<- Besprechungsraum
http://www.sf3dff.de/index.php/topic,2891.msg130167.html#msg130167Nach dem Vorfall mit Navina war die Laune von Richard verständlicherweise auf den Tiefpunkt. Zum Glück war er allein im Turbolift und so konnte er leise vor sich hin Schimpfen, um seinen Ärger und auch seiner Enttäuschung Luft zu machen. Dennoch half das nicht sehr viel und er musste sich sehr zusammennehmen, als der Turbolift auf Deck vier hielt.
„Bericht.“, sprach er die beiden Offiziere dort Wache hielten an.
„Alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, Commander.“, meldete Lt. Voran Laren. „Zwei Mann hier am Lift, je zwei an den Korridorzugängen, zwei Mann als Patrouille in den Korridoren und als Reserve. Wachwechsel alle sechs Stunden.“
Das besserte Ricks Laune etwas. Wie so oft konnte er sich auf Ynarea verlassen. Er nickte: „Sehr gut.“ Dann überlegte er kurz und fragte nach: „Was sagen denn die Botschafter zu der Maßnahme?“
„Von den meisten Botschaftern habe ich kein Wort dazu gehört. Weder positiv noch negativ.“, erkläre Lt. Voran. „Aber der ältere Mann der die letzte Gruppe offenbar leitet, bemerkte so viel wie: ‚Wenigstens versteht der Sicherheitschef seinen Job.‘“
Die Bajoranerin strich sich über den Nasenkamm: „Und dann hat Levinoi nur angemerkt: Sie hatte einen guten Ausbilder.“
Schon wieder dieser Name. Commander Harris Augen verengten zusammen. „Ich verstehe.“, erklärte er mit so vielen Neutralität in der Stimme, wie er aufbringen konnte. Dann fragte er: „Sind die Botschafter in ihren Quartieren?“
„Ja, sie sind alle noch da. Die sind alle vermutlich mit dem Auspacken beschäftigt.“, erklärte die Bajoranerin.
Als sich erste Offizier abwandte und weiterging, kam ihm Lieutenant Leiyree entgegen. Die beiden Offiziere begrüßten sich mit einen Nicken und gingen aneinander vorbei. Doch urplötzlich drehte sich die Frau um und rief: „Commander, warten sie bitte.“
Überrascht drehte sich Rick herum: „Was gibt es?“, wollte er wissen
„Ich glaube, sie sollten jetzt nicht zum Botschafter gehen.“
„Ist er immer noch so mies gelaunt?“, wollte Commander Harris wissen.
„Er ist nicht das Problem.“, bekam er zur Antwort. „Sondern sie.“
Richard machte einen Schritt nach vorn: „Wie meinen sie das?“
„Sie sind wirklich nicht in der Verfassung, mit dem Botschafter zu reden.“, wiederholte sie.
Rick richtete sich auf seine Größe von 1,79 auf und blickte die Frau mit einen wütenden Funkeln in seinen grünen Augen an: „Werden sei deutlicher, Lieutenant?“
Überrascht trat Leiyree einen Schritt zurück. Diese Welle an Emotionen hatte sie nicht erwartet. Sie sah sich kurz um und erklärte dann: „Nicht hier, Commander. Das sollten wir in Ruhe besprechen.“
Der Commander winkte ab: „Dafür habe ich keine Zeit.“ Und wandte sich wieder zum Gehen.
„Dann nehmen sie sich die Zeit.“
Etwas in Leiyree‘s Stimme ließ Rick innehalten. Aber es war für ihn schwer zu erkennen, ob es ganz einfach dieser Unterton an Autorität die darin mitschwang war. Oder die Erkenntnis, dass sie niemals locker lassen würde. Oder der kleine Teil seines Unterbewusstseins, der erkannt hatte, dass die Frau Recht hatte. Oder auch eine Kombination all dieser Punkte. Jedenfalls drehte sich der Commander wieder um und erklärte brummend: „Von mir aus.“
Er folgte der Frau in ihr Quartier. Obwohl es sich um ein Standardgästequartier handelte, hatte es Leiyree mit wenigen Kunstgegenständen und anderen Dekorationsartikeln geschafft, den großen Raum eine behagliche Atmosphäre zu geben. Wie in den meisten kleineren Quartieren für die Junioroffiziere gab es keine getrennten Räume für Wohn und Schlafbereich. Daher führte die einzige Tür neben der Tür zum Korridor ins Bad. Da es sich zudem um eine Innenkabine handelte gab es auch keine Fenster. Aber unter Verwendung von ein paar Bildern, fiel das auch erst auf den zweiten Blick auf.
Leiyree ging zum Replikator und forderte ihren etwas unverhofften Gast auf, sich zu setzen. Richard nahm auf der Couch Platz. Seine Gastgeberin kam mit zwei Tasse zurück und setzte sich neben den Commander, weit weg genug, um nicht aufdringlich zu wirken, aber doch nah genug, um eine gewisse Verbundenheit zu erzeugen.
„Also was wollen sie?“, fragte er. Jedoch hatte Rick dabei ohne es zu merken die Schärfe aus der Stimme rausgenommen.
„Sie sind aus irgendeinen Grund wütend. Sie versuchen es zwar zu verbergen, aber es gibt genügend Hinweise.“, erklärte Leiyree. „Und in dieser Stimmung sollten sie nicht zum Botschafter gehen.
„Warum nicht?“
Die Frau lächelte etwas: „Ich weiß nicht was für eine Eindruck sie von Botschafter McGovern gewonnen haben. Aber für jemanden, der ihn nicht kennt, wirkt er schon arrogant und zum Teil unhöflich. Zudem haben sie ihn gebeamt, was er nicht mag. Wobei er noch richtig charmant war.“
Sie machte eine Pause und ergänzte daran: „Aber er ist ein guter Beobachter und bemerkt jedes gleiche Anzeichen. Und nutzt diese Fähigkeit um in einen Gespräch die Kontrolle zu behalten. Mit ihrer Wut hätte er sie bestimmt getestet. Und sie wären durchgefallen. Und da sie als stellvertretender Kommandant eine wichtige Rolle für den Erfolg der Mission spielen können, ist es ungünstig, wenn sie und der Botschafter nicht miteinander zurechtkommen.“
Richard grinste etwas schuldbewusst. „Ja, das wäre wenig hilfreich.“
Er trank einen Schluck von seinen Tee und fragte dann: „Woran haben sie es gemerkt?“
Leiyree schmunzelte: „Naja es gab subtile Anzeichen. Am auffälligsten waren die zur Faust geballten Hände.
Dann ergänzte: „Ich habe einen Abschluss in Xenosoziologie. Ich analysiere fremde Kulturen und berate den Botschafter. Ich hatte aber auch zwei Semester Xenopychologie und drei Xenobiologie und das hilft mir bei meiner zweiten Aufgabe. Ich bin Verbindungsoffizier, wenn wir auf einen Sternenflottenschiff reisen.“
Sie trank nun auch etwas Tee und bemerkte: „Zudem bin ich als Halananerin eine Empathin und ihre Wutwelle war sehr ausgeprägt. Aber ich sehe sie sind so jemand der zwar schnell auf Warp neun ist aber auch schnell wieder unterkommt, Commander.“
Rick entfuhr ein leicht genervtes: „Noch so eine.“, auf den Hinweis von Leiyree über ihre emphatische Fähigkeit.
Für ein paar Minuten schwiegen die beiden und starten in ihre Teetassen, bis dann die Halananerin die Stille sprach: „Wollen sie vielleicht darüber reden, warum sie sauer auf Counselor Levinoi sind.“
Richards Teetasse fiel klappernd auf die Untertasse: „Woher wissen sie das?“
„Logische Kombination. Sie haben Probleme mit jemanden, der über ähnliche Fähigkeiten verfügt wie ich. Und im Transporterraum habe ich gemerkt, dass sie und der Counselor doch ihre Probleme haben. Zumindest war da eine gewisse Distanziertheit.“
Sie sah ihren Gast an: „Und, habe ich recht?“
„Treffer versenkt.“, brummte der nur.
Leiyree rückte ein paar Zentimeter an Richard heran. „Wollen sie darüber reden?“
Der Commander schwankte ein wenig. Es war nicht sein Art, über seine Probleme mit jemanden Fremdes zu reden. Aber so fremd kam ihm die frau gar nicht vor. Sie hatte etwas an sich, was eine gewisse Behaglichkeit bei ihm aufkommen ließ. Und vielleicht war es ganz gut, wenn er eine vorurteilsfreie Meinung einholte.
„Wie gut sind sie mit dem Schiff und der Mannschaft vertraut?“
„Nicht allzusehr.“, musste die Halananerin zugeben. „Ich wollte mir nach dem Mittagessen einen Überblick verschaffen.“
Rick holte tief Luft: „Okay, machen wir einen kleinen Craskkurs.“
Dann begann er zu erzählen: „Vor zwei Monaten war die Estrella zu einer Forschungsmission im Liroparasteroidengürtel unterwegs. Ein Schnellläufer erwischte uns an einen der primären EPS Verteiler. Das und die Folgeschäden aus weiteren Kollisionen mit Asteroiden richteten das Schiff sehr zu.“
Der Lieutenant nickte. Das erklärte für sie schon mal, warum das Schiff recht neu aussah. Doch Richard fuhr leise fort: „Auch hatten wir über 50 Tote zu beklagen, darunter auch …“, Hier stoppte seine Stimme kurz: „Darunter auch meine Frau Claire. Seitdem ziehe ich unsere Töchter alleine groß.“
Leiyree ergriff tröstend die linke Hand ihres Gastes. Doch er entzog sie ihr rasch. Ihr war der Ring an seinen linken Ringfinger bereits im Transporterraum aufgefallen. Aber sie war nicht gleich auf die Bedeutung des Schmuckes gekommen. Jetzt fiel es ihr wieder ein, dass in der menschlichen Kultur so etwas üblich war. Überraschend war für sie jedoch, dass der Offizier Kinder hatte.
Doch er sprach bereits den nächsten Punkt an: „Da auch unser letzter Counsellor getötet wurden war, bekamen wir einen neuen, Levinoi. Aber wir sind schon von Anfang an nicht gut miteinander aus. Ich hatte bei ihr den Eindruck, ich wäre ein Studienobjekt, kein Mensch mit echten Gefühlen. Und dass sie eben ihre Methode durchziehen wollte auf Biegen und Brechen. Ohne vielleicht zu sehen, wie es mir angenehm wäre.“
Richard stoppte kurz: „Und dann immer dieses ‚Ich bin Counselor, also hab ich Sonderstatus.‘ – Gehabe. Das mit der Uniform – worauf sie ja auch vom Botschafter angesprochen worden ist - war nur die Spitze des Eisberges. Höhepunkt war dann die Einsatzbesprechung vorhin. Wir haben uns über die Sarpedier und ihre Kultur informiert. Ich habe halt angeordnet, dass die Technik, die Wissenschaft und die Medizin ein paar Vorbereitungen treffen, um eben mit den klimatischen oder auch teilweise kultureklen Gegebenheiten besser fertig zu werden. Und Levinoi hatte immer was zu meckern. Ich habe nichts gegen Einwände, aber wenn eine Entscheidung steht, dann ist die Diskussion vom Tisch. Aber das gilt offenbar nicht für Counselor Besserwisser.“
Er hob theatralisch die Hände: „Ich kenne keinen Führungsoffizier, der sich das so einfach hätte gefallen lassen. Ich auch nicht. Also hab ich sie mir hinterher geschnappt und zur Rede gestellt. Und sie hat mir vorgeworfen ich würde die Crew zu sehr belasten. Und dann hat sie sich etwas geleistet, was unter normalen Umständen einen Freiflug zurück nach Deep Space Nine oder sogar nach New Zealand bedeutet hätte, eine aufgezwungene telepathischen Übertragung. Aber sie hatte eine „Du kommst aus dem Gefängnis frei“ Karte in Form eines Befehls vom Oberkommando. Eine ‚nette kleine Geschichte um zu testen, wie ich unter Stress ‚reagiere‘. Und euer kleiner Vulkanier, dieser Vurtok hatte auch seine Aktie dran.“
Leiyree machte ein nachdenkliches Gesicht: „Warum ärgert sie das so sehr?“
Richard antworte nicht gleich, sondern überlegte erst: „Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht viel Außendiensterfahrung haben. Ich meine, außer bei solchen Flügen wie jetzt, sind sie doch eher auf Stationen postiert. Ich hingegen bin seit fast vierzehn Jahren bei der Sternenflotte. Und abgesehen von den Wochen die ich auf Sternenbasis 375 war, war ich immer auf Raumschiffen stationiert. Und die erste Lektion, die man dabei lernt, ist die Tatsache, dass man einander vertrauen muss. Man muss seinen Kollegen vertrauen, den Vorgesetzten und auch den Untergebenen. Für mich ist das ein Eckpfeiler auf den die Sternenflotte aufgebaut ist.“
Er schnitt eine Grimasse: „Es gehört für mich auch dazu, das man sich nicht an solchen Hintertreppenintrigen nicht beteiligt. Damit hat sie eine Grenze überschritten. Wir haben uns vorher nicht gut verstanden das gebe ich zu. Sie mag diese Spielchen, was ich nun absolut nicht leiden kann. Ich bin so ein direkter Typ. Deswegen bin ich auch nicht gerade ein Freund von Geheimdiensten. Ich sehe zwar die Notwendigkeit manches Mal ein, aber das wäre nichts für mich selber. Ich sage halt oft was ich denke, auch wenn weiß, wann ich Diplomatie einsetzen muss.
Er seufzte: „Für mich ist es halt ein Unterschied, bei jemanden, den man noch nicht so gut kennt, die Reaktionen zu testen um zu sehen wie er oder sie so reagiert. Oder eben ob man Spielchen spielt, weil man sich für cleverer hält. Damit hat sie sich nicht allzu gut bei mir eingeführt. Freunde wären wir vermutlich nie geworden. Und ich hätte ihr mein Leben und das meiner Töchter nur im äußersten Notfall anvertraut. Aber bis heute hätte ich ihr eine geladen Waffe in die Hand gedrückt und ihr den Rücken zugewandt, in dem Bewusstsein, das sie mich nicht erschießt. Aber das kann ich nicht mehr. Es ist also nicht so sehr die Wut, die ich fühle, sondern die Enttäuschung.“
Leiyree nickte verstehend und legte mitfühlend eine Hand auf seine Schulter.
Nach einen kurzen Moment schüttelte Richard die Hand dann vorsichtig ab, stand auf und erklärte: „Ich, äh, sollte jetzt gehen. Danke für den Tee – und für das Zuhören.“
Leiyree stand ebenfalls auf: „Ich war gerade auf den Weg ins Casino, Mittagessen. Wollen sie sich mir anschließen.“
Rick schüttlete mit dem Kopf: „Danke, für das Angebot, aber ich kann nicht. Ich sollte wirklich an ihren Chef sehen. Ich habe es ja versprochen.“
Als er die Miene der Frau sah ergänzte er rasch: „Ich mache auch keinen Unsinn. Ich gehe nur kurz rein, sage Hallo und frage, ob er was braucht und bin dann schon wieder weg.“
Leiyree lachte und räumte: „Okay. Aber zwei Sachen noch. Wie sind sie eigentlich mit ihren letzten Counsellor ausgekommen.“
„Mit Nils. Ganz gut.“, erwiderte Commander Harris. „Wir waren hin und wieder golfen auf dem Holodeck. Je nachdem wie es unsere Zeit erlaubte. Und haben eben dort auch ‚Männergespräche‘ geführt. Aber das waren eben nie Therapiegespräche sondern die Unterhaltung zweier Männer die sich über Q und das Universum unterhalten. Die Hauptperson, mit der ich über Probleme geredet habe, war sowieso Claire.“
Er seufzte: „Abends, wenn die Zwillinge endlich schliefen, haben wir uns auf die Couch gekuschelt und drüber geredet was am Tag so los war.“
Rick räusperte: „Und das zweite?“
„Wissen sie, wir Halananer kennen keine Familiennamen. Und ich finde das immer seltsam jemanden mit seinen Familiennamen anzureden.“, erklärte die Frau.
„Sie können mich ruhig, Richard nennen. Aber eigentlich bevorzuge ich Rick.“
„Okay, Rick.“
Gemeinsam verließen sie das Quartier. Zufrieden registrierte die Halananerin, wie sich die Laune des Commanders sichtbar gebessert hatte. Menschen waren schon seltsame Wesen. Und dieser Mann ganz besonders.