Autor Thema: Laurus' Schreibstube  (Gelesen 7415 mal)

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Laurus Akrem

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Laurus' Schreibstube
« am: 13.10.13, 11:44 »
Hallo und willkommen in meiner kleinen Schreibstube.

Die Idee zu dieser kleinen Kurzgeschichte kam mir, als ich gerade Spazieren war, um eigentlich den Kopf freizubekommen. Aber diese Idee setzte sich derart in meinem Kopf fest, dass sie einfach zu Papier gebracht werden musste. Und da ich das Ergebnis meiner kleinen Spinnerei teilen möchte, präsentiere ich hiermit mein Erstlingswerk:

Die eher alte Formulierung des Textes und die angelsächsische Schreibweise sind recht kompliziert. Daher bitte ich euch, mir etwaige Rechtschreib- und Satzbaufehler nachzusehen.

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Altenglische Ortschaften und Namen haben oft unzählige verschiedener Schreibweisen, daher habe ich meistens auf die Bezeichnungen zurückgegriffen welche auch Bernhard Cornwell in seinen Romanen nutzt. Hier ein kleiner Glossar:

Anglogynen - umfasst alle Gegenden in denen angelsächsisch gesprochen wurde
Sæfern-See - bezeichnet einen Teil der Irischen See, welche zwischen Wales und Cornwall liegt; ferner ist Sæfern die altenglische Bezeichnung für den Fluss Severn
Scraette - bedeutet im angelsächsischen/altenglischen so viel wie Hexe oder Hure
Eoferwic bzw. Jorvik - angelsächsische bzw. dänische Name der Stadt York
Deira - ein altes Anglisches Königreich und der südliche Teil vom Königreich Northumbrien
Dunholm - alte Bezeichnung der heutigen nordenglischen Stadt Durham
Wessex - Westsachsen, welche den gesamten Süden von England beherrschten
Ostanglien - einstiges Königreich und Gebiet der Ost-Angeln, inzwischen an die Nordmänner gefallen
Northumbrien - bezeichnet das Königreich nördlich des Flusses Humber, welches die Dänen nach der Eroberung als Königreich Jorvik bezeichneten. Es umfasste grob die Regionen Deira, Berneicia (Gegend um Bamburgh) und Lothian  (Gegend um Edinburgh)
Frankenreich - das Königreich in dem der germanische Stamm der Franken siedelte (weite Teile des heutigen Frankreichs)
Ealdorman - altenglischer adliger, in etwa Graf/Marktgraf
Scīrdraca - angelsächsisch für Der Weiße Drache
Scīrléon - angelsächsisch für Der Weiße Löwe
Fyrdraca - angelsächsisch für Der Feuerdrache
Wyrd bið ful aræd – Das Schicksal ist unausweichlich; dies stammt aus einem alten angelsächsischen Volkslied

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Im Reich des blinden Gottes

Anno Domini 889. Das spätere England ist ein zweigeteiltes, von Krieg, Leid und Pein heimgesuchtes Land. In dieser Zeit kämpften Jarls und Ealdormans um die Vorherrschaft auf der größten der nordischen Inseln. Obwohl die Könige beider Fraktionen einen brüchigen Waffenstillstand geschlossen hatten, waren kleinere Kämpfe und Überfälle an der Tagesordnung. In dieser Zeit des sogenannten "Danelag“, wie die weitläufigen Gebiete im Osten und Norden die unter Dänisch/Norwegischer Herrschaft standen genannt wurden, zogen Tod und Schrecken durch die vom Krieg verheerten Grenzlande…


Alric spürte die frühmorgendliche kälte, in jedem einzelnen seiner von der Nacht lahmen Glieder. Ja der Herbst kam unaufhaltsam näher, rückte immer weiter voran und sorgte dafür, dass die Nächte in den Landen der Anglogynen immer eisiger wurden. In weiter Ferne, am jenseitigen Ufer, weit im Osten der Sæfern-See, lichtete sich allmehlig der düstere Schleier der Nacht immer schneller und schneller. Was zuerst als blass gräuliches Schimmern tief unten am unendlichen Wasser des Meeres begann, setzte sich nun bereits als heller Lichtstreifen über den gesamten Horizont fort. Somit würde es bald hell genug sein, um auf die Jagd zu gehen. Alric lächelte bei dieser Vorstellung zufrieden in sich hinein. Er, der einstige Ealdorman von Deira und Dunholm, stand aufrecht im Bug seines Schiffes der Scīrdraca, was auf angelsächsisch so viel bedeutete wie "Der Weiße Drache“ und hielt mit der rechten Hand einen Speer fest. Mit seiner linken hingegen umklammerte Alric den Vordersteven des aus fränkischer Weißeiche gezimmerten Schiffes. Somit sah der einstige "Herr des Nordens“ wie ein einfacher Schiffsknecht aus, der stets nur dafür zu sorgen hatte dass das Ufer immerwährend in Sichtweite verblieb. Diesen falschen Eindruck bestärkte er noch, indem der Ealdorman einen schlichten schwarzen Wollmantel über seinem feinen aus dem Frankenreich stammenden Kettenhemd trug.
Der Kiel der Scīrdraca war lang und schmal, genauso wie es eben nur die Nordmänner verstanden ein Schiff zu bauen. Am oberen Ende des Vorder- und Hinterstevens prangte je ein aus Holz geschnitzter Drachenkopf, jedoch am Mast befand sich ein prächtiges silbernes Kruzifix, um es auch den Christen unter der Besatzung recht zu machen. "Der Weiße Drache“ war normalerweise ein sehr schnelles Schiff. Ein sogenannter "Fünfundzwanzigsitzer". Was bedeutete dass nicht weniger als Fünfzig Ruderer in zwei Reihen benötigt wurden um das Langschiff, oder welches auch Drachenboot genannt wurde, anzutreiben. Allerdings machte "Der Weiße Drache“ im Moment nur äußerst langsame Fahrt, was Alric jedoch nicht im Geringsten zu stören schien. Denn der Ealdorman stand unbeweglich wie eine Marmorstatue im Bug und hielt seinen Blick starr auf eine weit entfernte leere Stelle inmitten des Meeres gerichtet.
   "Verfluchter, frömmlerischer, westsächsischer Bastard einer räudigen fränkischen Scraette!“ Fluchte Alric dabei halblaut vor sich hin und spie über die Bordwand ins Wasser. Geradezu als sei dies der physische Beweis seiner vorherigen verbalen Verwünschungen. Oh ja, wie hasste und verachtete er den Westsachsenkönig,  Alfred von Wessex, doch. Dies ist die Zeit der Krieger, Kriegsherren und gut ausgebildeten Hausmächte, denn der Feind hielt den Norden und Osten des Landes besetzt. Aber was findet man bei ihm? Priester, Mönche und Nonnen. Anstatt den Nordmännern Männern mit Schwertern, Äxten, Speeren und Schilden entgegen zu setzen, schickt Alfred Priester mit ihren endlosen Leiern von Frieden und dem ewigen Himmelreich. Stahl und Holz gegen Frömmigkeit und Halleluja. Wie ihm diese elenden Westsachsen doch zuwider waren! Ein Notwendiges Übel in seinem Kampf, um die Ländereien seiner Ahnen den Dänen wieder zu entreißen, welche sie als ihr Königreich Jorvik bezeichneten.

Wenig später gesellte sich ein breitschultriger, ebenfalls in einen schwarzen Wollmantel gehüllter Mann zu Alric. Dabei handelte es sich um niemand geringeren als Wulfhere den Anführer der Hausmacht des Ealdormans.
   "Herr?“ Bevor Wulfhere fort fuhr wartete er bis ihn sein Fürst ansah. "Alles erledigt, wie Ihr es befohlen habt, mein Herr. Und wie es scheint haben wir obendrein bereits Besucher angelockt, die uns seit kurzem folgen.“ Demnach wies Wulfhere mit einer Hand in Richtung Heck. Alrics Kopf folgte dem ausgestreckten Arm des grauhaarigen Mannes. Dort, gute dreißig Schiffslängen hinter der Scīrdraca, befanden sich tatsächlich zwei Schiffe. Kleinere als seines, aber dafür vollbemannt mit mordlüsternen Schwert- und Axtdänen. Welche auf Blut, Gold und Beute aus waren. Nun begann Alric abermals zu lächeln, nur dieses Mal war es das Lächeln eines Kriegsherrn, der seine Feinde in eine tödliche Falle gehen sah. Dafür dankte er nun im Stillen seinen Göttern und nickte seinem getreuen Schwurmann zu. Welcher daraufhin zum Steuermann, einem dicklichen und Kahlen zähen Mann, Namens Rollo ging und diesem geflüsterte Anweisungen gab.
Es war alles erfüllt worden wie Alric es ihnen aufgetragen hatte. Nur rund zwanzig der ansonsten fünfzig Ruderer saßen auf den Ruderbänken und sorgten für den nötigen Vortrieb des Schiffes. Somit glich die Scīrdraca weniger einem Kriegsschiff, sondern eher einem behäbigen Handelsfahrer. Und der Ealdorman wusste aus Erfahrung genau dass die Dänen in diesen Gewässern einem solch verlockenden Happen kaum wiederstehen konnten. Die übrigen Männer, bestehend aus dreißig Kämpfern und über zwanzig Bogenschützen, hielten sich im Mittelgang zwischen den Ruderbänken unter einer dicken und steifen Lederplane verborgen. Bereit auf sein Zeichen den Tod auf die Nordmänner herabregnen zu lassen. Dies würde beim Feind keinerlei verdacht erregen, denn bei normalen Handelsfahrern wurden solcherlei Planen meist dafür verwendet um leicht verderbliche Waren wie Salz, Mehl oder Getreide vor zu viel Salzwasser zu schützen. Also erregte jene keinerlei Misstrauen, sondern ganz im Gegenteil förderte es die Begehrlichkeiten der Dänen umso mehr.
   "Sirtic, komm her und mach das Feuer an!“ Rief der Ealdorman seinen sächsischen Diener herbei. Der sich dies nicht zweimal sagen ließ und mit einem großen guteingewachsten Sack sowie einer Fackel unter den Armen heran kam. Auf einem Drachen- oder Langschiff konnte natürlich nicht einfach so Feuer gemacht werden. Dazu musste der junge dunkelhaarige Bursche zuerst in Teer getränktes Werg in eine schwere eiserne Schale geben. Dann locker mit Reißig bedecken und anschließend mit einem Feuerstein entzünden. Diese Prozedur war sehr Zeit- und Arbeitsaufwendig, aber essenziell für den Erfolg von Alrics Plan.
   "Männer! Rudert als währt ihr ostanglische Sumpffrösche, die unsere Schwerter im Rücken spürten!“ Die Antwort darauf bestand aus vielstimmigem lautem und freudigem Gejohle. Alric hob indes seinen Speer leicht von den Blanken der Scīrdraca an und wog den schweren Eichenschaft, mit wohltuender Genugtuung in seiner Hand. Der ihm in all den Jahren des Kampfes zu einem stetigen und permanenten Begleiter geworden war. Nun würde es also bald beginnen! In einem Anflug von überaus pedantischer Gründlichkeit, sah Alric hinab zu seinen Beinen. Dort an der erhöhten Bordwand lehnte sein, aus Lindenholz gefertigter und mit Leder bespannter, Rundschild. Welcher mit seinem Wappen, das drei blutrote feuerspeiende Drachen auf blauem Grund zeigte, kunstvoll bemalt war. Daneben lag ein prunkvoller Helm. Der mit feinen Silber- und Goldziselierungen versehen war. Die Grundform des Helms wurde einem Wolfskopf nachempfunden, welcher oben in einen Hauptkamm mit schwarzen langen Rosshaaren überging. Der Wert von Alrics Ausrüstung, die er bei sich trug, überstieg bei weitem den Preis den ein kleines Drachenschiff gekostet hätte. Die Scīrdraca auf der sie sich befanden war natürlich wesentlich Kostspieliger gewesen. Die Friesen lernten von den Nordmännern wie man die besten Langschiffe herstellte. Und da sich nun einmal die Angelsachsen mit den Dänen im Krieg befanden, wandte sich Alric an die Friesen. Die Scīrdraca kostete immerhin die fürstliche Summe von über zweitausendvierhundert Silberpennys. Das entsprach in etwa drei bis vier der allerbesten fränkischen Kettenhemden. Oder den Wert der Verpflegung für ein vierhundert köpfiges Heer in einem ganzen Kriegsjahr.

Indes sah man, wie sich der heraufziehende Sonnenaufgang bereits durch das weit hinter ihnen liegende Dunkel des noch schlafenden Landes immer weiter empor kämpfte. Am Himmel zogen schreiend und keifend die Seeschwalben und Möwen ihre weiten Kreise. Die, wie es aussah, mit ihrem Lärmen den ersten rosafarbenen Vorboten des neuen Tages emsig begrüßten. Alric gönnte sich währenddessen einen der raren Momente, wo er sich voll und ganz in dem Augenblick fallen ließ. In der Zwischenzeit, waren die beiden Verfolger bereits so nah herangekommen, dass man ohne Schwierigkeiten Einzelheiten erkennen konnte. Es handelte sich bei ihnen, um einmal einen kleinen sogenannten "Fünfzehnsitzer“ und der andere war ein wesentlich größerer "Zwanzigsitzer“. Somit besaßen die Dänen eine geschätzte Anzahl von siebzig bis neunzig Männern. Er selbst konnte auf der Scīrdraca nur mit zweiundachtzig Kriegern und einem kaum fünfzehnjährigen Diener aufwarten. Jedoch würden die Nordmänner vollkommen überrumpelt und Chancenlos sein. Denn man erwartet einen Handelsfahrer zu überfallen, der in Wahrheit ein bis an die Zähne bewaffnetes Kriegsschiff war. Die beiden Schiffe der Verfolger, waren kleiner, leichter und hatten gerade zusammen so viele Männer an Bord wie "Der weiße Drache“ allein. Doch dafür waren sie leichter und somit wesentlich schneller als ein großer kapitaler "Fünfundzwanzigsitzer“ der nur von zwanzig Ruderern angetrieben wurde. So war es keine Überraschung dass die Dänen immer Näher und Näher heran kamen.
Fünfundzwanzig Schifflängen… Zwanzig Schiffslängen… Fünfzehn Schiffslängen… Dann bei nur mehr Zehn Schifflängen Vorsprung, begannen die Ruderer der Scīrdraca mit voller Absicht unkoordiniert und undiszipliniert zu Rudern. Gleichwie als seien sie durch das immer nähere herankommen der beiden Nordmannschiffe in Panik verfallen. Wodurch es den Dänen natürlich ein leichtes war die vermeintlich Flüchtenden schlussendlich einzuholen. Dabei gingen die äußerst routinierten und kampferprobten Nordmänner wie folgt vor. Zuerst beschleunigten sie das Tempo ihrer Schiffe, so schnell es die Ruderer nur vermochten. Dann hielten sie genau auf die Scīrdraca zu und hoben erst im allerletzten Moment die Ruder gen Himmel, um sich in dem Augenblick als die Schiffsseiten kollidierten nicht von den zurückschnellenden Schäften der Ruder den Oberkörper zerquetscht zu bekommen. Diese Technik war den Dänen liebste Vorgehensweise, bei der wenn alles glatt lief die Wucht der Schiffsleiber dafür ausreichte die Ruder der Gegner brechen zu lassen und sie somit manövrierunfähig zurückließen. Jedoch kannte und erwartete Rollo, der angelsächsische Schiffsmeister der Scīrdraca, diesen Schachzug seiner Gegner und durchkreuzte ihn. Die Gesichter der Nordmänner zeigten indes pure gierige Vorfreude ob dessen was gleich folgen sollte. Sie würden endlich wieder Wikinger sein können. Das hieß Überfälle und Plünderungen vom Schiff aus zu unternehmen und längst wieder verschwunden zu sein bevor irgendwelche Verstärkungstruppen eingetroffen wären. Allerdings wich die sehr verheißungsvolle Zukunftsaussicht schon sehr bald der panischen Ernüchterung, welche sich zumindest auf dem kleineren "Fünfzehnsitzer“ nach dem Manöver des Steuermanns abspielte. Denn Rollo hatte die Scīrdraca im allerletzten Moment hart nach Backbord ziehen lassen, um somit dem linken der beiden Schiffe den Weg abzuschneiden. "Der Weiße Drache“ war groß,  schwer und träge genug um den "Fünfzehnsitzer“ einfach zu überfahren. Bei dem recht heftigen Zusammenstoß wurden bereits einige Dänen überbordgeworfen. Aber das wirkliche Verhängnis ereignete sich erst als der "Zwanzigsitzer“ die Scīrdraca an der Steuerbordseite längs rammte und somit ihren langen eleganten Kiel weit über das andere Deck schob. Somit stand das Vorschiff des ersten Dänenschiffes bereits kniehoch Unterwasser, bevor der Kampf überhaupt erst einmal begonnen hatte.

Am Bug des "Zwanzigsitzers“ stand ein Hüne von einem Nordmann, dessen wilder struppiger Bart unter seinem Lederhelm hervorragte. Alric sah wie dieser Koloss, der bestimmt mindestens einen Kopf größer war als er selbst, einen eisernen Haken an einem langen und dicken Seil schwang. Damit verband der hünenhafte Däne die beiden großen Schiffe am Bug miteinander.  Indem er den Haken sich in die Blanken der Reling der Scīrdraca verfangen ließ und dann dass dicke Tau um ihren eigenen Vordersteven band. Indes lockerte Alric kurz seinen Griff um den Speerschaft, lies seine Hand unterhalb der Mitte gleiten und schloss die Finger wieder fest zur Faust. Indes bereiteten sich auf allen drei Schiffen die meisten der Männer auf den bevorstehenden Kampf vor. Sie verstauten die Ruder, holten ihre Rundschilder, Schwerter, Speere, Pfeil und Bögen sowie Äxte aus dem Unterdeck hervor und rüsteten sich damit. Denn jeder wusste genau, dass ein Seekampf wesentlich härter und verbissener geführt werden wird als einer an Land. Am Meer spielt die Zeit eine wesentlich entscheidendere Rolle, weil der Wellengang und starke  Strömungen schnell zu einer eminenten Bedrohung werden könnten. Auch wenn nun die beiden Schiffe miteinander verbunden waren, mussten die Dänen immer noch ein Hindernis überwinden um an Bord zu kommen, nämlich die höheren Bordwände der Scīrdraca. Wo entlang sich inzwischen die zwanzig Ruderer mit Schwertern, Äxten, Speeren und Schilden aufgestellt hatten, um die Nordmänner vom betreten ihres Schiffes abzuhalten. Der Hüne führte eine kleine Schar, von vier weiteren Männern, gegen das Vorschiff ins Feld. Was sich dank der erhöhten Bordwände als relativ schwierig herausstellte. Er musste zuerst über die eigene klettern, sich dann krampfhaft versuchen irgendwo festzuhalten und anschließend die zweite höhere  überwinden. Was natürlich mit Schwert und Schild unmöglich war. So entschied sich der Däne lieber für seine Waffe. Er kam gut voran. Da der Däne seit seiner frühesten Jugend bereits zur See gefahren war. Ihm waren die schwankenden Bewegungen der Wellen bereits längst in Fleisch und Blut übergegangen. Aber dieses Mal war etwas seltsam. Plötzlich vor dem letzten Schritt, der ihn noch von den Planken der Scīrdraca trennte, taumelte der massige Krieger zurück. Als ihm ein mächtig Aufprall auf seine Brust für einen Moment die Luft aus den Lungen presste. Der Hüne sah an sich hinunter und bemerkte einen langen sauber gearbeitet Holzschaft aus seiner Brust ragen. Einen Augenblick starrte er diesen Fremdkörper nur verständnislos an. Dann als die Erkenntnis einsetzte, kippte der Hüne bereits hintenüber und riss zwei weitere seiner Männer mit sich in die unendlichen grünlichen tiefen der herbstlichen Sæfern-See.

Nachdem Alrics Speer dem Leben des ersten Dänen ein Ende gesetzt hatte, setzte er sich seinen Helm auf, warf den Wollmantel von seinen Schultern und nahm den Rundschild sowie eine Axt auf. Als er das verabredete Zeichen in die kühle Morgenluft hinaus brüllte, war seine Stimme fest und klar, aber wer ihn kannte wusste sofort dass der Ealdorman die klänge der Schlacht liebte…
   "Vorwärts! Für unsere Heimat!“ Während die feste Lederplane zurückgeschlagen wurde und sich eine wahre Flut an schwarz berockten Kriegern über die angreifenden Nordmänner ergoss, wandte sich Alric an Sirtic.
   "Entzünde jetzt die Fackel. Und gib unseren Freunden das Angriffssignal.“ Der junge Angelsachse riss seinen Blick von der Stelle los, wo zuvor der hünenhafte Däne versucht hatte an Bord zu kommen, und eilte mit der Fackel an Alric vorbei.
   "Äh… Ja Herr…“ Dann entzündete er sie am Eisernen Kohlenbecken, um damit Lichtzeichen  geben zu können. Währenddessen hatten die zwanzig Bogenschützen damit begonnen, die Männer zu beschießen, welche auf dem halb von Wasser überspülten kleineren Schiff verblieben waren. Anschließend wurden die über dreißig Krieger, welche ebenfalls unter der Plane sich im Mittelgang verborgen hatten, von Wulfhere auf den dänischen "Zwanzigsitzer“ geführt. Sie gingen ganz nach hinten, zum Heck der Scīrdraca, und schleuderten ihre Speere auf die unter ihnen stehenden Nordmänner. Dabei wurden allerdings kaum einer der Dänen wirklich verletzt noch getötet, da auch diese Männer über stabile hölzerne Rundschilde verfügten. Aber das war ja gar nicht deren Ziel. Denn nun steckten einer oder mehrere Speere tief im Holz, sodass die Schilde der Nordmänner nutzlos wurden. Demnach ließen die Dänen sie fallen und von den hinteren Reihen neue heranreichen. Demnach folgte der erbitterte, von allen Seiten stets gefürchtete und doch unerlässliche, Nahkampf – Mann gegen Mann…
Nur ungefähr die Hälfte der Dänen versuchte an den Kriegern vorbei auf das Schiff zu gelangen, die anderen waren sehr überrascht als sie nun von dem vermeintlich schwächeren Handelsfahrer angegriffen wurden. Wulfhere war groß, grauhaarig und stämmig gebaut, seine Waffe, ein langes schweres Kriegsschwert sirrte in der Luft als er es kreisen ließ. Der erste Mann der ihm, und seinem grimmigen Ansturm an Kriegern zum Opfer fiel, war ein älterer Nordmann. Dieser hatte noch nicht einmal Zeit sein Ruder gegen eine Streitaxt zu tauschen, welche neben ihm an die Ruderbank gelehnt war, da traf ihn bereits der tödliche Stahl von Wulfheres Schwert. Dabei fuhr die Klinge durch Lederzeug, Haut, Muskel, Sehnen und Knochen, als bestünden diese nur als Pergament. Der Mann starb, mit zerfleischten und blutüberströmten Brustkorb, bevor er die Planken berührte. Die guten zweidutzend Männer metzelten noch vier weitere vollkommen überraschte Nordmänner nieder. Indes hatten sich die Dänen allerdings von ihrem Schock erholt. Sie bildeten eine sechs Mann breite und zwei dicke Linie. Welche von einer Seite des Schiffes zur anderen Reichte. Der sogenannte Schildwall, wobei Mann neben Mann stand und sich ihre beiden Schilde je am linken Rand überlappten, um den möglichen Hieb ihres Gegners eher wiederstehen zu können. Diese Kampfart war Standard, nur aufgrund der auf beiden Seiten befindlichen Ruderbänke nicht ganz so einfach umzusetzen. Allerdings verfügten die Dänen über jede Menge Kampferfahrung, sodass ihre Linie auch dem heftigen Ansturm von Wulfheres Kriegern standhielt. Also mussten nun auch diese einen Schildwall bilden und sich so ihrem Gegner erneut stellen. "Wenn Schildwall auf Schildwall trifft, ist dies das Königreich des Todes… für alles und jeden… Wenn der saure Gestank nach Ale, Wein, Met und erbrochenem über das Schlachtfeld weht... bevor dieser von dem des Bluts der Innereien überdeckt wird und das Atmen erschwert…“ Ging es Wulfhere durch den Kopf, während sie vom Feind gegen ihre zweite Reihe zurückgedrängt  wurden. Diese Zeilen waren aus einer sehr bekannten und beliebten Northumbrischen Volksweise, welche er bereits als kleiner Junge mitgesungen hatte. Ob dieser Barde jedoch, welcher dieses Lied gedichtet hatte, je in einer wirklichen Schlacht war oder die Einzelheiten nur vom Hörensagen wiedergegeben hatte konnte er nicht sagen, nur dass dieser Musikus nicht ganz unrecht damit hatte. Es war in der Tat ein drücken, stechen, hauen und schieben. Beide Seiten standen sich unmittelbar Schild an Schild gegenüber und versuchten die Gegner entweder wegzuschieben oder in ihre Richtung aus der gegnerischen Formation zu ziehen. In die dadurch entstehende Lücke könnten dann leicht die eigenen Männer vorrücken und den feindlichen Schildwall von innen her aufknacken wie eine Austernschale. Der Hintermann fing mit seinem Schild eine Axt ab, welche ansonsten Wulfheres Schädel gespalten hätte. Im gleichen Atemzug rammte der große grauhaarige Northumbrier seinen Schild vor. Der Däne dessen Axt im Schild verhakt war, wurde von diesem schildstoß am Kopf getroffen, sodass sein Nasenbein komplett zerschmettert wurde. Im selben Augenblick stach Wulfheres Nebenmann mit seinem Speer zu und beendete damit das Leben des Unglücklichen. Die beiden Schildwälle rückten davon unbeeindruckt weiter vor und erneut hakten und stachen alle aufeinander ein. Der blutige Tanz des Todes ging weiter…

In der Zwischenzeit hatten die zwanzig Bogenschützen begonnen auf die Männer zu schießen, welche noch immer auf dem kleineren Schiff verblieben waren. Schon bereits die erste Salve sorgte für mehrere Tote und Verwundete. Aber was die Nordmänner wirklich in Rage versetzte war dieses ohnmächtige Warten auf das unvermeidliche Ende, was so ein Pfeilhagel stets mit sich brachte. So erging es auch Tóki Eilafson der sich hinter der letzten Ruderbank und unter einem gefällten Kameraden verbarg. Der junge blonde Däne, war nicht feige, auch wenn man dies vielleicht gedacht hätte. Aber das was er gesehen und gerade überlebt hat, würde wohl jeden zu einer solchen Verzweiflungstat treiben.
Beim Zusammenstoß hatte Tóki glück zu sitzen, sodass er nicht von Deck geschleudert wurde, wie die armen Teufel die gerade gestanden waren. Dann kam die erste Pfeilsalve und traf einige der Männer neben ihm, welche soeben ihre Waffen aufnehmen wollten. Innerhalb eines einzigen kurzen Augenblicks sah der junge Nordmann eine Reihe tapferer und bärenstarker Krieger fallen, die alle weit mehr an Kampferfahrung als er selbst vorzuweisen hatten. In seinen Augen war dies eine feige Art und Weise zu töten. Krieger sollten in seiner Vorstellung Mann gegen Mann kämpfen und nicht aus weiter Ferne mit einem Pfeil töten. Überall auf dem kleinen Schiff lagen Dänen herum, manche bereits schlaff und still, während sich andere noch im Todeskampf wanden. Das Meerwasser welches bereits den gesamten Mittelgang überflutet hatte, verwandelte sich zusehends in eine nach Blut stinkende blass rote Brühe. Die, die bei jeder neuen Welle die das unterwasserliegende Vorschiff überspülte, aus dem Unterdeck gedrückt wurde. Nach der dritten und letzten Pfeilsalve, kam ein Mann neben Tóki zu liegen. Es handelte sich um Svein, den Steuermann und Schiffsmeister des "Meeresschattens“. Als den alten Seebären die nächste Welle erfasste und zu ihm umdrehte stieß es Tóki sauer vom Magen her auf. Denn dem Mann ragte ein Pfeil aus der Kehle und der andere steckte mitten in seinem rechten Auge. Welches nun nur mehr einer leeren blutigen und grundlosen Höhle glich. In diesem Moment verfluchte der junge Däne nicht nur seinen Entschluss auf diesen Beutezug mitgekommen zu sein, um mit seinem Beuteanteil seine geliebte Siegrid heiraten zu können, sondern auch den in alle Ewigkeiten verdammten Alric von Deira. Möge ihn Hoddr, der Blinde Gott des Meeres, doch in die eisigen Tiefen Niffelheims treiben und soll sich die Midgardschlange an seinem toten madigen Fleisch gütlich tun. Aber Svein hatte heute Morgen kurz vor dem Angriff den, inzwischen ebenfalls toten, hünenhaften Schiffsmeister des anderen Schiffes vor dem listenreichen Ealdorman, der seinem Vater angeblich in nichts nachstand, gewarnt. Doch die Aussicht auf fette Beute ließ im Endeffekt jegliche Skepsis weichen und sie fuhren sehenden Auges in diese Falle, die ihnen nun allen das Leben kosten würde. Davon war zumindest Tóki inzwischen felsenfestüberzeugt. Seine letzten Gedanken galten seiner walkürinnengleichen Siegrid, als die feigen Henker kamen um ihr scheußliches Mordwerk zu vollenden.

Alric stellte sich indes allein den beiden übriggebliebenen Dänen am Vorschiff der Scīrdraca entgegen. Den ersten begrüßte der Ealdorman mit einem wuchtigen Schildhieb. Nun da dieser erst einmal versorgt war und mit seinem Gleichgewicht zu kämpfen hatte, konnte sich Alric getrost dem zweiten zuwenden. Durch das Tau und den Wellengang stark behindert glitt der Nordmann beinahe aus und die Axt des Northumbrischen Herren fand leicht ihr Ziel, bevor sich dieser an die Bordwand klammern konnte. So starrte er ihn mit seltsam verdrehtem Blick an. Bevor der Däne mitsamt Alrics Axt, welche immer noch tief in seinem gespaltenen Schädel verkeilt war, zurück taumelte und wie ein gefällter Riese auf dem Deck dessen Schiffes landete. Demnach zog Alric sein edles, aus Damaszenerstahl gefertigte, Schwert aus der mit dunkelrot gefärbtem Leder bezogenen Scheide. Und hieb im nächsten Augenblick mit voller Kraft auf die Schwerthand des Nordmanns der sich gerade an der Bordwand festklammerte. Dies war nicht fair – was ihm durchaus klar war – nur es herrschte nun einmal Krieg. Die Schneide der langen Klinge glitt in spielerischer Leichtigkeit durch Lederschiene, Fleisch und Knochen, sodass er dem Mann beinahe den gesamten Unterarm knapp unterhalb seines Ellbogens abtrennte. Daraufhin ließ Alric seinen Rundschild fallen, backte den schreienden Dänen an seinen langen Haaren und zog ihn an Bord der Scīrdraca. Doch bevor er ihm den Gnadenstoß versetzen konnte, erregte der junge Sirtic seine Aufmerksamkeit. Der dunkelhaarige Diener stellte sich indes todesmutig einem weiteren Dänen entgegen, der seitlich an den Kämpfenden Männern beider Schiffe vorbei gekommen war. Da Sirtic, als Diener, weder ein Schwert noch eine Axt führte und mit seinem Messer einem ausgewachsenen Krieger kaum beizukommen war, schlug er ihm geistesgegenwärtig wie der Junge nun einmal war die brennende Fackel mitten ins Gesicht. Der bärenstarke, mit einem teueren Kettenhemd bewehrte, Mann wurde beinahe geblendet und schrie wie am Spieß. Doch dann beginn Sirtic einen folgenschweren Fehler. Welchen die meisten anderen auch gemacht hätten. Er brachte es nicht zu Ende und setzte sich somit der Gefahr eines Gegenangriffes aus, dem ein Fünfzehnjähriger nichts entgegenzusetzen hätte. Genau aus jenem Grund ließ Alric von seinem Gegner ab. Sirtic sah indes mit Schrecken, wie sich der Koloss die Rußgeschwärzten Augen rieb und mit drohend erhobener Axt auf ihn zu kam. Er wich Schritt um Schritt zurück, bis dies ihm die gegenüberliegende Reling unmöglich machte. Nun schloss Sirtic die Augen und bereitete sich auf seinen Tod vor. Doch stattdessen hörte er ein lautes sirren, welches von einem doppelten dumpfen poltern begleitet wurde. Beinahe im selben Augenblick traf ihn etwas Warmes sowie klebriges mitten im Gesicht und dieses etwas troff langsam gegen Boden. Als Sirtic die Augen öffnete, sah er einen enthaupteten Dänen und dessen Schädel daneben auf dem Planken vor seinen Füßen liegen. Er musste ein würgen Unterdrücken und versuchte sich verzweifelt das Blut vom Gesicht zu wischen. Indes zog Alric, mit seiner nun leeren linken Schildhand, einen Speer aus der Waffenhalterung am Bug und warf ihn dem ziemlich blass dreinsehenden Jungen zu. Dabei herrschte er ihn sogleich an:
   "Töte deinen Feind, oder er tötet dich! Merk dir das… Worauf wartest du eigentlich?“ Und der ältere Ealdorman wies mit der Spitze seines Schwertes auf den am Boden liegenden verstümmelten Mann. Sirtic gehorchte auch wenn es ihm sehr schwer fiel. Er ging hinüber und richtete die Speerspitze genau auf die Brust des Dänen, welcher ihn mit schierem entsetzen in den Augen anstarrte. Alric wusste genau warum, der Junge hingegen nicht. So stieß Alric die Axt welche neben ihm lag mit dem Fuß hinüber zum sterbenden Nordmann, der diese mit beinahe schon ehrfurchtvoller Mine in die unversehrte Hand nahm. Und sich demnach anstandslos von Sirtic erstechen ließ. Als sich Alric demnach zu dem aufgespießten Dänen hinunter beugte, um ihm die Axt aus den erschlafften Fingern zu nehmen, bemerkte er mit einem Lächeln im Gesicht, mit welchen Nachwirkungen sein Diener zu kämpfen hatte.
   "Na Junge, wie geht es dir nun an diesem glorreichen Tag?“ Die einzige Antwort zu der Sirtic im Moment fähig war bestand in einer weiteren Ladung sauren Magensaftes, mit dem er die Fische vergraulte. Nun trat der Ealdorman an die gegenüberliegende Reling und sah seinen Männern einen Augenblick beim Plündern und Meucheln zu.
   "Bogenschützen, zu mir!“ Rief Alric kurzdarauf. Denn die Zeit für die Verteilung der Beute würde noch früh genug kommen, aber noch nicht jetzt. Zuerst musste der immer noch intakte Dänische Schildwall auf dem "Zwanzigsitzer“ gebrochen werden. Ja dann, dann hätte sich  dieser Tag wirklich bereits zur Morgenstunde als glorreich und äußerst lohnend erwiesen.

Zwölf der insgesamt zwanzig Bogenschützen folgten dem Befehl ihres Ealdormans. Das war auch vollkommen in Ordnung so, denn die restlichen mussten dafür sorgen das alle übrigen verwundeten Dänen auf dem kleineren der beiden Schiffe beseitigt wurden. Ansonsten gab es immer wieder in den vergangenen Jahren böse Überraschungen. Die Schützen traten vor und stellten sich im Bugbereich der Scīrdraca auf. Da Wulfhere mit seinen Leuten vom Heck aus vorrückte und so die Verteidiger den Bogenschützen ihren Rücken zuwandten, so hatten diese besonders leichtes Spiel. Sie schossen auf sehr kurze Distanz Pfeil auf Pfeil ab. Diese langstieligen Kriegspfeile, mit ihrer weißen Gänsebefiederung sahen beinahe komisch aus, wie sie in den Leibern der Feinde steckten. Aber eben nur beinahe, denn jedem war klar es handelte sich um eine Kriegswaffe, deren einziger Zweck darin bestand zu töten. Die Nordmänner stöhnten und ächzten derweil unter einer nicht abnehmenden Anzahl von Pfeilen. Welche sich zum Teil tief in ihre Rücken bohrten und nicht wenige der tapferen Krieger in die prächtigen Hallen von Walhalla einziehen ließen.
Indes wurde Alric Zeuge dessen, wie ein Däne einen weiteren seiner Männer mit seinem Schwert zu Fall brachte. Diese abscheuliche Tat entfesselte in ihm ein rasendes Feuer, welches jeden Fuß breit in seinem inneren ausfüllte. Daraufhin sprang der Ealdorman wie von Sinnen auf das niedere Deck des zweiten Dänischen Schiffes herab und begann mit seinem Tötungswerk von neuem. Er hieb derweil mit grimmigen Axt- und Schwertschlägen auf die ungeschützten Rücken seiner Gegner ein. In einem Moment der fiebrigen Rage, lächelte Alric irr und glich dabei dem Seelenschnitter Höchstselbst. Ein Däne konnte sich gerade noch rechtzeitig zu ihm herum drehen, um mit dem Schild sein Schwert abzuwehren. Doch Alrics Axthieb konnte der Mann nichts mehr entgegensetzen. Und so durchtrennte diese schwere Waffe den halben Hals ohne Schwierigkeiten. Allerdings verfing sich das Axtblatt in der stark blutenden Wunde, sodass er gezwungen war jene Waffe aufzugeben. Indes nutzte ein weiterer Dänischer Krieger den winzigen Moment indem Alric abgelenkt und behindert war, um ihn seinerseits anzugreifen. In diesem Moment schlingerten die beiden aneinander gebundenen Schiffer unter einer recht heftigen Welle. Diese Woge brachte den Ealdorman aus dem Tritt und dadurch verfehlte der Speer den der Nordmann fest in beiden Händen hielt nur um einen drittel Fuß. Die Spitze verhakte sich im Holz der Bordwand und Alric stach sogleich dem Mann die Spitze seines Schwertes tief in den Schlund. Das Blut des würgenden Nordmannes sprudelte nur so über seine Hand und das Heft, als er sein Schwert umdrehte um es wieder frei zu bekommen. Dann suchte sich Alric, immer noch vom Blutrausch besessen, bereits sein nächstes Opfer. Es war ein bereits etwas älterer Däne mit dickem Bauch, der beinahe seinen Lederharnisch aufzusprengen drohte. Der Ealdorman hielt sich mit keiner langen Vorarbeit auf, sondern backte den Mann an seinen langen ergrauten Haaren und zog ihm dadurch seinen Kopf weit nach hinten. Anstatt dem Nordmann nun die entblößte Kehle einfach durchzuschneiden, stach Alric sein Schwert in dessen durchgebogenen Rücken. Der Mann wandte und krümmte sich vor Schmerz, als er von hinten im wahrsten Sinne des Wortes aufgespießt wurde. Die bluttriefende Spitze der Klinge ragte dem Alten aus der Brust und im gleichen Moment erstarb alles Leben in dessen dunkelblauen Augen. Dieses Mal musste sich Alric regelrecht gegen den Rücken des Nordmanns stemmen um seine Klinge zu befreien. Und dann suchte er sich blind vor Mordlust ein weiteres Opfer heraus. Aber da war keiner mehr, denn mit einem Mal war der so heftige Wiederstand der Dänen gebrochen worden und die letzten von ihnen wurden gerade von den seinen Niedergestreckt.

   "Vorwärts Männer, sammelt die Ausrüstung der Toten ein. Schaut nach ob die beiden Schiffe etwas Wertvolles geladen haben. Dann bringt die Leichen auf den "Zwanzigsitzer“ und versenkt das Andere endgültig.“ Seine Männer machten sich solgleich ans Werk. Sie förderten jede Menge an Silber- und Goldarmreifen zu Tage, welche die Dänen als Zeichen der Ehrerbietung und des Standes an den Armen trugen. Auch mehrere brauchbare Schwerter, Äxte, Speere und besonders gute Lindenholz Rundschilde kamen zum Vorschein. Allerdings die beiden Dinge welche zweifelsohne den größten Wert darstellten waren einmal das Schiff und zum anderen nicht weniger als zweiundzwanzig hochwertige Kettenhemden, die zwar nicht aus dem Frankenreich stammten. Aber zusammen dennoch mehr Silber kosten würden als ein "Zwanzigsitzer-Langschiff". Alric war mit seiner Beute sehr zufrieden und in Zukunft würden es sich die Nordmänner zweimal überlegen eines seiner Handelsschiffe zu überfallen. Er nahm gerade einen großen Schluck aus einem Weinschlauch, als auf dem inzwischen halbgesunkenen "Fünfzehnsitzer“ Tumult ausbrach. Dort bei den letzten Ruderbänken stand ein junger blonder Däne kampfbereit da, der von einem guten Dutzend schwarz gekleideter Hauskrieger umgeben war. Alric ging an einer Reihe seiner Männer vorbei, kletterte auf die Scīrdraca zurück und kam bei der backbordseitigen Reling zum Stehen. Dabei schienen ihn die blauen hasserfüllten Augen des jungen Nordmanns beinahe augenblicklich in die eisigen Tiefen von Niffelheim zu wünschen.
   "Wer bist du mein Junge?“ Fragte Alric den blonden Dänen in dessen Mundart, die dem alternden Ealdorman in den unzähligen Jahren des Krieges bereits in Fleisch und Blut übergegangen war. Indes trat nun ebenfalls Wulfhere an die Reling heran.
   "Herr?“ Daraufhin brach Alric den Blickkontakt zu dem Dänischen Jungen ab und sah seinen Hauptmann mit einem halbseidenen Lächeln an.
   "Oswyn, Löfwine und Enno sind tot. Drei weitere Mann wurden ebenfalls verletzt.“ Diese Nachricht trübte Alrics Siegesfreude etwas.
   "Die Zwillinge und Enno, also. So eine verdammte Schande, dies waren gute treue Männer! Du haftest mir persönlich dafür dass ihre Familien den fünffachen Anteil bekommen.“ Dann wandte sich Alric wieder dem jungen Mann zu und wechselte erneut ins dänische.
   "Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du bleibst auf dem Schiff und begegnest ohne Schwert in der Hand Hel, oder du kommst mit uns… Entscheide dich!“ Selbst in dieser misslichen Lage zeigte dieser Bursche Wiederstand und Eigensinn, was Alric irgendwie gefiel.
   "Ihr Herr, lasst mir kaum eine andere Wahl als Euch zu begleiten.“ Rief der Junge zurück. Dabei war seine Stimme immer noch von nur schlecht unterdrückter Wut und Bitterkeit beherrscht.
   „Männer wie es aussieht haben wir einen neuen Rekruten…“ Alle Männer von Alrics Hausmacht begannen schallend zu lachen. „Also steht ihm nicht im Weg!“ Wies der Ealdorman seine Krieger an, die den Jungen Burschen nun an Bord der Scīrdraca geleiteten. Kaum hatte der Däne sein Schiff betreten griff jener ihn auch schon mit dem Schwert an. Alric wich diesem von purem Hass erfüllten Schlag, der dadurch ziemlich unbeholfenen war, mit Leichtigkeit aus. Er ließ den jungen Dänen seine Kräfte bei sinnlosen und wilden Hieben vergeuden. Der daraufhin versuchte den Ealdorman mit der Spitze seines Schwertes aufzuspießen, gleich wie einen dicken  fetten Eber. Alric tat nichts, zog nicht sein Schwert und winkte keinen seiner Gefolgsleute heran. Er wartete bis zum letzten Moment. Dann drehte sich der dunkelhaarige Mann einfach und elegant an dem Nordmann vorbei, sodass die Schwertspitze in die Planken der Reling fuhr. Nun trat Alric vor den Jungen hin, hob in einer fließenden Bewegung sein Knie an und rammte es ihm dabei mit voller Wucht in dessen Männlichkeit. Dies ließ den jungen Dänen zusammenklappen, als hätte ihn Thors Hammer Mjöllnir mit Blitzen hernieder gestreckt. Anschließend krümmte sich der Blonde wimmert am Boden zusammen.

Im roten Schein, des nun unmittelbar bevorstehenden Sonnenaufganges, konnte man vier weitere Langschiffe am Horizont ausmachen. Welche mit voller Fahrt in Richtung der felsigen Küste von Cornwalum segelten. Die kleine Flotte bestand aus je zwei "Fünfundzwanzigsitzern" und "Zwanzigsitzern". Die ersten beiden, die größeren, gehörten Alric und sie hießen Scīrléon und Fyrdraca. Was auf Angelsächsisch so viel bedeutete wie "Der Weiße Löwe" und "Der Feuerdrache". Dies sollte eine koordinierte Strafaktion werden um eines der Verstecke der dänischen Plünderer in der Sæfern-See auszuräuchern. Für dieses hehre und edle Ziel war Alric sogar bereit Männer, Schiffe und Gold zu riskieren. Wie auch gemeinsame Sache mit den Westsachsen zu machen. Die ebenfalls zwei voll Bemannte Langschiffe gestellt hatten. Während nun Alric wiederum im Bugraum stand und die ferne in rotes Licht getauchte Küstenlinie des Keltenlandes betrachtete, wurde der junge Däne von zwei seiner schwarzgewandeten Gefolgsleuten auf die Beine gezogen und ins Zwischendeck Achtern gebracht. Indes hatten alle Ruderer, mit fünf Ersatzmännern, die Ruderbänke bemannt und zeigten aufs neue wie schnell die Scīrdraca eigentlich war. Die wie ein weißer Pfeil über die Sæfern-See glitt und dabei hinter sich ein "Totenschiff" her zog. Nur Alric gefiel der rote schimmer des bevorstehenden Herbsttages ganz und gar nicht. Nicht dass dies ein greifbares Gefühl gewesen wäre, aber er fühlte einfach großes Unheil heraufziehen. Und wäre der alternde Ealdorman ein heidnischer Nordmann gewesen, dann hätte dieser in jenem Augenblick bestimmt die Nornen lachen gehört.

Wyrd bið ful aræd – Das Schicksal ist unausweichlich... Es wurde bereits längst vor deiner Geburt festgelegt und niemand vermag es zu verändern, egal wie sehr man es auch versucht.

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