Der nächste Teil:
20 Minuten später, in irgendeinem unbedeutenden Apartmenthaus auf der anderen Seite der Stadt:
Im kleinen Raum des Apartments sah es aus, wie in einem Wahrgewordenen Alptraum. Im Ganzen Raum waren Blutflecken und in der Mitte lag eine ekelhaft zugerichtete Leiche. Ein Schrecklicher Anblick wurde durch den fahlen Lichtschein, der schräg durch das Fenster in den Raum kam enthüllt, ein Anblick, wie er nicht mal den kränksten Gehirnen unter den Menschen einfallen konnte. Ein Zeichen archaischster, bestialischer, unmenschlichster Brutalität. Wie ein Weckruf aus dunklen, barbarischen Zeiten, die der Mensch eigentlich durch die Zivilisation schon überwunden glaubte.
Was war wohl passiert?
Wer konnte nur so etwas tun?
Warum tut man so etwas? War es überhaupt jemand, der so etwas tat, oder war es ein Etwas?
Lauerte dieser Täter noch irgendwo und wartete auf sein nächstes Opfer?
Über der Leiche, im fahlen Licht, das durch die Fenster kam schwebte etwas, was es so eigentlich nicht geben konnte oder durfte, eine Perversion gegen alle Gesetze der bekannten Natur und Logik. Eine Abscheulichkeit gegen den logischen Verstand.
Es war eine Art schmale Hauttasche zu einem langen, senkrechten Schlitz geformt. Die Hautlappen dieser Tasche öffneten sich zur Seite und gaben den Blick auf das Innerste der Kreatur frei, ein von Schleim bedecktes Auge. Auf dem Reptilien artig wirkenden Auge verliefen viele dicke, rote Adern. Ab und zu tropfte grüner Schleim vom Auge.
Was war das?
Wo kam es her?
Was wollte es? War es verantwortlich für das entsetzliche Blutbad, was geschah?
Beobachtete es alles? Was beobachtete es?
Das Wesen verharrte ruhig und verschwand danach wieder. Es war einfach weg.
Einige Zeit später fuhr ein schwarzer Van vor das Haus, in dem die Leiche lag. Einige Leute stiegen aus und begannen schwere Schutzanzüge und Gasmasken anzuziehen, unter Anderem eine junge Frau.
Sie hasste eigentlich den gelben Schutzanzug, der nicht nur unbequem war sondern auch dem Träger fast die Luft zum Atmen zu rauben schien. Sie wusste aber auch, dieser Schutzanzug war ihr einziger Schutz gegen dies, was auf sie wartete einige Stockwerke höher. Dieser Schutzanzug mit seinen schwarzen Kreuzsymbolen auf gelbem Grund, welcher dafür sorgte, dass sie sobald sie ihn an hatte aussah wie irgendein Mitglied einer bizarren Sekte war schon mehrfach ihre Lebensversicherung, der beste Schutz, den die Wissenschaft und die Zivilisation hervorbringen konnte gegen die erbarmungslosen Gefahren der Natur, die ihr bevor standen.
Sie ging zusammen mit den anderen Wissenschaftlern ins Gebäude, Richtung Treppenhaus und von dort aus den langen Gang hinauf, der führte zur unausweichlichen Auseinandersetzung mit dem sicheren Verderben. Die graue, kalte, schlecht beleuchtete Treppe, die zur Gefahr führte erschien fast endlos und beschwerlich für sie.
Mit jedem Schritt wurde das ohrenbetäubende Ticken der Strahlungsmessgeräte lauter und schneller, wie ein Vorbote des Schreckens, der auf sie lauerte. „
Musste dies eigentlich so laut sein?“, dachten sich alle. Es war ja schon eh klar, dass selbst wenn die Aliens verschwunden waren sie alle am Tatort in absoluter Todesgefahr schwebten, wegen den Hinterlassenschaften, die diese Kreaturen an den Orten ihres Wütens liegen ließen. Man brauchte sie deshalb auch nicht ständig daran zu erinnern, dass ihr Leben am seidenen Faden hing und jede kleinste Fehlfunktion ihrer Schutzanzüge für sie das sichere Ende bedeuten könnte.
Die Gruppe kam langsam zur Wohnung, die der Tatort war. Da die Tür nicht auf ging nahmen sie einen kleinen Rammbock, den einer von ihnen Trug und brachen damit die Tür unter einem lauten Krachen in mehrere Teile.
Im Raum schien es relativ Sicher zu sein. Das seltsame Etwas war nirgendwo zu sehen. Diese Sicherheit war aber nur trügerisch, da es jederzeit wieder auftauchen und sich ein weiteres Opfer aussuchen konnte. Dies war allen klar, weshalb sie unter höchster Anspannung arbeiteten, um das Verhalten des Wesens wissenschaftlich zu untersuchen im verzweifelten Versuch der Menschheit, irgendeine Möglichkeit zu finden, der Höllenkreatur beizukommen.
Die Einsatzleiterin rief laut:
„Aha, schon wieder ein Caine Angriff. Beeilt euch mit der Untersuchung, Leute. Vermutlich wird dies nicht der letzte Angriff dieser Art heute werden.
Sammelt so viele Proben wie möglich und tätigt alle notwendigen Messungen. Danach brennen wir wie Vorschriftsgemäß mit unseren Flammenwerfern alles im Raum nieder. Nicht mal eine kleine Zelle darf hier noch übrig bleiben.“
Sie hasste diese Vorschrift, da es die Untersuchung der Caine erschwerte, aber die Regierung hatte panische Angst vor biologischer Kontamination durch die Caine, weshalb einige unvernünftige Vorschriften erlassen wurden, die eigentlich für die meisten Leute mit gesundem Menschenverstand reiner Irrsinn waren. Aber Vorschrift war halt eben Vorschrift, weshalb sie das auch Ordnungsgemäß ausführen wollte, egal wie hirnrissig es war.
Nach kurzer Zeit rief ihr ein Wissenschaftler zu, das man beim bedauernswerten Opfer etwas seltsames Gefunden hatte, und im Reagenzglas war tatsächlich eine rätselhafte Substanz, die von selbst eine Art Netz zu bauen Schien.
Niemand wusste, was dies war, aber dies war bei den meisten früheren Fällen von Caine Angriffen ebenfalls registriert wurden. Deshalb sagte die Einsatzleiterin, man sollte diese komische Substanz ins Labor bringen zur weiteren Untersuchung.
Konnte dies vielleicht die erhoffte Lösung dieses verwirrenden Rätsels über die Caine liefern? So recht wollte dies keiner glauben, denn man hatte schon genug Spuren von denen gesammelt, genügend Theorien aufgestellt. Alles erwies sich als Sackgasse. Das Rätsel um die mysteriösen Fremden schien sich förmlich einer Lösung durch den menschlichen Verstand zu verschließen.
Nach einiger Zeit verabschiedete sich die Einsatzleiterin aus dem Raum mit den Worten:
„Obwohl der Algorithmus heute nur einen Vorfall gemeldet hatte kann dies Falsch sein, wegen den Problemen mit der Maschinengenauigkeit des Algorithmus. Ich will das deshalb den Algorithmus nochmal Checken. Außerdem muss ich nochmal mit Hilal telefonieren.“
Genau in dem Moment, als die Gruppe von Wissenschaftlern den Tatort untersuchte fuhr Hilal mit ihrem schwarzen Sportwagen durch ein Gebiet am Stadtrand.
Überall wo sie hinblickte sah sie nur riesige, schier endlose Reihen von Strommasten, welche wie künstliche Metallbäume den Himmel zu zerteilen schienen. Sie fuhr langsam durch diesen schier endlos erscheinenden technischen Metallwald, der die Natur im Gebiet fast vollständig zu verdrängen schien. Mit bloßem Auge war das Gewirr aus Draht und Kabeln kaum zu entziffern. Es verwirrte eher noch alles.
Er war fast ein Symbol für den unbändigen Stromhunger des modernen Menschen, aber er zeigte auch genau auf, wie verloren und verwirrt Menschen im modernen Leben werden können. Der Mensch beherrschte die Technik, aber genau so beherrschte diese den Menschen und schloss ihn förmlich ein in ihren Systemen, die alles zu verschlingen schienen.
Nach kurzer Zeit klingelte Hilals Autotelefon. Am Apparat war die Kommissarin, welche den Einsatz beim letzten Caine Vorfall leitete. Sie erklärte:
„Hilal, vor noch nicht mal einer Stunde gab es einen Weiteren Zwischenfall. Wir denken, mehr werden bald kommen. Komm bitte so schnell es geht zum Hauptquartier.“
Hilal schüttelte nur mit dem Kopf. Sie wusste zwar, dass sie es tun sollte, aber sie konnte es gerade nicht, weil sie auf dem Weg war, um eine neue Kandidatin für die mathematische Abteilung des Instituts abzuholen, die vielleicht bald mit Anderen an der Verbesserung des Algorithmus arbeiten sollte.
Der Name dieser Kandidatin war Karala Yagiyu.
Sie musste sie leider telefonisch etwas vertrösten vor gut 4 Stunden, da man im Institut noch was zu tun hatte und Hilal deshalb nicht in der Lage war, Karala abzuholen vom Bahnhof. Jetzt konnte sie sich nicht auf der Stelle umdrehen, um zum Institut zurückzufahren. Nein. Das ging einfach nicht.
Deshalb sagte sie der Kommissarin, sie würde vielleicht ein wenig später zum Institut kommen.
Während dessen ging Karala weiter, über eine kleine Brücke, welche an einem Highway vorbeiführte. Von Weitem sah sie die hellen Lichter der Häuser, Symbole einer falschen Sicherheit, in der sich die Bewohner dieser Stadt wiegten, ohne zu wissen, welche Kreaturen gerade dabei waren, in der Stadt ihr Unheil zu stiften. Es störte scheinbar niemand ihr Zusammenleben und ihre trügerische Ruhe, noch.
Nach kurzer Zeit kam sie zu einer Geschäftsstraße. Obwohl es schon so spät war herrschte hier noch Betrieb in den Geschäften und an den vielen Automaten. Dies waren also die Errungenschaften der Moderne. Die eigene Sicherheit konnte nicht immer garantiert werden, aber es war jederzeit überall möglich, irgendwelchen Nippes zu kaufen, welchen man eh nicht wirklich brauchte.
Karala lehnte sich an die gekachelte Wand eines Gebäudes und wartete auf Hilal, die bald hier auftauchen sollte, hatte sie zumindest so gesagt. Während der Wartezeit spielte Karala, wie es Mädchen in ihrem Alter häufig taten irgendwelche Games auf ihrem Smartphone. Die Zeit wollte und wollte einfach nicht vergehen.