DS9 9.02 - Entsetzliches GleichmaßIn unserem Universum wurde eine cardassianische Schläfer-Agentin namens Iliana Ghemor einst chirurgisch verändert, um wie Kira Nerys auszusehen. Sie sollte diese Widerstandskämpferin und Heldin, die den Planeten Bajor befreite, ersetzen. Dieser Plan wurde jedoch nie in die Tat umgesetzt, und das Schicksal der Agentin blieb unbekannt bis jetzt.
Der letzten sechzehn Jahre beraubt, kehrt Iliana Ghemor nun zurück und sinnt auf Rache. Über anderthalb Jahrzehnte der Gefangenschaft und der Misshandlung durch ihre ehemaligen Vorgesetzten, haben sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Ihr Lebenswille wird nur noch durch ihre verdrehte Überzeugung aufrecht erhalten, dass sie tatsächlich die wahre Kira Nerys ist. Sie hat bereits einen beinahe erfolgreichen Anschlag auf das Leben der echten Kira verübt, doch anstatt die Identität der Frau anzunehmen, die sie ursprünglich ersetzen sollte, hat sich Ghemor ein völlig unerwartetes Ziel gesucht...(Vorsicht, ich werde ein bisschen spoilern. Wer sich lieber überraschen lassen will, sollte zum Fazit runterscrollen). "Entsetzliches Gleichmaß" ist ein Roman, der anfangs recht gewöhnlich schien, mich dann aber doch sehr gefesselt und begeistert zurückgelassen hat. Die Geschichte knüpft unmittelbar an die Geschehnisse aus "Kriegspfad" an... treibt die Handlung aber so gut wie nicht vorwärts. Stattdessen empfindet sich die Geschichte als Mittelkind einer Trilogie(?), die vor allem eines liefert: Erklärungen und Hintergründe. Der Roman ist dabei in zwei Hälften unterteilt:
Seite 1 - heißt so, weil sie sich mit Kiras Seite der Geschichte befasst. Nach dem Anschlag auf ihr Leben ist sie noch immer ziemlich durch den Wind, hat Probleme anderen, und vor allem sich selbst, zu vertrauen und bemüht sich nun um ein paar Antworten von der Frau, die man am Ende des letzten Romans festgenommen hat. Die Charakterszenen sind dabei wie üblich sehr gut gelungen. Es ist jedesmal schön, die DS9-Recken wieder zu sehen - sowohl die alten, als auch die neuen. Was mich weniger begeistert, ist die Geschichte selbst, die sich nämlich um das Spiegeluniversum dreht, und stellenweise furchtbar komplex ist. Wir haben hier eine Spiegel-Version von Iliana Ghemor, die gut ist, und unsere Iliana Gehmor, die verrückt ist, aufhalten will, weil unsere Iliana Ghemor sich für Kira hält, udn alle anderen Kiras auslöschen will, und gleich mal mit der Intendantin anfängt, die aber im Grunde unwichtig ist, denn eigentlich ist das Hauptproblem eh das, dass es im Spiegeluniversum keinen Abgesandten gibt, weshalb Sisko gleich mal von mehreren anderen Siskos aufgesucht und auf eine Mission geschickt wird, die er aber Commander Vaughn überlässt.
Hä?
Die Geschichte ist recjt kompliziert und mitunter weiß man bei den ganzen Ilianas und Kiras gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist, was zur regelmäßigen Hirnverwurstung führt. Hinzu kommen gelegentliche Momente, die mir einfach zu fanboyisch sind. Wenn da plötzlich Michael Eddington und Luther Sloan (!) auf Spiegel-DS9 sind, dann meint man, ein verrückter Fan habe sich das ausgedacht. Ich bin einfach kein großer Freund des Spiegeluniversums. Ich finde, das Spiegeluniversum ist perfekt, um in den Serien mal ein bisschen die Sau rauszulassen. Die ganze Produktionscrew darf ein bisschen was verrücktes machen, und die Schauspieler bekommen Gelegenheit Spaß zu haben, denn böse, überzeichnete Charaktere zu spielen, macht immer spaß. Daher macht auch das zuschauen Spaß. In einem Roman fehlt für mich aber der Anreiz, mich auf so eine Geschichte einzulassen. Ich finde, es gibt weitaus interessantere Dinge zu erforschen. Wenn man das Spiegeluniversum nutzt, sollte man es wenigstens nicht mit unserem verweben. Na ja. Story Hin oder her, dieser Teil der Geschichte ist zumindest gut geschrieben, und da er nicht allzulang ist, ist man auch schnell damit durch. Im Grunde liest sich das Ganze wie eine Vorbereitung auf den nächsten Roman, der die Geschichte um das Spiegeluniversum hoffentlich abschließt.
Bemerkenswert fand ich dafür die Rückblende in Kiras Zeit als Widerstandskämpferin. Nicht zuletzt, weil ich gerade erst Lairis' "Resistance" beendet habe, und noch in der "Stimmung" war. Außerdem spielt dieser Teil der Geschichte eine nicht unerhebliche Rolle im nächsten Teil. Der da heißt:
Seite 2. Und diese Seite, die auch den Großteil des Romans bildet, ist wirklich sehr gelungen. Im Grunde hat man es hier mit einem Charakterstück zu tun, das sich einzig und allein auf Iliana Gehmor (die aus unserem Universum) konzentriert, und ihre Hintergrundgeschichte erzählt. Und die hat es in sich! Es ist einfach ein perfekter Schachzug, die Besatzung Bajors aus der Sicht eines idealistischen, aber verwöhnten Mädchens auf der cardassianischen Heimatwelt zu zeigen, und somit der anderen Seite der Besatzung ein Gesicht zu verpassen. Iliana ist begabte und priviligierte Künstlerin (das genaue Gegenteil zu Kira also) und anfangs noch gegen die Besatzung - so wie auch ihr Frend, ein junger Glin, der - wie sollte es auch anders ein - schließlich auf Bajor eingesetzt wird. Seine Briefe, die zunächst noch von guten Idealen durchzogen sind, die sich aber Stück für Stück in Verbitterung und Hass wandeln aufgrund ständiger Terroranschläge des Widerstands - bis er natürlich gar keine mehr senden kann, was Iliana in die Hände des obsidianischen Ordens treibt. Hier wird eine junge Frau Stück für Stück Opfer eines totalitären Staates, in dem der Dienst am Volk alles ist. Es wird erklärt, weshalb sich die Agentin für die Mission meldet, Kira zu ersetzen und die Widerstandsbewegung zu unterwandern... und wer diesen Plan schließlich vereitelte. Die nächsten fünfzehn Jahre ihres Lebens sind dann unglaublich grausam, und - ohne zu viel zu verraten - aber die Geschichte wirft ein völlig neues, wiederliches Bild auf Gul Dukat. Bei einem Re-run der Serie, dürfte man jedenfalls neue Facetten in seinem Zusammenspiel mit Kira entdecken. Somit hat dieser Roman ganze Arbeit geleistet.
Ilianas Geschichte ist tragisch und man kann sie am Ende verstehen, was sie zu mehr macht als einer 0815-Gegnerin. Diesen Teil des Buches fand ich jedenfalls sehr gut, teilweise fühlte ich mich sogar ein bisschen an "Ein Stich zur rechten Zeit" erinnert, und ich bin jetzt natürlich sehr gespannt, wie man weiter mit Iliana verfährt.

Fazit:
Unterm Strich ist "Entsetzliches Gleichmaß" ein Roman, der die in "Kriegspfad" angefangene Geschichte nicht unbedingt weiterbringt, ihr aber eine Menge Tiefe verpasst. Nebenbei werden noch offene Handlungsstränge aus der Serie aufgegriffen, allen voran das Schicksal der Iliana Ghemor, das... für Star Trek Verhältnisse ungewöhnlich hart und brutal ausfällt, und somit einen Antagonisten kreiert, der einem eigentlich nur noch leid tut. Jetzt bleibt abzuwarten, was die Fortsetzung daraus macht. Vor dem Lesen von "Entsetzliches Gleichmaß" sollte man sich aber unbedingt noch einmal die beiden Episoden "Die zweite Haut" und "Die Überwindung" ansehen, sonst kommt man nur schwer mit.