
Philipp warf einen nachdenklichen Blick auf Pablovic, der eine Ruhe ausstrahlte: "Trauen sie sich das zu?"
"Ich habe mehrere Landungen in Methanstürmen auf dem Titan durchgeführt. Dagegen wird das sicher ein Kinderspiel."
Der Ingenieur nickte zustimmen: "Okay, wenn sie so sicher sind. Aber jedes Wettersystem hat seine eigene Tücken. Seien sie auf der Hut. Wir sollten die Sicherheitsgurte anlegen!"
"Verstanden, aktiviere Sicherheitssystem", sagte der junge Mann und im selben Augenblick entfalteten sich automatische Gurte, die sich über Schulter und Taille legten.
Philipp aktivierte nun seinerseits das die Verbindung: "Commander, wir sind bereit zu dem Stunt. Folgen ihnen im Abstand von 1000 Metern."
Die El Salvador sank tiefer und die Trinidad folgte. Der Ionisierungseffekt färbte die Schilde rot. Am Bug und den vorderen Pylonen züngelten Plasmafackeln über die Kraftfelder als die Shuttles in die Atmosphäre eintauchten Nach wenigen Sekunden war dieser Effekt verschwunden nachdem die Raumfahrzeuge ihre Geschwindigkeit gedrosselt und in tiefere Schichten der Atmosphäre gedrungen waren. Weit vor ihnen lag die düstere Wetterfront, die sich über den halben Kontinent erstreckte. Hier und da zuckten Blitze durch die Wolken.
"Wenn es nicht so gefährlich wäre, wäre es fast ein unglaubliches Schauspiel. Böse und doch unglaublich reizvoll und mächtig", erklärte Philipp und blickte zu dem jungen Mann an der Steuerkonsole. Der Ingenieur beobachtete sehr intensiv die Sensoren. Die Anzeigen gingen oftmals über die Skala.
"Das Wetter ist äußerst ungemütlich, Fähnrich. Am Besten sie bleiben aus den dunkelsten Wolken entfernt. Sollte uns der Blitz treffen, dann achten sie auf ihre Anzeigen. Fallen sie aus, müssen sie sofort auf manuelle Steuerung umschalten."
"Verstanden, Lieutenant."
Der Wind nahm zu. Mehrmals wurde die Trinidad durchgeschüttelt. Schließlich erreichten sie die Wolkenfront. Als die Trinidad sich in die Wolkendecke stürzte wurde es im Cockpit düster. Das Licht der Blitze mischte sich mit dem diffusen Helligkeit, die noch durch die Wolkenberge drang. Es war eine Symphonie aus Farben und Skulpturen, wie sie nur die Natur zaubern konnte. Die El Salvador entschwand immer wieder in den Wolkenbänken. Auch Sensoren konnten die Position des anderen Runabout nicht dauerhaft festhalten.
Für eine seltenen Augenblick riss die Wolkendecke auf und tauchte die Kommandozentrale in ein gleißendes Licht der Morgensonne. Die Trinidad befand sich in einer Wolkenlücke, das sich fast wie das Auge eines Sturms um sie herum ausbreitete. Etwas tiefer, mehr als zwei Kilometer entfernt, konnte Philipp für einen kurzen Moment das andere Shuttle entdecken, bevor es abermals in den Wolken verschwand.
"Fähnrich Kurskorrektur um zehn Grad auf 217. Verringern sie die Höhe um etwa 1000 Meter. Das sollte uns direkt hinter die El Salvador bringen. Wir wollen doch nicht zu Spät zum Kaffeeklatsch mit den Jem'Hadar kommen."
"Aye, Aye, Sir. Das wäre auch sehr unhöflich von uns."
Das Shuttle neigte ganz leicht seinen Bug in Richtung der Wolken und bereits nach wenigen Sekunden waren sie wieder umschlossen von Dunkelheit, heftigen Windböen und diffuser Beleuchtung. Blitze zuckten über den Himmel. Einer senkte sich gefährlich nahe beim Shuttle in die Tiefe. Die Druckwelle der atmosphärischen Störung schüttelte das gesamte Schiff durch.
"Passen sie auf, Fähnrich. Commander Harris nimmt die idyllische Route genau durch das Zentrum des Sturms", erklärte Philipp und erhöhte die stärke der Stabilisatoren und Trägheitsdämpfer. "Es könnte jetzt etwas heftiger werden."
Fast wie zur Bestätigung zuckte ein Blitz über ihre Köpfe der die Anzeigen zum Flackern brachte.
"Verdammter Mist. Ich messe eine Spannung in dem Wolkensystem, das die Anzeigen zum Platzen bringt. Ich rufe Commander Harris, damit er den Kurs ändert. Das geht sonst nicht gut aus", bemerkte er und aktivierte das Kommunikationssystem. "Trinidad an El Salvador, Commander bitte ändern sie den Kurs um drei Grad. Dieses Sturmsystem bringt die Sensoren und Systeme durcheinander. Die atmosphärische Spannung in dem Wolkencluster kann zu Störungen führen."
Aus den Lautsprechern kam zunächst nur Rauschen, dann hörte man aber etwas.
"Trini..., El ... dore, ... Meld... nverständlich, ... erhole letzte ... ung unverstän... Salvadore ... Flug ... Gewitter.... rel.... emlos .... den. Kontakt... rlust zu ... rschiff. ....meldung wiede...len.""Der hat gut reden. Vermutlich hatte er Glück, dass er vor uns war und dem Zentrum entkommen ist. Wir sitzen mitten drin", bemerkte Philipp ungehalten, dann setzte er seine Antwort ab.
"Trinidad an El Salvador. Haben Sichtkontakt verloren. Beinaheeinschlag eines Blitzes hat die Systeme gestört. Habe vermutliches Sturmzentrum direkt voraus. Müssen nun anderen Kurs wählen. Neue Randevouzkoodinaten. Zehn Kilometer westlich der Zielkoordinaten. El Salvador hören sie uns?"
Es begann heftig zu Regnen und zu Hageln, viel mehr schüttete es und verdunkelte den Himmel. Der Wind tobte inzwischen um die Trinidad herum. Das Schutzschild des Schuttles glühte als wüden sie gerade die Atmosphärengrenze überschreiten.
"Ich habe die Position der El Salvador wieder verloren, Fähnrich. Schwenken sie um zehn Grad nach Backbord. Ich werde auch die Schildstärke reduzieren müssen. Das EM Feld der Schilde zieht sonst die Blitze an, wie der Honig die Bienen."
"Ja, Sir."
Regnen und zu Hageln nahmen zu.
"Fähnrich sind sie sicher, dass sie in die richtige Richtung fliegen?"
"Meinen Anzeigen nach, ja!"
Aus dem Lautsprecher kam nur verstümmelte Reste einer antwort von der El Salvador:
"Kö...irgend ... zen?" "Mist! Jetzt ist die Verbindung ganz weg. Der Teufel soll diese Klasse L Planeten holen. Es ist hoffnungslos. Die Position der El Salvador hat der Computer wieder verloren, Fähnrich. Bleiben Sie aber ganz ruhig und fliegen gerade aus."
Philipp blickte zu dem Fähnrich, dem es sichtlich unwohler in seiner Haut war. Plötzlich wurde das Shuttle erschüttert. Ohne die Gurte, wären Philipp und sein Pilot von den Stühlen gefegt worden. Überall auf den Konsolen begann es zu flackern. An einer der hinteren Einbauten explodierte ein Monitor und eine Sauerstoffleitung, aus der zischend Gas entwich. Das Shuttle sackte wie ein Stein nach unten ab.
"Verdammt. Ein Blitz hat uns getroffen. Umschalten auf manuelle Steuerung!."
"Schon getan. Aber die Kontrollen reagieren nur widerwillig."
Das Shuttle stoppte seinen Fall, aber seine Nase zeigte nach wie vor nach unten. Hagelkörner trommelten plötzlich auf das Dach der Kabine.
"Der Schild ist unten. Jetzt wird es richtig ungemütlich."
Philipps Finger flogen nur so über die Konsole. "Es hat dem Automatisierungscomputer die Hosen aus gezogen. Der Funk und die Hälfte der Sensoren sind ausgefallen. Tun Sie was sie können, um die Höhe zu halten, Fähnrich. Ich boote den Computer neu!"
Mit den Worten öffnete er das Verschlusssystem seines Gurtes. Eine weitere Böe traf das Shuttle und fegte ihn vom Sitz. Mit einem Aufschlag, der ihm die Luft nahm, krachte er an die Seitenwand.
"Zumindest bin ich da", sagte er und ignorierte die Schmerzen in der Schulter. Er öffnete eine Wartungsklappe und betätigte zwei Tasten. Nach einer kurzen Wartezeit, begannen die Anzeigen wieder zu glühen. Mit einem Schlag stabilisierte sich das Fahrzeug.
"Das Shuttle reagiert wieder, Lieutenant!"
"Gut, versuchen sie etwas Abstand zum Zentrum zu gewinnen und steigen Sie wieder. Bringen sie uns über die Wolkendecke, nicht viel, aber so, dass wir zumindest den Trefpunkt humpelnd erreichen."
"Aye, Aye! Was macht die Schulter?"
Philipp der sich wieder auf den Sitz geworfen und die Gurte angelegt hatte, grinste verbissen und versuchte dem jungen Mann sicherheit zu geben: "Es tut nur weh, wenn ich lache, Fähnrich. "
Das Shuttle stämmte sich gegen den Sturm. Seine Nase zeigte wieder nach oben und schon bald hörte das Rütteln auf und das Licht im Cockpit, dass durch die Wolken gefiltert wurde, war weniger düster als zuvor. Wie ein überdimensiniertes Kaugummi wurde die Trinidat auf dem Sturm ausgespuckt. Die noch immer tiefstehende Sonne wärmte die Gesichter der beiden Sternenflottenoffiziere. Unter ihnen brodelte es wie in einem alten Kupferkessel eines noch älteren Druiden. Ein Regenbogen warf seine Farben über das Meer aus Wasserdampf. Ein Berggipfel ragte in einigen Meilen Entfernung östlich aus dem Wolkenmeer.
"Da hatte wir noch mal Glück, noch etwas weiter und wir hätten mit den Bergen Bekanntschaft gemacht", bemerkte der Fähnrich erleichtert.
"Bergen?", Philipp war übberascht und sah in die Richtung, die der Fähnrich wies. Auch um diesen Gipfel tobte der Sturm, allerdings längst nicht so heftig, dem Anschein nach.
"Das kann nicht sein, dieser Gipfel müssten viel weiter westlich liegen, nach dem alten Kurs!"
"Sir, sehen sie die Positionsangaben auf der Karte?", rief der Fähnrich plötzlich und wies auf einen Monitor.
Philipp schaute auf seine Anzeigen und fluchte: "Was zum Henker!"
Auf der Anzeige stand ein Wert, denn er nicht glauben konnte. Hiernach waren sie in genau die entgegengesetzte Richtung geflogen. Mit wenigen Handgriffen ließ er die Diagnose über die Orientierungssensoren laufen.
"Die Magnetfeldsensoren sind falsch herum Polarisiert worden. Der verdammte Kompass hat uns in die falsche Richtung geschickt! Ich kann es korrigieren, aber wenn wir auf dem Schiff sind, müssen die Sensoren ausgetauscht werden!"
Philipp gab einige Daten in den Rechner ein und die Anzeige auf dem Schim änderte sich erneut. "Das wäre doch mal was, was sich erforschen ließe. Das Stumsystem eines Klasse L Planeten. Mein Gott, wir fliegen mit den Modernsten geräten hier obern herum, treten mit unseren Torpedos wer weis was in den Hintern und ein ... blöder Blitzschlag, schickt uns gegen eine Felswand!"
Philipp, beendete seine Programmierung und rekalibierte die Magnedfeldsensoren neu.
"Gehen sie auf einen neuen Kurs, Fähnrich. Die Rendevouzkoodinaten sollten nun in 055 Grad liegen, nach ihrer Anzeige. Bleiben sie hart über der Wolkengrenze, damit wir nicht nochmal Probleme bekommen."
"Ja, Sir. Bitte verzeihen Sie meine Frage, Lieutenant. Aber wie können wir von einem Blitz so beschädigt werden?"
Oestrow runzelte die Stirn.
"Mr. Pablovic, haben sie in ihrem Grundkurs Elektrophysik und Avionik nicht aufgepasst oder waren sie abwesend?"
"Äh ..."
Der Fähnrich wendete das Runabout und schon schossen sie davon.
"Verraten Sie mir michts. Ist besser so. Ihr Lehrer hat ihnen doch sicherlich erklärt, wie die Metalhülle auf einen Blitz wirkt. Stellen sie sich vor die Ladung in den Wolken und der Boden bilden eine Spannungsquelle. Die Luft dazwischen ist die Leitung. Nun, normaler Weise ist Luft ein recht guter Isolator, es seidenn die Spannung ist hoch genug, dann kommt es zum Überschlag. Jetzt stellen sie sich ihr Schiffchen vor. Ein Stück Metall in einer sehr stark isolierenden Leitung. Quizfrage was geschieht?"
"Das Metall senkt den Widerstand der Leitung!", erwidert der junge Mann.
"Genau! Der Blitz sucht sich den Weg, an dem er am wenigsten Widerstand findet. Normalerweise ist das nicht tragisch. Die Hülle sollte uns davor schützen. Allerdings kann es zu sekundären Ereingnissen kommen. Feuchtigkeit, die sich irgenwo sammelt, verdampft schlagartig, wenn der Blitz uns trifft. Bei dem verdampfen dehtn sie sich aus. Da kann schon mal was kaput gehen. Oder er hat sich ausgerechnet eine unserer Subraumantennen gesucht, um einzuschlagen. Wie alle Atmosphärentaugliche Schife besitzen auch wir Sicherungen gegen Überspannung, aber die sind nur aus gelegt, auf das was wir als Erfahrungswerte kennen, plus einem Sicherheitszuschlag. Es ist nie ausgeschlossen, dass es etwas noch stärkeres gibt."
Philipp warf einen missmutigen Blick zu der Gasleitung im hinteren Bereich des Cockpits, die inzwischen von ihm abgeriegelt worden war.
"Offenbar gibt es aber auf der Trinidad auch einige Probleme, die so noch keiner gesehen hat. Wenn wir zurück sind, muss ich mich mal mit meinem Team unterhalten."
"Was ist mit unserem Schild?"
"Unser Schild ist ein im Grunde ein elektromagnetisches Wechselfeld. Es ist im Regelfall polarisiert, um gerichtete Energie abzulenken. Fliegen wir jedoch durch ein Gewitter, befinden wir uns selbst in einem elektrischen Feld. Das heißt wir bewegen uns als aufgeladener, leitfähiger Körper in einem E-Feld. Es ist so als würden sie versuchen Wasser mit Mineralwasser zu bekämpfen. Mit der richtigen Abstimmung kann ein Blitz an ihm abgleiten. Aber irgendwann, wenn der Schild in Frequenz und Polarität dem entspricht was der dieser Blitz anziehend findet, ist es so als würden sie auf unsere Hülle eine Zielscheibe malen. Der Stromkreis schließt sich und der Blitz schlägt ein. Dummer weise können dabei extreme elektromagnetische Felder auftreten, die selbst unsere Systeme stören können. Es ist zwar ein Zufallsereignis. Aber es läßt sich nicht gänzlich verhindern, vorallem nicht, wenn man mit Absicht durch ein Gewitter fliegt. Daher sollte ihnen jeder vernünftige Fluglehrer auch davon abraten es zu tun,, wenn es nicht unbedingt die Lage erforderlich macht."
Philipp aktivierte einen Kommunikationskanal, nachdem er zumindes für den Augenblick die Kontrolle über alles wiedererlangt hatte. Das Rauschen in den Lautsprechern hatte etwas abgenommen.
"Trinidad an El Salvador. Wir haben den Sturm verlassen und fliegen jetzt zu den Randevouzkooridinaten. ETA 15 Minuten."
"Vers...anden. Tre...en uns ... 15 Minut...n.", kam es prompt aus dem Lautsprecher.
Philipp nickte zufrieden.
"Zumindest scheint der Funk halbwegs wieder zu funktionieren."
Er warf eien Blick auf seine Diagnoseanzeige. Das Programm durchlief alle Systeme und deckte immer mehr kleinere Störungen auf. Es waren nur kleinigkeiten, die nur störten, allerdings ärgerten sie ihn als verantwortlichen Ingenieur.
"Mal sehen, wenn wir nachher gelandet sind und wir widererwartend nichts zu tun haben, werde ich mal danach sehen." Er wollte sich zu einem der anderen Monitore strecken, die neben ihm in die Konsole eingebaut waren, um mehr sehen zu können. Aber er wurde von dem Gurt zurückgehalten. Missmutig blickte er an sich herab.
"Fähnrich deaktivieren sie das Sicherheitssystem wieder. Diese Gurte sind ja toll, aber man kommt sich wie eine Sardine in der Büchse vor."
"Aye, Sir", erwiderte der Fähnrich und betätigte eine Taste auf sener Konsole, woraufhin sich die Gurte wieder lösten in den Sitzen verschwanden.
"Ich hoffe es war die letzte Überraschung, Sir!"
Der Werkmeister der Estrella musste grinsen. "Ich weis gar nicht was Sie haben, Mr. Pablovic. Wo bleibt denn ihre jugendliche Suche nach der ultimativen Grenzerfahrung?"
"Die ist irgendwo in den Wolken weggesackt, Sir. Wenn ich das so sagen darf."
"Verstehe. Naja, ich teile ihre Hoffnung, Fähnrich, wenn es sie beruhigt. Aber ich befürchte, dass dieser Tripp gerade erst begonnen hat."
Der Flug über die Wolken war ruhig. Sehr schnell wurden die Schichten dünner. Es wurde immer mehr der Oberfläche sichtbar. Das Land über das der Regen gerade hinweg gezogen war glich einer Schlammwüste. Die Temperaturen am Boden war nicht hoch genug, um eine üppige Vegetation zu fördern. Der Computer entdeckte Mode und eine steppenartige Graslandschaft, der sehr Karg war. Philipp erinnerte der Anblick an alte Fotos des sibirischen Permafrostbodens. Die Zeit verflog geradezu. Die Scanner hatte sehr rasch die Position der El Salvador gefunden und nun hielt ihr Shuttle direkt darauf zu. Die Sonne stand nun wieder tiefer am Horizont. Wenn Philipp es richtig einschätze, würde sie über der fremden Anlage sein, wenn Vorort die Sonne aufgehen würde.
Philipp aktivierte das Interkomm. Die Verbindung war noch immer von statische Geräuschen überlagert.
"El Salvador, hier ist die Trinidad. Wir haben sie gefunden, Commander."