Eine pazifistische Welt, eine Utopie, heißt nicht, dass alles perfekt ist und dass alle, die dort leben, makellos sind.
Das stimmt, jedoch je mehr Anomalien auftreten, desto fragwürdiger wird, inwieweit eine behauptete Utopie auch eine ist. An welche TOS Figuren denkst Du wenn von einer weiter entwickelten Menschheit die Rede ist? Kodos? Daystrom? Decker? Garth von Izar? Mudd? Mir fallen auf Anhieb dutzende Beispiele von Figuren ein wo diese Behauptung der entwickelten Menschheit nicht zu zu treffen scheint. Mir fällt kein einziges ein, wo ich sofort sagen würde; Ja - diese Figur entspricht der Utopie.
Demnach liegt falsch, wer von Star Trek einen Ausblick auf eine hoffnungsvolle Zukunft erwartet?
Woher kommt dann der Mythos? Das ist nicht unerheblich für DSC. Selbst wenn er erst durch TNG entstanden ist, gibt es doch keinen Grund, ihn zu bekämpfen.
Welche Figuren aus einer besseren Zukunft stammen könnten? Nun, zumindest "unsere Helden", unsere eigentlichen Identifikationsfiguren. Außerdem fallen Randfiguren in der Betrachtung ab. Die "Durchgeknallten" bleiben im Gedächtnis, aber Robert Wesley, Thomas Leighton, Mr. Lurry, Robert Fox oder Miranda Jones erhalten was die Wahrnehmung anbelangt weniger Aufmerksamkeit und das Gros der Bevölkerung hat ohnehin keine Stimme, um ihre Mentalität in die Waagschale zu werfen.
Darüber hinaus geht es auch um das Gesellschaftsbild, das vermittelt wird: Deutet viel auf soziale Ungerechtigkeit und wirtschaftliche Probleme im Föderationsalltag hin?
Sowohl in Horta, als auch Epigonen "korrigieren" Kirk & Co eine Entwicklung die von anderen Menschen vorher in den Sand gesetzt wurde.
Und warum? Weil Kirk & Co. für die neue Zeit und die anderen, die jeweils die Probleme (mit)verursacht haben, für die alte Zeit stehen.
In der Wolkenstadt ändert Kirk bewusst und entgegen den offizielle Direktiven und auch gegen den Willen der dortigen Bevölkerung eigenmächtig ein bestehendes Gesellschaftssystem - er erhebt seine Moralvorstellungen über die dortigen Leute und über die eigene (Föderations-)Agenda.
Zu seinen Moralvorstellungen gehört demnach aber, dass Leute nicht aus geschichtlichen oder rassistischen Gründen unterdrückt werden sollten.
Im "Gleichgewicht der Kräfte" bricht sich sogar die gesamte Folge durch der (regelrechte) Hass über die Klingonen Bahn, letztlich erzwingt nur ein gefährlicher Feind einen Status Quo (ein Motiv was immer wiederkehrt), die Alternative dazu wäre sonst die absehbare eigene Vernichtung gewesen. Auch hier sehe ich keinen utopischen Background.
Schau Dir die letzten Szenen der Folge an, ist das eine dystopische Stimmung? Außerdem ist das Energiewesen für das Meiste des gezeigten Hasses verantwortlich; dass der Hass so nicht wirklich aus den Leuten selbst kommt, wird eindrücklich durch die Geschichte um Chekov klar, der einen von Klingonen getöteten Bruder rächen will, der in Wirklichkeit nie existiert hat!
(Das ist rein subjektiv, aber ich habe ein bisschen Schwierigkeiten, wenn ich mir vorstellen soll, wie ein Lorca oder ein Sisko diesen fremden Hass überwinden sollen; dazu bräuchte es ein anderes Gemüt).
Ich nehme mal noch ein extremeres Beispiel: Mudds Women.
Na ja, das ist mit eine der schlechtesten Star Trek-Folgen überhaupt, oder nicht? Natürlich ist diese Episode Teil der Serie(nreihe) und deswegen nicht zu ignorieren, aber wie Du selbst sagst, ist sie ein Extrembeispiel, aus dem sich nichts oder nur bedingt etwas ableiten lässt.
Jetzt darf man sich fragen, ob das, für was zum Beispiel Burnham oder Lorca stehen, zu so einer Einstellung passt. Nehme ich mal den Captain: Natürlich war Kirk auch ein Raufbold, aber ich persönlich hatte eigentlich wenig Zweifel daran, dass er Gutes bewirken will.
Und Du denkst Lorca will das nicht?
Na das ist doch das Bemerkenswerte: Wenn man sich so umhört, scheint für viele an DSC interessant zu sein, dass man bei Lorca eben gerade überhaupt nicht weiß, was er will, und auch, dass als reizvoll empfunden wird, dass er scheinbar auch durchaus 'böse' ist, man ihm also gerade keine hehren Ziele unterstellt.
(Es halten sich ja auch immer noch die Gerüchte, der Lorca, den man eine halbe Staffel gesehen hat, stamme eigentlich aus dem Spiegel-Universum; dass er dann eigentlich gute Motive hatte, wäre damit umgehend hinfällig).
Kirk hinterlässt dutzende gebrochene Herzen, er geht Beziehungen ein von denen er genau weiß das sie an ihm scheitern
Das ist zwar nur ein Randpunkt, aber gehört zu einer Utopie, zu einer positiven Zukunft, dass die gezeigten zwischenmenschlichen Beziehungen in Ehen münden? Ich meine, ich bin ein Fan von dauerhaften Liebesbeziehungen, aber wer sagt, dass die Frauen, die sich auf Kirk einlassen, nur um in den nächsten Folgen keine Erwähnung oder einfach keinen Platz in der Serie zu finden, wirklich gebrochene Herzen haben und sich auf ewig nach Kirk verzehren werden? Vielleicht sieht man das mit Flirts da einfach ein wenig lockerer und wir überschätzen Kirk(s Wirkung) auch ein Stückweit.
Nocheinmal: Ich denke nicht, dass eine positive(re) Zukunft gleichbedeutend mit der Lösung aller Probleme oder mit Perfektion oder Konfliktfreiheit ist. Nur müssen die Probleme und Konlfikte nicht so drastisch verlaufen oder harte Konsequenzen nach sich ziehen.
Alles in allem: Sehr erwachsen wirkt Kirk oft nicht.
Das ist genau der Punkt, den ich angesprochen habe: TOS will nicht selten den Eindruck einer, hmm, Menschheit auf dem Sprung zur nächsten Stufe vermitteln, (wobei unsere Helden oft schon ein bisschen weiter als andere sind, wenngleich auch sie erst noch ankommen müssen); wenn ich mich eines Bildnisses Arthur C. Clarkes für einen Buchtitel bedienen darf, das sicherlich schon frühere Wurzeln hat: "Childhood's End" - unsere Gesellschaft ist die (späte) Kindheit der Menschen, die TOS-Zeit zeigt eine Art späte Jugend, während man in TNG schon (etwas) erwachsen geworden zu sein scheint (nur, um in DS9 wieder ordentlich infantil zu werden, aber das ist eine andere Geschichte).
Fazit: Kirk entspricht der Utopie nur deswegen (halbwegs) weil es im dem TV Format generell bis Mitte der 90er nicht üblich war sich mit den Folgen seiner Handlungen ernsthafter und kontinuierlicher zu beschäftigen und einzelne Episoden für einen Charakter ohne nachhaltig Entwicklung blieben, egal wie gravierend die Ereignisse darin waren.
Umkehrschluss: Sobald Figuren eine Entwicklung durchlaufen und gezeigte Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten, ist keine Utopie oder keine positive Perspektive in einer Serie möglich?

Ich kann Dir das gerne begründen - aber selbst einige Autoren attestieren den ersten beiden TNG Staffeln heute "hardly watchable". Ganz so weit würde ich zwar nicht gehen, aber generell ist die erste Staffeln eine erkennbare Findungsphase während die zweite gute Ansätze entwickelt und auch einige gute Folgen aufweist - richtig ihr Thema oder ihren Ton gefunden, hat TNG aber erst zur späten Mitte der zweiten (setzt man es früh an) oder in der dritten (setzt man es spät an) Staffel. Ehrlich gesagt halte ich das für eine vertretbare Meinung die - so würde ich sagen - selbst unter einem Grossteil der Fans halbwegs Konsens ist.
Man muss aber nach den Gründen fragen und ich halte es für heikel, den Posten "Weg von utopischen Aspekten" in dieser Rechnung zu hoch zu veranschlagen. Wenn man sich einige Planetensets (
.:Beispiel:.) oder Masken (
.:Beispiel:.) anschaut, sind die zu Beginn von TNG erschreckend nah am Stand der 60er. Da geschah ein weitaus größerer Sprung als in Bezug auf die Darstellung bzw. den Wegfall utopischer Elemente. Es half der Serie also, dass man nicht in jeder Sekunde gemerkt hat, wo sich die Studiowand befindet, oder dass man einfach nur Mitleid mit dem armen Schauspieler hatte, der sich in einem hoffnungslos lächerlichen Kostüm wahrscheinlich zu Tode schwitzt. Und bei TNG merkte man (im Grunde anders als bei TOS oder ENT) bei der Figurendynamik - ich würde hier sogar alle in die Pflicht nehmen: die Autoren, die Regisseure und auch die Schauspieler - zudem, dass es Jahre brauchte, bis sich das Ensemble wirklich fand. Aber auch das hat sehr, sehr wenig mit der Frage Utopie oder nicht zu tun.
Gewiss darf man - nur... ich bin ratlos wie genau das aussehen soll. Selbst in jeder Star Trek Serie gibt es mindestens zwei große Kriege - Romulaner & Klingonen (TOS), Borg & Cardassianer (TNG), Cardassianer & Dominion (DS9) und Sulliban und Xindi (Enterprise)... einzig Voyager fiel da etwas raus, bzw, es fällt weniger auf, da das Schiff weiter fliegt. Wäre sie "stationär" gewesen, hatten sie wohl mindestens eine Konflikt mit Kazon, Vidianern, Borg und noch zwei drei anderen, an den Hacken gehabt.
Das ist nun kein Star Trek Phänomen - sondern tritt leider in jedem Grossen, neueren Franchise auf das grössere Settings umfasst/entwirft (ich hatte das bereits mal angesprochen)... Tribute von Panem, Herr der Ringe, Harry Potter, Star Wars (sowieso), Avengers, Hobbit usw. Überall glimmt er zu Beginn "Kriegsgefahr" am Horizont auf und mündet am Ende schließlich wirklich in offenen Kriegs-Szenarien. Immer gibt es den übermächtigen Konflikt der heraufzieht und nie abgewendet werden kann - sondern immer bitter und verlustreich ausgetragen werden muss, damit die Helden letztlich daran wachsen.
Ich bedaure das selber ebenso, weil es extrem redundant ist... aber es ist halt selbst in den literarisches Vorlagen so, dass.... Krieg, oder allgemeiner - Gewalt, der Vater aller (erzählerischen) Entwicklung zu sein scheint. Discovery ist da eben keine Ausnahme, nur ein weiteres "Oh, es geht um Gewalt und Krieg? Wie schade" Erlebnis.
Star Trek hätte den Vorteil, dass man bei Weltraumreisen phantasievoll einiges kennenlernen könnte, was man eben noch nicht kannte: Das können Völker mit aufregenden, herausfordernden Kulturen und Technologien, das können aber auch Phänomene astronomischer oder auch floraler bzw. zoologischer Natur sein.
Die Lust am Entdecken scheint entweder abhanden gekommen zu sein, oder aber sie wird nicht gefördert und liegt brach.
Als ich gehört habe, dass die neue Serie "Discovery" heißen sollen, hatte ich schon gewisse Hoffnungen.
Irgendwo ist das Leben ja immer ein Kampf, den man am Ende verliert. Insofern ist es vielleicht natürlich, dass Erzählungen dieses Thema aufgreifen.
Aber Entwicklung ist auch Veränderung und die muss nicht automatisch mit einem Kampf gleichgesetzt werden. Das Wort "ent-decken" weist doch schon darauf hin, man lüftet ein Geheimnis und das dann halt nicht in einer Folge, sondern über eine Staffel hinweg.
Ich behaupte mal etwas; selbst in den meisten FFs hier im Forum läuft es immer auf grosse Konflikte (Kriege) zu, oder eben ein wenig Mord und Totschlag. Es mag sicher Ausnahmen geben - wie zB Deine Satyr. Aber die bedient sich dafür einiger Kunstgriffe, wie zB des stark Episodischen Charakters ohne kontinuierliche Entwicklung eines globalen Settings.
Auch in den Dienstakten (ich habe eben einige überflogen) tauchen Krieg, Terrorismus und Tod immer wieder(als teils prägende) Erlebnisse auf. Die Utopie wie Du sie gerne sähest gibt es also selbst in den FFs kaum/seltenst, wie mir scheint.
Na ja, es ist ja kein ungewöhnlicher Impuls, das zu schreiben, was man auch gerne liest oder gerne lesen würde, deswegen sind viele meiner Satyr-Folgen abenteuerlich und utopisch, statt kriegerisch. Dass meine Geschichten episodenhaft sind, war eine bewusste Entscheidung, weil ich das Hinauszögern nicht so sehr mag, meist auf einen klaren Punkt hinauswill und finde, dass Länge nicht automatisch episch ist. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Entwicklung gibt. Guttapercha ist zum Beispiel nach dem Tod seiner Frau durchaus anders als zuvor. Auch zu anderen Figuren erhält man neue Einblicke in ihr Wesen, nur braucht es dazu in meinen Augen keine Kriege. (Ich mag als Beispiele hierfür
"Blasses Gelb" und
"Weißgrau").
Warum andere FF den utopischen Charakter nicht leben, weiß ich nicht; da müsste man die anderen Autoren fragen. Vielleicht waren für sie andere Folgen auch einfach prägend. Ich bin mit TNG zu ST gekommen, die erste Folge, an deren Inhalt ich mich nachträglich noch erinnern konnte, war glaube ich "Die Zukunft schweigt"; durch solche Themen bin ich zum Science Fiction- und zum Star Trek-Fan geworden. Wer zum Beispiel von DS9 geprägt wurde, will natürlich anderes sehen. Nur frage ich mich dann, was da ST-spezifisch ist, also ob es da das Motiv "Utopie" überhaupt gibt. Und: Was ist dann ST? In nicht utopischen ST-Serien, vor allem in DS9, könnte dann doch ein gewisses System (ein Beispiel wäre die Rangabfolge innerhalb der Sternenflotte) und die Optik (wie sehen die Außerirdischen und die Raumschiffe aus?) das verbindende Elemente sein. Ob der canon demnach DS9-Fans wichtiger ist als TNG-Anhängern, weil die eigentlich an einer bestimmten Stimmung hängen müssten..?
Wer mit DSC einsteigt, wird sein eigenes Bild von ST bekommen. Das wäre mal eine interessante Frage: Welche andere, frühere ST-Serie wird denen, die ST erst durch DSC kennengelernt haben, daneben am besten gefallen.
Das alles - damit Du mich nicht falsch verstehst - heisst nicht Discovery aus der Verantwortung zu entlassen es zumindest zu probieren. Ich tue mich aber sehr schwer etwas einzufordern bei dem ich selber extrem unsicher bin ob ich dies erreichen könnte. Würde man von mir erwarten, das sich eine Serie entwerfe die 3-5 Staffeln zu je 15 Folgen, mit einem kontinuierlichen, chronologischen Handlungsbogen über diese 45-75 Folgen, dafür aber keine grösseren Gewaltmomente oder Konflikt- Kriegsszenarien anreisst... und auch noch grossteils canonisch ist... ich hätte auf Anhieb keine Idee wie man so eine Serie wirklich entwickelt oder auf hohem Niveau über so viele Folgen spannend hält. Und dabei halte ich mich für epochal kreativ. XD
Auch deswegen sind meine Erwartungen an eine neue Star Trek Serie nicht so hoch.
Na ja, nocheinmal: Ohne es wohl wirklich vorgehabt zu haben, haben die Macher der Serie ja eigentlich mit dem Namen "Discovery" den richtigen Wahlspruch mit auf den Weg gegeben. Letztlich ist die Idee mit dem Sporenantrieb (zwar seltsam, aber) vom Prinzip alles andere als schlecht!
Würde man die Expeditionen von Alexander von Humboldt, James Cook oder Charles Darwin (ich denke da zum Beispiel an sein Tagebuch aus der "Beagle"-Zeit) entsprechend auswerten, käme man sicherlich auch auf einige Serienfolgen und / oder -staffeln. Klar, auch diese Storybögen wären nicht frei von Konflikten. Aber erstens gibt es dann doch noch einen Unterschied zwischen den vereinzelten Zusammenstößen jener Forschungsreisenden mit anderen Kulturen und echten Kriegen. Und zweitens könnte man von der Menschheit bzw. den Föderationsvölkern der Zukunft schon erwarten, dass sie noch bewusster unterwegs sind.
Der Weltraum mit Millionen Planeten, um Unbekanntes zu entdecken - und den Autoren soll nichts besseres als Krieg einfallen?