Habe ich bewusst weggelassen - weil, so meine ich, nicht tragfähig. Meiner Ansicht nach kann eine Erzählung auch nur interessant sein und eben erzählend - sie hinterlässt dann keine Botschaft aber ein Lesevergnügen und vielleicht etwas Freude oder neue Eindrücke und Infos.
Möglich, wenn Du jemanden hast, der mit Sprache malt, hast Du damit ein Vergnügen. Aber Du hast geschrieben:
Sie haben eigentlich gar nichts zu erzählen.
Für mich klingt das eben, als ob die Betreffenden das Problem hätten, dass sie nichts - es geht also um ein "Objekt", um ein Thema - zu erzählen haben und nicht, dass sie nicht erzählen könnten. Der Vorgang, zu erzählen, wäre demnach also nicht das Problem.
Die Botschaft ist mMn wichtig, aber stürzen wir uns eher auf andere Ausdrücke wie 'Thema', 'Inhalt', oder, wenn ich beim Bild des Malens mit Worten bleibe, 'Motiv', sind unsere Vorstellungen wiederum vielleicht gar nicht so weit auseinander.
Nur Erzählen ohne eigentlichen Inhalt, hmm... schwierig.
Ich musste da spontan an Jelineks "Würgeengel" denken...
Na gut, dann schweigt sie halt, die Frau Gräfin. Alles schläft, einsam wacht, aber schweigt. Sie schweigt in der Schweiz und sie schweigt in Deutschland und sie schweigt in England und sie schweigt in Ungarn und sie schwelgt im Überfluß oder was weiß ich.
Bald wird der Schatten grüner Tannen in die dachlose Höhle des abgebrannten Schlosses fallen, bald wird gar nichts mehr fallen, weil das Schloß selbst eingefallen sein wird, im Prinzip kein schlechter Einfall. Dort, die nackten Männer, sind ja nur an die 200 oder so, die schaffen wir noch, [...].
Aus mehreren Gründen hinkt der Vergleich, angefangen damit, dass wir hier natürlich an sich ein Theaterstück vor uns haben. Zum zweiten wichtigen Grund später. Das "Problem" hier aber ist, dass im Grunde erzählt und erzählt und erzählt und erzählt wird; fast bis zum äußersten gefüllt mit Anspielungen und Wortspielen, die natürlich nicht jedermanns Sache sind. Man landet dann quasi bei einer Erzählung, die auf Anhieb so wirkt, als drehe sich alles nur um sie selbst, ohne dass der Zuhörer versteht, was hier vor sich geht und warum ihm das erzählt wird. Vielleicht landet man dann beim Schluss, dass es eine sehr subjektive Frage ist, ob man dann am Rest (Text für so 150 Seiten in diesem Stil) Gefallen findet.
Jelinek ist ein lustiges Beispiel, denn der Witz an der Sache mit den endlosen Erzählermonologen der Figuren ist, dass Jelinek im "Würgeengel" mit dem Massaker von Rechnitz sehr wohl ein sehr konkretes Thema hat. Für einen Theaterbesucher, der nicht vorbereitet ist, erscheint es alles andere als leicht, aus dem Erzählten eine Handlung, einen Plot, ein Ganzes als Geschichte zu (re)konstruieren. Als Experiment finde ich das interessant, es zeigt für mich aber auch, dass - vom rein ästhetischen Gefühl abgesehen - reines Erzählen nicht das wichtigste Ziel für einen Schreibenden sein muss (sollte?). Wie gesagt, rein vom Ästhetischen her, kann Erzählen allein vielleicht schon tragen.
Ich kenne Joyce nicht wirklich, aber ich würde jetzt einfach mal trotzdem behaupten, dass auch für ihn das Erzählen kein Selbstzweck war.
Ich machs mal an einem hoffentlich unverfänglichem aber bekanntem Beispiel: Karl May. Seine Werke sind durchzogen von mehreren Botschaften - drei der zentralsten und immer wieder kehrenden sind: a) die verklärung einfacher Völker und Kulturen zu edlen Wilden, eine Art romantisierendes Naturvolk-Ethos... b) zugleich die Unterlegenheit aller anderen Völker unter die Europäische, insbesondere Deutsche Kultur/Gesellschaft und c) a und b zusammen genommen noch mal auf den Christlichen Glauben, also die Überlegenheit und Gnade und Güte Christlichen Glaubens als Allseeligmachend.
((( Toleranz als Botschaft spielt zwar auch eine wichtige Rolle ABER ist a-c untergordnet... Bsp. Old Shatterhand toleriert sowohl Glauben und Sitten der Indianer - aber auf eine ziemlich seltsame Art, nämlich in etwa wie ein Vater die Dummheiten seines Kindes... toleriert. Das heisst er lässt sie machen, aber steht immer (ab-)wertend im Hintergrund. In Karl Mays Toleranz als Botschaft fehlt zuemist die "echte" Akzeptanz. Was sie in meine Augen als Botschaft entwertet. )))
Ich glaube keines dieser Themen würde ein Romanautor heute noch vertreten oder als "Botschaft" in seine geschichten einbauen. Teils sind das rassistische Motive, teils Kulturchauvinismus, teils religiöse Intoleranz oder bestenfalls Unkenntnis und Propaganda. Trotzdem wird Karl May sowohl noch verkauft, als auch noch gelesen.... UND... es kann sogar Spass machen ihn zu lesen.
Botschaften sind natürlich in einem gewissen Sinne auch eine Gefahr. Das ist klar. Aber dennoch fließen sie immer noch in die Literatur ein. Autoren wählen sich Themen, porträtieren beispielsweise die Gesellschaft und ihre Phänomene. Hundert Jahre später mag manche Aussage oder manche Position, die der Autor in einem Text vorgestellt hat, nicht mehr zeitgemäß und auch berechtigt moralisch überwunden sein.
Die Frage für mich aber bleibt, ob der Unterhaltungsfaktor abenteuerlicher Erzählungen bei Karl May existieren könnte, wenn er sich kein Thema, keinen Plot, keinen Inhalt und vor mir aus auch keine Botschaft (so sehr sie auch aus der Zeit gefallen ist) zurecht gelegt hätte. Ein Thema, eine Geschichte, ein Inhalt ist doch eigentlich ziemlich unabdingbar als Rahmen für die Erzählungen eines Romans.
In erster Linie erwarte ich von einer Geschichte, dass sie mich gut unterhält. Dass ich die aufgewandte Zeit nicht bereue. Das ist für mich das Zeichen, es mit einer guten Geschichte zu tun zu haben. Wenn sie mich darüber hinaus noch zum Nachdenken anregt, oder mir gar Wissen vermittelt, das ich vorher nicht besaß, dann ist das schon ein Zeichen, dass ich es mit einer sehr guten Geschichten zu tun habe.
Im Grunde würde ich das mit dem eben Beschriebenen Einschränkungen ja auch so sehen. Ein mit Worten gezeichnetes Stilleben kann schon funktionieren. Ansonsten bin ich allerdings auch der Meinung, dass ein Text sehr, sehr schnell automatisch eine Botschaft bekommt.
Man kann sich ein Thema wählen, das meiner Meinung nach nicht unbedingt genügend Stoff für einen Roman bietet, und trotzdem bei einer Botschaft landen. Die Idee mit der "Botschaft" ist also gar nicht mal das, worauf ich hinaus will. Vielleicht geht es mir wirklich eher um ein inhaltliches Gerüst, das durch das Erzählen geschmückt gehört.
Wäre ich jetzt spitzfindig, würde ich darauf hinweisen, dass eigentlich jede Geschichte zwangsläufig wenigstens eine Aussage und wenigstens ein Thema hat.
Das glaube ich nämlich auch.
Es wird kaum was rauskommen, wenn jemand versucht, etwas zu schreiben, ohne dass er bzw. sie ein Thema hat. Für ein paar Zeilen kann man einfach drauf losschreiben - und vielleicht schneller bei einer Botschaft als bei einem Thema landen