Lurk & Alexander in: „Andere Völker, Andere Sitten”
Lt. Cmdr. Harris verließ den Turbolift, auf den Cully bereits mit Argusaugen gestarrt hatte. Derweil war ihm nur flüchtig aufgefallen, dass Tirof verschwunden war. Er winkte dem Sicherheitschef zu.
„Ah, Commander Harris, da sind Sie ja...lange nicht gesehen.” schmunzelte Cully. Der Ausdruck der Verwunderung war immer noch da - Cully verstand die Welt nicht mehr. „Sie sehen ja gerade so aus, als hätte man mich vermisst gemeldet.”
Richard begab sich zu ihm und erwiderte: „So in etwa. Sie stehen auf unserer Verlustliste. Ein paar haben geglaubt, sie wären ins All gesaugt worden, da wir nicht mal ihren Kommunikator orten konnten.” Der Sicherheitschef machte eine kurze Pause: „Wo haben sie überhaupt gesteckt?”
„Ich habe Urlaub gemacht, in den Schottischen Highlands, wissen Sie?” lachte er, während er Richard mit seiner Hand in Richtung Turbolift wies und sie anfingen, dorthin zu schlendern. Er begann seine Lage zu erklären. „Nein, mal im Ernst, ich war in den Jeffries-Röhren. Dummerweise war mir beim Klettern der Kommunikator abhanden gekommen - alle Luken waren offen, und ich war auf Deck 4. Da bin ich doch nicht nochmal bis nach unten geklettert nur um dieses blöde Ding wiederzufinden. Zwischenzeitlich habe ich dann ODN-Schaltkreise repolarisiert, Deflektor-Sensor-Verbindungen reinitiiert...Sie wissen schon, den ganzen Dreh. Geschlafen habe ich dann eben auch in den Jefferies-Röhren, mein Quartier war ja eh halb zerstört worden in dem Vorfall.”
„Dann waren Sie dieser seltsame Geist von dem, die Techniker immer wieder gesprochen haben.” Richard war überrascht welch einfache Erklärung es dafür gab: „Ich habe die Jungs echt für verrückt und überarbeitet gehalten.”
„Ja, ich murmele manchmal im Schlaf vor mich hin. Dumme Angewohnheit, die man nur leider nicht loswird. Ich hoffe jedenfalls, Sie haben sich nicht all zu viele Sorgen gemacht?”
„Verstehe. Und doch, wir haben uns Sorgen gemacht.” Er blickte den Ingenieur fest an: „Verdammt, Cully, wir haben 54 Leute verloren, davon drei Führungsoffiziere. Warum haben Sie sich nicht eher gemeldet? Lt. Kreutzer ist immer noch außer Gefecht gesetzt und Lt. von Oestrow der derweil übernommen hat, hat schon vor lauter Überarbeitung Augenringe, die dicker sind als die des Saturns.”
„Ach du liebe Güte, Astr...ich meine, Lieutenant Kreutzer! Die habe ich ja ganz vergessen! Und, 54 Leute sagen Sie? Das ist doch nicht zu fassen...” er blieb stehen, hielt kurz Andacht. “Aber ich habe nunmal eine Leidenschaft für meinen Beruf, daran kann ich nichts ändern...wenn ich was fertigmachen will, mache ich es fertig. Die Zeit habe ich bis auf die periodische Müdigkeit gar nicht mehr registriert...es tut mir wirklich Leid, Commander. Allerdings konnte ich so zum Glück auch einige zerfallende Sensorfragmenten aufbewahren, die Lt. von Oestrow bei seiner Untersuchung bestimmt nützlich sein werden. Glück im Unglück, oder ežavinteru, wie wir Antarianer sagen.”
In Richard wuchs gerade der Drang, dem Ingenieur eine zu verpassen. „’Glück im Unglück’, sagen Sie?”, wiederholte er wütend. „Haben Sie mir nicht zugehört?! Wir haben 54 Leute verloren! 54, das ist rund ein Zehntel der Crew. Fragen sie mal deren Angehörigen, ob die ihre blöden Sensordaten als Glück im Unglück sehen würden.”
Der Antarianer antwortete etwas beschwichtigter, aber dennoch wirsch. „Commander, bitte. Es ist in der Tat ein tragischer Verlust. Nur ist jetzt auch niemandem geholfen, indem wir in Trauer schwelgen. Ihnen ist sicherlich klar, dass ich Telepath bin, und glauben Sie mir, es ist ein schreckliches Gefühl über 54 innere Schmerzensschreie auf einmal zu vernehmen. Wenn es Ihnen behagt, sich dauernd mit dem Unveränderbaren, der Vergänglichkeit allen Lebens zu beschäftigen, und sich so Ihr Leben schwerer zu machen, dann tun Sie es. Aber verlangen Sie es beim besten Willen nicht von mir! Meinerseits finde ich, dass die Angehörigen ein Recht darauf haben zu erfahren, was ihre geliebten Freunde und Verwandten umgebracht hat. Wenn Sie da anderer Meinung sind können Sie sich ja beim Captain über meine unangemessene Anteilnahme beschweren!”
„Was glauben Sie, was ich seit einer Woche mache?!”, fuhr der Sicherheitschef den Ingenieur an. „Ich bin schon dabei herauszufinden, was da passiert ist. Das bin ich mir und den Angehörigen der anderen 53 Opfer schuldig. Und da ist weder ihre antarianische Philosophie noch eine sagittanische Nervensäge von Nutzen. Und was den Captain angeht, Katic ist mit einen Team an Bord der Icicle zum Asteroidenfeld zurückgekehrt. Derzeit habe ich das Kommando auf der Estrella!”
„Wissen Sie eigentlich was mir an den Menschen am meisten missfällt?” gab Cully zurück, nun wirklich angeekelt. “Ihre endlose Arroganz.” Den Satz spuckte er aus wie ein schimmeliges Stück Brot. „Wie Sie gerade in Ihrem glänzenden Paradebeispiel vorgeführt haben, sieht sich homo sapiens als das moralischste Wesen in unserer Galaxie und findet, dass jedes Volk seine Ethik und Philosophie auf den ihren basieren muss. Fakt ist, wenn die Vulkanier nicht gewesen wären, oder selbst die Antarianer, dann würdet ihr Menschen heute noch mit Warp 2 durch die Galaxis tuckern und schauen, dass ihr nicht an allen Ecken und Enden überfallen werdet! Ich frage mich wie Sie es wagen können die Philosophie meines Volkes dermaßen durch den Dreck zu ziehen! Das entzieht sich ja jeglicher Würde! Wenn Ihre Menschheit so ein tolles Volk ist, dann ziehen Sie sich doch zurück auf Ihren miserablen kleinen Minshara-Planeten und schreiben Sie philosophische Bände – nur lassen Sie endlich die Völker in Ruhe, die sich Ihr wehleidiges, immerwährendes Melodrama nicht antun wollen!”
Rick lachte auf. Es klang hart. „Und Ihre Kultur ist natürlich die Zierde der Galaxis. Sie werfen mir vor, ich würde meine Kultur über die anderer Völker stellen und machen das im gleichen Atemzug mit ihrer eigenen.” Er räusperte sich: „Ich habe nie gesagt, dass meine Kultur besser ist. Ich habe nur gesagt, dass mir Ihre Philosophie, durch die sie irgendwelche uninteressanten Sensordaten über das Leben von 54 Individuen unterschiedlichster Spezies stellen, für mich nicht gerade von Nutzen ist.”
Auf einmal schwankte Cully leicht. Er blinzelte, holte Luft, stützte sich an der Wand ab, schaute sich den Commander an und entschuldigte sich: „Commander, ich...was...das tut mir Leid.” Er schüttelte desorientiert den Kopf. „Das žalayu mit Miss Kreutzer, und dann diese Übermüdung, sie machen mir schwer zu schaffen. Ich glaube ich sollte besser zur Krankenstation.”
Richard verfluchte sich selbst. Vielleicht war es doch eine gute Idee, sich mal mit Navina zusammenzusetzen. Dauernd fuhr er irgendwelche Leute an, sobald das Gespräch auf den Unfall der Estrella - und damit auch auf den Tod seiner Frau Claire - kam. Erst Taren, dann den Lieutenant von Unity One, danach O'Connor und nun McPherson. Das würde eine lange Liste von Leuten werden, bei denen er sich irgendwann entschuldigen musste. Aber nicht jetzt. Er musste Tranar Ly'Cole im Auge behalten. Deshalb holte der Sicherheitschef tief Luft und bemerkte neutral: „Ja, gehen sie. Melden sie sich bei mir, sobald Sie Dr. Madison wieder für diensttauglich erklärt.”
„Aye, Sir.”
Während Cully sich im Stillen darüber empörte, dass Harris keine Entschuldigung von sich gab, stapfte er in Richtung Dockschleuse, um die Krankenstation der Estrella aufzusuchen. Richard war auch gen Dockschleuse gegangen, nur sichtlich schneller; er wollte zur Sicherheitszentrale.
Cully -> KS
Harris -> Sicherheits-Zentr