schon wieder ein vollkommen menschlich aussehendes außerirdisches Volk, kein Wunder dass die Menschen dabei vielleicht zum naiven Schluss kommen, sie seien die Herren des Universums ;)

Aber die Kommentare am Schluss lassen noch auf ein böses Erwachen "hoffen".
Haben die Einheimischen vielleicht - ähnlich den ebenfalls sehr menschenähnlichen Centauri aus "Babylon 5" - unter ihrer Kleidung eindeutige Unterscheidungsmerkmale, wie ein gutes Dutzend kleiner Tentakel verborgen?

Oder wird der Unterschied noch viel größer sein und ihr Aussehen ist nur eine komplette Maskerade/ Projektion außerdimensionaler Wesen?
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 11.06.12, 16:24
Ja ich sag' einfach mal so: Dass die Außerirdischen hier so menschenähnlich sind, hat natürlich seinen Grund.
Und manchmal braucht es eben etwas anderes als das völlig Fremdartige, das ich beispielsweise in .: "Der Trick" :. (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,1366.msg39936.html#msg39936), wo dann auch die Erkenntnis, wie das außerirdische Leben aussieht, eine der zwei Pointen der Story ist.

Aber zu "Fremde eigene Welten": die Geschichte ist ja auch noch nicht zuende und so wie die Bedingungen sind, ist es schon auch von mir gewollt :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 18.06.12, 19:03

VII

Clerke wachte früh am morgen durch das Licht der aufgehenden Sonne auf. Es vergingen einige Sekunden, ehe er sich seiner Lage bewusst wurde; Williams, im Nachtlager links von ihm, schlief noch mit ruhigen Atemzügen. Langsam stand Clerke auf, behutsam, fast so, als bestünde die Notwendigkeit, unbemerkt zu bleiben; tatsächlich verspürte er aber kein Gefühl der Angst. Nach der ersten Desorientierung packte ihn eine merkwürdige Neugierde. Er trat vor die Hütte. Entgegen seinen Erwartungen herrschte im Dorf noch vollkommene Stille. Er holte tief Luft, vor Kälte rauchte der Atem als er ausschnaufte. Gerade einmal zehn Meter trat er von der Hütte weg und besah sich eine Pfütze. In der Nacht musste es geregnet haben. Im unebenen Boden der Dorfwege hatte sich an vielen Stellen Wasser gesammelt, doch bemerkte Clerke mit bloßen Auge das Absickern. Er richtete den Blick gen Himmel. Dort standen noch einige Wolken, doch im Licht der aufgehenden Sonne wirkten sie nicht dicht. Es schien vollkommen klar, dass sie sich binnen Minuten auflösen würden, Clerke erwartete einen heiteren, sonnigen Tag wie er ihn gestern erlebt hat, einzig mit den atmosphärischen Wechselfeldern, die Wolken gleich Landstriche in Schatten tauchen würden. Er ging noch einmal in die Hütte zurück und hinterließ dem noch immer schlafenden Commander auf einem der mitgebrachten Anzeigegeräte eine Nachricht. Erst als er die Dorfgrenze erreicht hatte, nahm er Kontakt zum Schiff auf, um auch dort seine Absicht klar zu machen, einen kleinen Erkundungsspaziergang vornehmen zu wollen. Binnen der ersten Stunde, in der der Lieutenant-Commander ohne lange Pause in konstant langsamen Tempo vor sich hin ging, wurde es spürbar wärmer. Die Feuchtigkeit des Taus und der nächtlichen Niederschläge dampfte. Schon nach etwa einem Kilometer gelang es Clerke nicht mehr, in der Umgebung irgendwelche Spuren des Eingriffs wahrzunehmen; die Natur lag unberührt, als sei nie ein menschliches Wesen hier gewesen. Clerkes Blick wurde unter diesen Eindrücken immer weniger forschend, doch sollte ihn sein unbestimmter Drang, weiter zu gehen, bald zu einer Entdeckung führen.
Commander Williams wurde von einem seltsamen Lärm geweckt. Für einen Augenblick brachte er das Geräusch nicht mit der Wirklichkeit in Verbindung, sondern band es ein in einen lebendigen Traum, der ihn in erregte Stimmung versetzt hatte. So schrak er hoch, als er den Lärm – es erschien ihm wie ein langgestreckter jammernder oder klagender Schrei – zum zweiten Mal hörte. Mit dem ersten wachen Moment war der Inhalt des Traums auch schon vergessen. Binnen Sekunden hatte er sich angekleidet und als der dritte, diesmal grelle Schrei ertönte, griff er bereits den am Vorabend abgelegten Phaser. Er wollte hinauseilen, doch sein Blick fiel auf das von Clerke auffällig drapierte Anzeigegerät, das schwach aber beständig hinweisend leuchtete. Den Text überflog der Commander nur kurz, die Aufregung trieb ihn ins Freie. Die Pfade, die von seiner Hütte zu den anderen führten, waren leer. Ohne sich nach dem Geräusch richten zu können, lief Williams los; nur schwach quietschte es unter seinen Sohlen, denn die ganze Feuchtigkeit war von der Sonne inzwischen entweder verdampft worden oder tiefer ins Erdreich eingesickert. Auf dem Dorfplatz fand er eine Gruppe von vielleicht einem Dutzend Leuten vor, mehr Frauen als Männer. Die Versammlung war gerade dabei sich aufzulösen, Williams bemerkte aber, dass sich zwei Paare noch an den Unterarmen umklammert hielten. Hier hörte er auch noch mal das Rufen und es war ihm unerklärlich, wie er es für dramatisches Zetern hatte halten können, so festlich und lebendig klang es nun. Er dachte darüber noch nach, wollte sich auch einem der Indigenen nähern, um ihn danach zu befragen, da sah er Jumi. Sie stand, fast wie verloren, am Rand der Gruppe. Während inzwischen alle ihres Weges gingen, blieb sie wie erstarrt stehen.
»Jumi«, brachte Williams hervor, als er nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt war. Sie nickte fröhlich und ihre Gesichtszüge, die er eben noch als recht matt gedeutet hatte, wurden heiter. Er wollte sie irgendetwas fragen, merkte, dass es ihr ähnlich ging, fand aber nicht die richtigen Ausdrücke. Wortlos gingen sie quer über den Dorfplatz, beinahe hätte er sie, einfach um etwas gesagt zu haben, doch über die seltsame morgendliche Zusammenkunft und das Rufen ausgefragt, als er aber den Blick zur Seite wandte und in ihr schönes Gesicht sah, kam ihm das alles plötzlich vollkommen nichtig vor und die Stille zwischen ihnen erfüllte ihn mit einer unbestimmbaren Freude. Sie lächelte wieder, eines der wandelnde Felder tauchte das Paar in einen düsteren Schatten.
Lieutenant-Commander Clerke hatte sich eben entschlossen, zum Dorf zurückzukehren, da blieb sein Blick an einer Stelle des Horizonts hängen. Eigentlich gab es dort nichts außergewöhnliches, eingerahmt von zwei Hainen beschrieb die Grasfläche aber keine Linie, sondern beugte sich leicht nach unten. Er schätzte, dass er von dieser Stelle noch eine halbe Stunde entfernt war und um den Weg nicht umsonst zu gehen, führte er mit seinem Tricorder einen Scan durch. So schnell war er gewesen, dass er den Ort in weniger als zehn Minuten erreicht hatte. Was ihm aus der Distanz wie eine leichte Senke erschienen war, bildete den einen Rand des in Wahrheit tiefsten Geländeabfalls, den er auf diesem Planeten bisher gesehen hatte. Als er die Böschung hinabblickte, überraschte ihn das Blitzen vieler hundert über die ganze Kuhle verstreut in der offen liegenden Erde steckenden Metallsplitter. Sie reflektierten das Licht der Sonne in einem wärmen Goldfarbton, als eines der Felder hoch in der Atmosphäre zwischen die Strahlen und die Grube glitt, wurde das Funkeln der Fragmente beinahe bläulich.

»Sie wollen wieder mit?«, fragte Jonas.
»Ja«, kam die fast eifrig klingende Antwort des Doktors. Er hatte den Captain im Korridor vor der Shuttlerampe abgepasst. Jonas überlegte, wie Ter-Nedden den richtigen Zeitpunkt erwischt haben mochte, vermutlich hatte er die Absprache mit der Shuttle-Pilotin am letzten Abend mitgehört.
»Gut.«
Sie befanden sich schon auf dem halben Weg zur Oberfläche, als sie das nächste Mal miteinander sprachen. Jonas hatte sich gerade ein Glas Wasser aus der Replikatornische des Shuttles geholt, das ihm als Frühstücksersatz dienen sollte, und sich hingesetzt, als er sein Gegenüber fragte:
»Was erwarten Sie sich von diesem Tag?«
»Die Leute sind freundlich, aber mir scheint, sie wollen uns nicht das sagen, was uns wirklich interessiert.«
Jonas nickte. Langsam nahm er einen Schluck aus dem Glas, Ter-Nedden sprach weiter.
»Da gab es irgendein Problem, das ist für mich sicher. Freundlich sind sie ja, aber direkt unter der Oberfläche ist einiges, was wir nicht verstehen. Da können sie uns noch so ähneln, nicht nur äußerlich, sondern von mir aus auch in den Umgangsformen. Das Problem hängt mit dem zusammen, was wir an ihnen nicht verstehen.«
Einen kleinen Moment schwiegen sie, dann schien es, als sei der Doktor von einem unerhörten Gedanken befallen worden.
»Ja«, sagte er geradezu agil, »ich bin davon überzeugt, dass die Einheimischen etwas mit dem Verschwinden der Kolonisten zu tun haben.«
Jonas nickte wieder, etwas bedächtig und damit nicht so, als wolle er seinem medizinischen Offizier uneingeschränkt recht geben, sondern vielmehr als glaube auch er, dass man zwangsläufig auf diese Idee kommen musste.
»Aber«, sprach der Doktor weiter, »ohne Informationen aus dem Speicher der Station tappen wir im Dunklen...«
Er sagte das in einem Tonfall, der klarmachte, dass das nicht alles war.
»Sie würden sie direkt fragen?«
»Ich weiß nicht«, Ter-Nedden zuckte mit den Schultern. Er lehnte sich verschwörerisch vor. »Sie werden nichts sagen...«
»Das muss nicht sein. Möglich, dass Maahzel eine interne Kommunikation in Gang gesetzt hat, von der wir profitieren könnten«, fuhr ihm Jonas ins Wort.
»Denkbar«, entgegnete der Doktor flüchtig, und setzte dann dort an, wo er unterbrochen worden war, »aber wenn sie uns nichts sagen sollten, können wir versuchen, auch daraus unsere Schlüsse zu ziehen.«
»Ich frage mich, was Mister Williams und Mister Clerke zu erzählen haben«, entgegnete Jonas, als gebe er gar nichts auf die Ansichten Ter-Neddens.
Diesmal landeten sie näher am Dorf, die letzten Meter zur Siedlungen erschienen ihnen aber aus unerfindlichen Gründen mühsamer als am Vortag.



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Hintergrund-Informationen zu Kapitel VII

Williams' Unfähigkeit, zu analysieren, zeigt sich einmal mehr; gleich wird er auch wieder von Jumi abgelegt.
Auch wenn Clerke eine nicht unwichtige Entdeckung macht, bringt dieses Kapitel nicht besonders viel Neues. Und doch wird man aus ihm mit der klaren Andeutung auf eine bevorstehende Gefahr entlassen: "Diesmal landeten sie näher am Dorf, die letzten Meter zur Siedlungen erschienen ihnen aber aus unerfindlichen Gründen mühsamer als am Vortag." [S. 46].

Titel: Kapitel VIII
Beitrag von: Max am 23.06.12, 11:42

VIII

»Wo ist Mister Williams?«, wollte Jonas wissen. Der Häuptling schwieg.
»Ich habe ihn heute noch nicht gesprochen«, entgegnete Clerke leise. Er stand dicht am Captain, wandte den Kopf beim Sprechen aber kaum zur Seite, sondern fixierte Maahzel wie Jones mit seinem Blick unablässig. »Als ich heute morgen aufstand, um eine kleine Erkundung durchzuführen, schlief er noch. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.«
Jonas nickte nicht einmal. Als er erkannte, wie eindringlich aber auch misstrauisch sein Augenspiel auf den Häuptling wirken konnte, zwang er sich ein leichtes Lächeln ab und drehte sich etwas zur Seite, weg auch von Clerke. Er berührte seinen Kommunikator.
»Captain Jonas an Mister Williams.«
Nur Stille antwortete ihm.
Beim Nachdenken huschten seine Blicke über den Boden, zuerst ganz flüchtig, dann fielen ihm unvermittelt Einzelheiten auf. Der Untergrund war staubig, nur einzelne Grashalme trotzten hier der Unbill ihrer Existenz. Jonas schüttelte begleitet von einem fast schon zischenden Ausatmen den Kopf. Er drehte sich wieder zu Maahzel hin.
»Wo ist Mister Williams?«, wiederholte er seine Frage wortwörtlich. Einzig seine Stimme klang freundlicher.
Statt ihm zu antworten, machte Maahzel zwei ausladende Gesten. Auf die erste reagierten zwei der umstehenden Einheimischen, indem sie sich so positionierten, dass Jonas schnell von seinen Begleitern abgeschnitten werden könnte. Die zweite Bewegung machte dem Captain klar, dass der Häuptling ihn einlade oder auffordere, ihm zu folgen. Jonas zögerte nicht und als er und Maahzel in Richtung dessen Hütten losschritten, versperrten die beiden Indigenen Ter-Nedden und Clerke tatsächlich den Weg. Der zweite Offizier blieb stehen, als ginge ihn das ganze gar nichts an, nur der Doktor trat einen Schritt zur Seite, als wolle er an seinem Bewacher vorbei und dem Captain nachstürzen. Der Einheimische machte die Bewegung nach und der Doktor, der sich nur nicht die Sicht versperren lassen hatte wollen, verharrte resignierend. Clerke zog ihn leicht am Ellenbogen, mit dem Kopf nickte er in die andere Richtung. Ter-Nedden ließ sich, allerdings nur unter mürrischen Murmeln, dazu bewegen, die Szene zu verlassen.
»Williams ist bei Jumi«, meinte Maahzel, da hatten er und der Captain die Hütte gerade erreicht.
»Ist das ein Problem?«, fragte Jonas.
»Ja. Er hätte das nicht tun dürfen.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Nein.«
»Was geschieht nun?«
»Ich kann dieser Verbindung nicht zustimmen«, meinte Maahzel rigide.
»Als Häuptling oder als Vater?«, entfuhr es dem Captain. Er wusste selbst nicht genau, warum er diese Frage stellte. Maahzel ließ sie unbeantwortet. Hatte sein Blick gerade noch an den Augen Jonas’ geheftet, so lenkte jetzt offenkundig etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. Maahzel sah dicht am Captain vorbei, dieser drehte sich um. In gut zwanzig Metern Entfernung stand Lhaazel. Jonas wollte gerade zu einem weiteren diplomatischen Versuch anheben, doch der Häuptling kam ihm zuvor.
»Finden Sie sich am Nachmittag noch einmal hier ein«, befahl er.
»Ja«, bestätigte Jonas, bemüht, seiner Stimme besondere Höflichkeit zu verleihen. »Was passiert in der Zwischenzeit mit Mister Williams?«
»Er wird es bei Jumi gut haben«, entgegnete der Maahzel. Er hatte sich schon früher abwenden wollen, nun drehte er sich wirklich um und verschwand in der Hütte. Jonas sah Lhaazel an, dass es keinen Zweck haben würde, das Gespräch mit ihm zu suchen, so gingen beide Männer wortlos aneinander vorbei, der Einheimische verschwand in der Hütte des Häuptlings, der Besucher aus einer fremden Welt ging dorthin zurück, wo er seine Kollegen verlassen hatte.
Er fand Ter-Nedden und Clerke nahe der Lagerfeuerstelle wieder, an der am Vortag die feierähnliche Zusammenkunft stattgefunden hatte.
»Doktor«, sprach Captain Jonas, wie in Fortführung von Gedanken, »Ich überlege gerade: Was verstehen Sie eigentlich unter ›bio-soziologisch‹?«

Um einige Spekulationen reicher erschien Jonas in den ersten Stunden nach der Mittagszeit im ausgetretenen Platz vor der Hütte des Häuptlings. Er, Ter-Nedden und Clerke waren sich nun schon beinahe sicher, das Rätsel um das Verschwinden der Kolonisten im Groben gelöst zu haben. Die wirklichen Zusammenhänge fehlten ihnen zwar noch, der eigentliche Ablauf war ihnen auch noch unbekannt und Beweise fehlten freilich vollkommen. Für den Moment hatte ihnen aber ein Gefühl des Ansatzes, wonach man zumindest nun Vermutungen anstellen konnte, genügt. Zynisch hatte Clerke Williams für seinen Einsatz sogar gedankt.
Ein Einheimischer bat Jonas in die Hütte. Der Captain besah sie sich flüchtig. Außer ihm und Maahzel befanden sich keine Personen im zentralen Raum, sogar der Indigene, der wohl eine dienende Funktion zu haben schien, war Jonas nicht gefolgt. Der Häuptling sprach ein paar Worte zur Begrüßung. Mit feierlichen Gesten, die Jonas nicht zu deuten wusste, richtete er sich zu voller Größe auf. Jetzt schätzte der Captain die Körperlänge auf weit über zwei Meter, eindrucksvoll hob Maahzel seine Arme in Schwüngen und nur wenig der Wirkung war verflogen, als sich die beiden Männer wieder wie erstarrt gegenüberstanden.
Jonas sagte nach der Begrüßung kein Wort; dass er eine Auskunft einforderte, war auch so klar.
»Williams«, sagte Maahzel feierlich, »muss hingerichtet werden.«
»›Muss‹?«, wiederholte der Captain. Die Aussage des Häuptlings hatte ihn noch nicht einmal sonderlich überrascht, doch der Tonfall der Verkündung schockierte ihn.
»Ja. Noch diese Nacht.«
»Warum?«, fragte der Captain ruhig. Eigentlich hatte er diese Frage vermeiden wollen, denn obgleich sie natürlich zentrale Relevanz besaß, hielt er sie für sinnlos. Vermutlich gab es viele Tabus, von denen sie noch nichts wussten. Diese Gefahr begleitete sie, Williams’ Verhalten war genau deswegen fahrlässig gewesen. Aber auf diese Weise den Hintergrund eines Verbots erforschen zu wollen, ärgerte Jonas. Die Antwort des Häuptling war indes so unerwartet, dass der Captain seine Frage nicht mehr länger bereuen konnte.
»Weil es nicht möglich sein kann, dass Williams eine aufrichtige Verbindung gesucht hat.«


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel VIII

Nach dem letzten Satz des vorangegangenen Kapitels kommt die Bedrohung nicht aus dem Nichts. Fiktionsintern allerdings weiß sie durchaus zu überraschen.
Bemerkenswert ist, wie schnell der Captain Schlüsse ziehen kann (»Doktor«, sprach Captain Jonas, wie in Fortführung von Gedanken, »Ich überlege gerade: Was verstehen Sie eigentlich unter ›biosoziologisch‹?« [S. 48] ), die Konsequenzen bzw. Interpretationen bleiben aber sozusagen unausgesprochen.
Seine Entscheidung, Williams auf den Planeten zu lassen, muss so eigenartig, ja fahrlässig wirken.

Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Alexander_Maclean am 25.06.12, 10:54
Ich. wollte. fragen͵ ob du eine Version. hochladen kannst, wo die. Schriftgrö ße grösser ist?

Ich wollte das PDF auf dem Smartphone lesen, aber das ging nicht mal im Querformat.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 25.06.12, 18:54
Gerne. Im Moment ist die Schriftgröße 14 eingestellt, dabei gibt es so ungefähr 10 Wörter pro Zeile.
Was meinst Du, soll ich das auf 18 stellen, dann sind es etwa 7...
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Alexander_Maclean am 25.06.12, 19:22
20 wäre noch besser. Wenn es keine Umstände macht.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 25.06.12, 19:45
Gar kein Problem :)

Die Datei liegt jetzt Eingangsposting als dritte bereit: "MM-Fremde_eigene_Welten--Aufl-2-Size20" mit Namen :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Alexander_Maclean am 25.06.12, 20:13
Danke. :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 27.06.12, 12:37
Gern geschehen :)
Ich hoffe nur, es ergeben sich nicht zu viele unschöne Umbrüche. Aber ich habe mal flüchtig drübergesehen :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Alexander_Maclean am 27.06.12, 16:04
Also mir ist da nichts aufgefallen was die Umbrüche angeht.

So zur Kritik:

ich habe das Werk nun durchgelesen. Und wundere mich, das sich beim ersten Mal Zwischen drinne abgebrochen habe.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen. Smartphone sei dank.

Vier Punkte sind mir besonders positiv aufgefallen:

1. Schon beim Flug des Schiffes und dann auch bei der Untersuchung der Kolonie stellte sich ein gewissen „Bedrohungsgefühl“ ein und man wartet als Leser auf den großen Knall.

2. Dis Diskussion um die Anwendung der Obersten Direktive. Clerke hat ja den Text in seiner Absolutheit interpretiert, was auch ein diskussionswürdiger Standpunkt ist. Denn im Grund hat er ja Recht. Jede Entdeckung ist ein Eingriff.

3. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass du relativ wenige weibliche Charaktere verwendet hast und dass man davon hätte ahnen können, dass einer aus dem Außenteam in „seine Angel in den Teich“ hängt.
Und da Clerke ne Verlobte hatte und Ter Nedden mit der Pilotin flirtete, kamen ja nur noch Williams oder Jonas in Frage.

4. Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend. Letzter Punkt gilt auch IMO für die interessante Krankheit, an welcher der Captain leidet. Solche Rückblende nutze ich ja hier und da auch ganz gerne, gerade wenn es um prägende Charaktermomente geht.

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Wo ich nicht ganz zufrieden bin ist der Schluss.

Klar hat der offene Schluss bezüglich Williams seinen Charme, aber er lässt einen auch irgendwie unbefriedigt zurück.

Zudem hätte ich gerade beim ihm etwas mehr Hintergrund gewusst, Vielleicht auch, warum gerade ER auf diesen „Südseecharme“ reinfällt.

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Noch Nachsatz zu Captain Jonas

Wir hatten ja die Diskussion bei Horpach über „Passivität“ des Captains gehabt. Und vermutlich hätte ich das auch bei Jonas angemeckert, wenn du nur die DA gepostet hättest. Jedoch für ein kleines Schiff und angesichts der Mission fand ich das beschriebene Verhalten von Jonas nicht weiter problematisch.

Und das er die Situation eher über Diplomatie klären wollte passte zu seien sonstigen verhalten. Und was mir gut gefallen hat, dass er über sein Verhalten und teilweise auch sein „Versagen“ – das steht bewusst in Anführungszeichen – reflektiert. Das nimmt diesen passiven Verhalten die Intensität bzw. auch die Problembehaftung.

Vielleicht gelingt dir dasselbe, wenn mal Horpach in einen Einsatz zu sehen ist.

Fazit:

Ich gebe der Story 9 von 10 Punkten

Wer eine fordernde Geschichte lesen will ist hier genau richtig.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 28.06.12, 15:08
Alex, vielen Dank fürs Lesen und für das lange Feedback :) Das weiß ich sehr zu schätzen  :lieb



ich habe das Werk nun durchgelesen. Und wundere mich, das sich beim ersten Mal Zwischen drinne abgebrochen habe.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen.
Danke für das Kompliment. Schon ab einer frühen Phase der Geschichte sollten "Rätsel" (thematischer Natur aber auch die Figuren betreffend) Interesse wecken. Es freut mich, dass das geklappt hat.

Denn jetzt fand ich die Story sehr spannend und sehr fesselnd und nicht allzu philosophisch. Daher habe die Geschichte in zwei Busfahrten (je einmal Hin und zurück) sowie der Mittagspause gelesen. Smartphone sei dank.

Vier Punkte sind mir besonders positiv aufgefallen:

1. Schon beim Flug des Schiffes und dann auch bei der Untersuchung der Kolonie stellte sich ein gewissen „Bedrohungsgefühl“ ein und man wartet als Leser auf den großen Knall.

Danke :) Beim Schreiben ist mir auch aufgefallen, dass es bei dem Szenario - landschaftliches Idyll bei einem gleichzeitigen Gefühl der Deplatziertheit (etwa durch das Empfinden der Künstlichkeit) - durchaus zu Irritationen kommen kann und das wollte ich schon auch nutzen, damit ein Bedrohungsgefühl entstehen kann.

2. Dis Diskussion um die Anwendung der Obersten Direktive. Clerke hat ja den Text in seiner Absolutheit interpretiert, was auch ein diskussionswürdiger Standpunkt ist. Denn im Grund hat er ja Recht. Jede Entdeckung ist ein Eingriff.
Ich habe ja auf Aliens gesetzt, bei denen der menschliche Besucher schon mal bereit sein kann, eine Distanz aufzugeben. Bei Bynären wäre das ja zum Beispiel anders. Aber gerade durch diese Basis musste das schon eine Geschichte werden, die die Oberste Direktive "untersucht" oder "durchspielt"...

3. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass du relativ wenige weibliche Charaktere verwendet hast und dass man davon hätte ahnen können, dass einer aus dem Außenteam in „seine Angel in den Teich“ hängt.
Und da Clerke ne Verlobte hatte und Ter Nedden mit der Pilotin flirtete, kamen ja nur noch Williams oder Jonas in Frage.
Ja, das Verhältnis Mann7Frau spielt in dieser Geschichte schon eine zentrale Rolle. Das zieht sich durch die gesamte Geschichte, egal ob es um die Figuren selbst geht, um die Außerirdischen oder um Jonas' Vergangenheit oder die Parabel, die er dem Häuptling erzählt. Ich fand es sehr spannend, das Konzept so aufzuziehen, obwohl oder auch gerade weil es dadurch ein wenig mit der selbstverständlichen Gleichberechtigung bricht. Aber dafür ist es hier um so spannender, sich zu vergängenwärtigen, welche Rollen die Frauen in "FeW" spielen.

4. Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend.
Ja, der Raumschiffname ist wirklich wichtiger, als man zunächst meinen möchte. Wie ich auch in den Interpretationskommentaren hier im Thread geschrieben habe bzw. noch schreiben werde, spielt er sozusagen auf verschiedenen Ebenen "mit". Ich mag das sehr, so verschiedene Träger einer Botschaft einzustreuen, denn einen Schiffsnamen nur nach dem schönen Klang zu wählen ist nett, aber man kann noch viel mehr damit machen.

Klar hat der offene Schluss bezüglich Williams seinen Charme, aber er lässt einen auch irgendwie unbefriedigt zurück.

Zudem hätte ich gerade beim ihm etwas mehr Hintergrund gewusst, Vielleicht auch, warum gerade ER auf diesen „Südseecharme“ reinfällt.
Stimmt, Williams habe ich nicht besonders freundlich behandelt ;) :D
SPOILER-Warnung
Ich glaube, es man weiß schon, was mit dem Commander geschehen wird, auch wenn ich es im Text nicht weiter ausgeführt habe. Im fünften Kapitel sagt er ja einen denkwürdigen Satz, er meint es scherzhaft, sagt aber sein Schicksal voraus: »Hier«, sagte Williams lachend und im Scherz, »gehe ich nicht mehr weg!«
Gut, dass schließt auch ein Happy-Ending nicht aus, aber dafür halte ich ihn für zu ignorant - und diese Ignoranz ist zwar nicht selbst durch Erlebnisse in der Vergangenheit erklärt, erklärt aber seine mangelnde Distanz zu den Dingen und zeigt, dass er nicht gut reflektieren kann. Er verläßt sein Schema nicht.
Ende der SPOILER-Warnung

Aber es stimmt schon, es ist nicht vollkommen fair, Williams' Hintergrund nicht stark zu beleuchten. Beim Captain ist das anders. Tatsächlich werden zwei Figuren aufgewertet dadurch, dass sie eine Vergangenheit besitzen: Ter-Nedden und Jonas. Die anderen können sich nur durch ihre Handlungen innerhalb des Zeitrahmens bewähren, den wir in der Geschichte sehen. Das ist halt ein spezielles Wirksystem und es bedeutet, dass für mich nicht die Figur Williams von Bedeutung ist - während das bei Jonas anders ist, hier geht es schon darum, den Charakter zu beleuchten -, sondern fast nur das, was er für die Handlung bedeutet.


Die Einwürfe mit der Suche nach der Bedeutung des Schiffsnamen. Erst etwas störend, wenn auch nicht allzu sehr, aber mit der Auflösung durchaus wie einfach zu Text dazugehörend. Letzter Punkt gilt auch IMO für die interessante Krankheit, an welcher der Captain leidet. Solche Rückblende nutze ich ja hier und da auch ganz gerne, gerade wenn es um prägende Charaktermomente geht.

[...]

Noch Nachsatz zu Captain Jonas

Wir hatten ja die Diskussion bei Horpach über „Passivität“ des Captains gehabt. Und vermutlich hätte ich das auch bei Jonas angemeckert, wenn du nur die DA gepostet hättest. Jedoch für ein kleines Schiff und angesichts der Mission fand ich das beschriebene Verhalten von Jonas nicht weiter problematisch.

Und das er die Situation eher über Diplomatie klären wollte passte zu seien sonstigen verhalten. Und was mir gut gefallen hat, dass er über sein Verhalten und teilweise auch sein „Versagen“ – das steht bewusst in Anführungszeichen – reflektiert. Das nimmt diesen passiven Verhalten die Intensität bzw. auch die Problembehaftung.

Vielleicht gelingt dir dasselbe, wenn mal Horpach in einen Einsatz zu sehen ist.
Ja bei Jonas ist das eine interessante Sache! Von Anfang an scheint er ein Problem mit dem Amt des Captains zu haben und das wird hauptsächlich dann verständlich, wenn man sein Trauma erfährt. Er scheint die eigenen körperlichen und psychischen Auswirkungen noch auf irgendeine Weise mitzuschleppen; das ist aber nur das eine, das andere ist, dass er irgendwie Probleme mit Befehlen zu haben scheint. Nicht, dass er keine Skrupel hätte, seine Untergebenen in ähnlich existenziell bedrohliche Situationen zu bringen, wie ihm es als Commander widerfuhr. Und trotzdem spürt man ab und an diese Passivität, die Dinge einfach auch laufen zu lassen.
Sein Vorteil ist wirklich, dass er sein Verhalten überdenken kann und umgekehrt seine Offiziere auch nicht wirklich gängelt. Aber es ist auch sein erstes Kommando, er scheint noch in einem Lernprozess.

Horpach, da hast Du Recht, ist sicherlich kein unähnlicher Fall. Seine Motive dürften etwas anders sein - obwohl auch er ja ein Trauma durchlitten hat. Aber er ist ja praktisch schon ein alter Hase, während ich mit bei Jonas noch eine Art Entwicklung vorstellen kann.
Horpach im Dienst respektive in einer Geschichte zu erleben, wird sich wirklich von dem Dienstakten-Eintrag abheben. Er ist schon auch eine spannende Figur, weil sich bei ihm viel abspielen wird, auch wenn er nach außen unspektakulär erscheint. So ein Charakter spielt in der Prosa wohl seine Stärken erst wirklich aus.


Fazit:

Ich gebe der Story 9 von 10 Punkten

Wer eine fordernde Geschichte lesen will ist hier genau richtig.
Vielen Dank! Es freut mich sehr, dass Dir die Geschichte so gut gefallen hat, vor allem auch deswegen, weil es ja meine erste längere Story war  :ebounce


Titel: IX
Beitrag von: Max am 08.07.12, 12:02

IX

Es ging wieder los. Monate war er nun inzwischen verschont geblieben; immer hatte er sich vor dem Moment gefürchtet, da es ihm das erste Mal als Captain heimsuchen würde. Gewöhnlich hatte Doktor Ter-Nedden immer einen Zusammenhang mit Stress ausgeschlossen, schon früher fand Jonas das irgendwie bedauerlich, auch jetzt, denn er stand unter Stress: Ein Mitglied seiner Mannschaft hatte eine Beziehung zu einer Einheimischen begonnen und sollte nun deswegen hingerichtet werden. Die körperlichen Anzeichen bei Jonas waren eindeutig; der Blutdruck stieg etwas, er bekam leichte Gänsehaut – obwohl dies auch ein Schaudern vor Angst sein konnte. Vor allem aber pochte ihm das Blut in den Adern, in den feinsten Äderchen des Gesichts, an Stellen der Wangen, wo er vormals gar nicht angenommen hatte, der Mensch besäße sie dort. Das Pochen wurde stärker, hielt sich auf hohem Niveau nur kurz, um schließlich mit Wärme auszuschleichen. Dann setzte das Gefühl des Juckens ein, eine Empfindung, die er besonders verabscheute, nicht nur, weil sie enervierend störte. Jetzt, das war ihm klar, würde sich entlang einiger Gesichtsäderchen eine Verfärbung abspielen. Es würden dort Male entstehen, in Form von simplen Gewitterblitzen oder Flussverläufen aus großer Entfernung. Von früher war ihm noch bekannt, dass sie orange, rot, violett oder blau sein konnten; wie sie jetzt aussahen, wusste er nicht. Wie beinahe immer, so konnte er sich auch dieses Mal nicht beherrschen und tastete mit den Fingern beider Hände, die juckenden Stellen beider Wangen ab, um die Veränderung irgendwie zu erfühlen und auch, wohl gerade jetzt, um den epidermalen Wandel schamhaft zu verstecken. Es war eine ganz intuitive Handlungsweise, die er nach den ersten Momenten dieses Überfalls, wie er es empfand, gleich wieder aufgab. Wenn er etwas von den wenigen Ausbrüchen bisher gelernt hatte, dann das, dass er in seiner eigentlichen Leistungsfähigkeit durch sie nicht sonderlich beeinträchtigt wurde. Als benötige er diese Legitimation, fiel ihm auch das kurze Gespräch mit dem Admiral und die Versicherungen von Leuten wie Ter-Nedden ein, die ihm weiterhin volle Diensttauglichkeit – auch für den Posten des Raumschiffkommandanten – bescheinigten. Die Blicke, die er nun nach links und rechts warf, waren anderer Natur. Er war mehr genervt als verunsichert. Zu den Automatismen, die jeden dieser Anfälle begleiteten, gehörte auch ein mal stärker mal schwächer empfundener Zorn; Jonas lehnte sich stets aufs Neue gegen das Ereignis von damals auf, dem er diese Male verdankte. Maahzel, Lhaazel und den anderen konnte die Veränderung nicht verborgen bleiben. Der Häuptling wurde still, im Hintergrund regte sich jedoch immer lebendiger werdendes Getuschel. Jonas kannte Menschen, auch Leute in seinem Rang, die diese Situation mit einem Scherz überspielt hätten, andere hätten einen derartigen Anfall dramatisch in Szene zu setzen versucht; er selbst hob bereits zu einigen knappen aber klaren Worten der Erklärung an, doch das war nicht nötig. Das Gemurmel aus den hinteren Reihen wurde sukzessive weniger, Jonas hatte sogar den Eindruck, die Eingeborenen, von denen es herrührte, wichen etwas von ihm zurück. Maahzel indes trat einige Schritte auf ihn zu. Er sprach leise einige Formeln vor sich hin, die der Universalübersetzer entweder nicht verstand oder in der Ausgabe bloßer Worthülsen für sinnvoll befand. So nah stand der Häuptling inzwischen am Sternenflotten-Kommandanten, dass er ihn mit Leichtigkeit berühren konnte und tatsächlich streckte er seinen linken Arm aus, faltete aus der eben noch geschlossenen Faust langsam die Finger aus und wollte mit Zeige- und Mittelfinger die rechte Wange seines Gegenübers berühren. Jonas setzte einen Schritt zurück, doch Maahzel folgte ihm und nach dieser ersten intuitiven Flucht blieb der Captain stehen und ließ den Fremden gewähren. Die Berührung war weder angenehm noch das Gegenteil; der Häuptling strich mit den Fingerkuppen zwei-, dreimal über die Stellen der Wangen, an denen Jonas die Male vermutete, und wandte sich dann halb ab. Mit den Lippen formte er zwei, drei Worte, die Jonas nicht verstand, presste dann den Mund mit der Mimik eines zufriedenen Nickens zusammen. Ein paar Indigene, vor allem ältere, hoben einen nicht lauten, dafür aber sakral-feierlichen Lobgesang an. Eine merkwürdige Trance erfasste nun alle Einheimischen, in der es der Doktor wagte, langsam zum Captain zu schreiten und sich flüsternd mit ihm zu unterhalten.
»Wie geht es Ihnen?«, war seine erste Frage, Jonas winkte nur ab.
»Seltsam, nicht wahr, Doktor?«
»Ja. Man könnte meinen...«, hob Ter-Nedden an, ließ den Satz aber grundlos offen.
»Das kann schlecht für uns werden, oder aber uns in die Karten spielen.«
»So ist es meistens«, entgegnete Ter-Nedden scherzhaft, wurde aber sofort wieder ernst. »Wir wissen von ihnen zu wenig. Ich musste nur gerade an Derrida denken. Egal. Es darf uns jedenfalls nicht überraschen, wenn diese Leute dem, was mit Ihnen passiert ist, eine zeichenhafte Bedeutung beimessen.«
Jonas nickte, überließ das Reden jedoch dem Doktor und beobachtete stattdessen die Umgebung. Es war, so befand er nun, weniger eine Trance, als vielmehr ein verzückter Wachzustand, in dem sich die Einheimischen befanden – wie eine bescheidene Feier, in der sie sich nicht stören ließen.
»So eine Veränderung«, meinte der Doktor; er sprach immer leiser, »kann natürlich wie etwas Göttliches gedeutet werden. Wir sehen es als Symptom einer Krankheit, ich sehe aber keinen Anhaltspunkt, dass es von deren Seite ähnlich oder irgendwie negativ aufgefasst wurde. Mal sehen, was daraus wird.«
Minuten mochten inzwischen vergangen sein, nach und nach löste sich die Versammlung auf, sodass am Ende nur noch Jonas, Ter-Nedden und etwa ein Dutzend Indigene, unter ihnen Maahzel und Lhaazel, in der Hütte übrig blieben.
»Die Lage hat sich geändert«, verkündete Maahzel.
Der Doktor zwinkerte Jonas zu.
Effektvoll warf der Häuptling einen Vorhang zur Seite, der für diesen Hüttenraum als Türe fungierte.
»Jonas«, sprach er einigermaßen festlich, »wir haben das Zeichen gesehen und ich entscheide daraufhin: Die Hinrichtung wird verschoben. Ein solches Zeichen kann nicht übergangen werden.«
Jonas, der sitzen geblieben war, hielt den Kopf immer noch nach vorne gerichtet und sah mit den Augen von unten herauf.
»Es«, begann er nun zu sprechen, »ist nun die Frage, was Sie aus diesem Zeichen machen wollen...«
»Es ist mir durchaus bewusste, dass Sie, Jonas, damit nicht das gleiche verbinden wie wir, für Sie ist es nur eine Erscheinung von vielen.«
Jonas hätte ihm widersprechen können, den die Aussage des Indigenen deckte sich kaum mit seiner inneren Befindlichkeit zu diesem Thema; von Bedeutung war das jetzt aber nicht. Maahzel sprach weiter.
»Williams kann sich freuen: Sie bekommen die Möglichkeit ihn zu retten.«
Jonas stand auf.
»Wie?«
»Er wurde verurteilt, weil er die Verbindung mit Jumi gesucht hat. Das aber ist nur dann erlaubt, wenn er sie liebt.«
Jonas wollte gerade nachfragen, wie der Häuptling sich so sicher sein könne, dass das nicht der Fall sei; seine Male durchfuhr in diesem Moment aber ein leichtes Brennen und so als wolle er sich von einem lästigen Insekt befreien, wischte Jonas reflexartig über seine Wange; schon hatte Maahzel weitergesprochen.
»Reden Sie mit Williams.«
»Wie ist er zu retten?«
»Reden Sie erst mit ihm, wir werden uns in einigen Augenblicken wieder hier treffen – dann das übrige.«
Maahzel wies mit der Hand zum Vorhang. Des Rätsels Auflösung würde also noch auf sich warten lassen.

Williams sah nicht gut aus. Körperlich schien er unversehrt, doch die Aussicht auf die drohende Hinrichtung hatte psychische Spuren hinterlassen.
Jonas, Maahzel und eine Wache betraten den Raum, der Häuptling flüsterte dem Captain einige unbedeutende Worte zu und verschwand wieder; der Bewacher blieb.
Sofort sprang Williams auf, mit nur drei, vier Schritten stand er schon bei seinem Kommandanten.
»Sir!«
»Mister Williams, wie geht es Ihnen?«
»Sie haben mir noch nichts getan, aber ich weiß nicht wo Jumi ist.«
»Ihr wird nichts geschehen sein.«
»Captain, hören Sie!«, nun senkte der Commander die Lautstärke seiner Rede und schlenderte wie beiläufig in eine andere Ecke des Raums. Tatsächlich folgte die Wachen den beiden Sternenflottenoffizieren nicht.
»Captain: Wir sind zwei gegen einen. Da ich schon länger hier bin, kenne ich mich ein wenig aus. Uns gelingt es sicher, ihn niederzuschlagen. Dann müssen wir einfach durch den Durchgang, aus dem Sie gekommen sind, hinaus; nach dem nächsten Durchgang sind wir bereits draußen. Nach Westen kommen wir am schnellsten aus der Siedlung. Jumi wird sicher in einer der Hütten in der Dorfmitte festgehalten. Reev steht doch sicher schon mit einem Team bereit? Mehr als eine Handvoll Bewacher wird sich uns nicht in den Weg stellen.«
Williams war kaum zu bremsen. Obwohl er wusste, dass sie nicht viel Zeit haben würden, ließ der Captain seinen ersten Offizier aussprechen.
»Mister Williams. Ich weiß nicht noch wie, aber Maahzel sagte, ich bekäme Gelegenheit Sie zu retten.«
In Williams’ Blick war eine eigenartige Form von Staunen festzustellen. Natürlich war er davon ausgegangen, dass es einen Weg zu seiner Rettung geben würde. Die Bedrohung seines Lebens war real, das hatten sie gesehen. Erwartet hatte er ein Rettungsmannschaft, die mit Phasern bewaffnet die Hütte stürmen würde, um ihn noch vor der dramatischen Stunde aus dem Dorf zu bringen. Es war diese Gemütslage als Mischung aus Vertrauen in die Sternenflotte und Todesangst, die ihn für eine weitere Alternative eigentlich nicht zugänglich machte. Beschreibbar wäre sein Empfinden in diesem Moment wohl auch damit gewesen, dass er voller Unverständnis die Reaktion seines Kommandanten aufnahm, der scheinbar den Weg zur Rettung in einer Illusion, im Handel mit den Fremden, suchen wollte.
»Mister Williams, beantworten Sie mir folgende Frage: Lieben Sie Jumi?«
»Sir?«
»Sie sollten nicht annehmen, dass wir viel Zeit hätten, also beantworten Sie mir die Frage. Sie ist ernst gemeint.«
Commander Williams zögerte; nicht, weil ihm die Antwort schwer fiel.
»Ja, Captain, das tue ich«, entgegnete er schließlich.
»Nun gut, diese Sache wäre geklärt.«
Verwirrt sah Williams vor sich hin, sein Blick fiel auch auf die Male in Jonas’ Gesicht. So als sei es diesem unangenehm, einem anderen diesen Anblick zu bieten, wandte er sich ab. Da erschien bereits Maahzel. Ein kleines Zucken überfiel nun Williams – es sollte wohl ›immerhin noch zwei gegen zwei‹ bedeuten, doch Jonas verließ ohne irgendwelche Anstalten zusammen mit dem Häuptling den Raum.

Sie waren nun wieder im vorherigen Aufenthaltsraum.
»Sie haben mit ihrem Mann gesprochen. Nun mein Angebot: Wenn er Jumi wirklich liebt, lasse ich ihn am Leben.«
»Ich weiß, dass er sie liebt«, entgegnete der Captain.
»Eine Aussage genügt hier nicht, Jonas. Sie müssen es beweisen. Sie müssen es mir beweisen.«
»Wie kann ich das beweisen?«, wollte der Captain wissen, erkannte aber sogleich, als er die Worte gesprochen hatte, dass diese Frage sinnlos wenn nicht gar der Sache abträglich gewesen war. Es schien allerdings, als sei Maahzel darüber nicht stutzig geworden; sein Angebot galt.
»Bedenken Sie sich, Jonas. Ich gebe Ihnen einige Augenblicke, wenn ich zurückkehre, erwarte ich Ihre Antwort.«
Der Captain blieb allein zurück.
›Nichts weniger als der Beweis für Liebe!‹, dachte sich Jonas, ›nichts weiter als das.‹ Und während sich so die Ironie seiner bemächtigte, begann er auf und ab zu gehen. Voll Unzufriedenheit schüttelte er immer wieder den Kopf, denn die Absurdität dieser Aufgabenstellung verärgerte ihn; es fiel ihm schwer, Gedanken zu einem Schluss bringen. Die Male juckten.
Es mochten vielleicht vier Minuten vergangen sein, da blieb er stehen und was er eben noch im Geiste gedreht und gewendet hatte, platzte nun aus ihm heraus.
»Nicht die Kinder bloß speist man mit Märchen ab«, lachte er leise. »Nun gut, soll er nur kommen.«
Doch statt Maahzel trat Ter-Nedden plötzlich in den Raum ein.
»Captain!«
»Ja? Ah gut, Doktor!«
»Was hat sich hier ereignet? Wie geht es dem Commander?«
»Noch gut. Hören Sie, Doktor, möglich, dass sich die Sache hier schnell dreht.«
»Und wie?«
»Später. Was ist mit Mister Reev?«
»Ein Team steht bereit. Werden wir es brauchen?«
»Nein. So oder so. Wie ist der letzte Stand: Glaubt Mister Borland, dass er den Transporter funktionstüchtig machen kann?«
Ter-Nedden besah sich die Male, wiederum drehte sich Jonas, diesmal eher ungeduldig, ab.
»Ja, schon gut«, kommentierte Jonas das mit nicht unbeträchtlichen Unwillen; jetzt erst antwortete Ter-Nedden.
»Es gibt keine Möglichkeit zu beamen.«
»Egal. Dann muss es eben anders gehen.«

Die Stimme Maahzels erklang, feierlicher, als die beiden Menschen sie je gehört hatten.
»Jonas. Es ist Zeit für Ihre Entgegnung.«
»Sir?«, flüsterte Ter-Nedden seinem Captain zu.
»Alles in Ordnung. Doktor, gehen Sie wieder hinaus. Befehl an Mister Reev: Nicht eingreifen. Sie haben verstanden?«
»Ja, Sir.«
Obgleich die Blicke Maahzels strenger wurden, war Ter-Nedden nicht zu bewegen, den Raum sofort zu verlassen. Schließlich, beinahe grimmig, ließ er die beiden anderen doch alleine.
»Jonas«, wiederholte Maahzel seine Formel, »es ist an der Zeit.«


___


Hintergrund-Informationen zu Kapitel IX

Diese Kapitel beginnt mit einem großen Bruch. Endlich klärt sich das Geheimnis von Captain Jonas wenigstens ein wenig, auch wenn die Zusammenhänge noch im Dunklen bleiben. Die Person, von der Doktor Ter-Nedden im neunten Kapitel spricht, ist der französische Philosoph Jacques Derrida. Die Male in Jonas' Gesicht werden mit Flüssen verglichen und sie ziehen sich über die Wangen: Angespielt wird damit natürlich auf Tränen. Das ist eine Verbindung mit dem Schiffsnamen und steht für eine tiefempfundene Melancholie und Trauer, die den Captain auch in Form von Passivität begleitet.

Es ist ironisch, dass Jonas hier vollkommen passiv eine Veränderung einleitet. Das Zeichen ist natürlich der Rückgriff auf den alten (klischeehaften) Topos des pseudo-göttlichen Auftretens europäischer Entdecker bei Ureinwohnern.

Und wiederum ist Williams isoliert und das obwohl er sich scheinbar typischer Handlungsmuster der Sternenflotte bedient. Aber Jonas denkt gar nicht daran, Williams mit mehr oder weniger gewaltsamen Mitteln zu befreien, sondern hält sich an die Spielregeln, die ihm der Häuptling aufgezwungen hat.

Die eigentliche Aufgabe Jonas' bedient sich einer paradoxen Grundlage: Der Beweis von Liebe - ein Beweis als logisch-mathematische Findung einer unbestreitbaren Wahrheit einerseits, die Liebe als wohl intensivstes und zugleich am schwierigsten herleitbares Gefühl.
Mit den Worten "Nicht die Kinder bloß speist man mit Märchen ab" [S. 55] zitiert Mark Jonas Nathan aus Gotthold Ephraim Lessings Stück "Nathan der Weise" im sechsten Auftritt des dritten Aufzugs, kurz bevor Nathan Saladin die Ringparabel erzählt.

Titel: Kapitel X
Beitrag von: Max am 15.07.12, 13:02

X

Seine Male juckten wieder. Früher öfter, nun dachte er kaum noch an jene Tage zurück, die ihm dieses Unheil beschert hatten. Das war ungesund, nicht das eigentliche Symptom selbst. Jonas verdrängte, und er verdrängte nicht einmal sonderlich gut; sonst wäre es ihm nämlich gelungen, die Konzentration auf etwas anderes zu lenken, oder vielmehr: weiter ein Leben zu führen. So hilfreich Ter-Nedden im Übrigen war, hier schien er an Jonas’ Unzugänglichkeit zu scheitern. Ob der Doktor seine Methode des Einwirkens tatsächlich aufgegeben hatte, konnte indes nicht gesagt werden. Jonas zweifelte daran, immerhin beschäftigte ihn diese Frage auch nicht mehr. Nun dachte Jonas wieder an früher, recht unwillkürlich, plötzlich, und sollte er später analysieren, warum dies der Fall war, so käme er wohl an der Erkenntnis nicht vorbei, dass es an seinem neuen Amt als Captain lag.

Der Captain hatte die Evakuierung von Harus Drei befohlen, als man dort angekommen war, hatte es den Planten bereits nicht mehr gegeben. Auf wabernden Gravitationswellen waren ihnen Schutt und Dreck entgegengeflogen. Strahlung der zerstörten Himmelskörper hatte die Schilde destabilisiert, der Captain hatte sogleich den Rückzug nach Harus Vier angeordnet, in der Hoffnung, die dortigen Kolonisten an Bord nehmen zu können, noch ehe die Explosionswirkungen auch diesen Planeten erreicht hätten. Commander Jonas aber hatte er mit einem Spezialauftrag betraut. Der Captain hatte gewusst, dass seine Frau, eigentlich auf Harus Vier stationiert, für einige Tage auf dem siebten Planeten des Systems abgesetzt worden war, um dort ihren Studien nachzugehen; das Schiff nun war bei Harus Vier gebunden, Commander Jonas und der Sicherheitsoffizier aber hätten mit einem Shuttle des Captains Frau suchen sollen. Jonas hatte anfangs protestiert, nicht zu vehement, dafür mit einer Reihe von Argumenten, die seine Ansicht wiedergegeben hatten, der Commander eines Schiffs müsse – wie der Leiter der Sicherheit auch – in einer Situation wie dieser, in der nicht nur viel Koordinationsarbeit zu leisten war, sondern Schiff und Crew selbst in Gefahr geraten könnten, an Bord bleiben. Die Überzeugungsarbeit war fruchtlos geblieben, sodass sich Jonas und Lieutenant Letlet, Schiff und herannahende Wellenfronten im Rücken, nach Harus Sieben begeben hatten.
Groß und grün war dieser Planeten in den Weiten des Alls gelegen; die Landeprozeduren waren von ständiger Sorge, aber auch Unmut begleitet gewesen, ansonsten aber reibungslos verlaufen. Schwieriger hatte sich die Suche nach der Frau des Captains gestaltet. Die kleine Lagerbaracke, etwas wie ein Ankunfts- und Abholpunkt, hatten sie verwaist vorgefunden. Letlet war auf die Idee gekommen, getrennt weiter zu gehen, doch Jonas hatte angesichts der unübersichtlichen Situation des dichten und ihnen vollkommen unbekannten Urwaldes anders entschieden. Laut hatten sie den Namen der Frau gerufen, aber ihre Schreie waren vom Dschungel regelrecht verschluckt worden.
Es war bereits der Abend am Hereinbrechen, da hatten die ersten Lichtboten der Katastrophen den Himmel von Harus Sieben erreicht: zunächst violette, über die Wölbung des Firmaments hinwegfliegende Blitze, dann blaues Funkeln, Billiarden von Sternen gleich. Umgehend hatte Jonas den Befehl gegeben, zum Shuttle zurückzukehren; schon hatte er den Startmechanismus eingeleitet, da hatte Letlet Entwarnung geben können. Von den optischen Phänomen und einem kleinen Strahlungsregen abgesehen, war Harus Sieben scheinbar außerhalb der Reichweite der ersten Zerstörungswelle gelegen. Anschließend hatte Jonas, vom Gefühl der Sorge noch immer nicht befreit, immerhin aber weniger von Wut gebeutelt, die Sensoren des Shuttles zur Suche nach menschlichen Lebenszeichen genutzt. Tatsächlich waren sie fündig geworden, doch das Zielgebiet, obgleich nicht unerreichbar weit entfernt, war für die Landung mit dem Shuttle zu dicht mit Pflanzen überwuchert gewesen. Den Nottransporter des Shuttles zu nutzen, um die Frau des Captains an Bord zu beamen, hatten beide aufgrund der Interferenzen durch die neue leichte Strahlung nicht wagen wollen. So war nur der erneute Fußmarsch geblieben. Jonas hätte ihn am liebsten auf den nächsten Morgen gelegt, um vom Tageslicht zu profitieren, doch weil niemand mit Sicherheit hatte sagen können, welche Ausmaße die wütenden Zerstörungen im Sternensystem noch annehmen würden, hatten sie sich weiterhin beeilen müssen. Die Sorge hatte nun nur ihnen selbst gegolten, wie sie mit ihren Leuchten hinein in die immer dunkler werdende Wand des Urwalds gegangen waren.
Letlet hatte es zuerst erwischt. Mitten im Marschieren – sie mochten noch etwa einen Kilometer von der zu erwartenden Position der Frau entfernt gewesen sein – hatte er aufgeschrieen, nach langem Zetern war er, zuerst mit Zitteranfällen, dann vollkommen ruhig, zu Boden gestürzt und liegen geblieben. Jonas hatte sich um ihn bemüht, mit Worten des Zuspruchs und auch mit Diagnosen, leidlich aus den Anzeigen des Tricorders übernommen. Noch in der Überlegung Jonas’, ob er den Lieutenant zum Shuttle zurückschleppen sollte, war Letlet am Unbekannten verstorben. Jonas hatte es am Lichtwechsel der Tricorder-Anzeige erkannt. Als er, leicht vor Aufregung, Entsetzen und Trauer bebend, am frischen Leichnam entlang geleuchtet hatte, waren ihm kleine Fäden, Tiere wie graue Würmer aufgefallen, die unter dem Leib hervorzukriechen schienen. Angewidert, sogleich aber auch von Panik ergriffen, hatte Jonas losrennen wollen, doch die Vernunft hatte ihm geraten nicht kopflos hinein in die Finsternis zu laufen. So hatte er sich nur einige Zentimeter, am Ende vielleicht ein, zwei Meter von den langsam kriechendem, sich in den Erdboden eingrabenden Gewürm entfernt. Von der inneren Unruhe bis an die Grenze des Ertragbaren geführt, hatte er sich ein Ventil für die Empfindungen suchen müssen: ein Schreien, ein kurzes, unartikuliertes Rufen; ein Schrei, in dem alle Angst, all das Entsetzen und all die Hilflosigkeit des Moments zu liegen hatte. Ein kleiner Erfolg war nicht ausgeblieben, Jonas hatte zu gewohnter Tatkraft zurück gefunden. Ein vorerst letzter Blick hatte Letlet gegolten, dann war Jonas mit vorsichtigen Schritten weiter gen Anzeige gegangen; er hatte angefangen, jeden Meter zu rechnen, war langsamer als in den Stunden zuvor, denn fast jeden Tritt war ab jetzt das Ausleuchten des Bodens vorangegangen. Schutz hatte er sich davon indes kaum versprechen können; es war ihm ein Rätsel geblieben, wie es zum plötzlichen Tod Letlets gekommen sein konnte. So war er weiter gegangen und hatte auf seinem Gerät kontrollieren können, wie er der nur langsam gehenden Frau immer näher und näher gekommen war.
Dann hatte auch ihn etwas erwischt; es hatte mit einem Schaudern im gesamten oberen Rumpf begonnen, ein leichtes Zittern wie vor plötzlich empfundener Kälte. Rasch hatte sich das Gefühl über den ganzen Körper verbreitet, ebenso rasch war es wieder verschwunden. Zuerst, im Weitergehen ungehindert, hatte er die Empfindung auf ein der allgemeinen und speziellen Situation geschuldetes Erschaudern geschoben. Doch dann hatten Lähmungserscheinungen eingesetzt; nicht mehr als eine Minute und etwa zweihundert Meter vom Ziel dieser schaurigen Expedition entfernt, war er zu Boden gesackt.
›Das kommt nicht von unten‹, hatte er sich, irgendwann Mantra-gleich, gedacht. ›Es kann nicht dasselbe sein wie bei Letlet‹, hatte er so ziemlich ohne jede Grundlage gemutmaßt. Die Bedrohung dieses Waldes hatte nicht im Großen, nicht in meterlangen und kiloschweren Raubkatzen gelegen, sondern im Kleinen, im ihm nicht Sichtbaren. So hatte er gelegen, Stunden und Tage im Gefühl, nur einige Minuten in der Realität. Nach solchen Ewigkeiten war es ihm schließlich gelungen, den Kopf, nachdem die Lähmung von der oberen Körperhälfte zu weichen begonnen hatte, zur Seite zu drehen; er hatte in einen schmalen Sektor beleuchteten Urwaldbodens geblickt, entlang eines Ausschnitts, den der beim Sturz zu Boden gefallene Scheinwerfer erhellte. Nach den Würmer hatte er Ausschau gehalten. Als er alle Gliedmaßen wieder bewegen hatte können, war er, so schnell wie es ihm im ersten Moment schwacher Freiheit gelungen war, aufgesprungen, hatte sich den kleinen Scheinwerfer geschnappt und war, rascher und doch gleich bedacht wie zuvor, ohne nachzusinnen wieder losmarschiert. Noch immer hatte er auf sein Rufen keine Antwort erhalten, in der Wand aus Bäumen und Sträuchern hatte man nicht mehr als vielleicht zehn Armlängen freie Sicht, lagen nur noch zwanzig Meter zwischen ihm und dem, was der Tricorder als roten Zielpunkt auf der Anzeige markiert hatte.
Dann war er in eine kleine Lichtung getreten, in deren Mitte hatte er sie schließlich gefunden, die Frau des Captains. Die Gegend um den wie tot daliegenden weiblichen Körper ausleuchtend, war ihm die ausgemergelte, die wie abgebrannt öde Erde dieser Schonung aufgefallen. Er hatte die Frau aufgerichtet, unablässig ihren Namen vor sich hin sprechend; sie war in ihrem tiefen Schlaf geblieben. Erst jetzt hatte er medizinische Scans durchgeführt, zuerst an ihr, dann an ihm selbst.
Schließlich war er in einen Erschöpfungszustand geraten, beinahe eingeschlafen. Doch ohne zu wissen, wovor genau er sich in Acht zu nehmen hatte und wie er sich gegen diese unbekannten Feinde zur Wehr setzen konnte, hatte er mit seiner Wache ausgehalten. Gerade war der Morgen angebrochen, da hatte er zum ersten Mal ein leichtes, damals im seichten Licht der frühen Sonne wie belebend empfundenes Kribbeln, Pochen und Jucken der Gesichtshaut empfunden. Male, violetten Strömen gleich, hatten beide Wangen bis zu den Schläfen überzogen.
Dann hatte Jonas ein leichtes Beben des Boden wahrgenommen; vom Himmel fielen vereinzelt Kometen. Es war endgültig der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen, das hatte Jonas begriffen, auch wenn er in sich Zeichen einer fremden Krankheit gefühlt hatte. In einem energischen Griff hatte er die Frau unterm Rücken und unter den Knien gepackt und sie hochgerissen, doch die erste Pause hatte Jonas schon beim Erreichen des Waldes machen müssen, noch Kilometer vom Shuttleschiff entfernt. Vom Himmel hatte es Hunderte kleine Gesteinsbrocken aus dem All zu regnen begonnen. Nur ein geringer Prozentsatz hatte die Oberfläche tatsächlich erreicht, alle Einschläge hatten von kleinen Asteroiden hergerührt, doch die Wälder waren in Flammen aufgegangen. Jonas war kaum vorangekommen. Manche der Pausen, die er immer wieder eingelegt hatte, hatte er mit den Versuchen gerechtfertigt, mit dem Tricorder gefahrlose und schnelle Routen zu finden; der nächste Kilometer zum Shuttle, mit klarer Luft, war nicht von Bränden betroffen. Durch Scans hatte er auch vom Wegfall der Interferenzen erfahren und Pläne zur ferngesteuerten Sendung des Shuttles geschmiedet. Die Frau des Captains war über die ganze Zeit hinweg still geblieben, doch sie hatte nicht unter Fieber gelitten und ruhigen, konstanten Herzschlag und Atmung besessen. Die Einschlägen hatten aufgehört. Inzwischen waren die Pausen Jonas’ um ein Vielfaches länger als die Zeit seines Vorankommens geworden; irgendwann hatte er nur noch, sich schützend über die Frau gebeugt, geruht. Dann, Jonas hatte das Zeitgefühl eingebüßt, wurden beide auf das Raumschiff zurück gebeamt.
Es war ihm vorgekommen, als hätte er länger als nur ein paar Stunden geschlafen. Die Frau des Captains hatte sich unter der medizinischen Zuwendung Doktor Ter-Neddens noch rascher erholt, aber das hatte Jonas nicht mehr interessiert. Ja, es war ihm gleichgültig gewesen, sein eigener Zustand – das Jucken hatte aufgehört – hingegen nicht. Auch hatte er sich nicht als Held gefühlt, was damit zusammengehangen hatte, dass er das Unternehmen, dem Letlet zum Opfer gefallen war, zwar nicht für sinnlos aber doch für auf irgendeine Weise deplaziert gehalten hatte. Das ganze hatte sich bei ihm als ein großes Ärgernis eingeprägt. Das Schiff war inzwischen ebenso in Sicherheit gebracht worden wie die Kolonisten der verblieben Harus-Kolonien. Die Analyse und Diagnose der Vorfälle hatte für die Frau des Captains eine Art von nicht tödlich wirkendem Insektengift angenommen. Obwohl man die Wegstrecke Jonas’ gut nachvollziehen hatte können und er sich, sobald es sein Zustand möglich gemacht hatte, vom Schiff aus an der Suche beteiligt hatte, war der Leichnam Letlets nicht aufzufinden; er sollte verschwunden bleiben.
Was Jonas selbst anbetroffen hatte, so war Ter-Nedden diagnostisch schnell an Grenzen gestoßen. Zuerst hatte man auch die Fährte verfolgt, Jonas wäre wie die Frau des Captains von einem Insekt gestochen worden, doch selbst die feinsten Scans hatten keine Einstichstellen oder Infektionsherde zutage gefördert. Eine virale oder bakterielle Ansteckung über Hautporen oder die Atemwege war nicht auszuschließen gewesen, einen direkten Krankheitserreger zu isolieren hatte man indes erfolglos versucht. So war Ter-Nedden darauf verfallen, die eigentlichen Symptome zu lindern oder zu heilen und sich der Krankheit über Aus- oder Rückschlüsse zu nähern. Anfangs war Jonas etwas Inoprovalin verabreicht worden, gute Erfolge hatte man in der Folgezeit vor allem mit Hydrocortilen erreicht. Enttäuschend war jedoch doch die ästhetische Behandlung verlaufen: Die violetten Male im Gesicht hatte Jonas noch Wochen behalten, ehe sie ohne erkennbare Ursache schließlich binnen Stunden wieder vollkommen verschwunden waren. Ter-Nedden hatte es bei dieser Entwicklung nicht gewagt, die Krankheit als endgültig überwunden zu bezeichnen, sondern insgeheim bereits mit weiteren Schüben gerechnet, die schließlich – Jonas hatte seinen normalen Dienst wieder aufgenommen – wirklich eingetreten waren. Hatte er sich nach Harus-Sieben schwach gefühlt, so waren nun die juckenden Zeichnungen in seinem Gesicht die größte Form der Beeinträchtigung gewesen. Als sie zurückgekehrt waren, hatte Ter-Nedden noch einmal alle ihm zur Verfügung stehenden diagnostischen Methoden angewandt und obwohl sie ergebnislos geblieben waren, hatte Jonas diese mit den Untersuchungen einhergehende Isolation des normalen Umgangs mit den Leuten an Bord nicht als verlorene Zeit empfunden. Dieser Male hatte er sich von nun an zu schämen begonnen und Ter-Nedden hatte die Ursache hierfür in einem merkwürdigen Selbsthass Jonas’ erspürt, Unzufriedenheit mit seinem Verhalten als Commander, Unzufriedenheit mit dem Verhalten des Captains als kommandierenden Offizier.


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel X

Statt aufzulösen, mit welchem "Märchen" Jonas den Häuptling abspeisen möchte, wird jetzt der Ursprung seiner Male geklärt.
Hier geht es beinahe ausschließlich um Jonas. So bleibt der Captain, unter dem Jonas diente, ebenso namenlos wie dessen Frau. Dass der Begleiter Jonas' auf der Außenmission einen Namen trägt, stärkt weniger dessen Bedeutung als vielmehr den Umstand, dass sich Jonas in eine Situation begeben musste, in der er die Veränderungen, die aus ihr folgen, einfach zulassen muss.

Eine der Hauptfiguren erhält eine neue chronologische Einordnung: Ter-Nedden. Endgültig ist die Verbindung zu Jonas klar und die Unterhaltung in Kapitel VI ergibt nun einen Sinn: Ter-Nedden hatte befürchtet, die Administration hätte ihn Jonas' zur Seite gestellt, weil sie dem jungen Mann sonst nicht zugetraut hätte, ein Kommando zu führen.
Die Rückblende ist außerdem wieder ein Fall, durch den die Grenzen des Arztes und der Person Ter-Nedden aufgezeigt werden.

Titel: Kapitel XI
Beitrag von: Max am 21.07.12, 12:27

XI

»Häuptling, glauben Sie wirklich, dass Liebe bewiesen werden kann?«, fragte Jonas, doch er ließ seinem Gegenüber keine Zeit, etwas zu entgegnen. »Keine geringe Aufgabe haben Sie mir da gestellt. Ich – und nicht Williams – soll eine tatsächliche Liebe mit einem Beweis verteidigen. Sie ließen mich nicht lange überlegen, ein Problem war das für mich aber nicht, denn auf meiner Heimatwelt ist so eine Situation schon einmal vorgekommen. Schon einmal wollte jemand von Außen über die Liebe richten.«
Er machte eine kurze Pause, es kam ihm aber gelegen, dass Maahzel mit keiner Bemerkung des Captains Redehoheit in diesem Moment unterbrach.
»Der Mann, der sich selbst damals diese Aufgabe stellte, war reich: Reich an Erfahrung, reich aber auch an Vermögen und Land – kurzum, nennen wir ihn einen Herrschenden. Seine Frau hatte er vor Jahren verloren, von ihr geblieben waren ihm zwei Kinder. Dem älteren Sohn würde er, das stand schon fest, die Macht übertragen, mehr lag ihm jedoch an der jüngeren Tochter. Er wusste, wie viel er an ihr zu verlieren hatte und doch sah er die Notwendigkeit, sie der Hand eines Bräutigams zu übergeben. Da man die Tochter wohl nicht zu unrecht zu den schönsten Mädchen des Landes zählte, und weil allgemein bekannt war, dass es ihr und ihrem Ehemann zu Lebzeiten nie an den Mitteln fehlen würde, sich jeden Wunsch zu erfüllen, warben Tag für Tag Freier um die Tochter des Herrschers. An dem Tag, an dem der Herrscher beschloss, sie tatsächlich zu verheiraten, hatten sich drei Männer bereits eingefunden, um um die Hand des Mädchens anzuhalten. Er verfügte, dass sie alle drei sein Anwesen nicht verlassen dürften. Weil der Herrscher wusste, dass seine Tochter auf mehrere Weisen begehrt wurde, wollte er sie nur demjenigen geben, der sie aufrichtig liebe. Jeder der drei sollte ihm ein Zeichen für eben diese Aufrichtigkeit geben, nach dem der alte Herrscher dann urteilen wollte. Nur einer, dessen Liebe echt sei, bekäme die Tochter, die beiden anderen hingegen würden auf der Stelle getötet. Für die drei Freier gab es nun kein Entrinnen mehr. So überlegte jeder von ihnen, welchen Beweis er dem Herrscher vorlegen könnte.
Der erste Freier war bereits ein alter Mann. Er versicherte, er werde seine gesamten Seelenkräfte – denn körperliche besäße er keine nennenswerten mehr – zum Wohle des Mädchens aufbieten. So signalisierte er, ohne Leidenschaft zu sein.
Der zweite war mittleren Alters und verfügte über große Reichtümer. Er verpflichtete sich, seine Güter allesamt dem Herrscher auf der Stelle zu überschreiben. So signalisierte er, dass es ihm nicht um den Besitz, sondern nur um das Mädchen ging.
Der dritte war ein Jüngling. Er bot sogar sein Leben auf: Dürfe nicht er die Tochter zur Braut nehmen, werde er nicht durch die Vollstrecker des Herrschers, sondern aus eigener Hand sofort den Tod finden. So signalisierte er, dass ihm sein Leben ohne das Mädchen ohnehin nichts mehr wert wäre.«
An dieser Stelle unterbrach Maahzel den Captain. Er hatte aufmerksam zugehört, doch man konnte merken, dass er gerne schon früher Jonas’ Redefluss mit Zwischenfragen oder Bemerkungen ein Ende gesetzt hätte. Erst jetzt hatte der Captain dem Häuptling hierfür eine Gelegenheit gegeben; schlicht aus dramaturgischen Gründen schien es ihm hier nämlich angemessen. Maahzels Frage war die zu erwartende.
»Wenn das die Beweise waren, wie entschied sich der Mann?«
Jonas glaubte, in den Augen des Fremden ein Funkeln entdeckt zu haben, etwas, das mehr preisgab, als dieser vielleicht beabsichtigt hatte. So konnte der Captain hoffen, zumindest mit dem Ansatz, den seine Antwort auf die Aufgabe, den Liebesbeweis zu erbringen, in die richtige Richtung zu gehen.
»Der Herrscher wusste immer noch nicht, wie er sich entscheiden sollte. Er hatte jedes Zeichen für die aufrichtige Liebe scharf beobachtet. Jeder Aspekt beruhigte eine seiner Befürchtungen, keiner jedoch alle Sorgen. So ließ er die drei Freier zunächst in der Ungewissheit zurück. Er rief seine Tochter zu sich, berichtete ihr alles und übertrug ihr schließlich die Entscheidung. Hören Sie, Maahzel?«
Genau beobachtete Jonas die Reaktionen Maahzels, hütete sich allerdings davor, zu rasche Schlüsse aus ihnen zu ziehen.
Maahzel nickte eifrig: »Ja«, entgegnete er mit einer Stimme, die nichts mit der polternden Stärke seines sonst so präsenten Habitus’ gemein haben wollte, »ich höre. Nur weiter!«
»Das Mädchen wusste die Lage einzuschätzen und entgegnete ihrem Vater, keiner der drei Freier werde ihr Mann, da sie keinen der drei liebe. Damit würde aber, so die Tochter, die väterliche Drohung gegenstandslos und alle drei Freier dürften ihr Leben behalten.«
Jetzt schwieg Jonas. Er gab dem Häuptling Zeit, über die bisherige Geschichte nachzudenken und Maahzel nahm dieses Angebot an. Er ging ein paar Momente im Raum auf und ab, Jonas, ganz so, als sei er ruhig, setzte sich. Maahzel blieb stehen. Natürlich konnte er so noch nicht befriedigt sein. Die Signale, mit denen in der Erzählung Beweisführungen geschehen sein sollten, hatten zwar etwas in ihm getroffen, allerdings keine Erwartungen gestillt. Hier lag Jonas mit seiner Einschätzung also richtig und auch mit seiner nächsten Reaktion sollte der Häuptling der Erwartung, die zu einem nicht unerheblichen Teil Hoffnung war, gerecht werden; während er sich dem Captain zuwandte, fragte Maahzel nämlich:
»Wer also war aufrichtig?«
Ein leichtes Lächeln konnte Jonas nicht unterdrücken: Den Rahmen der Erzählung unterzog Maahzel keinen Zweifeln, es war ihm vollkommen natürlich, dass die Natur des Verhältnisses der drei Freier zu der Tochter des Herrschers in einem grandiosen Akt offenbart und wahrhaftig erfasst werden konnte. Das Spiel mit den Stellvertretern war vollkommen aufgegangen. Jonas beeilte sich mit der Antwort und als er sich schließlich erhob, sprach er langsamer als zuvor, zog die Sätze und verzögerte ihre Pointen.
»Der erste Freier liebte das Mädchen nicht. Bereits alt an Jahren und ohne Furcht vor dem Tod berief er sich auf den einzigen Vorteil, den er zu haben schien: den Rat des Alters oder anders ausgedrückt: Der Vorzug des Geistes vor dem Körper. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, suchte er nicht nur die Ferne, sondern auch die Arme eines beliebigen weiblichen Geschöpfs, das ihn ohne solch Aufwendungen noch einmal das volle Leben spüren ließ.«
Maahzel ging auf und ab, seine Teilnahme am Erzählten war erstaunlich. Erst als er sich etwas beruhigt zu haben schien, fuhr Jonas fort.
»Der zweite Freier liebte das Mädchen nicht. Im Angesicht des sicheren Todes, falls dies ans Licht käme, versprach er aber alle seine Güter; tot würden sie ihm nichts nützen. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, vergas er sein Versprechen und floh mit all seinem Hab und Gut aus dem Einflussbereich des Herrschers.«
Auch das löste etwas bei Maahzel aus, fast schien es, als sei Anspannung von ihm gewichen, als er die Worte »Nun also doch der Dritte...« anhob, nur um gleich von Jonas unterbrochen zu werden.
»Der dritte Freier liebte das Mädchen auch nicht. Da sein Leben ohnehin beendet gewesen wäre, falls dies ans Licht käme, bot er die eigene Existenz gleich als größt mögliches Opfer an. Nun, da er unbehelligt freigelassen wurde, vergas er seine Ankündigung und floh sofort aus dem Einflussbereich des Herrschers.«
Joans riss mit seiner Erzählung plötzlich ab, so als habe er das Interesse daran verloren. Dieses Spiel aus Angeboten und Enttäuschungen so auf die Spitze zu treiben, war eigentlich gar nicht seine Absicht. Das grundsätzliche Risiko, von Maahzel missverstanden zu werden, ging er indes zwar ein, eigene Unsicherheit und die noch juckenden Male hingegen erzeugten einen eigenartigen Effekt: Jonas stand jedes mal kurz davor, die neue Zwischenpointe zu vergessen. Maahzel schwieg, der Captain wusste nicht, ob er nachdachte oder sich – gegenteilig – von der narrativen Kraft entfernte. Der Captain fuhr also fort, moralisierender und direkter als vielleicht notwendig, doch jetzt begriff er, wie schädlich es sein konnte, fälschlicherweise darauf zu vertrauen, dass der Fremde ausgerechnet die passendsten Lehren aus dieser Geschichte ziehen würde.
»Der Herrscher erkannte nun, dass sämtliche Aufbietungen der Freier Täuschungen gewesen waren. Aber weil er aus der eigenen Schwäche heraus geneigt gewesen war, eigene Befürchtungen zerstreut zu sehen, hatte er sie für wahr gehalten. So musste der Herrscher einsehen, dass er aus seiner Warte nicht nur nicht die Liebe testen konnte, sondern dass er mit seinen Testbedingungen überhaupt erst verhindert hatte, dass ein wahrhaft Liebender erkennbar wird. Aus diesem Grund stellte der Herrscher den Betrügern auch nicht nach.«
Ein, zwei Sekunden gab sich Jonas die Zeit, Maahzel zu beobachten, dann legte er nach.
»Drohungen helfen also nicht, ein Einstieg in das Hinterfragen der Liebe kann vielmehr von den Gefühlen der eigenen Seite ausgehen; das bedeutet nicht, dass im Falle der Enttäuschung – wenn also keine Liebe vorhanden ist, so wie es nicht nur bei den Freiern, sondern auch bei dem Mädchen der Fall war – die Situation durch Rache irgendwie gelöst werden kann oder muss.« Leise fügte er hinzu: »Wenn Sie Williams frei lassen, werden wir sehen, was passiert.«
Jonas schwieg, Maahzel auch. Dann, und seine feierliche Stimme war zurück gekehrt, sprach er: »Liebt er Jumi?«
Einen Moment überlegte der Captain, seine Antwort kam mit festem Klang der Stimme.
»Ich habe zur Sache nichts mehr zu sagen.«
Beinahe verzweifelt war Jonas.
Sein Herz klopfte, als er vom Häuptling ins Freie geschickt wurde, so stark, dass er glaubte, es bis hinein in die Augen als den Blick verschwimmendes Pulsieren wahrzunehmen. Es war, das merkte er, als er den heraneilenden Ter-Nedden gewahr wurde, kein angenehmes Gefühl, den Ausgang dieser Angelegenheit nun nicht mehr bestimmen zu können. Noch schlimmer war aber die damit einhergehende Empfindung, den Ausgang dieser Bedrohung schlicht noch nicht zu kennen.
Die Sonne schien, einzelne Schatten huschten über das im Dorfzentrum platt getretene und dennoch wie frisch und saftig grün glänzende Gras.
Ter-Nedden wandte sich formlos an Jonas, es waren Aufeinandertreffen wie dieses, bei denen der Doktor nicht wie ein Dienstniedrigerer wirkte.
»Und?«
Jonas zuckte mit den Schultern, »ich weiß es nicht, man wird sehen.«
»Noch nichts verloren, also!«
Jonas zuckte wieder mit den Schultern, er ging weiter, an Ter-Nedden vorbei, der zu ihm aufschloss, und hinter einem der wandernden Schatten her, der zufällig aus dem Dorf hinaus gen Landestelle wie ein dunkler Scheinwerfer führte.
Gegen Abend hatte Jonas eine Wache im Dorf abstellen lassen. Es war weder Reev, noch einer aus dessen Sicherheitsteam, sondern Clerke. Der zweite Offizier hatte inzwischen einen ganz erstaunlichen Kontakt zu den Eingeborenen aufgebaut, den der Captain zwar nicht verstand, aber durch ein paar Zeichen und vor allem von Clerke weitergereichte Informationen wahrgenommen hatte. Eine andere Person als Wache schien also nicht zweckdienlich, weil Clerke sich freier als die anderen im Dorf bewegen konnte. Die Instruktionen des Captains fielen knapp aus; zwar war Jonas mit dem Häuptling relativ vertraut, sah aber keine Veranlassung, Clerke irgendwelche Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Sogar die Frage, ob Clerke eine Waffe mitnehmen sollte oder nicht, ließ er von diesem selbst beantworten. Die Wochen auf dem Raumschiff hatten Jonas einen intuitiven Eindruck von Clerke gegeben, aber da das vielleicht nicht ausreichte, entschied sich Jonas, diese Freiheiten zu gewähren, erst durch die Erfahrungen auf dem Planeten selbst. So dachte der Captain auch nicht weiter nach, ob Clerke bewaffnet durch das Dorf gehen würde; es würde noch ein paar unangenehme Vorfälle wie die mit Williams bedürfen, ehe Jonas seinen Leuten diese Freiheiten kategorisch einschränken würde. Ob nun durch Zufall oder aufgrund ähnlicher Ansichten, Jonas’ Entscheidung wäre wohl auch die Clerkes gewesen, der es vorzog, unbewaffnet zu bleiben.


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel XI

Captain Jonas antwortet mit einem Gleichnis und unterscheidet sich damit von den allermeisten Herangehensweisen, die wir sonst aus Star Trek kennen.
Bemerkenswert ist hierbei, dass auch Jonas' Erzählung von einer patriarchalischen Basis aus funktioniert (was einleuchtet, weil sie ja für den Häuptling funktionieren soll), diese Struktur aber am Ende aufbricht, indem das Mädchen entscheidet und alle beteiligten Männer entweder ratlos oder unaufrichtig sind.

Der Erfolg bleibt ungewiss und der Captain erweckt den Eindruck, als wäre er bereit, Williams notfalls zu opfern. Die Hoffnung, das Problem gelöst zu haben, besteht, aber sie ist nicht ungetrübt: "Die Sonne schien, einzelne Schatten huschten über das im Dorfzentrum platt getretene und dennoch wie frisch und saftig grün glänzende Gras." [S. 67] oder auch: "Jonas zuckte wieder mit den Schultern, er ging weiter, an Ter-Nedden vorbei, der zu ihm aufschloss, und hinter einem der wandernden Schatten her, der zufällig aus dem Dorf hinaus gen Landestelle wie ein dunkler Scheinwerfer führte." [S. 67].
Es ist ja nicht groß überraschend, dass die atmosphärischen Felder eine derartige Symbolik hatten, haben und haben werden.

Titel: Kapitel XII
Beitrag von: Max am 28.07.12, 11:15

XII

»So war das?«, entgegnete Clerke beinahe ungläubig, als Ter-Nedden ihm erzählte hatte, aus welchem Grund Maahzel die Hinrichtung aufgeschoben hatte. »Das macht die Sache nicht leichter, übrigens gerade für den Commander nicht.«
»Wieso?«, fragte Ter-Nedden.
»Das Problem des Commanders ist, dass er nicht versteht, womit wir es hier zu tun haben. Sonst hätte er sich nie in dieses Mädchen verliebt. Das ist doch klar. Commander Williams lebt so etwas wie einen Jahrhunderte alten Traum, eine Südseeromanze, die damals schon falsch war. Leider passt die Reaktion Maahzels auf«, Clerke unterbrach sich selbst für einen kurzen Augenblick, weil er nicht gleich wusste, wie er den Zustand Jonas’ am besten umschreiben sollte, »das momentane Erscheinungsbild des Captains genau zu den Schablone exotischer Fremdheit, wie sie der Commander meiner Meinung auf eine fremde Zivilisation anwendet.«
Der Doktor schmunzelte ein wenig, denn er hatte an etwas denken müssen, was weit jenseits der Überlegungen des Lieutenant-Commanders lag.
»Nun«, sagte er, »aber so ist das nun mal mit der Liebe auf den ersten Blick.«
»Ja, ja«, entgegnete Clerke, mit starker Betonung; das erste Worte klang freundlich, beim zweiten brachte er es indes fertig, es höhnisch zu verzerren.


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel XII

Das zwölfte Kapitel zeigt Clerke wiederum als Gegenpol zu Williams. Außerdem weist es in dem Sinne in die fernere Zukunft, als dass das Schicksal Williams' nicht nur am Erfolg von Jonas' Erzählung hängt.

Titel: Kapitel XIII
Beitrag von: Max am 04.08.12, 09:04

XIII

»Computer«, sprach er im Befehlston. Er hatte den Versuch, mehr über das erste Schiff mit dem Namen Cœur de Marie herauszufinden, noch nicht vollkommen aufgegeben. Die eigentlichen Datenbanken enthielten keine Informationen, die über eine grobe zeitliche Einordnung hinaus gingen, doch er wusste, dass damit noch nicht alle Möglichkeiten der Nachforschung ausgereizt waren. »Es gab ein Segelschiff, das Cœur de Marie hieß; im achtzehnen Jahrhundert.«
»Diese Information ist zutreffend.«
»Woher stammt diese Information?«
»Diese Information ist Teil der allgemeinen Namensregistratur für Vehikel in ihrer Auflage des Jahres Dreiundzwanzighundertvierundachtzig.«
Der Computer hatte also auf die wohl aktuellste Version dieser Listung zurückgegriffen. Er überlegte, wie ihm das weiterhelfen könnte.
»Ist eine Rückverfolgung möglich: Wer zeichnete für die Auflistung der Schiffe mit dem Namen Cœur de Marie verantwortlich?«
»Dieser Eintrag wurde von Hamid Celem bearbeitet.«
»Taucht in anderen Arbeiten – ich meine jegliche Arbeiten – von Hamid Celem der Name Cœur de Marie noch einmal auf? Alle Erwähnungen aufzählen!«
»Ihre Anfrage wird überprüft«, sagte die künstliche Computerstimme. Es klang, als schwinge doch so etwas wie eine einprogrammierte Nuance Demut mit. Es war eine Floskel, um den Bittsteller anzukündigen, dass die Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen könnte. »Es gibt keine weiteren Übereinstimmungen.«
Er dachte nach, nur kurz, fragte dann:
»Computer: In welcher Auflage taucht der Eintrag zu diesem Schiff aus dem achtzehnten Jahrhundert zum ersten Mal auf?«
Wieder begann der Computer die Antwort mit dem Hinweis, die Überprüfung laufe, in diesem Fall wäre es allerdings nicht nötig gewesen. Ohne Verzögerung fuhr die künstliche Stimme fort. »Dieser Eintrag findet sich in der allgemeinen Namensregistratur für Vehikel erstmals im Jahr Zweiundzwanzighundertvierzehn.«
»So«, sagte er, als sei dies bereits ein Gewinn für ihn. »Wer wird hier als Bearbeiter genannt, worin unterscheiden sich die Auflagen?«
Ihm fiel auf, dass der Computer die zweite Frage zuerst beantwortete.
»Dieser Eintrag umfasst nur zwei Schiffe mit dem Namen Cœur de Marie – den französischen Frachter des einundzwanzigsten Jahrhunderts und das französische Segelschiff des achtzehnten Jahrhunderts. Dieser Eintrag wurde von Haywood Quanchi bearbeitet.«
»Wurde bei meiner Anfrage bezüglich weiterer Informationen über das Segelschiff auch das Gesamtwerk von Haywood Quanchi berücksichtigt?«
»Negetiv.«
»So!«, entfuhr es ihm mit Genugtuung; ein Stück Hoffnung, doch noch mehr erfahren zu können, war auch Teil dieses spontanen Ausrufs.
»Computer: Alle Informationen zu Haywood Quanchi hinsichtlich des Namens Cœur de Marie überprüfen: Sämtliche Eintragungen in Lexika, allgemein alle Hinterlassenschaften«, befahl er dem Computer und, als gelte es das wirklich deutlich zu machen, fügte er noch hinzu: »Auch den biographischen Hintergrund des Autors in die Suche miteinbeziehen.«
»Ihre Anfrage wird überprüft.«
»Und«, wollte er beinahe ungeduldig wissen, »gibt es Treffer?«
»Positiv.«


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Hintergrund-Informationen zu Kapitel XIII

Wieder ein Zwischenkapitel, wieder wird die Identität des Recherchierenden nicht entlarvt. Der einzig mögliche Schluss aufgrund der Gegebenheiten ist der, dass es sich nicht um Williams handelt. Doch da dieser sich ohnehin nie als besonders reflektiert erwiesen hat, kam Williams ja ohnehin nie in Frage.
Als Aussage dieses Kapitels bleibt eine Absage an die Informationsqualität des Computers bestehen - Technik wird also hinterfragt. Eine scheinbare Grundsäule des Vertrauens in Erkenntnismöglichkeiten gerät also mehr als nur ins Wanken.
Trotzdem auch bemerkenswert: Das letzte Wort des Kapitels...

Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: ulimann644 am 06.08.12, 13:27
Sohoho...
Habe die Geschichte gelesen. Zwischenzeitlich hatte ich mal nach etwa 88 Seiten (das READER-File mit großer Schrift) abgebrochen. Eigentlich seltsam, da die Geschichte spannend zu lesen war - gerade an dem Punkt...

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.

Die Parabel war wirklich gut eingefügt - erinnerte etwas an die VOY-Doppelfolge SKORPION, als Chakotay ähnliches tat, wenn auch in einer anderen Weise und mit anderem Ziel.

Nicht zugesagt hat mir die defensive um nicht zu sagen, saft- und kraftlose Haltung des Captains. Über weite Strecken habe ich mich gefragt, wie ein solcher Typ als Captain tragbar ist.
IMO MUSS ein Captain in der Lage sein Entscheidungen zu treffen - bei Jonas´ Passivität wurde zeitweise der Eindruck vermittelt, dass seine Offiziere dessen Job zur Hälfte mit erledigen...

Der Part von Williams erinnerte mich - auch ohne die Anspielung auf die Südsee-Idylle - spontan an "Die Bounty". Aber auch etwas an AVATAR... (Der Sternenflottenoffizier (Soldat) und die Dorfschönheit... ;))
Leider wurde seine Geschichte nicht zu Ende erzählt, was einerseits einen gewissen Charme hat - andererseits bedienst du dich dieses Charmes zu häufig IMO. Einen Plot auch einmal bewusst zu einem KLAREN Ende zu bringen wäre mal eine nette Ausnahme... ;)
So wurde es - zusammen mit dem guten Ende der Geschichte - eine TYPISCHE Max-Geschichte - was überwiegend als Kompliment verstanden werden kann.

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )

Die Beschreibungen der Locations gefallen mir über weite Strecken - besonders lebendig fand ich die Beschreibung der Planetenoberfläche und der Umgebung, wobei sie schön in die Story integriert ist. Allein von dieser Warte aus gesehen ist die Geschichte schon ein Genuss.
Interessant - abseits der Symbolik, wenn die Figuren passend verdunkelt wurden - hätte ich gerne mehr über das Atmosphärische Phänomen der Schlieren erfahren, und welchen Zweck sie evt. noch erfüllen... :secret

Der Rückblick des Captains war für mich einer der besten Parts der Geschichte - solche Elemente gefallen mir, und gelegentlich verwende ich sie selbst gerne.

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 16.08.12, 13:34
So, sorry; hat ein wenig gedauert mit der Antwort :(

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.
Danke :) Das zu lesen, freut mich natürlich sehr.
Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich in meiner Wahrnehmung nie etwas an Deinen Dialogen auszusetzen fand, also ich glaube - und die anderen werden da vermutlich miteinstimmen -, dass es da für Dich keinen Anlass zur Sorge gibt.

Die Parabel war wirklich gut eingefügt - erinnerte etwas an die VOY-Doppelfolge SKORPION, als Chakotay ähnliches tat, wenn auch in einer anderen Weise und mit anderem Ziel.
Ich finde so Art der "Problembehandlung" hin und wieder ganz nett, weil sie eben eine weitere Option zu den bekannten Handlungsmusterns darstellt.

Nicht zugesagt hat mir die defensive um nicht zu sagen, saft- und kraftlose Haltung des Captains. Über weite Strecken habe ich mich gefragt, wie ein solcher Typ als Captain tragbar ist.
IMO MUSS ein Captain in der Lage sein Entscheidungen zu treffen - bei Jonas´ Passivität wurde zeitweise der Eindruck vermittelt, dass seine Offiziere dessen Job zur Hälfte mit erledigen...
Na ja, der Captain ist in der Tat ein Kapitel für sich. Ich wollte ihn auch wirklich eher passiv darstellen, allerdings geht das ja auch nicht soweit, dass er nicht zu Entscheidung fähig wäre. Ein, zwei Mal wird ja auch explizit deutlich, dass er eher bereit ist Williams zu opfern, als einen Einsatz des Sicherheitsteams anzuordnen - letztlich ja eine sehr drastische Entscheidung.
Mit Captain Jonas wollte ich hier einiges zeigen. Es fängt schon mit der Sternenflottenadiministration an, die sich sozusagen weich zeigt, und ihm ein Kommando überträgt, obwohl man da über seine (momentane) Eignung ja durchaus Zweifel haben kann. Richtig interessant fand ich, einen jungen Captain zu beleuchten, der einerseits ja wirklich Kommandant sein möchte (und es letztlich auch drauf hat), der aber andererseits ein ganz großes Problem mit diesem Amt zu haben scheint. Dass er bei seinem ersten Kommando noch so ein wenig einen eigenen Weg suchen muss, ist vielleicht höchstens in der Tragweite ungewöhnlich, aber die resultiert eben aus dem Trauma auf dem Harus-Planeten.
Hier habe ich also eher auf einen "Antihelden" als Captain gesetzt: Er hat seine Fähigkeiten und "rettet den Tag" mit seiner Parabel, aber er stützt sich auch sehr auf die anderen Offizier und offenbart hin und wieder auch einen richtigen Empathiemangel.

Der Part von Williams erinnerte mich - auch ohne die Anspielung auf die Südsee-Idylle - spontan an "Die Bounty". Aber auch etwas an AVATAR... (Der Sternenflottenoffizier (Soldat) und die Dorfschönheit... ;))
Leider wurde seine Geschichte nicht zu Ende erzählt, was einerseits einen gewissen Charme hat - andererseits bedienst du dich dieses Charmes zu häufig IMO. Einen Plot auch einmal bewusst zu einem KLAREN Ende zu bringen wäre mal eine nette Ausnahme... ;)
Das ist ein interessanter Punkt - vielen Dank für das Feedback, das meine Schreibstrategien glaube ich gut entlarvt! Einen Plot zu einem klaren Ende zu führen... in Bezug auf "Fremde eigene Welten" bin ich hier ambivalent, bei vielen anderen Geschichten hast Du zweifellos recht und das wird seine Folgen haben (wobei ich ein kleines offenes Ende bei der nächsten auch drinnen haben werde, aber im Gegensatz zu einem Roman gehört das ja bei einer Kurzgeschichte dazu ;) :) ).

Ich kann Dir einerseits nicht widersprechen, andererseits aber doch auch wieder schon.
Es mag sein, dass man nicht erfährt, was aus Williams wird, für mich war das allerdings dennoch ein abgeschlossenes Ende, weil ich keinerlei Zweifel habe, dass er bei seinem Rettungsversuch ums Leben kommt. Ich habe mich für die Geschichte dafür entschieden, bei den Figuren Jonas, Ter-Nedden und Clerke zu bleiben, die mit ihrem Verhalten in Bezug auf Williams umgehen müssen. Hier kommt eben auch dazu, dass ich diese drei Figuren für die Geschichte als wertvoller empfinde, als Williams, weshalb ich das Gefühl hatte, sein Ende gar nicht erzählen zu müssen, um es klar zu machen.

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )
Danke auch für dieses Feedback :)
Darf ich nachhaken: woran machst Du dieses Niveau fest? Ich würde hier gerne Klarheit gewinnen, nicht dass ich mich beim Schreiben in einer Richtung entwickle, die zu übertrieben ist. (Möglichweise ist das damals bei "L'homme nouveau (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2190.msg90442.html#msg90442)" passiert).

Die Beschreibungen der Locations gefallen mir über weite Strecken - besonders lebendig fand ich die Beschreibung der Planetenoberfläche und der Umgebung, wobei sie schön in die Story integriert ist. Allein von dieser Warte aus gesehen ist die Geschichte schon ein Genuss.
Interessant - abseits der Symbolik, wenn die Figuren passend verdunkelt wurden - hätte ich gerne mehr über das Atmosphärische Phänomen der Schlieren erfahren, und welchen Zweck sie evt. noch erfüllen... :secret

[...]

Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
Es freut mich, dass Dir die Beschreibungen gefallen haben :)

Auch hier muss ich etwas nachhaken und Dich nach Deiner Vermutung in Bezug auf die atmosphärischen Felder fragen. Vielleicht bist Du auf eien Deutung gekommen, die auch mich hier überraschen wird :)

Der Rückblick des Captains war für mich einer der besten Parts der Geschichte - solche Elemente gefallen mir, und gelegentlich verwende ich sie selbst gerne.
Danke schön :) Einerseits fand ich dieses Kapitel auch sehr reizvoll, vor allem eben inhaltlich, andererseits hatte ich auch Schwierigkeiten damit. Das lag vor allem daran, dass ich die ganze Passage im Plusquamperfekt schreiben musste und in der Länge war das ungewohnt und ich finde, diese Zeitform bereitet nicht gerade den größten Lesegenuss ;) Aber es gab ja keine Alternative dazu ;)

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Danke für den aufschlussreichen Review :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: ulimann644 am 16.08.12, 14:40
So, sorry; hat ein wenig gedauert mit der Antwort :(

Kein Problem... :)

Was mir sofort positiv auffiel: Die allgemeine Interaktion der Figuren.
Die Dialoge wissen zu gefallen - im Vergleich zu meinen Geschichten gibt es dabei eine höhere Dichte an Informationen, was hier absolut passt.
Die Charaktere sind sehr lebendig und man hat besonders von Jonas, Ter-Nedden, Clerke und Williams ein genaues Bild. Auch der Häuptling gefiel mir sehr gut.
Danke :) Das zu lesen, freut mich natürlich sehr.
Dabei muss ich aber auch sagen, dass ich in meiner Wahrnehmung nie etwas an Deinen Dialogen auszusetzen fand, also ich glaube - und die anderen werden da vermutlich miteinstimmen -, dass es da für Dich keinen Anlass zur Sorge gibt.

Man kann sich selbst gelegentlich schwer einschätzen. Ab und an denke ich bei Dialogen - besonders wenn ich mit ihnen ringen musste - dass das Ergebnis dann manchmal eher so lala ist.
Um so besser, wenn Leser das nicht so sehen... :)

Es mag sein, dass man nicht erfährt, was aus Williams wird, für mich war das allerdings dennoch ein abgeschlossenes Ende, weil ich keinerlei Zweifel habe, dass er bei seinem Rettungsversuch ums Leben kommt. Ich habe mich für die Geschichte dafür entschieden, bei den Figuren Jonas, Ter-Nedden und Clerke zu bleiben, die mit ihrem Verhalten in Bezug auf Williams umgehen müssen. Hier kommt eben auch dazu, dass ich diese drei Figuren für die Geschichte als wertvoller empfinde, als Williams, weshalb ich das Gefühl hatte, sein Ende gar nicht erzählen zu müssen, um es klar zu machen.

Ich bin oft der Meinung, dass es auch in solchen Situationen noch eine Chance gibt (da bin ich halt Optimist - ich verliere nicht gerne)...
Es war zwar absehbar - aber man hofft dennoch manchmal... ;)

Das Niveau der Geschichte ist sehr hoch - fast möchte ich meinen, für den Durchschnittsleser ZU hoch.
Einerseits bin ich begeistert, dass es hier auch solche Stories zu finden gibt - andererseits wird IMO nur ein Bruchteil der Leser damit wirklich glücklich ( die aber dann richtig :) )
Danke auch für dieses Feedback :)
Darf ich nachhaken: woran machst Du dieses Niveau fest? Ich würde hier gerne Klarheit gewinnen, nicht dass ich mich beim Schreiben in einer Richtung entwickle, die zu übertrieben ist. (Möglichweise ist das damals bei "L'homme nouveau (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2190.msg90442.html#msg90442)" passiert).

Nu ja - man muss von Beginn an höllisch aufpassen, gerade auf die Details.
Schon ob eine Figur namentlich erwähnt wird, oder nicht, kann den Unterschied machen. Oder aber der Schiffsname...
Anders als bei mir, gibt es da keine Zufälle - ich nutze schon mal eine USS SIRIUS, ohne dass ein Bezug zur Geschichte entsteht. Das - so zumindest meine ich - ist bei deinen Geschichten anders...

Diese Art, sich auch bei den kleinsten Details etwas zu denken - was ich als Leser mag - und so Informationen zu portieren ist für mich ein wesentlicher Punkt.
Wichtiger: Die Geschichten sind in der Summe von vorne bis hinten durchdacht. Man spürt das am Ende von "Fremde eigene Welten" wenn man etwas zurückblickt und begreift, wann ein wichtiger Punkt bereits subtil vorbereitet wurde.

Ich habe zwar eine ganz bestimmte Vermutung zu diesen Schlieren, aber glauben heißt bekanntlich nicht wissen... ;)
Es freut mich, dass Dir die Beschreibungen gefallen haben :)

Auch hier muss ich etwas nachhaken und Dich nach Deiner Vermutung in Bezug auf die atmosphärischen Felder fragen. Vielleicht bist Du auf eien Deutung gekommen, die auch mich hier überraschen wird :)

Na ja - ich habe mich bei den Schlieren zwischendurch immer wieder gefragt, wohin die Besatzung der Station nun wirklich verschwand (zugegeben es ist vage, aber der Gedanke würde mir irgendwie gefallen...)

Fazit: Eine klasse SF-Geschichte, die sich des Themas sehr schön annimmt - bei der mir lediglich einige zusätzliche Infos fehlen (was wurde aus Williams - was ist mit diesen Schlieren in der Atmosphäre).
Danke für den aufschlussreichen Review :)

War mir ein Vergnügen...
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Star am 08.11.12, 17:00
Na das wird jetzt lustig ;) Ich habe "Fremde eigene Welten" damals recht nahe ihrer Veröffentlichung runtergeladen und gelesen und möchte jetzt, mit geriiiiingfügiger Verspätung ein paar Zeilen dazu schreiben. Mal sehen, ob ich das, was mir damals durch den Kopf ging, noch alles zusammenbekomme.

"Fremde eigene Welten" war das zweite Werk, was ich von dir gelesen habe, direkt nach "L'homme nouveau". Obwohl mir "L'homme" nicht wirklich zusagte, war doch klar Potential zu erkennen, und dementsprechend neugierig war ich. Und ich wurde nicht enttäuscht. Mit "Fremde eigene Welten" gibst du dem Leser recht früh ein Rätsel, das zwar auch ab der Hälfte oder so wieder in den Hintergrund rückt, das gleichzeitig aber dennoch bei der Stange hält und zu Anfang neugierig macht. Das Schiff, auf dem ja auch ein gewisser Fokus lag, weil du in die Entwicklung recht viel Arbeit gesteckt hast, kam mir auch gut beschrieben vor - ich erinnere mich auch noch an die seitlichen Hangartore. Solche Details sind definitiv hängen geblieben. Die Untersuchung des Außenpostens habe ich als gut und mit mysteriöser Atmosphäre beschrieben in Erinnerung. Bei den Charakteren waren mir die Pilotin und der Arzt am sympathischsten, der Rest blieb eher blass. Den Captain habe ich als zurückhaltend und recht passiv in Erinnerung, was mir damals sehr merkwürdig vorkam, woran ich mich inzwischen aber auch sehr gewöhnt habe. Überhaupt scheinst du ein Faible für ältere Charaktere zu haben, die... wie soll ich es beschreiben... aufgrund einer langen Lebenserfahrung eine unerschütterliche Ruhe entwickelt haben, und die Dinge daher zurückhaltend, gediegen und oft lächelnd betrachten, so, als seien sie irgendwann auf eine beruhigende Wahrheit gestoßen, die den meisten jüngeren Menschen noch verwehrt bleibt.

Meine Erinnerung an die zweite Hälfte der Handlung ist recht verwaschen, auch wenn ich noch grob weiß (oder glaube zu wissen), worum es ging, und hier hatte ich auch ein paar Kritikpunkte. Das eigentliche Thema ist ja, sofern ich das nicht durcheinanderbringe, Liebe, oder die Frage, was das eigentlich ist. Und hier wäre mehr drin gewesen, vor allem, weil die Figur des ersten Offiziers leider unglaubwürdig wirkt. Als erwachsener Mann und Sternenflotten-Commander sollte er eigentlich den Unterschied zwischen tiefgreifender Liebe und anfänglicher Begierde kennen. Daher fand ich es merkwürdig, dass er so schnell seine Karriere wegwirft, ohne seine eigene Handlung zu hinterfragen. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass er sie hinterfragt hätte. Dabei war doch genau hier die Chance für einen tiefgreifenderen Dialog. Kann das schon Liebe sein? Nach so kurzer Zeit? Oder doch nur eine kurze Schwärmerei? Gibt es so etwas, wie Liebe auf den ersten Blick? Kann man das vorher schon sagen? Oder erst nach einer Weile? Oder reimt man sich dann einfach eine stringente Geschichte zusammen und sieht Schicksalswege, wo nur Zufälligkeit vorhanden war? Auf diese Fragen muss man ja keine konkrete Antwort geben, aber für einen doch recht längeren Roman, hätte ich erwartet, dass etwas ausführlicher auf diese Dinge eingegangen worden wäre.

So habe ich "Fremde eigene Welt" als gute Geschichte in Erinnerung, von der auch nach einiger Zeit noch erstaunlich viel hängen geblieben ist(?), aber für den ganz großen Wurf hat noch die ein oder andere Sache gefehlt. Trotzdem, auch damals schon toll gemacht. Ich nehme an, das war auch eine super Vorbereitung für Satyr. Und wer weiß, vielleicht taucht dort ja irgendwann mal eine Episode namens "Rosarot" auf und holt das Thema noch einmal hervor.

Ich hoffe ich habe jetzt nicht zu viel Unsinn geredet o_O
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 15.11.12, 21:16
So, es scheint, dass ich umso länger für das Verfassen einer Antwort brauche, je länger der Text ist, den ich geschrieben habe ;) :D

Na das wird jetzt lustig ;) Ich habe "Fremde eigene Welten" damals recht nahe ihrer Veröffentlichung runtergeladen und gelesen und möchte jetzt, mit geriiiiingfügiger Verspätung ein paar Zeilen dazu schreiben. Mal sehen, ob ich das, was mir damals durch den Kopf ging, noch alles zusammenbekomme.
Danke fürs Lesen und für den ausführlichen Kommentar hier :)

"Fremde eigene Welten" war das zweite Werk, was ich von dir gelesen habe, direkt nach "L'homme nouveau". Obwohl mir "L'homme" nicht wirklich zusagte, war doch klar Potential zu erkennen, und dementsprechend neugierig war ich. Und ich wurde nicht enttäuscht. Mit "Fremde eigene Welten" gibst du dem Leser recht früh ein Rätsel, das zwar auch ab der Hälfte oder so wieder in den Hintergrund rückt, das gleichzeitig aber dennoch bei der Stange hält und zu Anfang neugierig macht.
"L'homme nouveau" war auch wirklich eine ziemlich gewagte Geschichte, aber der ein oder anderen Ansatz gefällt mir irgendwie immer noch. Für "Fremde eigene Welten" war der Einstieg aber ein anderer, weil ich die Grundgeschichte (bis hin zu Parabel) für eine KG geeignet hielt, dann aber gemerkt habe, dass ich hier nicht einfach aufhören kann.
Es stimmt, es ist schon irgendwie lustig, wie das eigentliche Rätsel, die eigentliche Mission schnell in den Hintergrund tritt, aber das fühlte sich sozusagen richtig an, weil sich eben auch für die Figuren die eigentliche Thematik so verschiebt.

Das Schiff, auf dem ja auch ein gewisser Fokus lag, weil du in die Entwicklung recht viel Arbeit gesteckt hast, kam mir auch gut beschrieben vor - ich erinnere mich auch noch an die seitlichen Hangartore. Solche Details sind definitiv hängen geblieben. Die Untersuchung des Außenpostens habe ich als gut und mit mysteriöser Atmosphäre beschrieben in Erinnerung.
Cool, dass Dir solche Einzelheiten im Gedächtnis geblieben sind :) Da mich die technischen Belange in ST ja immer interessiert haben, kommt es natürlich auch schnell mal vor, dass ich entsprechendes in eine Geschichte aufnehme. Ich glaube, dass in meinem Design-Thread auch ein MSD der "Coeur de Marie" ist. EDIT: Hier, gefunden ;) (http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2291.msg126422.html#msg126422)
Bei der Außenposten-Szene habe ich mich auch angestrengt ;) :D

Bei den Charakteren waren mir die Pilotin und der Arzt am sympathischsten, der Rest blieb eher blass. Den Captain habe ich als zurückhaltend und recht passiv in Erinnerung, was mir damals sehr merkwürdig vorkam, woran ich mich inzwischen aber auch sehr gewöhnt habe. Überhaupt scheinst du ein Faible für ältere Charaktere zu haben, die... wie soll ich es beschreiben... aufgrund einer langen Lebenserfahrung eine unerschütterliche Ruhe entwickelt haben, und die Dinge daher zurückhaltend, gediegen und oft lächelnd betrachten, so, als seien sie irgendwann auf eine beruhigende Wahrheit gestoßen, die den meisten jüngeren Menschen noch verwehrt bleibt.
Ich muss sagen, dass ich doch etwas erstaunt bin, wie gut die Pilotin anzukommen scheint :D
Weltraumgeschichten sind oft Geschichten von Helden und ich liebe es, das wenigstens ein wenig dadurch aufzubrechen, indem ich auch Figuren auftreten lasse, die nicht dem klassischen Helden entsprechen. Und dazu gehört eben auch die ein oder andere ältere Person. Ter-Nedden macht sich meiner Meinung nach in der Geschichte ganz gut, auch wenn er - das wird auch zum Schluss noch deutlich - durchaus Schwächen hat.
Der Captain ist relativ passiv und auch das fand ich spannend: Ein Captain eben, der sich nicht unbedingt wohl fühlt und ersteinmal den Bezug zum eigenen Amt sucht.
Ein interessanter Charakter ist meiner Meinung nach aber auch der Zweite Offizier, Clerke. Ein eigentlicher Sympathieträger ist er wohl nicht, aber er kann an vielen Stellen bedeutenden Raum in der Geschichte einnehmen.

Meine Erinnerung an die zweite Hälfte der Handlung ist recht verwaschen, auch wenn ich noch grob weiß (oder glaube zu wissen), worum es ging, und hier hatte ich auch ein paar Kritikpunkte. Das eigentliche Thema ist ja, sofern ich das nicht durcheinanderbringe, Liebe, oder die Frage, was das eigentlich ist. Und hier wäre mehr drin gewesen, vor allem, weil die Figur des ersten Offiziers leider unglaubwürdig wirkt. Als erwachsener Mann und Sternenflotten-Commander sollte er eigentlich den Unterschied zwischen tiefgreifender Liebe und anfänglicher Begierde kennen. Daher fand ich es merkwürdig, dass er so schnell seine Karriere wegwirft, ohne seine eigene Handlung zu hinterfragen. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass er sie hinterfragt hätte. Dabei war doch genau hier die Chance für einen tiefgreifenderen Dialog. Kann das schon Liebe sein? Nach so kurzer Zeit? Oder doch nur eine kurze Schwärmerei? Gibt es so etwas, wie Liebe auf den ersten Blick? Kann man das vorher schon sagen? Oder erst nach einer Weile? Oder reimt man sich dann einfach eine stringente Geschichte zusammen und sieht Schicksalswege, wo nur Zufälligkeit vorhanden war? Auf diese Fragen muss man ja keine konkrete Antwort geben, aber für einen doch recht längeren Roman, hätte ich erwartet, dass etwas ausführlicher auf diese Dinge eingegangen worden wäre.
Hmm, das Thema Liebe ist schon sehr wichtig, aber "Fremde eigene Welten" betrachtet es aus einer Warte, die der der "Südseeromanze" entspricht. Damit das "aufgeht", muss der Betroffene einen Mangel an der Fähigkeit, zu reflektieren vorweisen. Der Commander kommt wirklich ganz schlecht weg ;)  Ein zusätzliches "Problem" der gewählten Warte ist dann auch die Reaktion der anderen Figuren: Der Captain interessiert sich nicht groß für den Commander, sondern will nur das eigentliche Dilemma lösen; Ter-Nedden ist schlicht hilflos und Clerke, als "Gegenspieler" des Commanders ohnehin gegen ihn eingestellt. Illusion und Isolation sind zwei Begriffe, mit denen man Williams' Rolle beschreiben kann. Das entschudligt natürlich nicht die mangelnde Zuwendung zum Thema Liebe, aber vielleicht kann es ein wenig den Blickwinkel erklären, der, wie ich es im Wiki-Artikel zum Roman nenne, entsprechende Topoi und Klischees bedient und zugleich kritisiert.

So habe ich "Fremde eigene Welt" als gute Geschichte in Erinnerung, von der auch nach einiger Zeit noch erstaunlich viel hängen geblieben ist(?), aber für den ganz großen Wurf hat noch die ein oder andere Sache gefehlt. Trotzdem, auch damals schon toll gemacht. Ich nehme an, das war auch eine super Vorbereitung für Satyr. Und wer weiß, vielleicht taucht dort ja irgendwann mal eine Episode namens "Rosarot" auf und holt das Thema noch einmal hervor.
"FeW" war für mich vor allem eine intensive Erfahrung weil es mein bis jetzt längste Text fiktiven Inhalts ist. Im Vordergrund stand ein Thema, dass leicht legitime Erwartungen auf mehr weckt, dann aber mit gewissen Aussagen zufrieden ist.
Die gute Nachricht ist, dass ich tatsächlich mit der Satyr-Reihe auf das Thema Liebe zurückkehren könnte, wahrscheinlich auch werde :)
Übrigens gibt es schon ein (im Grunde sogar zwei ;)) Satyr-Fragmente mit dem Titel "Rosa", allerdings mit einer anderen inhaltlichen Ausrichtung. Aber in der Geschichte "Rubin" wird das Thema Liebe weiter beleuchtet.

Ich hoffe ich habe jetzt nicht zu viel Unsinn geredet o_O
Das tust Du nie :) :D :)
Noch mal: Danke für das Feedback!
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Fleetadmiral J.J. Belar am 28.05.16, 10:21
@ Max

Was lange währt, wird endlich gut.
Siehste, ich halte meine Versprechen und habe mich für die Lektüre dieser Geschichte entschieden und wurde nicht enttäuscht.
Auch oder gerade weil, nicht sehr viel gekämpft wurde.
Ich fand die Geschichte durchweg spannend. Eine Kolonie der Föderation verschwindet, die von den Einheimischen auf diesem Planeten mehr oder weniger nur geduldet wurde und die Sternenflotte schickt ein Schiff zu ermitteln. Ein Crewmitglied lässt sich aber auf eine Romanze mit einer einheimischen Prinzessin ein und so gerät die Crew in einen ziemlichen Konflikt innerhalb der internen Machtkämpfe des Volkes.
Sehr spannend wie ich finde.
Deine Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet. Ganz besonders gut hat mir der Captain und der Schiffsarzt Ter-Nedden gefallen.
Vorallem der Captain mit seiner geheimnisvollen Krankheit, die außer juckenden Pusteln, anscheinend kaum Auswirkung zu haben scheint gefällt mir gut. Seine Entscheidung, den Crewmen machen zu lassen und seine eigene Entscheidung treffen zu lassen, hat mir sehr gut gefallen. Er hätte ja auch den ausdrücklichen Befehl geben können, sich fernzuhalten und auf das Schiff zurückzukehren.
Was mir auch sehr gefallen hat war die Tatsache, dass das einheimische Volk eine besondere Form des Krieges entwickelt hat und man sich sozusagen irgendwo trifft, um die Deifferenzen im Kampf auszutragen und keinerlei zivile Opfer gewährleistet sind. Auch die fliegenden Felder waren sehr faszinierend.
Was ich aber ein wenig vermisst habe, war die Auflösung, was mit den Bewohnern der Kolonie geschehen ist und warum der Doktor so unbedingt nach der Geschichte des französischen Segelschiffs aus dem 17.-18. Jahrhundert mit dem gleichen Namen forschen musste.

Liebe Grüße
J.J.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 29.05.16, 21:23
Danke für Deinen Review, Belar!  :bounce
Da hast Du Dir ja was spezielles rausgesucht :) Ich habe "Fremde eigene Welten" alles in allem in positiver Erinnerung, noch heute liebe ich das Cover.
Es freut mich, dass Dir die Geschichte zugesagt hat.

Was lange währt, wird endlich gut.
:)) Ich bin ja nun auch immerhin schon acht Jahre Mitglied im Forum ;)

Siehste, ich halte meine Versprechen und habe mich für die Lektüre dieser Geschichte entschieden und wurde nicht enttäuscht.
Auch oder gerade weil, nicht sehr viel gekämpft wurde.
Ich fand die Geschichte durchweg spannend. Eine Kolonie der Föderation verschwindet, die von den Einheimischen auf diesem Planeten mehr oder weniger nur geduldet wurde und die Sternenflotte schickt ein Schiff zu ermitteln. Ein Crewmitglied lässt sich aber auf eine Romanze mit einer einheimischen Prinzessin ein und so gerät die Crew in einen ziemlichen Konflikt innerhalb der internen Machtkämpfe des Volkes.
Sehr spannend wie ich finde.
Deine Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet. Ganz besonders gut hat mir der Captain und der Schiffsarzt Ter-Nedden gefallen.
Vorallem der Captain mit seiner geheimnisvollen Krankheit, die außer juckenden Pusteln, anscheinend kaum Auswirkung zu haben scheint gefällt mir gut. Seine Entscheidung, den Crewmen machen zu lassen und seine eigene Entscheidung treffen zu lassen, hat mir sehr gut gefallen. Er hätte ja auch den ausdrücklichen Befehl geben können, sich fernzuhalten und auf das Schiff zurückzukehren.
Was mir auch sehr gefallen hat war die Tatsache, dass das einheimische Volk eine besondere Form des Krieges entwickelt hat und man sich sozusagen irgendwo trifft, um die Deifferenzen im Kampf auszutragen und keinerlei zivile Opfer gewährleistet sind. Auch die fliegenden Felder waren sehr faszinierend.
Was ich aber ein wenig vermisst habe, war die Auflösung, was mit den Bewohnern der Kolonie geschehen ist und warum der Doktor so unbedingt nach der Geschichte des französischen Segelschiffs aus dem 17.-18. Jahrhundert mit dem gleichen Namen forschen musste.
"Fremde eigene Welten" ist glaube ich so ziemlich meine längste Geschichte. Sie war damit auch für mich eine eigentümliche Reise, weil ich in ihr mehr erzählen konnte als üblich. Dadurch hatte ich auch mehr Möglichkeiten, denn obwohl Du schreibst, dass nicht viel gekämpft wurde, ist die eine Kampfszene eine mehr als sie die üblichen Geschichten von mir aufweisen  :o 8) ;)
Interessanter Weise musste ich feststellen, dass ich mich gar nicht mehr so genau an die Einzelheiten erinnere.
Aber ich weiß noch, dass mir Ter-Nedden als Figur in dem Sinne am Herzen lag, dass er wirklich eine der sympathischeren Figuren, joah, vielleicht sogar Identifikationsfigur sein sollte.
Spannend finde ich, dass Dir der Captain gefallen hat :) Er ist ja doch recht passiv, und das muss man berechtigter Weise nicht nur gut finden, weil es auch negative Folgen haben kann, wenn man Entscheidungen abgibt und am Ende nicht mehr in der Lage ist, die Ereignisse, für die man letztlich verantwortlich ist, selbst noch zu kontrollieren. Überrascht bin ich auch, weil Admiral Belar ja in eine andere Kommandanten-Kategorie fällt und auch fallen muss, weil es bei all den Krisen, die er in UO meistern muss, schwierig werden könnte, so, na, ich bleibe bei dem Wort 'passi' zu agieren.

Erschreckender Weise kann ich Dir Deine Fragen nicht wirklich beantworten, eben weil es solange her, dass ich "Fremde eigene Welten" geschrieben habe. Dass es keine Auflösung im klassischen Sinne gibt, ist ja relativ typisch für mich. Ich mag es an sich auch immer, es den Gedanken des Lesers zu überlassen, was nun passiert sein soll. Allerdings sind die im Text versteckten Hinweise nicht umsonst dort und ich bin dann leider doch in dem Sinne einfach gestrickt, dass die von Crewmen bzw. Figuren geäußerten Theorien im Allgemeinen zumindest den Ansatz oder doch auch gleich die Lösung enthalten ist, was da so im einzelnen wirklich geschehen ist.
Auch was die Suche nach der Namensgebung anbelangt, kann ich im Moment gar nicht viel sagen. Der Verweis auf das Schiff von früher kann wohl in jedem Fall als Hinweis darauf verstanden werden, was in der Zeit des Kolonialismus so alles passiert ist; es geht also auch ganz direkt um den Umgang der Reisenden mit den Einheimischen, auf die sie da trafen.
Für mehr würde es sich sicherlich lohnen, noch einmal die Hintergrundinfos zu lesen, die im Wiki (Link (http://de.trekspace.wikia.com/wiki/Fremde_eigene_Welten)) hier im Thread nach jedem Kapitel stehen. Ich bedaure es sehr, dass ich das damals wohl nicht bis zum Schlusskapitel durchgezogen habe, auch, weil ich befürchten muss, inzwischen gar nicht mehr auf jeden Sinn im Text noch zu kommen :(

Andererseits ist das auch für mich ein Ansporn, mir die Geschichte noch einmal vorzunehmen, denn es ist schade, wenn man das Alte vergessen würde.
Also in diesem Sinne: einen doppelten Dank an Dich, Belar :)
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Dahkur am 28.06.16, 07:44
Gemein! Ich habe hier fröhlich im laufenden Thread begonnen zu lesen und fand besonders Deine Idee, zu jedem Kapitel eine kleine Autoreninterpretation zu liefern, ausgezeichnet.  - und dann endet es mittendrin ... jetzt muss ich mir wohl doch das pdf runterladen ;) (ich lese lieber direkt, weil mein blödes Tablet immer noch keine pdfs runterladen kann).

Bei Deinen Anmerkungen hast Du ganz am Anfang geschrieben, dass Du dem Captain einen Nachnamen gegeben hat, der auch als Vornamen funktioniert, weil dadurch die Identifikation beim Leser gestärkt wird. Ist das wirklich so? Dann bin ich da ein unglückliches Leserexemplar, denn ich schrecke jedes Mal vor Texten zurück, in denen die Autoren ihre eigenen Charaktere (oder auch die bekannten) im Erzähltext mit dem Vornamen bezeichnen. Bei mir kommt da immer ein ganz unangenehmes Gefühl auf, weil ich mich einem Charakter nicht durch das nähern kann, was ich in der Geschichte über ihn erfahre, sondern ihn sozusagen vom Autor gleich mal als "Kumpel" vorgeschrieben bekomme. Mich stört das überraschenderweise total beim Lesen.

Und die andere Frage, die mir beim Lesen Deiner Anmerkungen kam, war folgende: Gibt es auch einen Anteil an Deinen Geschichten, die Du sozusagen aus dem Bauch heraus schreibst, oder ist bei Dir das Meiste tatsächlich mit Bedacht und "Hintergedanken" formuliert?

Zur Geschichte selbst sage ich etwas, wenn ich alles gelesen habe.
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Max am 28.06.16, 08:51
Gemein! Ich habe hier fröhlich im laufenden Thread begonnen zu lesen und fand besonders Deine Idee, zu jedem Kapitel eine kleine Autoreninterpretation zu liefern, ausgezeichnet.  - und dann endet es mittendrin ... jetzt muss ich mir wohl doch das pdf runterladen ;) (ich lese lieber direkt, weil mein blödes Tablet immer noch keine pdfs runterladen kann).
Ich sage schon mal jetzt danke für Deinen Kommentar, Dahkur :)
"Fremde eigene Welten" ist meine bisher längste Geschichte; einerseits steckt einiges an Arbeit drinnen, andererseits föogen bestimmte Ideen auch geradezu herbei.
Ich wollte auch mal Einblicke geben, was ich mir wobei gedacht habe. Inzwischen ärgere ich mich sehr darüber, dass ich die Interpretationen nicht bis zum Ende geschrieben habe. Ich muss nämlich befürchten, dass die große zeitliche Distanz dazu führen wird, dass ich die Informationen so zu den Restkapiteln heute gar nicht mehr geben könnte :( Das ist schade :( Mit großem Glück habe ich irgendwo noch Aufzeichnungen, leider bin ich da nicht sehr optimistisch.

Bei Deinen Anmerkungen hast Du ganz am Anfang geschrieben, dass Du dem Captain einen Nachnamen gegeben hat, der auch als Vornamen funktioniert, weil dadurch die Identifikation beim Leser gestärkt wird. Ist das wirklich so? Dann bin ich da ein unglückliches Leserexemplar, denn ich schrecke jedes Mal vor Texten zurück, in denen die Autoren ihre eigenen Charaktere (oder auch die bekannten) im Erzähltext mit dem Vornamen bezeichnen. Bei mir kommt da immer ein ganz unangenehmes Gefühl auf, weil ich mich einem Charakter nicht durch das nähern kann, was ich in der Geschichte über ihn erfahre, sondern ihn sozusagen vom Autor gleich mal als "Kumpel" vorgeschrieben bekomme. Mich stört das überraschenderweise total beim Lesen.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Mir geht das übrigens kaum anders, allerdings mit einer kleinen "Verschiebung". Wird eine Figur in einem Text mit Vornamen genannt (noch dazu nicht konsequent), neige ich dazu, sie in diesen Passagen nicht ganz ernst zu nehmen. Ich denke, das hat bei mir folgenden Grund: Nur Kinder nennt man bei ihrem Vornamen.
Ich glaube auch, dass Autoren mit dem Vornamen arbeiten, um die Figur einem als "Kumpel" näher zu bringen. Das funktioniert bei mir auch nicht richtig, vielleicht, weil in einem normalen Prosatext kein auffälliger Erzähler als Gewährsmann für diese freundschaftliche Verbindung agiert. So denke ich bei "Jim griff zu seinem Phaser" nicht daran, dass hier ein vertrauenswürdiger, netter Typ eine Waffe in der Hand hält, sondern eher 'Nehmt dem Kind die Waffe weg!'.
Bei Mark Jonas liegt der Fall ein klein wenig anders, jedenfalls für mein Empfinden, denn ich nenne ihn im Fließtext (hoffentlich ;)) nie "Mark". Jonas ist sein regulärer Nachname, aber das lässt sich intuitiv gar nicht immer leicht trennen. Das ist ein Trick, den man nun gut, oder billig finden kann ;) :D

Und die andere Frage, die mir beim Lesen Deiner Anmerkungen kam, war folgende: Gibt es auch einen Anteil an Deinen Geschichten, die Du sozusagen aus dem Bauch heraus schreibst, oder ist bei Dir das Meiste tatsächlich mit Bedacht und "Hintergedanken" formuliert?
Das Meiste, so würde ich sagen, wird konstruiert, erarbeitet, entwickelt, bis es mit Sinn aufgeladen ist. Das bedeutet nicht, dass nicht auch zahlreiche Elemente einfließen können, die einfach so aus dem Bauch kommen, also nicht das Ergebnis ausführlichen Nachdenkens sind. Interessanter Weise fügen sie sich nicht selten überraschend gut in das Konzept ein und so bekommen die Ideen neue Impulse :) Muss ich aber feststellen, dass etwas, was einfach so aus dem Bauch heraus seinen Weg auf das digitale Papier fand, der Intention nicht hilft, wird es in den meisten Fällen dann auch wieder gelöscht (oder zumindest stark umgearbeitet).

Zur Geschichte selbst sage ich etwas, wenn ich alles gelesen habe.
Darauf freue ich mich jetzt schon  :lieb :bounce
Titel: Antw:Fremde eigene Welten
Beitrag von: Dahkur am 30.06.16, 20:32
"Fremde eigene Welten" ist meine bisher längste Geschichte; einerseits steckt einiges an Arbeit drinnen, andererseits föogen bestimmte Ideen auch geradezu herbei.
Ich wollte auch mal Einblicke geben, was ich mir wobei gedacht habe. Inzwischen ärgere ich mich sehr darüber, dass ich die Interpretationen nicht bis zum Ende geschrieben habe. Ich muss nämlich befürchten, dass die große zeitliche Distanz dazu führen wird, dass ich die Informationen so zu den Restkapiteln heute gar nicht mehr geben könnte :( Das ist schade :( Mit großem Glück habe ich irgendwo noch Aufzeichnungen, leider bin ich da nicht sehr optimistisch.

Das wäre natürlich toll, wenn es da noch etwas gäbe. Denn ich fand gerade die Kommentare sehr interessant. Bei manchen Sachen merke ich da auch, dass Du sehr viel an Allgemeinbildung voraussetzt, z.B. bei der Namenswahl des Schiffs, wo Du in Deinen Anmerkungen davon ausgehst, dass dem Leser klar ist, dass es sich dabei um einen Pflanzennamen handelt. Das wäre mir z.B. nie gekommen, weil ich diesen Namen für "Tränendes Herz" noch nie gehört habe.

Zitat
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Mir geht das übrigens kaum anders, allerdings mit einer kleinen "Verschiebung". Wird eine Figur in einem Text mit Vornamen genannt (noch dazu nicht konsequent), neige ich dazu, sie in diesen Passagen nicht ganz ernst zu nehmen. Ich denke, das hat bei mir folgenden Grund: Nur Kinder nennt man bei ihrem Vornamen.
Ich glaube auch, dass Autoren mit dem Vornamen arbeiten, um die Figur einem als "Kumpel" näher zu bringen. Das funktioniert bei mir auch nicht richtig, vielleicht, weil in einem normalen Prosatext kein auffälliger Erzähler als Gewährsmann für diese freundschaftliche Verbindung agiert. So denke ich bei "Jim griff zu seinem Phaser" nicht daran, dass hier ein vertrauenswürdiger, netter Typ eine Waffe in der Hand hält, sondern eher 'Nehmt dem Kind die Waffe weg!'.
Bei Mark Jonas liegt der Fall ein klein wenig anders, jedenfalls für mein Empfinden, denn ich nenne ihn im Fließtext (hoffentlich ;)) nie "Mark". Jonas ist sein regulärer Nachname, aber das lässt sich intuitiv gar nicht immer leicht trennen. Das ist ein Trick, den man nun gut, oder billig finden kann ;) :D

Du hast ihn im Text konsequent mit Nachnamen bezeichnet. Meine Frage bezog sich da nicht auf Deine Verwendung, sondern auf die Anmerkung. Der Aspekt mit dem Kind wäre mir beim Lesen jetzt nicht direkt gekommen, aber ich kann ihn gut nachvollziehen. Mir bricht die "Konsequenz" der Namensnennung immer dann weg, wenn ich zwei Charaktere mit gleichem Nachnamen habe. Klassischer Fall bei DS9 Miles und Keiko O'Brien. Schreibe ich im Text O'Brien, dann wird jeder Leser das sofort mit dem Ingenieur in Verbindung bringen. Da wird es dann kniffelig ...


Zitat
Das Meiste, so würde ich sagen, wird konstruiert, erarbeitet, entwickelt, bis es mit Sinn aufgeladen ist. Das bedeutet nicht, dass nicht auch zahlreiche Elemente einfließen können, die einfach so aus dem Bauch kommen, also nicht das Ergebnis ausführlichen Nachdenkens sind. Interessanter Weise fügen sie sich nicht selten überraschend gut in das Konzept ein und so bekommen die Ideen neue Impulse :) Muss ich aber feststellen, dass etwas, was einfach so aus dem Bauch heraus seinen Weg auf das digitale Papier fand, der Intention nicht hilft, wird es in den meisten Fällen dann auch wieder gelöscht (oder zumindest stark umgearbeitet).


Vielen Dank für diese Einsicht in Deine Arbeitsweise! Ich denke mir auch dass dann, wenn man intensiv in der Geschichte steckt, selbst Impulse fast immer in die richtige Richtung führen dürften.

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