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Hier kommt der nächste Teil. Diesmal musste ich etwas mehr umschreiben, weil ich Cully schon gekillt habe. Besonders die Szenen auf der Krankenstation waren eine harte Nuss. Ich hoffe, es funktioniert so.
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U.S.S. ICICLE
Kaum dass Dheran wieder auf der Brücke der ICICLE stand, blickte er Commander Mancharella auffordernd an. „Bericht, Commander.“
Die Spanierin erwiderte ohne Umschweife: „Das letzte lyranische Schiff wurde eliminiert, Captain. Der Sektor ist momentan feindfrei.“
„Sehr gut“, entgegnete der Andorianer in einem Tonfall der ebenso gut zu den Worten verdammter Mist gepasst hätte. Dann wandte er sich an Ivarsson: „Lieutenant, bringen Sie die ICICLE unter die ESTRELLA und wenden Sie dem Schiff unsere Unterseite zu. Entfernung zwanzig Meter. Wir werden zusammen mit der ESCORT unser Warpfeld auf das beschädigte Schiff ausdehnen müssen.“
Ivarsson bestätigte: „Aye, Sir. Das wir aber ziemlich knapp.“
„Dann können Sie beweisen, ob Ihr Ruf zu Recht besteht“, gab der Andorianer lakonisch zurück und blickte zu Farok. „Befehl an Kunanga: Er soll seine Staffeln einschleusen. Der Hangar-Chief soll darauf achten, dass niemand zurückbleibt.“
U.S.S. ESCORT - Krankenstation
Während sich die Lage im All langsam entspannte, kämpfte Dr. Gwen McNamara, Chefärztin der U.S.S. ESCORT, ihren eigenen, verzweifelten Kampf.
Die Operation hatte Stunden gedauert, doch der Zustand der Patientin war immer noch sehr kritisch. Obwohl es Gwen und ihrem Team gelungen war, die inneren Blutungen zu stoppen, stand das Überleben von Claire Harris immer noch auf Messers Schneide.
Dr. McNamara seufzte leise. Ein weiteres Mal kontrollierte sie die Werte der Frau, die bewusstlos auf einem Biobett lag und mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% nie wieder aus der Narkose aufwachen würde.
„Doktor?“, wurde die Chefärztin der ESCORT von hinten angesprochen.
Gwen McNamara zuckte leicht zusammen, drehte sich um und entdeckte eine ihrer Assistentinnen mit einem Padd in der Hand.
„Ja, Ensign?“, fragte sie müde.
„Ich habe die Akte von Lieutenant Harris herausgesucht.“ Die Krankenschwester reichte ihrer Vorgesetzten das Padd.
„Verdammt!“, erfuhr es Gwen, als sie die Daten überflog. „Claire Harris ist verheiratet und hat zwei kleine Töchter! Nun muss ich ihrem Mann die schlechte Nachricht überbringen … das hasse ich an meinem Job.“
Die Krankenschwester nickte verständnisvoll. „Soll ich das übernehmen?“
Gwen schüttelte den Kopf: „Nein, das mache ich selber. Die Bürde der Chefärztin.“ Als sie sich zum Gehen wandte, warf sie ihrer Assistentin noch einen eindringlichen Blick zu. „Passen Sie auf Lieutenant Harris auf, während ich mit ihrem Mann spreche. Informieren Sie mich sofort, wenn sich Claires Zustand verändern sollte!“
„Ja, Doktor.“
Gwen verschwand in ihrem Büro, fuhr sich mit den Fingern ein paar Mal durch die schulterlangen, braunen Haare und aktivierte den Comm-Kanal zur U.S.S. ESTRELLA DEL ALBA. Es gelang ihr, eine Verbindung direkt zu Commander Richard Harris herzustellen.
Der Sicherheitschef der ESTRELLA klang überrascht, als er den Ruf der Ärztin auf seinem Kommunikator empfing. „Was kann ich für Sie tun, Doktor?“
„Eine Verletzte wurde von der ESTRELLA an Bord der ESCORT gebeamt und befindet sich gerade auf meiner Krankenstation.“ Gwen schluckte und fuhr nach einer unbehaglichen Pause fort. „Es handelt sich dabei um ihre Frau Claire.“
„Claire …“, wiederholte Rick mit dumpfer Stimme.
Dr. McNamara, die auch auch ausgebildete Psychologin war, erkannte sofort, dass ihn die Nachricht aus der Bahn warf.
„Wie geht es ihr?“, fragte Rick besorgt.
Die Ärztin seufzte. „Das möchte ich ungern über Funk besprechen.“
„Dann komme ich rüber“, erklärte Rick ohne Umschweife.
„Das wollte ich gerade vorschlagen. Ich warte in meinem Büro auf Sie“, gab Gwen zurück.
U.S.S. ESTELLA DEL ALBA - Brücke:
Als er die beunruhigende Nachricht von Dr. McNamara empfing, steckte Commander Harris gerade im Turbolift auf dem Weg zur Brücke, um Commander Katic Bericht zu erstatten.
Doch statt sich vorschriftmäßig zum Dienst zu melden, ging Rick direkt auf Lejla zu, tippte sie an die Schulter und fragte leise: „Kann ich dich kurz sprechen?“
Lejla merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Zwar wirkte ihr Sicherheitschef äußerlich gefasst, doch Katic kannte ihn zu gut, um die latente Besorgnis in seinem Blick zu übersehen.
„Natürlich“, erwiderte sie ebenso leise.
„Meine Frau“, brachte Richard heraus. „Sie wurde verletzt und liegt auf der Krankenstation der ESCORT. Es scheint ernst zu sein.“
„Ich nehme an, du möchtest zu ihr“, entgegnete Lejla weich.
Richard nickte dankbar.
„Erlaubnis gewährt“, sagte Katic ohne zu Zögern.
In solchen Fällen ging die Familie vor – zumal Commander Harris‘ Dienste auf der Brücke nicht unbedingt gebraucht wurden. Schließlich war das Schiff einigermaßen stabil und die Lage unter Kontrolle.
„Danke!“, erwiderte Rick erleichtert.
Er wusste Lejlas Anteilnahme umso mehr zu schätzen, da Lejla und Claire nicht gerade die besten Freundinnen waren. Als als Lejlas Vorgänger bei einer Außenmission getötet worden war, hatte es keine andere Option gegeben, als die damals gerade 29-jährige zu befördern, weil sich die ESTRELLA zu dem Zeitpunkt auf einer längeren Forschungsmission im Gammaquadranten befunden hatte. Dennoch ließ Claire keine Gelegenheit aus, die Führungsqualitäten von Katic zu bemängeln.
Dabei saß Richard jedes Mal zwischen den Stühlen, was ihm gehörig auf die Nerven ging. Dieser Zickenkrieg überstieg seinen Horizont. Schließlich waren die beiden Frauen auf der Akademie Zimmergenossinnen gewesen und hatten sich ausgezeichnet verstanden! So gern er seiner Frau gegenüber loyal gewesen wäre, musste er sich traurig eingestehen, dass die Stichleien immer nur von einer Seite ausgingen: Claire. Lejla hingegen ging ihrer früheren Zimmergenossin aus dem Weg, wo es nur möglich war. Das gefiel Rick auch nicht, schließlich gehörte Lejla zu seinen engsten Freunden. Einmal hatte er seiner Frau schonungslos unter die Nase gerieben, dass sie wohl neidisch auf Lejla wäre, weil ihre ehemalige Freundin schon XO war, sie jedoch nur eine kleine Teamleiterin im Rang eines Lieutenant Junior Grade. Die Art, wie Claire anschließend geschmollt hatte, zeigte Richard, dass er mit seiner Annahme richtig lag. Trotzdem tat es ihm Lied, seine Wortwahl war eindeutig zu hart gewesen …
Doch das war jetzt nicht mehr wichtig. Claire musste wieder gesund werden – das war im Moment alles, was für ihren Mann zählte.
Richard verließ die Brücke und aktivierte seinen Kommunikator. „Lieutenant Commander Harris an ESCORT. Eine Person zu beamen.“
Lejla blickte ihrem Sicherheitschef nachdenklich hinterher. Trotz ihrer Differenzen mit Claire wünschte sie Rick von Herzen, dass er seine Frau zurückbekam.
Dann verbannte sie alle Gedanken an das Drama, dass sich vermutlich gerade auf der Krankenstation de ESCORT abspielte, und wandte sich Taren zu: „Lieutenant, ich benötige eine Bestandsaufnahme der Schäden an unserem Schiff. Es wäre praktisch, beim Erreichen von UNITY ONE den Technikern eine Reparaturliste in die Hand zu drücken zu können.“
Katic erlaubte sich ein Lächeln, als sich Tarens Fühler leicht nach innen bogen.
Administrative Aufgaben gehörten nicht gerade zu den Lieblingsbeschäftigungen des Andorianers, dennoch sah er ein, dass diese Arbeit getan werden musste. Zumal niemand anders in der Nähe war, dem Katic diese Aufgabe übertragen konnte.
Hoffentlich werde ich bald Lieutenant Commander, damit ich diesen Bürokratiekram zum nächsten Lt. weiterschieben kann, dachte er. Mit verdrießlicher Miene, aber gewohnter Effizienz machte er sich an die Arbeit, dabei ließ er ab und zu den Blick zu Tal´Inuray Filiz schweifen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die MACO ihr Haar mit einem stahlblauen Seidenband zurückgebunden hatte. Das war ungewöhnlich, aber Taren gefiel es ausgesprochen gut.
USS ESCORT – Krankenstation:
Der junge Mann mit dem kurzen, etwas wirren dunklem Haar, der gerade ohne Aufforderung in ihr Büro stürmte, konnte nur der Sicherheitschef der ESTRELLA sein.
Gwen hob den Blick. „Ich bin Dr. McNamara. Sind Sie Commander Harris?“
Rick nickte: „Wo ist meine Frau?“, fragte er leicht außer Atem.
Doktor McNamara musterte ihn verstohlen. Er scheint den ganzen Weg vom Transporterraum bis hierher gerannt zu sein, sein Blick wirkte eindringlich, geradezu flehend.
Gwens Finger verknoteten sich unter der Schreibtischplatte. „Setzen Sie sich bitte, Commander.“
Richard kam der Aufforderung nach. Ihm schwante nichts Gutes. Während das mulmige Gefühl in seinem Magen rumorte, blickte er auf und fixierte die Ärztin: „Also, heraus mit der Sprache: Was ist mit meiner Frau?“
Gwen fiel es schwer, seinem Blick standzuhalten. Die Stimme des Mannes klang beinahe vorwurfsvoll. Würde er ihr die Schuld geben, falls Claire nicht überlebte?
„Einer unser Techniker, den wir an Bord der ESTRELLA gebeamt haben, hat ihre Frau am Boden eines Turboliftschachtes gefunden“, begann sie. „Nach ihren Verletzungen zu urteilen, muss sie sehr tief gefallen sein. Mindestens vier Decks.“
Ein dicker Kloß formte sich in Richards Kehle. „Wie schlimm ist es?“
Dr. McNamara atmete tief durch. „Ihre Frau hat mehrere Knochenbrüche, sie hatte innere Blutungen, die wir aber stoppen konnten. Aber zu dem Zeitpunkt hatte sie schon sehr viel Blut verloren, ihr Organismus ist stark geschwächt …“
„Aber sie wird doch wieder gesund?“, fragte Rick und suchte in den Augen der Ärztin verzweifelt nach einem Anflug von Hoffnung.
„Ich möchte Sie nicht anlügen“, gab Gwen zurück. Diesmal musste sie den Blickkontakt brechen. „Der Zustand ihrer Frau ist kritisch. Hätten wir sie eher behandeln können, würde ich sagen: Ja, ich bin zuversichtlich, dass sie wieder gesund wird. Aber so muss ich leider sagen: Die Chancen stehen nicht sehr gut.“
Richard starrte sekundenlang auf die blankpolierte Tischplatte. Obwohl er Angst vor der Antwort verspürte, fragte er: „Meine Frau … wird doch überleben … oder?“
„Das werden die nächsten vierundzwanzig Stunden zeigen“, erwiderte Gwen betrübt. „Wir tun natürlich alles, was in unserer Macht steht, aber versprechen kann ich Ihnen nichts.“
Richard wandte sich ab und nickte fatalistisch. „Kann ich zu ihr?“
Gwen erhob sich: „Natürlich. Folgen Sie mir.“
Als Richard seine bewusstlose Frau auf dem Biobett liegen sah, wurde ihm innerlich kalt. Sie war kreidebleich, ihre Wangen wirkten eingefallen, der grüne Patientenkittel war voller Blutflecke. Ihre Hand fühlte sie klamm an, als seine Finger sie fest umschlossen.
„Claire“, flüsterte er zärtlich und strich eine feuchte Haarsträhne uns ihrem Gesicht. „Claire … Liebes … bitte … Du MUSST gesund werden! Wir brauchen dich doch!“
Doktor McNamara hinter ihm rang sichtlich um ihre professionelle Fassade.
U.S.S. ESCORT – Brücke & Krankenstation:
Fleetcaptain Renee O'Connor kontrollierte noch ein letztes Mal alle Daten auf ihrem Monitor, bevor sie sich an den Admiral wandte: „Sir, alle Schiffe sind bereit für Warp. Die Schilde sind um die ESTRELLA ausgedehnt und der Traktorstrahl hält. Wir können also starten.“
„Ausgezeichnet. Dann wollen wir mal“, sagte Belar. „Mr. Harris: Volles Rohr.“
Während sich das Warpfeld aufbaute, wurden die Sterne im Weltall immer länger, bis die drei Schiffe schließlich in einem grellen, weißen Lichtblitz die Warpmauer durchbrachen und endlich UNITY ONE zustrebten.
Auf der Brücke ging ein erleichtertes Aufatmen durch die Runde der anwesenden Offiziere. Selbst der Admiral entspannte sich nun und setzte sich gemütlich in seinen Stuhl.
„Alarmstufe Rot beenden“, ordnete der Trill an und schlug die Beine übereinander.
Die kurze Ruhe wurde jäh unterbrochen, als ein Commsignal die Aufmerksamkeit des Steuermannes weckte: „Krankenstation an Harris“, meldete sich Gwen McNamara. „Ich dachte, Sie sollten wissen, dass sich Ihr Cousin und seine Frau auf der Krankenstation befinden.“
Harris schrak sofort zusammen. „Rick? Es geht ihm doch hoffentlich gut?“
„Richard ist wohlauf, aber seine Frau hat sehr schwere Verletzungen davon getragen. Wir wissen nicht, ob sie die Nacht übersteht“, antwortete Gwen ehrlich.
Ed Harris warf einen fragenden Blick zu Admiral Belar und der Trill gab ihm die stumme Erlaubnis, seinen Posten zu verlassen.
Obwohl die beiden Cousins seit dem Abschluss der Akademie nur noch selten Kontakt hatten, waren sie eine Familie – und Rick brauchte seine Familie jetzt nötiger denn je.
Als Edward die Krankenstation erreicht hatte, erwartete ihn Dr. McNamara bereits hinter der Tür. Sie führte den Mann zu Biobett zwei, wo Richard mit tief besorgter Miene die Hand seiner Frau hielt.
Edward schluckte beim Anblick ihrer bewusstlosen Gestalt. Er mochte Richards Frau und obwohl sich die beiden nur selten sahen, schien es für Ed unvorstellbar, nie wieder einen saurianischen Brandy mit Claire zu trinken. Eine Familienfeier ohne Claire … nein, das wäre undenkbar!
„Hallo Rick“, begrüßte er seinen Cousin mit gedämpfter Stimme und legte mitfühlend eine Hand auf seine Schulter.
„Hallo Ed.“ Richard lächelte schwach. „Schön, dass du hier bist.“
„Selbstverständlich bin ich für dich da.“ Ein Kloß bildete sich in Edwards Kehle. „Ich habe es eben gehört … Es tut mir so leid, Rick!“
„Wenn ich doch nur irgendwas tun könnte!“, brachte der Sicherheitschef der ESTRELLA heraus. „Nutzlos herumsitzen, während es Claire schlechter und schlechter geht … das macht mich wahnsinnig!“ Mit diesem Worten krachte seine Faust gegen die nächste Wand. Dr. McNamara fuhr herum, besaß aber zu viel Taktgefühl, um etwas zu sagen.
Ed nickte verständnisvoll. Sein Cousin war ein Mann der Tat – genau wie er.
„Alles, was du jetzt tun kannst, ihr, für Claire da zu sein“, erwiderte er. „Wenn du willst, kümmere ich mich so lange um die Zwillinge.“
Richard dachte einen Moment nach: „Danke, das ist lieb gemeint. Aber die Mädels sind im Bunker auf der ESTRELLA in Sicherheit. Unsere Lehrerin kümmert sich um sie.“
„Gut.“ Edward spürte eine gewisse Erleichterung. Er hatte seinem Cousin einen Gefallen tun wollen, aber seine Erfahrung mit Kindern beschränkte sich darauf, dass er drei Jahre lang den Spielplatz unter dem Balkon seiner ersten Wohnung ertragen hatte. Damals war er froh gewesen, wenn er die Balkontür zu machen und das Gekreische aussperren konnte. Stand ein kleines Kind vor ihm, wusste er nicht, was er sagen oder tun sollte.
Nein, Rick war der familiäre Typ von beiden. Edward, der Womanizer, hatte nicht mal Lust, sich fest zu binden. Oder die Frauen hielten es nicht lange mit ihm aus, weil er sich kein Abenteuer, keine Konfrontation und keine waghalsige Extremsportart entgehen ließ. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um eine Familie zu gründen.
„Ist wohl das Beste. Aber wenn du Hilfe brauchst: mein Angebot steht.“ erklärte er noch einmal, bevor er auf die Brücke zurückkehrte.
Rick umarmte ihn kurz. „Danke!“
U.S.S. ESTRELLA DEL ALBA – Krankenstation
Sie rannte einen endlosen Korridor entlang. Stechende Schmerzen in den Seiten ließen sie fast zusammenbrechen, aber sie rannte weiter. Das grüne Feuermonster hinter ihr dufte sie nicht erwischen. Eine Jeffrisröhre, eine Leiter, wieder endlose Korridore in einem Menschenleeren Schiff. Dennoch hörte sie Stimmen, die alle durcheinanderbrüllten:
„Gefahr! Hüllenbruch auf Deck 3, Kraftfeld instabil, wir verlieren Atmosphäre!“
„Feuer auf Deck vier!“
„Kollisionskurs …. Kritisch …“
Es sind nur Echos, beruhigte sie sich. Wenn sie überleben wollte, durfte sie sich auf keinen Fall ablenken lassen, auf keinen Fall stehenbleiben – sonst würden die grünen gestaltlosen Flammenwesen sie bei lebendigem Leib verbrennen.
Die Monster kamen gefährlich nahe, alles was sie berührten, schmolz und verwandelte sich in eine blubbernde, kochende Masse. Wenige Meter hinter ihr wurde der Fußboden zum Lavastrom, die Decke tröpfelte zischend herab.
Ihre Beine fühlten sich an, wie Pudding, ihr Lungen brannten, jemand hämmerte ihr Eispickel in die Seiten. Aber sie gönnte sich keine Pause, sie musste unbedingt raus hier – raus aus diesem Labyrinth, wo es nur Dunkelheit und Plasmafeuer gab. Sie würde sich auflösen, wie die Welt um sie herum, wenn sie nicht endlich den Ausgang fand.
Deshalb musste sie zurück ans Licht. Dann würde sie erkennen, wer sie war und wohin ihr weiterer Weg führte.
„Lieutenant Kreuzer!“, rief jemand. „Astrid, können Sie mich hören?“
Eine Frau. Ihre Stimme kam von weit her, aber sie klang anders, als die Echos der Katastrophenmeldungen. Realer.
Nein, das war kein Echo einer Erinnerung, dachte sie … Astrid. So lautete ihr Name.
„Sie ist in eine Art Koma gefallen“, bemerkte eine zweite Stimme, diesmal männlich. Aber nicht menschlich, sondern irgendwie … schnurrend.
„Aber sie scheint zu träumen“, meinte die Frau. „Verdammt, was ist nur mit dem Hautregenerator los! Ich kann ihre Plasmaverbrennungen nicht behandeln.“
„Ihr Metabolismus verbraucht fast siebenmal so viel Energie wie normal“, erklärte der schnurrende Mann. „Der Hautregenerator kann keine Heilkräfte ihres Körpers mobilisieren, denn diese Kräfte sind vollständig auf ein anderes Ziel konzentriert.“
„Eine Infusion mit Nährlösung! Schnell!“
Astrid spürte kühles Wasser, dass ihre schmerzenden Füße umspülte und die Flammen hinter ihr löschte.
Für einen Moment flackerte ein Licht am Ende des Tunnels auf, aber in der nächsten Sekunde verlosch es wieder. Der Weg vor ihr gabelte sich in drei Verschiedene Richtungen.
Astrid verzweifelte.
USS ESCORT – Brücke
Gerade als Lieutenant Harris wieder seinen Platz an der CONN einnahm, meldete Lieutenant Asakura eine eingehende Nachricht vom Sternenflottenkommando. „Es ist Admiral Janeway von der Operationsabteilung“, stellte der Kommunikationsoffizier überrascht fest.
„Auf den Schirm“, befahl Admiral Belar. Auch er wunderte sich, dass sich das Oberkommando so schnell bei ihm meldete – schließlich war der vorläufige Bericht über die Situation der ESTRELLA erst vor wenigen Stunden versandt worden.
„Schön, Sie zu sehen, Admiral.“ Vizeadmiral Kathryn Janeway lächelte freundlich.
„Freut mich auch, Kathy“, gab der Trill ungezwungen zurück.
„Ich bin mal eben die Liste potenzieller Kandidaten für das Kommando der ESTRELLA DEL ALBA durchgegangen“, fuhr die stellvertretende Leiterin der Starfleet-Operations-abteilung fort.
„Das hätte doch noch Zeit gehabt. Aber freut mich, dass Sie die Sache so schnell erledigen konnten.“ Belar erlaubte sich ein Schmunzeln. Janeway stand nicht zu Unrecht in dem Ruf, extrem diensteifrig zu sein. „Lassen Sie mich raten: Sie haben mal wieder einen Kaffee zu viel getrunken und mussten wohl oder übel die Nacht durcharbeiten.“
„Ja, der Kaffee wird mich eines Tages umbringen.“ Janeway lachte kurz. „Oder er hält mich so lange wach, bis ich Chief Admiral werde.“
„Dann bin ich wahrscheinlich längst in Rente oder tot“, konterte Belar. „Also, was haben Sie für uns?“
„Leider ist die Auswahl eher bescheiden“, gab Janeway zurück. „Durch den Dominionkrieg und den nachfolgenden Krieg gegen die Liga wurden die Reihen der Führungsoffiziere mit den Jahren ziemlich dezimiert. Kurz gesagt …“ Sie stemmte eine Hand in die Hüfte. „Es gibt keinen geeigneten Skipper. Jedenfalls niemanden, der sein eigenes Kommando für die alte Dame aufgeben möchte. Und das würde auch der Sternenflotte nichts bringen. Falls wir also keinen Verwaltungshengst auf diesen Posten heben wollten, wäre die vernünftigste Lösung, Commander Lejla Katic zum Captain zu befördern. Darin sind mein Chef und ich uns einig.“
„Es gibt auch einige vielversprechende XO’s, die schon in der Startlöchern sitzen und auf ein eigenes Kommando warten“, gab Belar zu bedenken.
„Natürlich, die gibt es. Allerdings hätte Katic den Vorteil, dass sie die Mannschaft der ESTRELLA kennt und mit ihr zusammen die Katastrophe durchgestanden hat. Die Männer und Frauen an Bord vertrauen ihr.“
„Verstehe, aber warum kommen Sie damit zu mir?“, fragte Belar. „Ich bin der Chef der Taskforce. Personalangelegenheiten der regulären Sternenflotte fallen nicht unbedingt in meine Zuständigkeit.“
„Weil die ESTRELLA DEL ALBA wird auf UNITY ONE stationiert werden soll“, kam Janeway gleich zur Sache. „Sie bleibt zwar ein Schiff der Sternenflotte, aber der Wissenschaftsrat hat sie angefordert, um den kompletten cardassianisch-bajoranischen Raum zu kartographieren. Sie soll im Rahmen einer Fünfjahresmission diesen Bereich genau erkunden und UNITY ONE, DS 9 und STARBASE 375 als Anlaufpunkte verwenden. Da Sie im Sektor der ranghöchste Offizier sind, stünde die ESTRELLA künftig unter Ihrem Generalkommando.“
„In Ordnung, dann geht mich die Sache was an“, erwiderte Belar. „Allerdings halte ich es – gelinde gesagt – für Irrsinn, eine wissenschaftliche Mission in den cardassianischen Raum zu befehlen! Die Liga kann jederzeit angreifen, was der Vorfall mit den Lyranern bewiesen hat. Von der Front Dominiontreuer Cardassianer will ich gar nicht erst reden! Wenn die ESTRELLA zwischen die Fronten gerät, wäre sie völlig auf sich gestellt, ein gefundenes Fressen für jedes Wolfsrudel oder Tholianer-Netz! Also, welche Hirnseuche hat den Wissenschaftsrat und die Admirals befallen, dass sie eine alte Excelsior allein in vermintes Gelände schicken? Oder wollen sie das Schiff vielleicht loswerden?“ Mit jedem Wort redete sich der Fleetadmiral mehr in Rage.
Janeway räusperte sich. „Ich verstehe Ihre Bedenken, Sir. Aber die ESTRELLA soll nicht nur Planeten und Anomalien oder Nebel erforschen. Sie soll die Löcher auf unseren Sternenkarten füllen, damit wir taktisches Material besitzen, um gegebenenfalls nicht blind in Hinterhalte zu fliegen. Sollte die Liga tiefer in die cardassianische Zone eindringen, brauchen wir genaue Kenntnisse über das Kampfgebiet.“
„Sicher. Ich sehe den taktischen Vorteil.“, lenkte der Fleetadmiral missmutig ein. „Aber, wenn überhaupt, würde ich die DEFENDER mit ihrer Tarnvorrichtung in dieses unsichere Gebiet schicken – keine fünfzig Jahre alte Excelsior mit einer traumatisierten Crew und einen unerfahrenen Captain!“
Janeway grinste. „Sie haben doch nicht eben Lairis für die Sternenflotte zurückgewonnen, um sie mit so einem langweiligen Auftrag wieder zu vergraulen.“
Belar erlaubte sich selbst ein Grinsen. „Da haben Sie natürlich Recht.“ Als Taskforce-Offizier sah er ein, dass ein Kriegsschiff wie die DEFENDER an der Front wesentlich nützlicher sein konnte. „Mir stellt sich nur die Frage: Warum holen wir uns die kartografischen Daten nicht einfach von cardassianischen Militär?“
Janeway zuckte die Achseln. „Weil das Sternenflottenkommando den Cardassianern nicht traut, schätze ich.“
Und ich traue gewissen Leuten im Sternenflottenkommando nicht, dachte Belar grimmig, sprach es aber nicht laut aus. Es wusste, es war paranoid – doch er wurde das Gefühl nicht los, dass die ESTRELLA verheizt werden sollte. Mit einem scharfen Blick in Janeways Augen fragte er unverblümt: „Also, von welcher Pfeife kam dieser Befehl, Kathy?“
„Das wird Ihnen nicht gefallen.“ Die Vizeadmiralin seufzte. „Der Befehl wurde von Fleetadmiral William Sheridan, Geheimdienst der Sternenflotte, persönlich abgezeichnet. Da es sich primär um eine Aufklärungsmission und nur sekundär um eine Forschungsmission handelt, hatte er die endgültige Entscheidungsgewalt.“
„Sie haben Recht: Es gefällt mir überhaupt nicht!“ Admiral Belar verzog das Gesicht und ballte seine behandschuhte, rechte Hand zur Faust.
„Es tut mir leid, J. J., wir haben dagegen protestiert und genau Ihre Einwände vorgebracht. Aber ohne Erfolg.“
Belar schüttelte den Kopf. „Sie brauchen sich dafür nicht zu entschuldigen, Kathryn.“
Janeway lächelte resigniert. „Was machen wir nun mit Katic?“
„Hm … Die Frau hat während der Katastrophe echte Führungsqualitäten bewiesen, soweit ich erfahren habe. Andererseits ist sie aus meiner Sicht zu jung und hat zu wenig Kampferfahrung, um Captain zu sein – besonders, wenn das Schiff tatsächlich in den cardassianischen Raum geschickt wird.“ Belar strich grübelnd über seinen Kinnbart. Ein weiteres Mal verfluchte er Admiral Sheridan und wünschte, er könnte diesem inkompetenten Wichtigtuer einen Strich durch die Rechnung machen. Nur leider erwies sich Sheridans Gerissenheit, kombiniert mit seinen zahlreichen Verbindungen, mal wieder als unüberwindbares Hindernis.
Der Fleetadmiral atmete tief durch. „Da ich Commander Katic nicht persönlich kenne, lasse ich gleich ein Gespräch mit ihr ansetzen. Sobald wir auf UNITY ONE ankommen, werde ich mir viel Zeit nehmen, um sie auf Herz und Nieren zu prüfen – und vor allem werde ich mir im Vorfeld ihre Akte zu Gemüte führen. Dann treffe ich eine Entscheidung, ob ich sie befördere oder nicht. Ich möchte die Angelegenheit nicht übers Knie brechen.“
„Ausgezeichnet“, antwortete Janeway mit einem halben Lächeln. „Ich denke, das wird alle zufriedenstellen. Sternenflotte Ende.“
Nachdem sie die Verbindung beendet hatte, erhob sich Belar aus seinem Stuhl und stürmte mit geballten Fäusten Richtung Bereitschaftsraum. „Captain, Sie haben die Brücke“, rief er O’Connor im Vorbeigehen zu. Seine Augen funkelten beängstigend „Ich brauche ein komplettes Dossier über Commander Katic.“
„Wann?“, fragte O’Connor.
„Sofort!“
Seine Stellvertreterin unterdrückte ein Seufzen.
Nachdem sich die Türen des Bereitschaftsraumes hinter im geschlossen hatten, schlug Belar ein paar Mal mit der Faust gegen die Wand, trat mit den Füßen kräftig gegen die Sessel und schrie seine Wut auf Sheridan heraus.
Dank der schalldichten Wände bekam O’Connor zwar nichts mit, doch sie kannte ihren Vorgesetzten gut genug, um zu ahnen, was sich da drin abspielten. Ihr besorgter Blick wanderte mehr als einmal verstohlen Richtung Tür.
In zweiundzwanzig Stunden würden sie UNITY ONE erreichen und dann würde über das Schicksal von zwei Skippern entschieden werden. Renee beneidete weder Katic, die wegen der Profilneurose von Admiral Sheridan womöglich für eine aussichtslose Mission geopfert würde, falls sie sich nicht ganz schnell an das kalte Wasser der Kommandantenbürde gewöhnte, noch beneidete sie Captain Dheran, der für seinen übereifrigen Einsatz auf der ESTRELLA zweifellos die ganze Wut des Admirals zu spüren bekommen würde. Nun, da Belar wegen Sheridan ohnehin vor Zorn brodelte, konnte Dheran wahrscheinlich froh sein wenn er nach dem Gespräch seine Antennen auf dem Kopf behielt.
Renee hasste es, wenn Dheran und Belar aneinandergerieten – besonders, weil ein Teil von ihr nie aufgehört hatte, diesen eigensinnigen Andorianer zu lieben. Und Belar war ihr seit jeher nicht nur ein Vorgesetzter, sondern ein Freund. Nebenbei bemerkt, ließ sie der Trill auch nicht ganz kalt.
„Einer so schlimm wieder andere“, dachte sie frustriert. Beides Choleriker, beides Sturköpfe, beide nicht zu bremsen, wenn sie glaubten, im Recht zu sein. Sie hielten große Stücke aufeinander, doch wenn sie zusammenrasselten – und das passierte bei einer Meinungsverschiedenheit schnell – krachten Urgewalten aufeinander.
Es lief Renee kalt den Rücken herunter, als ihr einfiel, Belar könnte Dheran auf die ESTRELLA abschieben, wenn er die Alleingänge des Andorianers endgültig satt bekam. Alles, was dagegen sprach, war das Fehlen eines adäquaten Nachfolgers für das Kommando der ICICLE. Andererseits hätte Mancharella als Captain wahrscheinlich bessere Überlebenschancen als Katic, obwohl sie auch nicht wesentlich älter war.
Je weiter Renee O’Connor den Gedanken spann, desto dicker wurde der Kloß in ihrem Magen. Die Vorstellung, dass Dheran sich fünf Jahre lang auf einer Erkundungsmission langweilte und dabei verkümmerte wie ein Tiger im Käfig, betrübte sie zutiefst. Noch mehr betrübte sie die Aussicht, ihren ehemaligen Liebsten erst nach fünf Jahren wiederzusehen. Und ein kleiner Teil von ihr schämte sich, weil ihr Lejla Katics Schicksal dabei ziemlich egal war.
U.S.S. ESTRELLA DEL ALBA – Krankenstation
Während Lieutenant Kreutzer von zwei kurzatmigen Tellariten auf der Krankenstation abgeladen wurde, kämpften Dr. Madison und ein kleines Team von Assistenzärzten um das Leben der drei geretteten Wissenschaftsoffiziere. McDougals innere Verletzungen waren schwerer, als angenommen: Gelang es Amelie, eine Blutung zu stoppen, platzte irgendwo eine andere Wunde auf. Doch nach einer zweistündigen Notoperation kam er über den Berg. Seine beiden Kollegen waren zumindest außer Lebensgefahr – doch ob sie jemals wieder richtig gesund werden würden, wagte Amelie nicht vorherzusagen.
Sichtlich erschöpft taumelte die Chefärztin aus dem OP, ihr ganzer Körper schrie nach einer heißen Dusche und einem Latte Macchiato, doch Erholung war erst mal nicht drin.
Ihr Atem stockte, als sie Astrid Kreuzer auf Biobett sechs liegen sah. Die schmale Gestalt der stellvertretenden Chefingenieurin wirkte reglos wie eine Wachpuppe – eine Wachspuppe, die dem Feuer zu nahe gekommen war. Ein rötlicher Streifen unebener Haut zog sich über ihre Stirn, den Nasenrücken und die rechte Wange hinunter zum Hals. Auch die Schulter und der rechte Arm waren von Brandwunden gezeichnet.
Amelie, die die Schönheit liebte, schockierte der Anblick von Astrids entstelltem Gesicht, noch bevor sie einen Statusbericht über den Gesundheitszustand der „Tolkien“ erhielt.
Tawny Sullivan und der caitianische Sanitäter P’Lor bewachten Astrid und kontrollierten ständig ihre Lebenszeichen. Tawnys besorgte Miene und der zuckende Schwanz des Caitianers zeigten Amelie, dass es schlecht aussah.
„Wann wurde sie eingeliefert?“, fragte sie ihre Assistenten mit flacher Stimme.
„Vor etwa einer Stunde“, antwortete P’Lor. „Es gab ein Strahlungsleck im Maschinenraum, außerdem eine Explosion. Commander McPherson ist tot.“
Als er Amelies entsetztes Gesicht sah, legte er mitfühlend eine Pranke auf ihre Schulter.
„Cully … tot?“, brachte sie mühsam hervor.
„Sein Opfer rettete viele Leben“, erwiderte der Caitianer ruhig. „Ohne ihn wäre die Krankenstation von Strahlenkranken überschwemmt.“
„Das werden wir nie vergessen.“ Amelie schluckte heftig, ihr Blick streifte Lieutenant Kreutzer. „Wie ist ihr Zustand?“
„Sie hat schwere Plasmaverbrennungen, die wir größtenteils mit dem Hautregenerator reparieren konnten“, berichtete Tawny Sullivan. „Allerdings fing in der Endphase der Behandlung ihr Metabolismus an, verrückt zu spielen, so dass wir nicht alle Narben beseitigen konnten.“
„Haben Sie es mit einer Hauttransplantation versucht?“, fragte Dr. Madison.
„Ja, aber ihr Körper stößt die künstliche Haut ab.“
Amelie runzelte die Stirn. „Wieso das?“
Tawny zuckte die Schultern. „Wie gesagt, ihr Metabolismus spielt verrückt. Zurzeit braucht ihr Körper die siebenfach Menge an Nährstoffen, wir kommen kaum noch hinterher, den Tropf zu wechseln. Als sie hier eingeliefert wurde, war sie bei vollem Bewusstsein, sie konnte sogar berichten, was im Maschinenraum vorgefallen war. Aber kurz danach fiel sie in einen komatösen Zustand, seitdem ist sie nicht mehr ansprechbar und schluckt Kohlenstoff wie ein Brennofen. Wir vermuten, dass sie irgendein tolkien-mäßiges Selbstheilungsding versucht. Zuerst schien sie Alpträume zu haben, aber nun rührt sie sich gar nicht mehr …“
„Dieses Selbstheilungs-Ding, wie Sie sagen … wirkt sich das nicht positiv auf ihre Regenerationsgeschwindigkeit aus?“, unterbrach Amelie ihre Assistentin.
„Oh doch!“, antwortete Sullivan. „Ihr Körper regeneriert sich bemerkenswert – auch wenn ihr Selbstheilungsprozess unsere Schulmedizin gerade ausbremst …“
„Ihr Geist ist das Problem“, schaltete sich P’Lor ein. „Sie hat eine hohe Strahlendosis abbekommen, etwa dreihundert Millisievert. Das könnte ihr Körper verkraften, mit der richtigen Behandlung …“ Seine Schnurrhaare stäubten sich.
„Aber die Strahlung stört die Verbindung der Neuronen im cerebralen Cortex“, erklärte Tawny. Ihres Zeichens Neurobiologin. „Elektrische Signale, die durch ein Axon laufen, werden fehlgeleitet oder laufen ins Leere. Das verursacht Halluzinationen und im schlimmsten Fall eine dauerhafte Geisteskrankheit.“
Amelie wirkte verstört, sie brauchte einen Moment, um die Fakten zu verarbeiten.
„Tawny, Sie sagten, am Anfang wäre Lieutenant Kreutzer noch klar bei Verstand gewesen und hätte sogar einen Bericht geliefert …“
„Stimmt, wir vermuten, dass die Heiltrance, in die sie sich selbst versetzt hat, ihren angeschlagenen Cortex eben überfordert.“
„Können wir den Prozess stoppen?“, fragte die Chefärztin besorgt.
Tawny seufzte. „Wir haben mit allen Mitteln versucht, sie wach zu kriegen: Hypospray, Durchrütteln, kaltes Wasser … nichts zu machen.“
„Haben Sie es mit einer Alpha-Wellen-Induktion versucht?“
„Nein!“ Tawny riss alarmiert die Augen auf. „Sie wollen sie ins Tiefenkoma versetzen und ihre Hirnfunktionen gänzlich lahmlegen? Wir wissen zu wenig aber ihre Hirnchemie, das könnte gründlich in die Hose gehen! Möglicherweise wacht Lieutenant Kreuzer nie wieder auf oder stirbt sogar!“
Amelie musste einsehen, dass das keine gute Idee war. „Also, was denken Sie, könnte ihr jetzt noch helfen?“
Tawny überlegte. „Ein Telepath, würde ich tippen.“
„Hm …“ Da ihr Volk mit den Vulkaniern verwandt war, verfügte Amelie selbst über rudimentäre telepathische Fähigkeiten.
Kurz entschlossen nahm sie Astrids kühle Hand, konzentrierte sich mit aller Macht, versank in Schwärze, durchwoben von grünen Feuerschlieren, prallte gegen einen unsichtbare Mauer und wurde in die Realität zurückgeschleudert.
„Und?“, fragte Tawny angespannt.
P’Lors Schwanz peitschte.
Amelie schüttelte traurig den Kopf. „Ich dringe nicht zu ihr durch.“
„Dann müssen wir wohl Hilfe von der ESCORT oder der ICICLE anfordern“, meinte P’Lor.
Tawny nickte. Es wimmelte nicht gerade von Telepathen an Bord der ESTRELLA. Von den beiden Vulkaniern, die im Wissenschaftslabor gearbeitet hatten, war nur noch die Frau am Leben. Deren telepathische Kräfte reichten gerade mal für eine Gedankenverschmelzung mit einem Vertreter ihrer eigenen Art.
Amelie blickte verwundert auf. „Die ESCORT und die ICICLE?“
„Sie haben uns in Schlepp genommen“, antwortete der Caitianer.
Die Chefärztin atmete hörbar ein und aus. „Vergessen Sie nicht, dass ich die letzten zweieinhalb Stunden im OP beschäftigt war. Davor steckte ich in einer Jeffries-Röhre, abgeschnitten von jeglicher Kommunikation … Also, wir werden abgeschleppt. Schön. Was ist in der Zwischenzeit noch passiert?“
„Commander Harris konnte vom Shuttle aus einen Notruf absetzen. Daraufhin sind uns die ESCORT und die ICICLE zu Hilfe geeilt. Ein Glück, denn ein Rudel Wölfe saß auch schon in den Startlöchern, um uns zu fressen. Aber gegen zwei Taskforce-Schiffe hatten die keine Chance. Katic wurde vorübergehend zum Captain ernannt, die Lage ist erst mal stabil.“
Tawny Sullivan unterbrach ihren Bericht, ihre Miene verfinsterte sich. „Wir haben mittlerweile auch eine Verlustliste von der Brücke: Der Captain, der leitende Wissenschaftsoffizier, der Counselor, der Chefingenieur und Lieutenant Taval von der Plasmaphysik. Ich fürchte, das ist noch nicht alles.“
Amelie ließ sich auf einen Schemel neben dem Biobett sinken. „Ich finde, das reicht!“, stieß sie hervor. Mit einem resignierten Blick auf Astrid fügte sie hinzu. „Und ich will nicht, dass sie als nächste auf der Liste steht!“
„Bis jetzt ist Astrid nicht in Lebensgefahr. Wenn die Taskforce Hilfe schickt, kommt sie in eins-zwei Wochen wieder auf die Beine“, beruhigte sie Tawny. Besorgt musterte sie ihre Chefin, deren Gereiztheit jede Minute zu wachsen schien. „Und Sie sollten sich etwas Ruhe gönnen, Dr. Madision. Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Sie sehen ziemlich erledigt aus.“
P’Lor nickte zur Bestätigung.
„Ruhe … eigentlich keine schlechte Idee“, murmelte Amelie.
Vielleicht sollte sie einfach ins Casino gehen und ein bisschen ausspannen.
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TBC (sieht aus, als ob ich noch diesen Monat fertig werde ^^)