Sonntag, 09.08.2381 09:17Philipp von Oestrow nippte genüsslich an seinem Kaffee. Obwohl es Sonntag war und er sich wünschte irgendwohin aufs Land zu fahren um in ruhe einwenig Sonne zu genießen, saß er hier gespannt an seinem Schreibtisch und ging die Wochenberichte durch. Schließlich war die Estrella kein Frühlingsdampfer auf dem Archon-River, dem größten Fluss auf Alpha Centauri, sondern ein Raumschiff der Sternenflotte. Es gab nichts schlimmeres, als die unsägliche Routine, zwischen den Einsatzorten eines Schiffes. Wenn nicht zufällig etwas ausfiel oder jemand von der Führungscrew Drill anordnete, gab es für ihn und seine Leute nur wenig zu tun. Daher waren auch viele vom Chefingenieur in den letzten Beiden Wochen zu Wartungsarbeiten irgendwo auf dem Schiff eingeteilt worden.
Philipp gähnte ausgiebig. Der Abend war lang gewesen. Solchev, von der Beta-Schicht hatte gestern Abend in der Unteroffiziersmesse ein improvisiertes Klavierkonzert gegeben. Der Mann war bevor er zur Sternenflotte ging, Absolvent der Wiener Musikhochschule. Er war ein Ass auf dem Flügel und spielte so gar bemerkenswert Geige und Cello. Für die Weihnachtsfeier in einigen Monaten wollte er mit einigen Freunden ein kleines Kammerkonzert geben, sofern der Erste Offizier seine Zustimmung geben würde.
"Lieutenant?"
Philipp blickte auf und erkannte die junge Sanchez, eine junge Frau, die erst ihre Akademieausbildung für Unteroffiziere abgeschlossen hatte. Sie war etwas über zwanzig. Hatte schwarze gelockte Haare und ein zartes schmales Gesicht. Für Oestrows Geschmack wirkte sie zerbrechlich für den Maschinenraum, aber sie machte bislang ihre Sache sehr gut. An ihrem Gesicht konnte man erkennen, das sie etwas bedrückte.
"Was gibt es, Nina? Ist ihnen nicht gut?"
"Ähn … Nein, Sir. Ich habe wie befohlen die Revision des Ersatzteillagers abgeschlossen…"
"So schnell? Sehr gut geben Sie mir ihren Bericht" , grinste Oestrow und deutete mit dem Daumen auf seine Schreibtisch.
"Äh … den hab ich noch nicht fertig?"
"Aber …"
"Ja, verzeihen Sie, aber ich habe etwas gefunden, das mich daran hinderte."
Philipp blickte die junge Frau erstaunt an: "So?"
Die Frau holte plötzlich ein Päckchen hinter ihren Rücken hervor.
"Ich glaube das gehört ihnen, Sir."
Oestrow schaute auf das kleine Paket, auf dem sein Namen stand.
"Wo kommt das her?"
"Es lag in der Kiste, mit den selbstdichtenden Schaftbolzen. Irgendwer muss es versehendlich unter die Kartons mit den Bolzen getan haben."
Oestrow warf einen kritischen Blick auf Sanchez und dann auf das Paket. "Nun, gut. Was es auch immer ist, es ging nicht verloren. Danke."
"Aye, Sir. Sie bekommen den Bericht in einer halben Stunde."
"Danke, Nina."
Oestrow betrachtete das Paket von allen Seiten. Es stand kein Absender darauf, oder er hatte sich gelöst. Wenn das Päckchen mit den Schaftbolzen verstaut worden war, dann musste es am Abend vor dem Abflug eingetroffen sein. Als er und viele seiner Mitarbeiter mit dem Chefingenieur die außerplanmäßige Wartung durchführen mussten. Von William konnte es nicht sein. Er hatte ihm die Gitarre und auch die kleine Kiste samt Kristall ins Quartier geschickt. So viel Philipp wusste, war William nach Farius aufgebrochen, bevor Phillip die Nachschicht angetreten hatte.
Jetzt nachzuvollziehen, wer ihm das Paket gebracht hatte war wohl fast aussichtslos. Dennoch konnte er es über das schwarze Brett versuchen. Nachdenklich aktivierte er seine Konsole und wählte das interne Messagebord der Estrella aus.
An einen unbekannten Kameraden oder eine Kameradin,
Sie haben mir vor unserem Abflug von DS9 ein Päckchen auf meinem Arbeitstisch gestellt hat.
Ich danke ihnen dafür. Leider widerfuhr ihrem Präsent ein kleiner Unfall. Jemand der Ersatzteile im Lager untergebracht hat,
muss es versehendlich mitgegriffen haben, sodass ich es erst heute erhalten habe.
Ich würde mich freuen, wenn ich ihnen für ihre gute Tat, persönlich bedanken könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Lt. Philipp von Oestrow
Philipp schickte die Meldung ab in der Hoffnung, dass die richtige Person sie lesen und beantworten würde. Bis dahin würde er sich mit Warten begnügen. Plötzlich ging der Alarm los. Warnleuchten begannen in der weitläufigen Halle zu blinken und die bekannte Computerstimme mischte mit dem Wartungslärm.
"Alarmstufe Gelb für alle Decks! Dies ist keine Übung! Alarmstufe Gelb für alle Decks. Dies ist Keine Übung!"Phillip sprang auf, rante aus der Tür und blickte sich um. Er hatte das Paket bereits wieder verdrängt.
"Sanchez!", rief Oestrow über den Lärm hinweck. Die junge Frau war vieleicht zehn Meter entfernt kurz vor dem Ausgang und blieb wie angewuurzelt stehen.
"Sofort, den Lift besetzten!"
"Aye, Aye, Sir", rief sie zurück und stürmte in die entgegengesetzte Richtung los.
Philipp blickte sich um und versuchte sich Gehör zu verschaffen. Seine Leute kamen inzwischen aus alen Wartungsbuchten und Nischen heraus gelaufen.
"Alle Mann klar für Ausschiffung. Die Trinidad ist heute unser Baby. El Salvador klar für 30 Minuten Bereitschaft. Ihr habt es gehört, wir haben gelben Alarm. Na los, schlaft nicht ein! Das ist kein Ausflugsdampfer! Ich will die Runabouts startklar auf dem Flugdeck haben! Vorwärts!"
Wie eine geölte Maschinerie liefen allse sofort zu ihren Stationen. Phillip, der verfolgte wie eifriege Betriebsamkeit in seine Leute kam, sprang über das Geländer, dass die drei Stufen absicherte, die zu seinem Büro führten und rannte selbst zur Wartungsbucht der Trinidad. Bevor die Piloten aus ihren Bereitsschaftsräumen auf dem Flugdeck eintrafen, wollte er selbst die ersten Checks durchgeführt haben.
--> Shuttlerampe 2, Deck 19