Hallo zusammen,
hier präsentiere ich euch eine phantastische Reihe, wie sie hierzulande noch ziemlich unverbraucht ist. DER KOLOSS ist eine Serie von Kurzgeschichten über einen riesigen Superhelden, der gegen gigantische Monstren antreten muss. Die Erstveröffentlichung der Episoden erfolgt in dem Monsterfilm-Fanzine PRANKE. Und um diesem nicht in den Rücken zu fallen veröffentliche ich die Episoden erst dann online, wenn in der PRANKE bereits eine Neue aktuell ist. Dies kann allerdings für einige Wartezeit zwischen den Episoden sorgen, aber die Geschichten sind so verfasst, dass sie auch für sich allein stehen können, trotz rotem Faden. Bislang sind in der PRANKE drei Episoden erschienen, ich werde also auch die Zweite demnächst hier veröffentlichen. Auf die Dritte muss dann wieder länger gewartet werden.
Die folgende Geschichte, sowie alle darin vorkommenden Charaktere und Ereignisse sind rein fiktiv und geistiges Eigentum von Kai Brauns. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Genehmigung des Autors. DER KOLOSS
von Kai Brauns
Episode I: Larger than Life
Eiji Tsuburaya gewidmet.
Dr. Hatori Mafune trat aus dem Aufzug in den kleinen Kontrollraum. Er trug einen schwarzen Anzug, was im krassen Gegensatz zu den anderen Wissenschaftlern in dem kleinen Raum stand, welche allesamt weiße Laborkittel trugen. Das lag daran, dass Mafune als Firmenvorstandsvorsitzender nur noch selten im Labor war, meist nur noch, um sich über den Stand der Dinge auf dem Laufenden zu halten. Ansonsten war er nur noch in seinem Büro, im Hauptgebäude der GEN-U-TECH GmbH.
Mafune wandte sich an den Projektleiter, Dr. Simon Foss. Foss war etwa zwei Jahrzehnte jünger als Mafune und im Gegensatz zu seinem Chef in Deerenstadt, wo der Hauptsitz der Firma lag, geboren. „Wie geht es dem Prototyp?“ wollte Mafune wissen und strich sich dabei über seinen grauweißen Schnurrbart.
„Es läuft alles, wie geplant, Dr. Mafune,“ antwortete Foss. „Wenn es weiterhin so läuft wird es planungsgemäß am Freitag schlüpfen.“
„Sehr gut,“ sagte Mafune. Er blickte durch das große Sichtfenster hinaus in die große Halle, auf das gigantische Ei, welches dort lag.
Jörg Stein saß auf den Stufen zur Universität von Deerenstadt und las Immanuel Kant. Es war ein sonniger Tag im Juli. Jörg war ein junger Philosophiestudent, intelligent und in relativ guter Form. Er war gerade an der Stelle angelangt, an der Kant darauf hinwies, dass der Mensch weder gut noch böse, sondern gar kein moralisches Wesen sei, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er sah auf und blickte in das bekannte Gesicht von Elizabeth Garrison.
„Hey, wie geht’s?“ fragte die Kanadierin mit ihrem exotischen Akzent und einem weißen Lächeln, welches einen wunderschönen Kontrast zu ihrem dunkelhäutigen Gesicht bildete.
Jörg erwiderte das Lächeln. „Gut, danke! Und dir?“
Liz nickte nur und blickte auf das Buch. „Es ist so ein schöner Tag, du hast keine Vorlesung… Hast du da nichts Besseres zu tun, als ein so anspruchsvolles Buch zu lesen?“
Jörg lachte. „Naja, es ist eben recht interessant!“ Dann warf er ihr einen vielsagenden Blick zu und fügte hinzu: „Aber wenn du eine bessere Idee hast, ich bin aufgeschlossen.“
„Wie wäre es mit einem Eiskaffee und ein bisschen Smalltalk?“
„Worauf warten wir noch?“ fragte Jörg mit einem Grinsen.
Plötzlich warf sich ein Schatten über sie. Jörg wandte sich um und sah seinen besten Freund Eiji. „Jörg, ich muss mit dir sprechen,“ sagte Eiji mit ernster Miene.
„Eiji, wir wollten gerade…“
„Unter vier Augen!“ fügte der Student aus Japan hinzu.
Jörg zögerte, wandte sich dann an Liz. „Es wird sicher nicht lange dauern. Wir treffen uns nachher im Luigi’s, okay?!“
Liz nickte, stand auf und ging, nicht ohne Eiji einen zornigen Blick zuzuwerfen.
Jörg stand auf, sah Liz noch einen Moment hinterher, dann wandte er sich Eiji zu und fragte: „Was ist denn so wichtig, dass du sogar auf Höflichkeit verzichtest?“
Eiji blieb todernst und sagte: „Die Zeit ist nah!“
„Welche Zeit?“ fragte Jörg, teils genervt, teils amüsiert.
„Ich wollte dich noch besser vorbereiten, aber sie sind mir zuvor gekommen. Eine gigantische Bedrohung naht, und du bist auserwählt, dich ihr entgegenzustellen.“
Jörg lachte, doch verklang es, als er merkte, dass Eiji immer noch ernst war. „Das war doch ein Witz, oder?!“
Eiji ergriff Jörgs rechte Hand am Gelenk, hob se auf Brusthöhe zwischen ihnen und strich mit seiner anderen Hand über Jörgs Handrücken. Als Eiji seine Hand wegzog, erschien ein Symbol auf dem Handrücken, drei gleichschenklige Dreiecke, eines außen, eines in der Mitte und eines Innen. Die Spitze war auf die Finger gerichtet. Jörg starrte seine Hand an. „Wie hast du das gemacht? Ist das ein Trick?“ Er rieb sich über den Handrücken, aber das Symbol blieb.
„Wenn der Zeitpunkt gekommen ist,“ sagte Eiji, „berühre das Symbol. Von da an wirst du wissen, was zu tun ist.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.
Jörg blickte ihm ein paar Sekunden hinterher, sah dann wieder auf das Symbol auf seinem Handrücken. Die Linien schienen unter seiner Haut zu verlaufen. Der junge Mann war verwirrt. So ein Verhalten war er von seinem besten Freund nicht gewohnt. Und wie hatte er das mit dem Symbol gemacht? Jörg beschloss, dass er einen Termin beim Arzt machen würde, nur um sicher zu gehen, auch wenn er nicht glaubte, dass Eiji ihm irgendwie schaden würde. Er packte sein Buch in seinen Rucksack und ging Richtung Luigi’s.
Dr. Foss schreckte auf, als das Heulen der Sirenen erklang. Er stürmte sofort aus seinem Büro, den Korridor entlang auf den Kontrollraum zu. Hastig tippte er seinen Sicherheitscode ein und trat ein, als sich die Tür öffnete. Drinnen herrschte gewaltige Aufregung. Rote Lichter leuchteten auf. Die beiden Wachmänner tippten eilig auf ihre Knöpfe und brüllten in ihre Funkgeräte. Doch darauf achtete Foss nicht. Alles, was er sah, war die große Halle hinter dem Sichtfenster. Gigantische, zerbrochene Eierschalen. Und ein klaffendes Loch im Boden. Schlagartig wurde Foss klar, was geschehen war. Dainossor war da.
Jörg setzte sich an den kleinen Tisch vor dem Café Luigi’s und lächelte Liz an. „Ich hatte ja gesagt, dass es nicht lange dauern würde!“
Liz nickte mit hochgezogener Augenbraue. Ihr eng anliegendes, kurzes Haar glänzte im Sonnenlicht. „Was wollte er denn?“
Jörg schüttelte den Kopf. „Frag’ mich was Leichteres. Er hat nur irgendwelches, wirres Zeug geredet. So kenne ich ihn gar nicht.“
„Vielleicht war er zu lange in der Sonne?!“ witzelte Liz. „Naja, jedenfalls, hast du von der Party bei Achim am Wochenende gehört?“
„Ja, hab ich. Ich weiß noch nicht, ob ich hingehen soll.“
„Würdest du mit mir hingehen?“
Jörg verengte seine Augenlider. „Als Date?“
Liz verzog für einen Moment ihre linke Augenbraue auf verführerische Art. „Vielleicht?!“
Jörgs Lächeln wurde breiter.
Plötzlich begann die Erde zu vibrieren. Es wurde stärker, bis es ein richtiges Beben war. Entfernt waren Schreie zu hören. „Was ist das?!“ fragte Liz mit besorgtem Gesichtsausdruck.
Jörg schaute sich um. Da hörte er ein lautes, animalisches Brüllen. Er blickte auf und traute seinen Augen nicht, als er den Kopf und die Schultern einer gigantischen, von kleinen Hörnern übersäten Echse hinter ein paar Gebäuden sah.
Liz folgte Jörgs Blick, sah zu dem Riesenreptil, gerade als es den Kopf ihnen zuwandte. Liz schrie panisch auf, im selben Moment, als das Monster zu brüllen begann. An seiner Kehle blähte sich ein Kehlsack auf.
Jörg ahnte Böses, packte Liz an den Schultern und zog sie mit sich von dem Café weg. Der Kehlsack des Monsters entleerte sich, als aus dem Maul der Kreatur ein riesiger Feuerball geschossen kam und das Luigi’s in Stücke riss. Panik herrschte auf den Straßen, die Leute liefen, Autos fuhren, alles wild durcheinander. Trümmer fielen auf die Straße und begruben den einen oder anderen Passanten unter sich. Das Monster löste mit fast jeder Bewegung Zerstörung aus. Die Spitze seines Schwanzes schlug gegen die oberen Stockwerke eines Hochhauses und ließen Stücke davon nach unten fallen. Liz hatte noch Glück im Unglück, als sie am Knöchel von einem faustgroßen Stück Hauswand getroffen wurde. Sie schrie vor Schmerzen. Jörg erkannte, dass sie so nicht würde laufen können. Er sah sich um und rannte vor ein Auto, hatte Glück, dass der Fahrer noch anhielt. Jörg lief zur Fahrertür und redete durch das offene Fenster auf den Fahrer ein. Ein Platz war noch frei im Wagen. Jörg half Liz auf die Rückbank, schlug die Tür zu und blickte dem davonrasenden Wagen hinterher. Dann lief er zu einer Seitengasse. Dort atmete er ein paar Momente durch, dann erinnerte er sich an Eiji und das Symbol auf seinem Handrücken. War dieses Monster die Bedrohung, von der Eiji gesprochen hatte? Jörgs Weltbild bereits genug in Stücke gerissen, dass er es in Betracht zog. Vorsichtig berührte er die drei Dreiecke. Plötzlich erstrahlte Alles. Jörg fühlte, wie sich sein Körper veränderte. Eine zweite, dicke Haut zog sich über seinen ganzen Leib. Unglaubliche Energien flossen durch seinen Körper. Als das Strahlen abklang blickte Jörg an sich herunter. Die zweite Haut war rot, ab den Schultern dunkelblau. Auf seiner Brust prangten die drei Dreiecke in größerer Ausführung. Das innerste Dreieck leuchtete. Er berührte sein Gesicht und stellte fest, dass auch sein Kopf von dieser Haut überzogen war. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, er blickte hinunter zu seinem Schritt und sah erleichtert, dass die Schutzhaut ihm keine Blöße gab. Nun sah er auf. Er streckte seine Arme in die Höhe und begann, zu schweben, immer höher, bis er tatsächlich flog. Er landete auf einem Gebäude und sah zu dem Monster hinüber. Nun konnte er es ganz ausmachen. Es ging auf zwei Beinen, hatte zwei längere Arme, die in dreikralligen Händen endeten. Die Hörner verliefen in Reihen an den oberen Seiten des Körpers, bis sie am Schwanz zu einer Reihe wurden. Er wusste nicht woher, aber irgendwoher wusste er den Namen der Kreatur: Dainossor. Dieses Wissen musste aus derselben Quelle kommen, wie die Ahnung, dass er in diesem Zustand fliegen konnte, oder was als nächstes zu tun war.
Es dauerte nur einen Augenblick, bis Dainossor diesen eigenartigen Menschen auf dem Gebäude bemerkte. Der einzige Mensch, bei dem es keine Furcht erkannte.
Jörg trat an den Rand des Gebäudes und sprang mit angewinkelten Ellenbogen auf das Monster zu. Im Flug wuchs er, immer weiter, - das mittlere Dreieck begann zu leuchten, schließlich auch das Äußerste - bis er eine ähnliche Größe wie Dainossor angenommen hatte, und ließ schließlich den Ellenbogen von oben gegen die Schnauze des Monsters knallen. Dainossor fiel zu Boden. Doch nicht für lange. Schnell rappelte die Echse sich wieder auf. Ein paar Augenblicke starrte es seinem unerwarteten Gegner an, dann sprang es auf und traf Jörg mit den Füßen an der Brust. Jörg fiel nach hinten, gegen das Gebäude, auf dem er eben noch gestanden hatte, und fühlte es unter sich zusammenbrechen. Rauch stieg von den Trümmern auf. Bevor Jörg aufstehen konnte, war Dainossor über ihm, riss sein Maul weit auf und stieß es dem Menschen entgegen. Jörg zog gerade noch rechtzeitig den Kopf ein, so dass Dainossor nur Trümmer zwischen die Zähne bekam, und schlug mit der Faust in die Magengegend der Riesenechse. Er hörte ein schmerzerfülltes Japsen, rollte sich unter Dainossor weg und sprang auf die Füße. Das Monster wandte sich zu ihm um, blähte seinen Kehlsack auf und spuckte einen weiteren Feuerball. Jörg sprang zur Seite und registrierte, dass der Feuerball ein weiteres Gebäude in Stücke riss, während er auf dem Boden aufprallte.
Er blickte sich einen Moment um, sah in der Ferne einige Helikopter der Bundeswehr anfliegen. Er sah die Menschenmassen, die aus sicherer Entfernung zusahen. Und er entdeckte Leichen, unter den Trümmern begraben. Er wusste, dass er diesen Kampf so schnell wie möglich beenden musste, wenn er weitere Opfer vermeiden wollte.
Er stand auf und stellte sich dem Monster entgegen. Wieder blähte sich der Kehlsack des Dainossor auf. Schnell eilte Jörg auf das Monster zu und packte es an der Schnauze, presste die Kiefer der Echse fest zusammen. Dainossor schüttelte sich, stieß den Kopf vor und zurück, versuchte alles, um seine Schnauze freizukriegen. Erfolglos. Mit dem Bein stieß es gegen ein Kaufhaus und riss ein großes Stück der Fassade heraus. Der Schwanz schlug hin und her, prallte gegen das ein oder andere Gebäude. Schließlich wurde der Druck zu groß. Mit einem lauten Geräusch platzte der Kehlsack auf. Dainossor wurde schwächer, immer schwächer, bewegte sich schließlich gar nicht mehr. Das Monster war tot.
Jörg stand über dem Kadaver der Riesenechse und blickte erleichtert auf sie hinunter.
Er blickte sich um, die Helikopter kamen näher. Er begann, zu schrumpfen, das Leuchten des äußersten Dreiecks erlosch, schließlich auch das Mittlere, bis nur noch das Innerste leuchtete und Jörg auf Normalgröße zurück war. Er berührte das Symbol auf seiner Brust, wieder erstrahlte alles, und er fühlte, wie sich die zweite Haut wieder von ihm abschälte. Als das Strahlen erlosch, war er wieder wie vorher, trug dieselbe Kleidung, selbst sein Haar war nicht durcheinander geraten. Niemand hatte seine Verwandlung bemerkt. Ungläubig blickte Jörg auf Dainossors Kadaver zurück, der nun viel gigantischer aussah, als noch vor einem Moment. Jörg schüttelte den Kopf. Er würde erstmal eine zeitlang brauchen, um mit diesen Geschehnissen fertig zu werden. Und er würde ein wichtiges Gespräch mit Eiji führen. Aber zuerst würde er nach Liz suchen.
In der Notaufnahme war die Hölle los, überall waren Verletzte, glücklicherweise nicht so viele von ihnen schwer. Jörg hatte Liz bei einem Krankenpfleger gefunden, der sie auf dem Flur behandeln musste. Erleichtert legte er seine Arme um sie und spürte, wie sie ihre Arme um ihn schlang. „Bist du in Ordnung?“ fragte er mit hörbarer Besorgnis.
„Der Knöchel ist angebrochen. Scheint, als würde ich auf der Party nicht tanzen können.“
Jörg atmete erleichtert auf. „Wir werden uns schon nicht langweilen.“ Schließlich schaffte er es, sich von ihr zu lösen.
Hinter sich hörte er ein Gespräch mit. Ein paar Leute redeten über die Geschehnisse. Über diesen Riesen, diesen Koloss, wie er im Fernsehen genannt wurde. Und über das Monster, und wo es wohl hergekommen war.
Dr. Mafune trommelte mit den Fingern auf seinem Schreibtisch. Sein weißer Schnäuzer juckte, als er sich den Bericht anhörte, den Foss ihm über das Telefon gab. „In Ordnung,“ sagte er, als Foss fertig war. „Sorgen Sie dafür, dass niemand Dainossor zu uns zurückverfolgen kann.“
„Ja, Dr. Mafune,“ kam die Antwort.
„Und, Foss!“
„Ja, Doktor?“
„Sorgen Sie dafür, dass von den Anderen kein weiteres vorzeitig ausschlüpft!“
Ende der Episode.