Kapitel 12.4 Gibbs warf einen fassungslosen Blick auf das Display seines Handys. Was dachte sich der Anthropologe? Da würde er nun da sitzen und gepflegte Konversation mit einer Frau machen, die nach den Angaben des Archäologen „Mysteriös“ war? Gut, jedem wie er mochte, aber der Fakt, dass Jackson das Bild an ihn und auch an Abby Sciuto geschickt hatte, ließ ihn doch sehr bezweifeln, dass hier einfaches „Flirten“ in der Absicht des Anthropologen stand.
Als dann, wenige Minuten später die Meldung „Frau nimmt mich mit – wenn ich mich in 4 Stunden nicht melde: sucht mich“ auf seinem Handy auftauchte, konnte sich Leroy Jethro Gibbs nur noch an den Kopf fassen. Ob der Anthropologe seinen früheren Vorgesetzten, Jack O’Neill auch durch solch hirnlos-impulsive Handlungen in den Wahnsinn getrieben hatte?
In diesem Moment klingelte sein Handy. Gibbs warf einen Blick auf das Display, las den Namen des Anrufers – Abby Sciuto – und nahm das Gespräch mit militärisch knappen „Ja? Rede mit mir!“ entgegen.
Private first class Jessica Hanson hatte einen sehr interessanten Tag. Eigentlich hätte sie sich so etwas nicht träumen lassen – aber andererseits, wann erfuhr man schon einmal, dass der NCIS offenbar in den Gewässern vor Dubai nach einer bruchgelandeten
Intrepid -Klasse suchen würde.
„Warum suchen wir nicht dann noch die bruchgelandete
Defiant ?“, schoss es ihr durch den Kopf, aber sie würde sich hüten, etwas zu sagen. Vor ein paar Tagen war Halloween gewesen, vielleicht war dies eine verspätete Racheaktion, die sich Martin – ihr Mitbewohner – ausgedacht hatte, nachdem sie die Schaumgummiratten im Kühlschrank gesehen hatte. Zugegeben, das laute Kreischen war durchaus die Mühe wert gewesen, aber dass Martin dann doch soweit gehen würde und ihr das Hauptteam des Naval Criminal Investigative Service auf den Hals hetzte, um nach etwas zu suchen, das eigentlich gar nicht da war, weil es der Fiktion von Drehbuchautoren entsprungen – oder in diesem Fall eher: entflogen – war… das schoss den Vogel ab. Aber, sie würde mitspielen. Warum auch nicht? Was machten sie denn Schlimmes? Sie – Jessica – hatte das NCIS-Team zu einer bestimmten Stelle geflogen, sie hatten eine Boje abgeworfen und nun dirigierte Tim McGee seine Kollegen Tony und Ziva zu eben jener Stelle. Alles halb so schlimm. Und das sie die Baupläne der
Voyager hatte aufrufen sollen, war so übel auch nicht. Sie würde mitspielen.
„Korrigiert euren Kurs um weitere 5 Grad Backbord.“, teilte McGee gerade seinen Kollegen mit und wandte sich dann ihr zu, um sie neugierig anzuschauen.
Vermutlich wartete er darauf, dass sie ihn fragte, was das ganze Spielchen solle? Nicht mit ihr. Sie würde einfach mitspielen. Also holte sie tief Luft, verschränkte die Arme vor der Brust, ehe sie mit einer Hand auf den Monitor deutete, der den
Voyager -Bauplan zeigte.
„Ich würde ja lieber versuchen, über die hintere Shuttlebucht in das Schiff zu kommen. Der Zugang dürfte sicherer sein, als sich, beispielsweise über die Hauptbrücke einen Zugang verschaffen zu wollen.“, sagte sie und schaute den Special Agent an, der ihren Blick fassungslos erwiderte. Man hatte ihr inzwischen schon einige Male gesagt, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit zu Jeri Ryan hätte, die bei „Star Trek – Raumschiff Voyager“ die Borgdrohne Seven of Nine spielte und deren Name „Annika Hansen“ lautete. Auch der Name barg eine gewisse Ähnlichkeit, aber was hieß das schon? Ein befreundetes Ehepaar hieß Stephans, sie hieß Samantha, er hieß Darrin und dennoch war sie keine Hexe. Wobei – jedes Jahr zu Halloween hatte sie richtig Spaß und konnte ihr „Verliebt in eine Hexe“-Alter Ego voll ausspielen. Nichts desto Trotz – es mochte wirklich augenfällige Ähnlichkeiten zwischen ihr, Jessica Hansen und Annika Hansen geben, dennoch war sie keine Borg. Zumal eine
Voyager sowieso nicht existierte.
Und doch kam sie nicht umher, Special Agent Timothy McGee gegenüber ihre Haltung zu verändern, sich mehr „borg“-ig zu positionieren. Der Rücken wurde durchgestreckt, die Hände hinter selbigem verschränkt und sie versuchte, ihre Augen kalt und analytisch über den Bildschirm huschen zu lassen. Dann holte sie Luft und brachte – was sie selbst mit stolz erfüllte – genügend „borg-Ton“ in ihre Stimme um „Alles andere wäre Ineffizient, Special Agent McGee“ zu sagen.
Ja, manchmal überraschte sie sich selbst.
Tim schaute die Frau verblüfft an. Vor einigen Sekunden war Jessica Hansen noch eine junge Navy-Offizierin gewesen, die sich vermutlich fragte, was das alles war, jetzt gerade schien sie eine Metamorphose in Seven of Nine zu vollziehen. Ehe er realisierte, was geschehen war, stand er auf den Beinen, hatte seine Arme um die zarten Schultern der Frau gelegt und starrte sie an: „Seven? Sind… sind Sie das?“
Die analytische Kälte wich einer Mischung aus Verwirrung, Amüsement und Angst, als sich Jessica losmachte und ihn anblickte: „Nein, natürlich nicht.“
Und dann, noch ein paar Schritte nach hinten tretend, fragte sie „Was ist eigentlich Ihr Problem?“
Dann fielen von draußen Schüsse.
Das laute Röhren des motorbetriebenen Gummibootes verstummte abrupt, als sie die Boje erreicht hatten. Ziva ging in die Hocke, griff nach ihren Zivilklamotten und förderte einen Tricorder zu Tage. Den fassungslosen Blick Tonys registrierte sie, wandte sich an ihn und lächelte: „Abby hatte ihn mir gegeben – damit wir die
DRAGONFLY auch wirklich finden.“
Der verblüffte Gesichtsausdruck Tonys wich einem leichten Lächeln, als er nach seiner Sauerstoffflasche griff.
„Wollen wir?“
Ziva griff ebenfalls ihre Sauerstoffflasche: „Wir wollen.“
Und damit glitt sie ins Wasser.
Das Erste, was Tony DiNozzo bemerkte, als er Ziva David folgte, war, dass ihre Bewegungen unter Wasser noch viel eleganter wirkten. Sie erinnerte ihn an eine Meerjungfrau, die hier endlich wieder in ihrem angestammten Territorium war und … in seinem Kopf konnte er die Musik von Ariel beinahe hören, inklusive eines leidenschaftlich, aber falsch gesungenem „Unter dem Meer.“
Wobei der Hinweis gar nicht so verkehrt war. Sie waren unter dem Meer und machten sich auf den Weg in die Tiefe, um einen Schatz zu bergen, den es eventuell noch nicht einmal mehr gab. Wie groß waren die Chancen, dass ein Föderationsraumschiff den Druck in mehreren tausend Metern unter dem Meeresspiegel ohne Weiteres überstehen würde? Er wusste es nicht, aber er hoffte. Er hoffte, dass sie entweder nicht umsonst auf dem Weg in die Tiefe waren – oder aber, dass sie rechtzeitig wieder an die Obefläche kamen, ehe ihnen die Luft ausging. Er sah sich förmlich schon, wie er eine erschlaffende Ziva griff und mit ihr gen Wasseroberfläche strebte, um ihr wieder frischen Sauerstoff einzugeben. Zivas schöne Augen würden sich öffnen, sie würde ihn verliebt-benommen anlächeln und sie würden…
Plötzlich versteifte sich Tony. Nicht nur gewisse Körperpartien, die gerade mit Blut geflutet wurden, weil der Kopf sich Sachen vorstellte, die er mit Ziva auf dem Boot tun konnte, sondern der komplette Körper. Diese Reaktion hatte noch nicht einmal im Entferntesten mit der Erotik zu tun, die in seinem Kopf für den Bruchteil einer Millisekunde aufflammte und dann – wie mit einem Messer – gekappt wurde, sondern mit dem Fakt, dass diese Gedanken von anderen Gedanken verscheucht worden waren, wie eine Gruppe von kleinen Fischen vor Haien. Und das war das Bild, das er gerade vor Augen hatte. Was, wenn es hier Haie gab? Er war kein Experte darin, diese possierlichen Tierchen zu bekämpfen und wenn er eine Wahl hätte, würde er dies am Liebsten jemand Anderem überlassen – aber im Zweifelsfall konnte Ziva auf ihn zählen. Und dennoch war er kein Freund der Vorstellung, sich mit Jaws Cousins anzulegen.
Andere Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Es war nicht einmal dieses „Stell dir vor, du kannst Ziva nicht retten“-Syndrom, es war viel mehr dieses „Ich hab das Gefühl, ich bin hier Hals über Kopf drin und hab mehr abgebissen, als ich kauen kann“-Syndrom. Wieso hatten sie sich der Suche nach Cal angeschlossen? So gut war der Captain mit ihm, Tony, nun auch nicht befreundet. Aber andererseits – auch wenn er kein Soldat war, hatte er dieses Motto „Never leave a man behind“ ebenfalls voll internalisiert.
Dazu müsste man diesen „man“, den man niemals „behind“ „leaven“ würde, allerdings erst einmal finden. Und hier wurde es kompliziert. Zwar hatte er gelesen, dass Dubai auf einem sogenannten „Schelf“ lag, der Meeresboden also nicht allzu tief war, dennoch wurde es ihm mulmiger und mulmiger, je weiter sie in die immer dunkler werdende Tiefe tauchten. Kurz blieb er an Ort und Stelle, erlaubte sich, sich einmal um die eigene Achse zu drehen und sich zu vergewissern, dass sie immer noch die Boje über sich hatten, ehe er sich wieder zu Ziva herumdrehte. Kurz blieb sein Herz stehen, als er sich umblickte, und die hübsche Israeli nicht mehr sehen konnte, dann blinzelte er und erkannte, langsam in der Dunkelheit verschwidend, ihre Silhouette. Tony schwamm schneller, um sie nicht zu verlieren. Und während er das tat, fiel ihm diese Magnum-Folge ein.
„Home of the Sea“ war ihr Titel und in ihr war Magnum am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, aufs Meer gepaddelt, um ihn alleine für sich begehen zu können. Im Zuge dessen wurde er von einem rüpelhaften, achtlosen Motorbootfahrer angerempelt, verlor den Halt und fiel ins Wasser. Um zu überleben, musste er Wasser treten und hielt tatsächlich einen kompletten Tag aus, wobei er am Schluss von Higgins gerettet wurde. Tony wollte es nicht beschwören, aber es kam ihm so vor, als wäre diese Episode – die erste der vierten Staffel – die Letzte gewesen, in der man Magnums Gedanken – als Off-Sprecher – hören konnte. Ihm war es so, als sei genau dieser Teil von Magnum im Wasser des Molokai-Kanals – einer Seeströmung – gestorben. Vielleicht irrte er sich auch, aber der Gedanke, so musste er zugeben, hatte was.
Was auch etwas hätte, wäre, wenn man sich nicht so leicht ablenken ließe. Erneut blinzelte Tony und paddelte schneller mit seinen Schwimmflossen, um die athletische Ex-Mossad-Agentin zumindest ansatzweise einholen zu können.
Die Umgebung wurde immer dunkler und immer dunkler, auch die Kälte nahm zu, die sich durch den Neoprenanzug biss und Tony sich wünschen ließ, dass sie bald am Ziel wären – oder umkehren könnten. Und dann sah er in der Ferne etwas. Es mochte ungefähr noch gute 10 Meter entfernt sein, aber es schimmerte in der Dunkelheit wie ein Schatz, der nur darauf wartete, von Piraten geborgen zu werden. Wenn sie wirklich Glück hatten, schwammen sie tatsächlich auf die
DRAGONFLY zu und kollidierten nicht mit einem auftauchenden Unterseeboot. Ziva schien ähnliche Gedanken zu haben, hielt kurz inne, schien zu schweben und legte den Kopf schief. Er tauchte neben ihr auf, blickte sie an und sah, dass sie sich das Selbe fragte, wie er. Doch diese Unsicherheit währte nur ein paar Sekunden – dann bedeutete sie ihm, weiter zu schwimmen. Und die Melodie des „Mannes aus Atlantis“ im Kopf folgte er ihr, um nachzusehen, was auch immer dort in der Tiefe war.
Abigail Sciuto hatte Spaß. Aus den Lautsprechern ihrer Boombox röhrte die Musik, der sie gerne lauschte, es störte sie niemand und sie konnte in Ruhe arbeiten. Spuren an der „Stone-Crime-Scene“ wollten immer noch verunstaltet werden und wen konnte man mit solchen Aufgaben besser beschäftigen, als sie. Sie wusste ja auch, wonach man zu suchen hatte. Und gerade, als sie Bilddaten richtig schön durcheinandergebracht hatte, so dass niemand sie finden konnte, wenn er nicht sie war, meldete ihr Handy eine einkommende MMS.
Sie warf einen Blick auf den Absender.
„Doktor Jackson?“, fragte sie leise in den Raum und merkte erst in diesem Moment, wie laut diese Frage doch in einer solchen Situation sein konnte, obwohl sie vom Lärm der Musik hätte übertüncht werden
müssen . Lässig lies die Forensikerin das Handy aufschnappen und warf einen Blick auf das Bild, das sie begrüßte.
Verblüfft runzelte Abby die Stirn. Zugegeben, die Frau war hübsch, weswegen Daniel ihr dieses Bild schickte, war ihr für den Bruchteil einer Millisekunde nicht klar. Dann dämmerte es ihr. Natürlich – der gute Doktor wollte einen Abgleich mit der Gesichtserkennungsdatenbank.
Das wollte er, das sollte er bekommen.
Nun muss man über die Gesichtserkennung eines sagen – manchmal geht so etwas sehr, sehr schnell. Vor einigen Tagen hatten sie beispielsweise versucht, einen Mann auf einem Foto mit der Gesichtserkennung abzugleichen – und es hatte sofort funktioniert, mit einer Fehlertoleranz von 5 Prozent. Und dann gab es langwierige Suchläufe – beispielsweise den, den das Programm gebraucht hatte, um Ari Haswari zu identifizieren. Abby stellte sich auf eine sehr lange Wartezeit ein, war gerade dabei, ein anderes Programm zu öffnen, als…
Match Found. 100 % Accuracy.
Die hübsche Forensikerin blinzelte, warf einen Blick auf den Bildschirm und schüttelte den Kopf. Schnell nahm sie ihr Handy und wählte die Nummer von Leroy Jethro Gibbs an.
Dieser ging mit einem militärisch knappen „Ja? Rede mit mir“ ans Telefon und Abby erklärte ihm die Zusammenhänge und stellte ihm eine wichtige Frage, die Frage, die sie selbst seit ein paar Sekunden beschäftigte.
Warum interessierte sich Daniel Jackson für Felicity Jones, eine Grundschullehrerin aus Minnessota?
Gibbs ließ sein Handy zuklappen und fluchte in Gedanken. Eine Grundschullehrerin aus Minnessota? Das konnte nicht ganz stimmen, denn keine Grundschullehrerin konnte sie so geschickt ausspionieren, ihnen einen so starken Schauer über den Rücken jagen, ohne irgendwie in Geheimdiensttechniken trainiert zu sein – es sei denn natürlich, man hatte sich komplett geirrt und die Person, die sie observierte, war gar nicht diese Frau.
Den schwarzen Jeep, der gerade vor ihm hielt, sah er in dem Moment, in dem er hielt und sich die Türen öffneten. Einige Männer in schwarzen Kampfanzügen – mit schwarzen, offenbar Schusssicheren, Westen- stiegen aus und einer der Männer richtete die Waffe sofort auf Gibbs. Das war sein Fehler, denn wenn es eine Regel gab, dann die, dass man ihn nicht bedrohte. Gibbs griff nach der Waffe, schaffte es, sie dem Typen zu entwenden, zielte und bemerkte, wie merkwürdig sich die Pistole in seiner Hand anfühlte. Dann wurde das Feuer eröffnet und Gibbs warf sich in Deckung.
TBC Kapitel 12.5 Kugeln sirrten querschlägerartig über seine Deckung hinweg – der Wagen, in dem sie gekommen waren. Kurz betrachtete der Special Agent die Waffe in seiner Hand, stellte fest, dass sie eine merkwürdige Modifikation aufwies – eine Art rötlich-schimmerndes
DING , das an der Baretta engebracht worden war. Gibbs hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handelte und wenn er ehrlich war, wollte er es auch gar nicht wissen. Ihn interessierte nur eine Sache. Konnte er damit schießen? Kurz versuchte er, die Magazinauswurftaste zu betätigen, doch anscheinend war das Magazin an der Waffe befestigt worden. Vielleicht ein Resultat des rötlich-schimmernden Kristalls, der am Magazingriff befestigt war? Der nächste Querschläger ließ an der Motorhaube Funken sprühen.
Verdammt. Sie näherten sich und schossen sich auf seine Position ein.
Kurz ging der ehemalige Marine – „Jethro, so etwas wie einen Ex-Marine gibt es nicht!”, rief er sich zur Ordnung - seine Optionen durch und stellte fest, dass diese verdammt überschaubar waren.
So konnte er seine Position hier und jetzt gegen eine unüberblickbar große Armee von Feinden – oder sagen wir besser erstmal: Gegnern - verteidigen. Viel Feind, viel Ehr’? Nicht so sehr – schließlich war die Chance, dabei zu Fallen – oder besser: angeschossen und ausser Gefecht gesetzt – zu werden, relativ groß.
Er konnte natürlich auch versuchen, all sein Glück zu riskieren, sich mit voller Wucht nach vorne zu werfen, in das Hafenwasser zu gelangen und dann in Sicherheit zu schwimmen. Dabei stellte sich dann allerdings die Frage, was aus seinem Team wurde. Er würde niemals seine Leute aufgeben und sie niemals in Feindeshand fallen lassen.
Also blieb ihm nur die Option des Bleibens und Kämpfens, so sehr ihm sein militärischer Instinkt auch sagte, dass dies vermutlich eine Falle war. Aber Gibbs würde seine Leute nie opfern, damit er fliehen konnte und an einem anderen Tag weiterkämpfen.
Immer mehr Blei prasselte auf den Wagen ein, immer mehr Kugeln mussten das Gefährt durchsieben und Gibbs konnte sich des kurzen Gedankens, dass er die Kaution, die er für das Auto gezahlt hatte, nun komplett abschreiben konnte, nicht verwehren. Die Gegner näherten sich. Gibbs grinste, atmete tief durch und warf sich aus der Deckung.
Die heisernen Schüsse hallten über das komplette Hafengelände. Im Computerraum hoben McGee und Hansen die Köpfe und starrten verblüfft zur Tür, mit deren Öffnung jemand in diesem Moment beschäftigt schien. Pure Instinkshandlungen ergriffen Besitz von Special Agent und PFC. Beide griffen nach ihrer Hüfte, an der sich normalerweise das Halfter befand. Hanson zog ihre Baretta, überprüfte sie auf Ladung, nickte und lies das Magazin wieder einrasten, McGee seufzte in diesem Moment und stellte leise fest: „Verdammt, als Privatperson ist das Mitführen von Waffen ja nich gestattet. Ganz vergessen.“
Hanson lächelte ihm sanft zu: „Wenn Sie sich in meine Obhut begeben, Mister McGee, kann ich für ihre Sicherheit garantieren.“
Timothy McGee merkte, wie sein Herz schneller schlug. Nein, er würde sich nicht nochmal in eine Person verlieben, die ihm so sympathisch vorkam, besonders nicht, nachdem er erst kürzlich Laura hatte sterben sehen. Aber Jessica Hanson war so… er konnte sich nicht helfen, seine Fantasie ging mit ihm durch und er sah, wie sie vor seinen Augen die Waffe wegsteckte und sich um die eigene Achse zu drehen begann, ehe ihre Kleidung sich verwandelte und einem roten Büstier und einer kurzen, blauen Hose mit weißen Sternen Platz machte, die einerseits für diese Wetterverhältnisse weitaus besser geeignet waren und andererseits einen hohen Ikonizitätsfaktor hatten. Besonders einprägsam war das W, das sich auf der Brust des Büstiers befand, sowie die blau-weiße Farbe der Hose und das goldene Lasso, das sich locker an ihrer Hüfte befand.
Und Wonder Woman machte sich daran, auf die Tür zuzurennen, sie zu öffnen und den Angreifer, einen 25-jährigen Russen mit ihrem „Lasso der Wahrheit“ zu fesseln und zu fragen „Was wollt ihr hier?“
Doch stattdessen fragte sie: „Kommen Sie, Special Agent?“
Tim fand in die Realität zurück. Sie war nicht Wonder Woman, sie war Private First Class Jessica Hanson und sie war
verdammt gut . Sie packte ihn am Kragen, zog ihn hinter sich her, presste sich neben der Tür in den Schatten, um denjenigen, der sich gerade daran machte, die Tür zu öffnen, einen bleiernen Empfang zu bereiten. Zumindest blickte sie kämpferisch drein.
Die Tür öffnete sich und Jessica Hanson ging kurz ihre Optionen durch. Eine Person ausschalten – das war kein Problem. Allerdings wusste sie nicht, wieviele von den Strolchen hier noch rumlungerten und das stellte dann sehr wohl ein Problem dar. Wobei das Wort „Problem“ hierbei durchaus als Euphemismus zu werten wäre. Die temperaturneutrale Waffe ihn ihrer Hand verlieh ihr ein beruhigendes Gefühl. So konnte sie – das war ihr bewusst – die ersten sechs Gegner ausschalten, die das Unglück hatten, diesen Raum genauer untersuchen zu wollen. Sie hatte geübt, hatte Schusstraining absolviert und man hatte ihr gesagt, dass sie verdammt gut war. Aber würde sie auch mit mehreren fertig werden? Da war sie sich eigentlich sogar ziemlich sicher. Ihr Kampftraining hatte Früchte getragen, sie wusste, dass sie sich mit mehreren dieser Strolche gleichzeitig anlegen konnte, das Problem war, dass sie keine genauen Daten und Fakten hatte, nicht wusste, wieviele „Banditen“ genau unterwegs waren, wonach sie suchten und wie sie positioniert waren. Ein weiteres Problem stellte der Mann neben ihr dar. Konnte McGee sich im Zweifelsfall verteidigen? Sie hatte gehört, dass er damals in eine ziemliche Katastrophe geraten war, als er …
Dann hatte die Person den Raum betreten, hob das Maschinengewehr mit der montierten Taschenlampe an, ließ suchend ihren Blick schweifen. Jessica wusste nicht, wonach die Person suchte und es war ihr auch egal. Sie lehnte sich aus ihrem Versteck, hob sie Waffe, richtete sie auf die Hand des Gegners aus und war bereit, zu schießen, als sich die Person umdrehte und den Raum verließ. Jessica warf einen Blick zu Tim, der erleichtert auszuatmen schien.
„Was ist los?“, wisperte sie.
Der Agent zuckte mit den Schultern: „Ich bin in nicht-offizieller Funktion hier. Könnte ziemliche Probleme geben, wenn ich hier…“
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment quäkte, mit beinahe ohrenbetäubender Lautstärke das Funkgerät im Raum los.
Zivas Stimme erscholl: „McGee, bist Du da? Melde dich!“
Jessica merkte, wie ihr Herz schneller pumpte, wie sie ihren Kopf langsam und leise gegen die Wand lehnte, die Augen nach oben verdrehte und einen Seufzer ausstieß. Verdammt. An das Funkgerät hatte sie gar nicht gedacht.
„Ich geb dir Deckung.“, sagte sie, nickte dem Special Agenten zu, als er loseilte, zu dem Funkgerät und es leiser stellen wollte. Er hatte das Gerät fast erreicht, als der Typ im Raum stand und das Feuer eröffnete.
Dieses Geräusch
war ohrenbetäubend, gellte durch den Raum, ließ McGee mitten in der Bewegung erstarren, um sich die Hände auf die Ohren zu pressen und einen kurzen Schmerzenslaut von sich zu geben – nur um dann festzustellen, dass er mehr oder weniger taub war. Ein lautes Klingeln überdeckte alles, wurde dann von einem Rauschen abgelöst. Egal – er hatte keine Zeit für weitere Unannehmlichkeiten, hieb auf den Rufknopf des Mikrophones, stieß ein „RÜCKZUG, ZIVA!“ hervor und zuckte zusammen, als er hinter sich weitere Schüsse hörte.
Er wirbelte herum.
Im Türrahmen – gefallen – lag ein Soldat. In seiner Hand ruhte eine Maschinenpistole. Blut trat aus seiner Wange aus. Hatte Jessica ihm in den Kopf geschossen? Kurz betrachtete er die Person und stellte fest, dass er auch noch aus einer Wunde am Arm blutete und sein Kiefer leicht verrenkt wirkte.
Vermutlich hatte ihm Jessica zuerst in den Arm geschossen und dann gegen das Kinn getreten und die Wunde an der Wange ging von einer Bekanntschaft mit einer scharfen Metallkante aus, gegen die er dann gefallen sein mochte.
Tim wandte sich zu ihr, reckte seinen Daumen nach oben und lächelte, als sie ihn anblickte und ihm zunickte. Perfekt. Sie war also nicht…
In diesem Moment war ein weiterer Soldat da, betrachtete die Bescherung und brauchte keine Millisekunde, um zu reagieren. Er richtete das Maschinengewehr auf Jessica aus und feuerte. Die Frau erstarrte, tastete nach ihrer Brust und fiel in sich zusammen.
Aus McGees Mund drang ein gequälter Schrei, dann ließ er seinen Blick schweifen und griff nach dem erstbesten Gegenstand, den er finden konnte. Es war eine – nicht angeschlossene – Maus, aber das war ihm egal. Er nahm sie und schleuderte sie mit aller Wut, die er aufbringenkonnte, dem Mann ins Gesicht. Dieser taumelte, hielt sich die Nase, doch da war Tim schon bei Jessica, ging neben ihr in die Knie und tastete nach ihrem Puls. Er raste.
„Laura, bitte.“, stammelte er, „Bitte, bitte, komm zu dir. Lau… Jessica! Halt DURCH!“
Es war ihm egal, dass er direkt vor einer Maschinengewehrmündung kniete – es war ihm egal, dass dies vermutlich sein Ende bedeutete, er wusste nur, dass er verdammt sein wollte. Er hatte es schon wieder geschafft, eine Person, für die er tatsächliches Interesse empfand, an dem Tag zu verlieren, an dem er sie kennengelernt hatte.
Wer war er? Black-Widow-McGee?
Wäre sein Leben eine Serie – würden Fans auf diversen Seiten, in diversen Fanboards, ihm diesen Namen geben?
Dann spürte er, wie der Puls Jessicas aussetzte.
Jetzt war ihm alles egal. Er blieb in der Knienden, blickte zu dem Soldaten empor und sagte nur: „Tun Sies doch endlich!“
Gibbs hatte den Computerraum erreicht, sah, wie er von Maschinengewehrfeuer erhellt wurde und beschleunigte seine Schritte. Er griff das Gewehr eines gefallenen Soldaten und hieb es dessen Kollegen, der in der Tür stand und das Feuer auf jemanden eröffnete, über den Kopf. Das Gewehr verstreute unzählige Kleinteile und als der Typ zu Boden sank, folgte Gibbs ihm mit den Augen, ehe er ein „Das war es dann mit der Garantie“ murmelte. Wo kam das her? Vielleicht war er ja – so wie die Charaktere aus Star Trek, die hier regelmäßig auftauchten und die sie nun suchten – ebenfalls ein Produkt der Fiktion und jemand hat gerade vollkommenen Schindluder mit seinem Charakter betrieben?
Doch diese Gedanken verblassten, wie mit einer scharfen Klinge durchgeschnitten, als er die beiden Personen sah, die am Boden lagen. McGee und Hanson, beide entspannt, Augen geschlossen, nebeneinanderliegend – aber nicht so, als seien sie friedlich nebeneinander eingeschlafen.
Der Special Agent seufzte, ging neben der Leiche seines besten Mannes in die Knie und schüttelte den Kopf. Warum? Warum er? Warum jetzt? McGee hätte noch soviel vor sich haben können, noch soviel, was zu erforschen gewesen wäre.
Er musste sich eingestehen, sich selbst schon oft in Träumen gesehen zu haben, wie er Abby als Ersatz-Brautvater den roten Teppich hinunter zum Altar geführt hatte, wo Ziva mit McGee auf sie wartete. Tony hätte in der ersten Reihe gesessen und Schwierigkeiten gehabt, zu wissen, welche Emotion er momentan verkörpern sollte – Melancholie, weil seine Hochzeit mit Ziva nun schon ein paar Jahre her war oder doch eher Schadenfreude, weil jetzt auch McGee unter der Haube war – oder doch eher ein „Nä, was ist das schön?“.
Nun würde es niemand mehr wissen.
Tief durchatmend ging Gibbs zum Funkgerät, schaltete es an und hörte, wie Zivas Stimme erklang: „Alpha Pappa Bravo, McGee, kannst Du mich hören?“
Der Special Agent betätigte den Rufknopf: „Hier Gibbs.“
Er wusste, dass die nächsten Worte schwierig waren.
Das Boot war immer noch da, als Ziva und Tony auftauchten. Ziva war einerseits froh, andererseits war sie sich nun sicher, eine endlos lange Litanei von Filmzitaten zu hören, die sich mit dem Thema „Menschen auf Hoher See“ befassten. Sie kannte Tony einfach und war sich sicher, dass dies kommen würde. Um dies sofort im Keim zu ersticken, trat sie zum Funkgerät und aktivierte es.
„McGee, bist Du da? Melde dich!“, sagte sie und wartete. Naja, nach dem, was sie vor ihrem Tauchgang gehört hatte, fragte sie sich, ob sie vielleicht nicht gerade etwas unterbrochen hatte, was dem Special Agent eventuell sogar sehr gut bekommen wäre – also die Sache als solches, nicht das Unterbrochen werden – und sie warf einen Blick zu Tony herüber, der mit dem Rücken zu ihr stand und zum entfernten Hafen blickte. Zugegeben, sie waren sechs Kilometer entfernt, aber ein bischen was konnte man schon erkennen.
„Gib mal das Fernglas.“, sagte Tony in dem Moment, als aus dem Funkgerät eine panisch klingende Stimme erscholl – die McGees.
„RÜCKZUG, ZIVA!“, schrie der Informatiker – dann war die Leitung unterbrochen. Nur ganz kurz war eine Maschinengewehrgarbe zu hören – dann war es Stille.
Tony erstarrte, wandte sich um und ließ sich sinken, sie erschrocken anblickend. „Hast… hast Du das auch gehört?“
Ziva konnte gar nicht antworten, denn sie hatte das Gefühl, dass Übelkeit ihr die Kehle zuschnürte und das Tränenkanäle ihre Arbeit aufnahmen. Dann riss sie sich zusammen, schaute zu Tony und nickte: „Ja – ich habe es auch gehört – und wir sollten uns an das halten, was McGee sagte!“
Tony DiNozzo stellte gerade einmal mehr fest, dass es vermutlich in seiner Branche weitaus besser war, keine Beziehungen zu Kollegen zu unterhalten. Keine Freundschaft, keine Sympathie, kein gar nichts. Diese Leute arbeiteten mit ihm, er teilte Acht Stunden eines Wochentages mit ihm, aber die restlichen 16 Stunden eines Wochentags, plus zwei mal 24 Stunden an einem Wochenende, gehörten ihm. Und wenn man von einer gesundheitlich-ratsamen Schlafenszeit von 8 Stunden je Tag ausging, blieben Tony 8 Stunden, in denen er sich auf die Suche nach Freunden begeben konnte, mit denen er nicht arbeitete. Der Fakt, dass McGee vermutlich angeschossen – oder vielleicht sogar tot – war, bestärkte ihn in seinem Glauben. Er warf einen Blick zu Ziva, atmete tief durch und fragte sich, wie er ihr dies beibringen sollte. Aber momentan gab es einfach Wichtigeres. Der Rückzug, den McGee angeordnet hatte – oder vielleicht besser: geraten. Der Anglo-Italiener atmete tief durch. Wohin sollte man sich zurückziehen?
Die Antwort kam, als er einen Blick in Richtung Hafen warf. Von dort waren zwei schwarze Punkte auf dem Weg zu ihnen und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn diese zwei schwarzen Punkte nicht Abfangjäger oder ähnliches wären. Er wandte sich an Ziva, die schon bereit stand, den drahtigen Körper zum Sprung bereit. Tony warf einen Blick auf das Funkgerät, doch Ziva schüttelte den Kopf: „Das bekommt einen Langen, wenn wir mit ihm ins Wasser tauchen und das Wasser durch das Gehäuse tropft.“
„Du meinst einen Kurzen, Ziva“, verbesserte er sie und sie zwinkerte ihm zu: „Gernonimo, Tony.“
Damit sprang sie. Keine Sekunde zu früh, denn die Flugobjekte waren da – es waren Hubschrauber – und eröffneten das Feuer.
Tony sprang und sah kurz, dass dort, wo er vor einer Millisekunde noch gestanden hatte, ein Loch im Schlauchboot war. Dann schlug er im Wasser auf und begann, zu tauchen.
Kugeln drangen ins Wasser ein, zischten links und rechts an ihr vorbei und sie kam sich vor, als wäre sie tatsächlich in einem schlechten Film gefangen, in der Szene, in der Held und Heldin drohenden Maschinengewehrsalven durch abtauchen in einen Fluss oder einen See – oder in diesem Fall in den persischen Ozean – entgingen. Das Problem war – es war kein schlechter Film, es war – wenn überhaupt – eine schlechte Fanfiction und sie würde sich nicht so einfach davon abhalten lassen, nach der
DRAGONFLY zu suchen. Nach all dem, was sie erlebt und über Funk mitgehört hatten, war dies das Einzige, was sie noch tun konnten. Schließlich hatten sie das Schiff tatsächlich gefunden, wie es, einem gigantischen Schatz gleich, im Meer lag. Die Salven hatten nach einigen Minuten aufgehört – also nahmen die Schützen wohl an, dass sie tot waren.
Sehr gut. Sie schwamm weiter, strebte der Tiefe entgegen, in der sie die
DRAGONFLY gefunden hatten, wandte sich noch einmal zu Tony, um per Handzeichen die Strategie zu besprechen, als sie sah, dass er nicht da war. Sie drehte sich um – Tony driftete der Wasseroberfläche entgegen, schien leblos und getroffen.
Es war ihr nicht bewusst, dass ihre Beine schmerzten, als sie sie zum schnelleren Schwimmen in Bewegung setzte.
Ihr Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, sie erreichte den leblosen Körper ihres Partners und tastete nach einem eventuell-vorhandenen Puls. Erleichtert stellte sie fest, dass er vorhanden war – zwar raste, aber vorhanden war.
„Komm schon, Tony.“, machte sie und atmete erleichtert aus, als seine Augenlider flatterten und er versuchte, wieder zu Bewusstsein zu kommen.Sie zerrte sich an Bord des Gummibootes, das einige Treffer eingesteckt hatte, aber dennoch erstaunlich schwimmtüchtig blieb, hievte den leblosen – und nun schwereren – Körper Tonys an Bord und nahm das Funkgerät. Jetzt ging es nicht mehr darum, Funkstille zu wahren oder einen Rückzug zu machen, hier ging es darum, ihren Partner in ein Krankenhaus zu schaffen.
„Alpha Pappa Bravo“, stieß sie hervor und dann, mit dem Hauch Hoffnungsschimmer in der Stimme: „McGee, kannst Du mich hören?“
Kurz drang nur statisches Rauschen aus dem Funkgerät und die attraktive Israeli merkte, wie ihr Herz immer schneller schlug. Hoffentlich war McGee noch rechtzeitig rausgekommen, hoffentlich war die Maschinengewehrgarbe, so er den Agenten denn getroffen hatte, nur ein Streifschuss gewesen. Auch um Gibbs und Tony machte sie sich sorgen. Von Gibbs hatte sie nichts gehört und Tony hatte gerade offenbar eine unheimliche Begegnung der dritten, vierten und fünften Art mit einer Kugel aus einem Maschinengewehr hinter sich.
Das Knacken im Funkgerät, Zeichen, dass jemand auf der anderen Seite den Rufknopf betätigt hatte, ließ Zivas Herz einen Sprung machen. McGee? Lebte er noch?
„Hier Gibbs.“, erklang die Stimme ihres Chefs aus der Leitung. Okay, nicht McGee, aber immerhin war Gibbs da. Das war ein gutes Zeichen.
„Gibbs!“, hauchte sie und hieb auf den Rufknopf des Funkgerätes. „Agent am Boden. Ich wiederhole, Agent am Boden. Tony ist verletzt, er wurde offenbar angeschossen.“
Stille am anderen Ende.
Einzig das Rauschen der Wellen drang an ihr Ohr, vermischte sich mit dem Rauschen des Funks.Wieso, wusste sie nicht, aber ihre Tränenkanäle nahmen wieder Arbeit auf und pumpten heiße Flüssigkeit aus den Augen.
„GIBBS!“; schrie sie ins Funkgerät, in der Hoffnung ihn zu erreichen.
„Kannst Du mich hören? Melde dich, verdammt!“, fügte sie an den Schrei an und ließ eine Reihe hebräischer Flüche folgen.
Nicht auch noch er.
„Agent am Boden.“, hörte sie dann die Stimme von Leroy Jethro Gibbs – und sie bemerkte erst jetzt ein Zittern in selbiger, „Ich wiederhole: Agent am Boden. Tim…“
Sie hörte, wie er Luft holte und wusste schon, bevor er es sagte, was er sagen wollte: „Tim ist tot.“
Und dann – sehr viel sanfter und dennoch befehlender: „Rückzug, Ziva. Zieht euch zurück. Die Sache ist gelaufen. Ich verlasse mich auf dich. Komm nicht – ich wiederhole: komm NICHT zurück, um mich zu finden. Ich melde mich bei dir, wenn ich hier raus…“
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment ertönte ein „Wer sind sie?!“ aus dem Funkgerät – definitiv nicht von Gibbs gesprochen – gefolgt von Maschinengewehrsalven.
Wie mit einem Gummihammer getroffen, sackte Ziva David in sich zusammen. Sie ließ sich fallen, kam neben der Lenksäule des Gummimotorbootes zum Liegen, holte tief Luft und erlaubte sich – für ein paar Sekunden – Trauer und Wut zu spüren.
Dann – als sie das Dröhnen von Rotorblättern hörte, die sich näherten, richtete sich auf, griff sich DiNozzo, legte seine Arme über ihre Schultern und flüsterte ein leises: „Halt dich fest“ – ehe sie ins Wasser sprang.
Sie spürte, wie Tony genau das tat, wie er ihrer Bitte nachkam und schwamm auf die
DRAGONFLY zu. Das war nun ihre Mission. Sie würde das Schiff betreten und sämtliche Instrumentarien nutzen um Gibbs und die Leiche von McGee zu finden. Ein Föderationsschiff hatte etliche Gerätschaften, die man heute noch als reine Spinnerei abtun würde – da würde sich doch sicherlich etwas finden.
Sie tauchte und tauchte, tauchte immer tiefer in die allumfassende Schwärze des Ozeans, bis sie an der silbern-schimmernden Hülle des Föderationsschiffes angekommen war.
‚Toll’, dachte sich die Agentin, ‚Wie komm ich da jetzt rein?’
Es half ja nichts – einen Blick auf ihre Sauerstoffanzeige werfend, stellte sie fest, dass sie noch für maximal 10 Minuten Luft hatte, also schwamm sie an der Hülle entlang. Es würde soch sicherlich eine Luftschleuse – oder sowas – geben. Davon war sie überzeugt und lächelte zufrieden, als sie nach einigen Minuten endlich eine solche gefunden hatte. Aus einer Eingabe heraus hob sie den mitgebrachten Tricorder, stellte überrascht fest, dass er funktionierte, und richtete ihn auf die Luftschleuse, die sich mit einem Geräusch, das wie ein „Blöööp“, klang, öffnete.
Die Kammer, die sich hinter der Luftschleuse auftat, beschwimmend – betretend klingt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt logisch – schloss die Agentin das Schott wieder. Was nun? Erneut richtete sie den Tricorder aus, betätigte einen Knopf und augenblicklich wurde das Wasser aus der Schleuse gepumpt. Wieder festen Boden unter den Füßen habend, betrachtete Ziva den Tricorder und hoffte, dass die Luft atembar war. Aber sie hatte keine andere Wahl, nahm die Maske ab und atmete tief durch.
TBC Kapitel 12.6 Als Daniel Jackson die Augen öffnete, stellte er fest, dass er entweder „blindfolded“ war, also eine Augenbinde trug und daher nichts sehen konnte oder sich in einem dunklen Raum befand. Wobei – das heftige Rumpeln und die gelegentlichen Schläge, die er gegen Rücken und Hinterkopf spürte, ließen ihn sehr an dieser Theorie zweifeln. Und als er versuchte, sich aufzurichten, wurde er von etwas festgehalten und so war ihm klar, wo er sich befand. Man hatte ihn, nachdem er bewusstlos geworden war, auf der Trage fixiert. Dies machte auch irgendwie Sinn, schließlich könnte er ansonsten vermutlich einfach fliehen. Und eine „Entführung“ – auch, wenn es im engeren Sinne keine wirkliche Entführung war – machte wenig Sinn, wenn der Mehr-oder-Weniger-Entführte nach geglückter Verschleppung einfach aufstand und sich dann mit einem markigen Sprüchlein á la „Machs gut, woll?“ oder auch „Machs gut, aber nicht zu oft!“ von seinem Häscher verabschiedete. Nein, nein, wenn man ihn tatsächlich von A) nach B) bringen wollte und dabei solche Unannehmlichkeiten für ihn und auch für sich selbst in Kauf nahm, dann hatte man definitiv vor, ihn etwas länger als Gast willkommen zu heißen.
Daniel konnte sich des Gedankens „Die tun heute auch wirklich alles, um Kunden abzuwerben“ nicht erwehren und wagte leise Zweifel an der tatsächlichen Identität seiner Häscherin. Felicity Cat? Eine Nachkommin von Cal und Agatha? Nun ja – es gab Zeichen, die darauf hindeuteten, etwa die Haare, die Sam Cal, dessen natürliche Haarfarbe ein dunkleres Blond – oder helleres Braun - damals in einer Nacht- und Nebelaktion, als kleine Rache, in ein honigblond umgefärbt hatte und die der Captain während seiner ganzen Zeit im SGC danach in dieser Farbe ließ. Die Augen Felicitys waren eine faszinierende Mischung aus dem Braun des Captains und dem hypnotisierenden Grün, das Agatha ihr eigen nannte. Die Gesichtsform – beinahe katzenartig, wie auch sonst – könnte tatsächlich entstehen, wenn man die Gesichter von Cal und Agatha mischte, aber das wäre vermutlich nur bei Nachfahren erster Generation so. Aber – der Anthropologe würde ja bald herausfinden, was die Stunde geschlagen hatte. Er merkte, wie die Schläge der Huckelpiste, auf der der Wagen, in dem er lag, unterwegs war, aufhörten und der Krankenwagen – wobei Daniel das Auto eher auf einen umgebauten Lieferwagen schätzte - auf ein besseres Pflaster wechselte.
Dann hielt der Wagen an und Doktor Jackson beschloss, das zu tun, was ihm Jack damals, vor knapp 7 Jahren geraten hatte, als sie dieses Trainingscamp der Ausserirdischen gefunden hatten, die sich darauf vorbereiteten, als SG-Einheit die irdischen Teams zu infiltrieren.
„Ruhig Blut, Dannyboy.“, hörte er die raue, aber dennoch amüsierte Stimme Jacks beinahe neben sich, „Einfach nur tot stellen.“
Teal’Cs noch ruhigeres „In der Tat“ schoss ihm danach quasi automatisch durch den Kopf. Es war schon eine verdammt interessante Zeit gewesen, die er mit SG1 hatte verbringen dürfen. Nun hatte er ein paar Wochen Urlaub und fragte sich, was dann auf ihn wartete. Ein neues Team? Landry hatte ihm gesagt, dass er dem Opfer SG-1 zu ehren erst einmal darauf verzichten wollte, einem neuen Team dieses Signum zu verleihen. In welches SG-Team er nun kommen würde, wenn überhaupt, hatte ihn vor ein paar Tagen einfach nicht interessiert, aber nun, - um mal ein paar Worte von Schiller zu leihen und umzutexten – „festgezurret auf der Tragen“ hatte er beinahe das Gefühl, als beschäftige ihn nichts anderes. Er war blind und hatte keine Ahnung, wo er war. Was sonst sollte ihn da interessieren? Er konnte nichts anderes tun, als seinen Gedanken nachhängen.
„Du bist ein Dummkopf“, hörte er die sanfte Stimme Sams, die die Worte nicht in harschem, sondern in liebevollem Tonfall aussprach. Vor seinem inneren Auge sah er Sam, gekleidet in ein weißes Hemd und weiße Hosen – beides aus Baumwolle – die sie, wenn seine Frau real wäre, hier definitiv schwitzen lassen würde. Aber ihr Kleidungsstil erinnerte ihn an sich selbst – damals, als er ein Jahr lang ein Aufgestiegener war. Und irgendwie machte das sogar Sinn. Was war, wenn ein Antiker die Mitglieder jener schicksalhaften SG-Mission hatte aufsteigen lassen? Und wenn es jemand verdient hatte, dann waren es seine Freunde – wobei er sich nicht vorstellen konnte, dass Jack O’Neill in aller Ruhe diesen Zyklus, der zum Aufsteigen gehörte, durchziehen konnte. Er würde mindestens einmal in einem genervt-amüsierten Tonfall gefragt haben „Dauert’s noch lang?“ Und er konnte sich wirklich vorstellen, wie die Unterhaltung mit einem potentiellen Antiker und Jack verlaufen würde.
Der Antiker – eine Art „Vorstufe“ des Menschen, wie sie heute existieren, aber dennoch weiter entwickelt – würde, in seiner unendlichen Weisheit etwas sagen, das vermutlich nach einem Kalenderspruch klänge, sowas wie „Wenn du sofort erkennst, dass das Kerzenlicht Feuer ist, wurde das Mahl vor langer Zeit bereitet.“ Und er wusste, was die Antwort wäre, die Jack ihm gäbe: „Obwohl eine Kerze in meinem Haus brennt, ist niemand zu Hause.“ Daniel musste es wissen, er hatte diese Szenerie mit Jack schon einmal erlebt.
Dies war aber momentan unerheblich und es interessierte ihn nicht, ob Sam, die sich gerade sanft lächelnd über ihn beugte, tatsächlich eine Antikerin war oder nur ein „Figment of his imagination“ – also eine Ausgeburt der eigenen Fantasie. Er konnte mit ihr sprechen und sei es nur, dass sie nicht real war.
„Ich“, schluckte er, „Ich … es tut mir leid. Ich hätte da sein sollen, ich hätte…“
Sam legte einen Finger auf seine Lippen, lächelte ihm sanft und gütig zu und küsste ihn dann. Daniel schloss die Augen, war bereit sich dieser Vorstellung hinzugeben, als er merkte, dass sie sich zurückzog und ihn aus blauen Augen ernst anblickte.
„Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Daniel.“, sagte sie und er konnte sehen, dass in ihren Augen nun auch Tränen zu schillern begannen, „Ich kann nicht zurück, aber ich konnte dich nicht einfach so zurücklassen, ohne wenigstens noch einmal ‚Auf Wiedersehen’ zu sagen.“
Das „Dafür hast Du dir aber auch sehr viel Zeit gelassen“ konnte sich Daniel nicht verkneifen – Sams Reaktion war eines ihrer berühmten 1000 Watt-Lächeln, das dieses Mal allerdings von Tränen verwässert wurde, obwohl sie bei dem nun folgenden „Ich weiß, Daniel“, tatsächlich amüsiert klang.
Dann brachen sich Tränen Bahn, in Sams Gesicht und auch in seinem. Sie schloss die Augen, wischte sich über ihr schönes Gesicht, schüttelte den Kopf und murmelte dann ein „Oh Gott, ich kann nicht glauben, dass ich wirklich hier bin.“
Das Geräusch, das von draußen kam, lenkte Daniel kurz ab, er warf einen schnellen Blick Richtung angedachter Seitentür des Wagens, in dem er lag, und als er wieder zu Sams Position blickte, war der blonde Engel Samantha Carter, verschwunden. Stattdessen bemerkte er, dass seine rechte Hand nicht mehr festgebunden war. Hatte er sich das tatsächlich nicht eingebildet? Irgendwie würde es ihn verwundern, wenn sich am Ende des Tages herausgestellt hätte, dass genau das geschehen war und er sich ihre Unterhaltung tatsächlich nur eingebildet hatte. Dafür war er zu sehr mit der Materie vertraut und wusste, dass diese Unterhaltungen zwischen ihr, Sam, und ihm, Daniel, vermutlich auf wenig Gegenliebe im Antiker-Kontinuum stießen.
Probehalber bewegte er seine Hand und wollte sich dann daran machen, seine andere Hand zu befreien, um sich besser bewegen zu können, als er die Geräusche, die er von draußen hörte, tatsächlich zuordnen konnte. Da fielen Schüsse.
Verdammt – wo hatte man ihn hingebracht?
„Die Flanke sichern!“; hörte er einen dumpfen Befehl, der von draußen, vor dem Wagen zu kommen schien, als jemand die Tür öffnete und in den Wagen blickte. Es war Felicity. Und da Daniel gerade dabei gewesen war, sich zu befreien, konnte er sich natürlich nicht totstellen, also beschränkte er sich auf ein freundliches Lächeln, legte den Kopf schief, blinzelte kurz und fragte: „Na, gibt’s Probleme?“
Felicity schloss die Tür, blickte Daniel an und sagte: „Wenn Sie sowieso nicht bewusstlos sind, können Sie mir eigentlich auch ein bischen Platz machen.“
Und als Daniel sich erhob, nahm die attraktive Frau neben ihm auf dem Bett platz, schaute ihn von oben bis unten an und nickte.
„So.“
Mehr nicht. Felicity sagte „So“ und wartete offenbar darauf, dass der Anthropologe antwortete. Dem Wunsche konnte entsprochen werden.
„So?“, echote der Anthropologe daher, blickte sie an und hob die Augenbrauen, „So, was nun?“
„Wir warten.“, erklärte die Frau, legte beide Hände auf ihre Beine und schaute erst ihn an, ehe sie der Umgebung gewahr wurde.
Sie zuckte mit den Schultern: „Ja, es ist nicht gerade das Ritz und auch keine Limosine.“
„Das ist noch untertrieben.“
Von draußen dröhnten immer mehr Gewehrschüsse, Befehle wurden gebellt, Todesschreie erklangen.
Daniel blickte zu ihr: „Wollen Sie nicht raus und den Wagen wegbringen?“
„Nein“; schüttelte sie den Kopf, „Der Wagen ist da, wo er hinsoll. Wir müssen nur noch ein bischen aufräumen.“
Was mochte das bedeuten? Irgendwie hatte Daniel das Gefühl, die Situation noch nicht ganz ausgestanden war. Er schluckte hart, als er von draußen erneut Maschinengewehrsalven hörte, wie Männer und Frauen getroffen aufschrien oder vor Schmerzen stöhnten.
Doch Felicity neben ihm blieb ruhig, etwas, das aus tiefstem Herzen beunruhigte. Warum? Das wusste er auch nicht, er hatte nur ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Und dann öffnete sich die Tür, durch die schon Felicity hereingekommen war und eine Frau schaute ihn an, überrascht aufatmend.
„Doktor Jackson!“, keuchte sie und schluckte, ehe sie sich an Felicity wandte: „Ma’am – wir sind soweit fertig.“
„Danke, Satterfield.“, erwiderte die Angesprochene, erhob sich, einer Prinzessin gleich und setzte sich in Bewegung, den Wagen zu verlassen. Dann wandte sie sich an Satterfield: „Bringen Sie Doktor Jackson doch bitte mit.“
„Ja, Ma’am.“
Damit begab sich die Soldatin in den Wagen, machte Daniels andere Fessel los und reichte ihm die Hand. Der Anthropologe schaute sie wie betäubt an. Er kannte Satterfield. Die hübsche Asiatin war damals Teil eines der ersten Teams gewesen, das sie durch die Fußangel-Simulation gejagt hatten, SG-1 und er.
Bei der Fußangel-Simulation handelte es sich um ein einfaches „Planspiel“, bei dem die Probanden das Stargate-Center einnehmen sollten, nachdem es angeblich von Goa’Uld übernommen worden war. In dieser speziellen Simulation, in der Satterfield dabei war, hatte er die Rolle des Evil Alien Overlords übernommen und wurde nicht nur von ihr betäubt, sondern auch vor einer etwaigen Explosion geschützt.
Und da fiel ihm etwas auf, was er in der Situation komplett verdrängt hatte. Das Maschinengewehrstakkato, das er gehört hatte, klang vertraut. Nicht terristrisch-vertraut, sondern wie auf einer seiner unzähligen Sternentorreisen gehört.
Satterfield hatte ihm gerade die Hand gereicht, dass er aussteigen konnte, als er einen lauten Knall hörte und sah, wie die Asiatin in sich zusammensackte. Schnell sprang er vor, fing sie auf, bevor sie mit dem Kopf gegen den Boden des Wagens schlagen konnte und setzte all seine Kraft ein, um die Frau in den Wagen zu zerren. Erneut gellten Schüsse auf, allerdings nicht von einem Maschinengewehr, sondern von einer Baretta.
Purer, lebensrettender Instinkt ergriff Besitz von Daniel, er griff nach der Waffe, die Satterfield bei sich hatte, bemühte sich gar nicht, auf das Magazin zu schauen, murmelte ein „Erst Sam und jetzt Satterfield“, warf sich aus dem Wagen, zielte auf das graue Schemen, das sich näherte und feuerte.
Die Kugeln drangen in die Brust des Mannes, der auf den Wagen zukam, erstaunt blickte er an sich herunter, sank in die Knie und dann gegen den Wagen. Sein Körper erschlaffte komplett und Daniel, der über die rauchende Mündung der Waffe blickte, merkte, wie ihm übel wurde.
„Wer sind Sie?!“
Leroy Jethro Gibbs wirbelte herum, als er die fremde Stimme hörte. Er sah einen der mysteriösen Männer in Schwarz im Türrahmen stehen, sah, wie er sein Maschinengewehr schussbereit machte und ließ sich fallen, als die Kugeln losflogen und Millimeter über ihm in den Lautsprecher des Funkgerätes einschlugen. Das schien der Apparat eher weniger zu mögen, machte seinem Unmut durch ein lautes, hochfrequentes Kreischen lautstark Luft. Der Mann vor ihm presste sich, mit einem lauten Schmerzensschrei, die Hände auf die Ohren, wobei er seine Maschinenpistole um seinen Hals baumeln ließ. Gibbs – der schon weitaus schlimmere Geräusche gehört hatte - schüttelte kurz den Kopf, ignorierte das Klingeln in seinen Ohren, riss die Waffe hoch und feuerte. Der Mann ging getroffen zu Boden.
„Ich muss hier raus“, schoss es Gibbs durch den Kopf und im Nu machte er sich – wie von der Tarantel gestochen – auf den Weg, das Gebäude zu verlassen. Er sprintete, eilte zum nächsten möglichen Versteck und fand es hinter einem Ölfass. In der Hoffnung, dass es leer war, ließ er sich hinter selbigem nieder, streckte die Beine aus und griff nach seinem Handy.
Schnell wählte er die letzte, angerufene, Nummer an – Abby – und hoffte, dass sie schnell den Ruf entgennahm
Es tutete, tutete und tutete. Dann knackte es in der Leitung und die Stimme, die aus dem Telefon kam, ließ ihn die Stirn runzeln.
„Was haben Sie gemacht, Gibbs?“, raunte Leon Vance ins Telefon, „Ich habe Sie doch gebeten, die Sache diplomatisch zu lösen.“
Gibbs wusste nicht, woher der Gedanke kam, der sein Rückgrat hochkroch, aber er kam lauthals.
Will der mich verarschen? , dachte er sich und schüttelte den Kopf. Das würde er nicht sagen.
Stattdessen beschränkte er sich auf ein knappes: „Code 3 vierzehn. Team unter Beschuss, zwei Agenten am Boden. Timothy McGee und Anthony D. DiNozzo Junior. Zustand des Letztgenannten unbekannt. Zustand des Erstgenannten: vermutlich tot. Ich empfehle eine Posthume Belobigung für ausserordentlichen Mut.“
„Diese Belobigung können Sie aussprechen, wenn Sie hier sind, Special Agent Gibbs“, erwiderte Vance, „Wir werden Sie abholen und nach DC bringen.“
Verdammt – das war zu einfach.
Vor allen Dingen würde ihn interessieren, wieso er plötzlich mitten in einem Kriegsgebiet steckte.
„Sagen Sie Abby, dass es eine Ehre war, mit ihr zu arbeiten. Ich werde hier nicht mehr rauskommen.“
Damit klappte er das Telefon zu, öffnete das Batteriefach, nahm die SIM-Karte aus dem Gerät, steckte sie ein, verfuhr ebenso mit der Speicherkarte, warf den Akku in die Eine und das Gerät selbst in die andere Richtung, ehe er den Kopf schüttelte.
„Ich kündige.“, sagte er – mehr zu sich selbst und wartete.
Während er so dasaß und nachdachte, fragte er sich, worauf er eigentlich wartete und die Antwort zeigte sich, als nach ein paar Minuten das Geräusch von Maschinengewehrsalven verstummte und dem Klang einer sich öffnenden Rollschiebetür platz machte, die irgendwo – nicht weit – hinter ihm, geöffnet wurde. Vorsichtig lugte er über das Fass hinweg und sah, wie eine Frau in einen Krankenwagen einstieg, der geparkt hatte.
Kurz atmete der Special Agent durch, als er hinter sich das Klacken einer sich entsichernden Maschinenpistole hörte.
„Wer sind Sie?“, erklang eine Stimme und Gibbs drehte sich langsam um. Der Mann, der ihn da bedrohte, mochte gerade einmal 20 sein und heute sein steinernes „Mach mich nicht an“-Gesicht zu tragen.
Gibbs schenkte ihm ein freundliches Lächeln, sagte „Hey“, ehe er die Waffe hob und abdrückte. Der Mann wurde getroffen und der Schuss hallte betäubend-laut über die weite Ebene.
Erneut kamen Soldaten aus ihren Verstecken, nahmen die Position von Gibbs unter Feuer und schossen sich ein. So langsam, aber sicher, stellte sich die Frage, wer diese Leute waren und warum sie so versessen darauf waren, sie alle zu töten.
Der Special Agent hob seine Pistole, zielte und feuerte. Sein Ziel, eine knapp 23 jährige, durchtrainierte, Blonde, seufzte schmerzerfüllt auf, sank dann in die Knie und fiel nach hinten. Gibbs riss die Waffe herum, feuerte auf einen weiteren Soldaten, der getroffen zu Boden ging und stellte in diesem Moment fest, dass das Magazin nicht leerer zu werden schien.
Erneut betrachtete er den rot-glühenden Kristall am Magazin, duckte sich unter einem Schlag eines muskulösen Soldaten hinweg und hieb ihm den Griff der Waffe gegen den Kopf, ehe er ihm einen Kinnhaken verpasste. Dann machte es in Gibbs Kopf „klick“ und all seine Wut brach sich bahn.
Er hatte das Gefühl, der letzte, noch stehende, Mann zu sein. Um ihn herum lagen Soldaten. „Nicht schlecht für einen alten Mann“, dachte er und warf sich in Deckung, als er eine Bewegung wahrnahm. Mit einer Nonchalance und der Nichtbeachtung der Toten um sie herum, trat eine attraktive Asiatin auf den Krankenwagen-Lieferwagen zu, den die andere Frau gerade eben betreten hatte. Es folgte ein fliegender Wechsel, denn die Frau, die gerade den Wagen betreten hatte, verließ ihn wieder und ging zu einem der Gebäude der Hafenanlage.
Gibbs blinzelte. Konnte es sich bei dieser Frau tatsächlich um die Frau, die Daniel Jackson gesucht hatte, handeln? Um „Felicity Jones“? Wenn ja – dann war sie mehr als nur eine gewöhnliche Grundschullehrerin.
„Felicity“ wandte sich um, rief der Asiatin zu, dass sie Doktor Jackson befreien sollte und verschwand dann in der Anlage.
Gibbs rechnete sich kurz seine Chancen aus, zur Asiatin zu kommen, sie daran zu hindern, mit Daniel in die Anlage zu gehen und kam zum Schluss, dass die Erfolgschancen nicht sehr groß waren. Er hob die Waffe, zielte haarscharf an ihr vorbei, sodass sie den Luftzug der Kugel spüren musste und drückte ab. Das würde ihm sicherlich Aufmerksamkeit verschaffen.
Dass die Kugel ihr Opfer dennoch traf, merkte er erst, als sie in sich zusammensackte.
„Verdammt“, fluchte Gibbs, „Ein Treffer in die Schulter.“
Plötzlich katapultierte sich ein Schemen aus dem Krankenwagen, war auf den Beinen und schoss, ohne zu zielen. Gibbs spürte, wie die Kugel in seine Brust eindrangen und krachte gegen den Wagen. Überraschung musste sich auf seinem Gesicht zeigen, als er nach unten sah und feststellte, dass er nicht blutete.
Die Frage „Wie ist das möglich?“, beschäftigte ihn, bis ihn eine erlösende Dunkelheit umfing.
Daniel Jackson keuchte, als er sah, wie Gibbs in sich zusammensackte. Schnell kontrollierte er die Waffe, mit der er geschossen hatte und atmete erleichtert auf. Der rote Kristall verriet ihm eine Menge. Es war ein…
Es war ein lauter Schuss, der in seinen Rücken eindrang und ihn nach vorne katapultierte. Er taumelte, sank gegen Satterfields Körper und konnte sich noch umdrehen. Er sah die verblüffte Felicity auf sich zueilen, die neben ihm in die Knie ging und ein „Entschuldigung, ich dachte, sie wären der Feind“ murmelte. Er lächelte ihr zu und nickte in Richtung ihrer Waffe.
Sie hob die Pistole an und sagte nur das eine Wort, ehe Dunkelheit ihn schluckte.
„Intar.“
TBC