So, ich bin mit "Watching The Clock" durch. Und das Fazit ist mehr So-lala als großartig, auch wenn mir Bennetts Stil sehr gut gefällt. Aber der Reihe nach...
Der Roman folgt zwei Agentenpaaren: Einmal Marion Dulmur und Gariff Lucsly, und auf der anderen Seite dem Frischling Teresa Garcia und ihrem deltanischen Mentor Meyo Ranjea. Während Lucsly und Dulmur im Laufe des Buches den Ereignissen und Beteiligten des Temporalen Kalten Krieges auf der Spur sind, erforschen Garcia und Ranjea die mysteriöse "Axis Of Time", ein temporales Konstrukt, das sich im wahrsten Sinne des Wortes quer durch die Zeitlinie zieht.
Viel mehr gibt es spoilerfrei zum Plot nicht zu sagen, denn einen großen Teil des Buches machen Rückblenden aus, die überwiegend den Werdegang von Dulmur und den Beginn und Verlauf seiner Zusammenarbeit mit Lucsly erzählen. Ohne sagen zu wollen, dass die Geschichte nicht ihre Höhepunkte hat, aber mit fehlten etwas die spektakulären Elemente eines "Destiny", die einem die Kinnlade auf den Boden fallen lassen. Hier hat Bennett deutlich Potenzial verschenkt. Den einzigen Ansatz dafür hat der Epilog, aber das bleibt auch nur bei dem Ansatz.
Dafür gewinnt er es an anderer Stelle zurück. Vor allem Dulmur und Lucsly sind sehr interessant geschrieben und ergänzen sich sehr gut, der lockerere und emotionale Dulmur konstrastiert sehr gut mit dem autistisch-pedantischen Lucsly (Bennett schreibt in seinen Kommentaren, Lucsly sei wirklich als Asperger-Autist angelegt gewesen). Nicht das letzterer zu einer Sheldon-Cooper'schen Parodie verkommen oder uninteressant und steif wirken würde. Er passt einfach sehr gut zur DTI, deren primärer Zweck es ist, dass der historische/temporale Status Quo erhalten bleibt. Zudem bleibt gerade Lucsly dadurch interessant, dass er der einzige Hauptcharakter ist, dessen Werdegang der Leser nicht präsentiert bekommt und trotzdem mehrfach angedeutet wird, dass er einiges geleistet haben muss, um sich den Respekt vieler "Vorgesetzter" aus der Zukunft zu verdienen.
Was das Buch wirklich interessant und toll macht: Bennetts Fähigkeit, mit dem Canon zu spielen. So ziemlich jede Zeitreisestory EVER, Onscreen plus ein paar Romane und Comics, wird wenigstens am Rande erwähnt. So ziemlich jede Rasse und Fraktion, die jemals in Zusammenhang mit Zeitreisen erwähnt wurde, hat einen kurzen oder längeren Auftritt. Logiklücken werden gestopft. Fragen aufgeklärt. Verbindungen hergestellt.
Das Buch ist auf TVTropes sehr treffend mit dem Begriff "Continuity Porn" beschrieben worden und ich neige dazu, dem Recht zu geben. Eine kurze, längst nicht vollständige Liste der Dinge, die Bennett "geradebiegt" oder ausbaut:
- Zusammenführung des gesamten Trek-Zeitreise-Canon mit der Viele-Welten-Theorie (quasi im Vorbeigehen zementiert er auch nochmal eindeutig, dass die ST-XI-Zeitlinie die "Prime"-Kontinuität nicht überschrieben haben KANN, in Form eines sehr subtilen Seitenhiebs) (Bonuspunkte für eine REALWISSENSCHAFTLICHE Theorie statt gehaltloses Technobabble)
- Aufklärung der Zusammenhänge im TCW, Herausarbeitung der einzelnen Fraktionen, Einbezug der Zeitschiffe aus dem 29. Jahrhundert (s. "Relativity") und der "Aegis" (der Gruppe, für die unter anderem Gary Seven arbeitet)
- Erklärung warum der TCW seit der Gründung der Föderation nie wieder eine Rolle gespielt hat (Bonuspunkte für eine extrem logische und mit der Romankontinuität super harmonierende Lösung)
- Grund für die Zeitreise der Borg in First Contact und warum das Kollektiv seitdem nie wieder zu diesen Mitteln gegriffen hat
- Zusammenführung der Augments mit dem TCW (es ergibt im Kontext mehr Sinn, als es den Anschein hat) und zugleich eine Erklärung, warum in Star Trek die Erde der 1990er auf einmal über die technischen Mittel zur Züchtung von Augments verfügt
- Lüftung der Identität des "Future Guy" (oder, weil das so ein blöder Spitzname ist, des "Sponsors")
Was ermüdend werden kann, ist das recht häufig die harte Quantenmechanik ausgepackt wird und sich kein Charakter die Mühe macht, für den Leser einfache Analogien zu konstruieren. Ich musste manche Stellen zweimal lesen und hatte immer noch nicht alles begriffen. Und stellenweise trägt ein quantenmechanischer Vorgang Storyelemente. Einerseits toll, dass sich Bennett so um korrekte Recherche bemüht (wie immer, deswegen liebe ich ihn ja auch so), andererseits ist es blöd, dass einige Dialoge arg theorielastig und abstrakt sind.
Zwei Bonuspunkte für mich als Doctor-Who-Fan:
Erstens benutzt Bennett doch tatsächlich den "Timey-Wimey"-Spruch aus "Blink" als einführendes Zitat. Und zweitens hat die DTI anscheinend irgendwann einmal die TARDIS konfisziert.
Ich gebe mal (als Fan von "Continuity-Porn") wohlwollende vier von fünf Punkten.