Kaum läuft der Film drei Monate im Kino, habe auch ich es geschaft, mir \"Avatar - Aufbruch nach Pandora\" anzusehen

Große Bildgewalt, epischer Anspruch, aber ein Fremdschämen bleibt bei \"Avatar\" nicht aus.
Es wäre gar nicht mal so, dass die - oscar-prämierten - Spezialeffekte perfekt wären. Das müssen sie auch nicht sein, womöglich können sie es nie werden. Und vielleicht kommt einem der Begriff des \"Uncanny Valley\" in den Sinn, denn gerade weil die Macher bemüht waren, die Na\'vi so echt aussehen zu lassen, damit man sich mit ihnen identifizieren kann, schrammten sie in meinen Augen in diesem Punkt knapp am Ziel vorbei. Bei der Körperlichkeit der Na\'vi hatte ich selten oder nie das Gefühl, ein echtes Lebenwesen zu sehen - um ein konkretes Beispiel zu nennen: bei Sullys ersten Avatar-Gehversuchen einen echten Fuss mit echten Bewegungen zu sehen. Aber das ist nicht so tragisch, denn mMn ist das nicht der Dreh- und Angelpunkt der bildgewaltigen Eindrücklichkeit, die \"Avatar\" über unglaubliche weite Filmanteile entfalten kann. Die dargestellte Welt mit ihrer Natur und ihren Tieren besitzt die größere Freiheit, um sich mit überzeugendem Erfolg auf das Spiel aus überbordender Pracht und dem vertrauten Gefühl des Wiedererkennens einzulassen. Es sind denn auch diese Momente, in denen \"Avatar\" einfach schön anzuschauen ist und funktioniert, ohne dass ein Inhalt transportiert werden muss - zum Selbstzweck, im wohl positivsten Sinne.
Ironischer Weise beginnt sich der Film auch in diesen wertvollen Augenblick leicht selbst zu demontieren. Die Tricktechnik mag in manchen oder womöglich in praktisch allen Bereichen bahnbrechend sein, aber den selbstbewussten Anspruch daraus abzuleiten, auf den eigenen Erfolg zu vertrauen und mit dem Plot-Einmaleins zu brechen, wagt der Film seltsamer Weise nicht. Da werden Einzelheiten und größere Elemente eingeführt, die in ihrer Ausdruckskraft (ich möchte nicht so weit gehen, und es über wertvolle Ausnahmen hinweg auch als Charme zu bezeichenen) bestechen, aber diese Auftritte geschehen in typischer Plotmitnahmemanier, um später aufgegriffen zu werden; das richtige Fallen unter Mithilfe der Riesenblätter, Supergroßflug-Vieh oder die Möglichkeit, das Wesen vom menschlichen auf den Avatar-Körper zu übertragen - einige Beispiel, es gäbe mehr. Nun sind es diese Szenen, die später noch einmal gebraucht werden, wieder vorgeholt werden, um beim Zuschauer einen \"Achso!\"-Effekt auszulösen. Schön und gut, der Zuschauer will die Lösungen ja nachvollziehen und auf irgendeine Art und Weise muss das der Plot ja auch leisten. Aber den gewählten Weg könnte man als nicht gerade unterschwellig, subtil bezeichnen, aber was schlimmer ist: Er degradiert die schönen Einzelszenen.
Wäre dieser Umstand ärgerlich, beginnt das Fremdschämen schon weit früher. Nicht lang ist es her, da hat ein Film namens \"WALL°E\" vorgemacht, wie imposant die Wirkung nonverbalen Geschichtenerzählens sein kann und mit den Jahrzehnte-raffenden Szenen im ersten Abschnitt von \"Up\" war dann vollends bewiesen, dass die Kraft der Bilder ohne Gespräche ausreicht, um nicht nur Informationen, sondern auch gewaltige Emotionen zu transportieren. Nach dem Ansehen von \"Avatar\" hätte man Cameron diese Erkenntnis gewünscht. Es wäre ein Missverständnis, daraus ein kategorisches Plädoyer gegen Gespräche in Filmen abzuleiten, aber wohl weit über neunzig Prozent der Dialoge in \"Avatar\" verdienten diesen Namen nicht. Die Worte, die sich die Menschen da gegenseitig zuwarfen, waren Phrasen, die entweder auf dümmliche Weise Vorgänge erklärten oder farbenfroh ordinär waren. Die lauen Gags und Sprüche, die vor vielleicht zwei Jahrzehnten nicht mal mehr neu waren, aber auf eine nach souveräner Coolness lechzenden Jugend eindrucksvoll wirkten, zünden einfach nicht mehr, wie sich aus den Reaktionen im trotz der langen Spielzeit von \"Avatar\" immer noch gut besuchten Kinosaal mit einer augenscheinlich (bzw. nach den Gesprächen während des Abspanns zu urteilenden) ausbalancierten Mischung von Erstsehern wie mich und Wiederholungsgängnern deutlich schließen lässt. Entsprechend lieblos und schablonenhaft waren denn auch die Figuren gezeichnet.
Inhaltlich gibt es nicht viel zu sagen; die Mischung aus \"Pocahontas\" und \"Der mit dem Wolf tanzt\" (und vermutlich noch eine ganze Reiher anderer Geschichten), verbunden mit den Elementen des Ökodramas war nett und einfach anzuschauen. Dabei bleibt der Film allerdings bedrückend leer. Die Kapitalismus-Kritik mit der hinführenden Botschaft zu mehr Achtung der Natur ist zu aufdringlich, aber besser eine aufdringliche Botschaft echter Themen, so denkt man sich mit Blick auf JJAs \"Star Trek\", als gar keine inhaltliche Ausrichtung. Weitere Punkte wie die Liebesgeschichte und - ganz frappierend - der Antagonismus zwischen Wissenschaft und Militär können in \"Avatar\" leider nicht um originelle, wertvolle Aspekte erweitert werden.
Was bleibt, ist damit nur die eindrucksvolle Wirkung einer neuen Welt, die viel vom Zauber in der Phantasie der Zuschauer auszulösen vermag und alleine dafür ist \"Avatar\" zu loben und darf als Vorbild dienen.