Zurück zum Thema. Ich finde es sehr schwierig, den Andorianern als Ganzes Eigenschaften zuzuordnen. Genauso ergeht es mir bei "meinem" Volk, den Bolianern (habe da einiges an Überlegungen angestellt, weil sie das Protagonisten-Volk meiner FF sein werden). Viel mehr dürfte man von den Idealen eines solchen Volkes sprechen.
Damit meine ich, dass diese Punkte nicht auf jeden Andorianer zutreffen, sondern viel mehr, dass sie zu den gesellschaftlichen Erwartungen gehören, ungeachtet, wie einzelne Individuen dazu stehen mögen. Den Unterschied finde ich sehr wichtig, denn sonst kommen wir zu einem System, in dem Völkern genetisch oder sozial-historisch bedingte Eigenschaften zuerkannt werden. Dieses Denken ähnelt sehr stark dem Denken, dass man zur Kolonialzeit in Bezug auf die verschiedenen "Rassen" der Menschheit (ich finde den Begriff Rasse trotz Legitimität nicht wirklicht angemessen) hatte.
Dieses Denken wurde in Bezug auf die Menschheit in Teilen überwunden. Trotzdem halten sich Vorurteile, positive wie negative, und ich für meinen Teil, sehe es als Möglichkeit, Spezies nicht Profile aufzuprägen, sondern grundsätzlich erst einmal rein von äußerlichen Unterschieden auszugehen. Auch wenn das bei Spezies, die grundsätzlich anders sind als die Menschheit zu erwarten ist, sehe ich da die literarische Möglichkeit, ein wenig dem "Alien alias Allegorie"-Prinzip das in ST vorherrscht, entgegenzutreten.
Ferner sehe ich es als schwierig, die menschlichen Begriffe anzuwenden auf ein Alien wie z.B. die Andorianer. Wenn man nämlich davon ausgeht, dass diese anders aufgebaut sind, so verfügen sie auch über andere Hormonhaushalte. Infolgedessen dürften ihre Gefühls- und Gedankenwelt anders strukturiert sein als die menschliche. Sie dürften abseits einiger Ähnlichkeiten ernste Probleme haben, mit menschlichen Begriffen ihre Gefühle auszudrücken, einfach weil es unter Menschen diesen Begriff nicht gibt.
Ehre ist ein gutes Beispiel. Was verstehen wir unter Ehre? Man kann den Ehrenkodex der Samurai anführen, den Hippokratischen Eid (Ehre unter Medizinern), den Begriff honoris, der im Alten Rom existierte, Ehrenmorde wie es in einigen Kulturen üblich ist, Kriegerehre wie wir sie u.a. von den Klingonen kennen, etc.? Was davon trifft aber auf die Andorianer zu? Wohl kaum eines dieser Konzepte von Ehre.
Ich gehe davon aus, dass jedes Volk über "so etwa wie Ehre" verfügt. Ob es die Romulaner/Rihannsu sind, die es mnhei'sahe nennen oder die Klingonen mit ihrem Begriff HolQeD/batlh. Beides beinhaltet aber sicher Aspekte, die wir niemals als Teile von Ehre auffassen würden, sondern eher z.B. als Respekt. Andere widerstreben unserem Verständnis von Ehre grundsätzlich. Wider andere mögen einfach nur sehr konträr sein zu unserem Werteempfinden (Leben oder Ehre? Was ist wichtiger?).
Insofern wäre es äußerst schwer, Begriffe zu finden, die meine Einschätzung der Andorianer treffen. Ich würde mich äußerst schwer tun, solche Wörter wie eben "Ehre" zu verwenden, wäre es nicht letztlich eine Fiktion, die bewusst mit menschlichen Werten spielt. Die Andorianer, so wie man sie kennt, stellen ein weiteres "Allegorie"-Volk dar, welches sich mit Ehre identifiziert, mit Wut, aber auch mit Disziplin und Zielstrebigkeit, wie auch Gerissenheit. Das wären Ideale (nicht Eigenschaften) der Andorianer, die man aus dem Canon imo entlehnen kann.
Auch wenn es vielleicht viel verlangt ist, wäre ich doch erfreut, irgendwann einmal von einem FF Autor ein ähnliches Konzept zu sehen, wie es bei den Rihannsu vorgenommen wurde, die mit dem Begriff mnhei'sahe charakterisiert wurden. Dabei hat man einfach einen solchen fremden Begriff mit Charakteristika gefüllt und damit etwas gänzlich neues geschaffen. Dieser Begriff ist mehr als "romulanische Ehre". Es ist auch mehr als ein Verhaltenscodex, wie man es auch ansehen könnte. So müsste man imo viel häufiger vorgehen und einfach mal den Mut haben, bestimmte neue Begriffe zu kreieren, die den Alien-Völkern entstammen.
Das ist wie gesagt, eine eventuell zu hohe Erwartung, aber sie wurde mir vor kurzem beim Lesen von "Ein Stich zur rechten Zeit" von Andrew Robinson erfüllt. Wieder einmal. Ich will nicht behaupten, dass ich selbst in der Lage sei, dieser genialen Art Völker frei von allegorischen Zügen zu beschreiben nachzukommen, aber ich versuche es gelegentlich. Vllt. ist das ja Anregung an dich, uli, oder auch an Belar und seine Betazoiden, usw. solche Dinge zu entwickeln. Wenn es nicht zu spät ist, natürlich.