Das wird jetzt nicht einfach. Wann immer ich ein negatives Feedback gebe, habe ich ein schlechtes Gewissen. Wir sind keine Profis, ein jeder von uns schreibt zum Spaß, in der Freizeit, und völlig kostenfrei und wer bin ich schon, da mit Kritik und vielleicht sogar mit viel zu hohen Ansprüchen zu kontern? Aber ich habe dir Feedback versprochen, und ich glaube dir ist auch nicht geholfen, wenn ich dir Honig um den Bart schmiere, also müssen wir da jetzt durch. Gleich vorweg sei gesagt, dass nichts davon böse gemeint ist, und du auf jeden Fall weiterschreiben sollst - schon alleine, weil noch kein Meister vom Himmel gefallen ist -, aber ich glaube man hört bereits heraus, dass ich... mit dieser Geschichte nicht so viel anfangen konnte. Die ersten 44 Seiten habe ich noch sehr aufmerksam gelesen, den Rest jedoch überflogen, weil ich keinen richtigen Zugang zu deinem Werk fand.
Das ist umso verwunderlicher/bedauerlicher, da hier tatsächlich
Sinn dahintersteckt. Ich mochte die philosophischen Fragen, die du aufwirst, ich mochte die Themen. Das sind Dinge, mit denen ich mich auch beschäftige - wie wohl die meisten hier -, die ich sogar auch in meinen Romanen verarbeite, und mich daher angesprochen fühlte. Allein die Frage nach dem freien Willen birgt viel Stoff. Wir sind alle Produkte ungeheuer vieler Faktoren. Da es uns unmöglich ist, all diese Faktoren zu kennen, kann auch nicht vorausgesagt werden, wie sich etwas oder jemand in einer bestimmten Situation verhält - höchstens mit Intuition. Aber wenn man alle Faktoren kennt? Das bedeutet, dass es den freien Willen im engeren Sinne nicht gibt oder dass er nur eine Illusion ist, mit der Theorie paralleler Welten als Fluchtoption. Man sieht, für derlei Themen bin ich sehr empfänglich. Warum habe ich also keinen Zugang zu der Geschichte gefunden?
Hauptsächlich, weil diese Ideen-Perlen sich hinter einer - und ich kann das nicht freundlicher ausdrücken - sehr biederen Fassade verstecken. Da wäre schon das Oberflächliche: die Rechtschreibung. Normalerweise kreide ich das nicht an (wer im Glashaus sitzt...), und für gewöhnlich können mir orthographische Fehler nicht den Spaß an einer Geschichte verhageln. Ich weiß ja selber, wie schnell die sich einschleichen, und wie hervorragend sie sich dann tarnen - bis zu dem Moment, wo man eine Geschichte ins Netz stellt. In dem Moment sieht man sie plötzlich alle. Ist ein ganz lustiges Phänomen eigentlich. Ich war aber doch sehr verwundert, weil man das von deinen Forenbeiträgen gar nicht vermutet. Hinzu kommen enorm viele Wortwiederholung. Dann springst du in den Zeiten hin und her, und der ganze Aufbau der Geschichte ist sehr... wirr. Dadurch erscheint das Werk wie Dahingeschludert.
Dann kommen halt die typischen Anfängerfehler dazu, in dem du zu viel "erklärst", aber zu wenig "zeigst" - ganz entgegen der Maxim "Show, don't tell". Also statt Stimmung aufzubauen, gibst du sie mit dem Holzhammer einfach vor. Da ist eine Kreatur, die ist ekelhaft, also wird das tausendmal wiederholt, damit auch wirklich kein Zweifel besteht. Hm. Okay. Atmosphäre kommt dadurch nicht auf. Wenn du auf zwanzig Seiten zum X-ten Mal von der düsteren, menschenverachtenden Umwelt schreibst, möchte man fasst sagen "Hab's ja verstanden." Überhaupt bist du als Erzähler viel zu präsent und kontrollierend. Besonders artet das in der wiederholten Fragerei aus "was war das? War es gut? War es schlecht? Was wird passieren?"
Hey. Das sind Fragen die ICH mir stellen sollte. Nicht du mir. Dein Job als Autor ist es, ein interessantes Szenario mit fesselnden Entwicklungen zu bieten. Wenn das gelingt, dann werde ich mir diese Fragen nämlich von ganz alleine stellen. So funktionieren Romane nun mal. Man blättert um, weil man von selbst wissen will, was als nächstes passiert. Wenn du mich eingefangen hast, werde ich so oder so umblättern. Da ist die Fragestellung überflüssig. Normalerweise würde ich jetzt sagen, dass du dich einfach mehr auf deine Charaktere verlassen und denen mehr zu tun geben solltest. Aber auch bei denen hatte ich das Gefühl, dass du... zu präsent bist, und das bringt mich eigentlich zum kompliziertesten Teil der Kritik.
Ein Teil der eigenen Seele fließt natürlich immer in so eine Geschichte und die handelnden Charaktere ein. Das ist ganz normal und das ist auch gut! Merkwürdig wird es dann, wenn Geschichten dazu genutzt werden, um persönliche Schicksale zu verarbeiten. Nicht, dass das schlecht wäre, ganz im Gegenteil. Wenn es einem Hilft Dinge zu verarbeiten; Go for it! Aber ich persönlich - und das wirklich nur meine Meinung - halte es für einen Fehler, so etwas bei Geschichten zu machen, die darüber hinaus noch... nun... mehr sein wollen. Wenn man kein wirklich erfahrerner Autor ist, kommt dabei nämlich nie was gescheites bei rum.
Wie könnte ich denn jetzt beispielsweise den Charakter der Karala kritisieren, ohne wie der letzte Ar*** zu erscheinen?

Aber ich fand ihr Handeln ehrlich gesagt sehr abstrus - fast durchgängig. Wenn sie das Gefühl hat, die Menschheit (die sie ja gar nicht interessiert) hängen zu lassen, weil sie - völlig zurecht - einen Fluchtinstinkt bei einer Sache empfindet, die mit der Menschheitsrettung gar nichts zu tun hat, dann komme ich da nicht mehr mit. Genauso verblüfft war ich dann über ihre Läuterung. Sie wird als jemand mit großen Problemen und Ängsten und so weiter aufgebaut, aber ihre Meinung ändert sich von einer zur anderen Sekunde. "Buhuhu, ich bin so fett, feige, nutzlos." "Ja, das mag sein, aber hast du nicht dennoch Lust, die Menschheit retten?" "Hm, stimmt eigentlich. Okay, ich komme mit."
Huh?
Die Geschichte war einfach nicht so ganz mein Fall. Vom Aufbau her irgendwie zu trocken, zu technisch (die Herangehensweise, nicht der Inhalt) und auch leider etwas wirr. Bei der Menge der gut durchdachten Hintergrundideen, die du hier postest, ist das schon verwunderlich. Ironischerweise bist du in den Momenten, in denen du dich einbringst und emotionen aufbauen möchtest, schon wieder zu tief drin. Da fehlt noch etwas die Balance, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Unter'm Strich kann man wohl sagen, dass du dir viele Gedanken gemacht, und im Grunde auch tolle Elemente in der Geschichte hast. Dieses "Universum" hat durchaus das Zeug zu den ganz großen zu gehören, wie, sagen wir mal, Deus Ex, oder Blade Runner, an die ich mich atmosphärisch erinnert fühlte. Leider sind die tollen Elemente wenig ansprechend verpackt, sodass es mir persönlich zu viel Arbeit war, mich zu ihnen hindurchzuwühlen. Dafür bin ich einfach ein viel zu großer Banause

Ich hoffe wirklich, dass du mir diese Kritik nicht übel nimmst. Sie ist, wie gesagt, nicht böse gemeint. Ich wollte nur ehrlich sein, und vielleicht bringt es dir ja was. Schreib weiter, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und wie gesagt, die Grundelemente eines tollen Universums lauern ja irgendwo in dem Wust. Es muss dir jetzt nur noch gelingen, die Schönheitsfehler herauszuschütteln
