Ah, ein Cardassianer-Thread ....

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Ich finde die Analyse von Visitor 5 auch sehr gut und sehr schlüssig. Die Idee, dass das Fußvolk bei Cardassianischen ilitär hauptsächlich aus "Pöbel" besteht, der durch seine schlimmen Lebensbedingungen gewaltbereit wurde, hatte ich auch mal in Defender aufgegriffen.
So ein ähnliches Essay über die Cardassinische Geschichte hab ich vor Jahren auch geschrieben. Ich poste es hier mal auszugsweise:
EDie Zivilistenrevolte auf Cardassia, so die landläufige Meinung, läßt sich ganz simpel durch Wegfall des Obsidianischen Ordens erklären. Als die vereinigte Flotte des Ordens und des romulanischen Tal Shiar in den Gamma-Quadranten aufbrach, um die Heimatwelt der Gründer anzugreifen, ahnte noch niemand, dass damit der Grundstein für einen Umbruch des gesamten Alpha-Quadranten gelegt werden sollte. Die Invasion endete in einem Desaster, die cardassianischen und romulanischen Schiffe gerieten in einen Hinterhalt des Dominion und der Obsidianische Orden verlor sein gesamten Führungspersonal.
Selbstredend war die Mission streng geheim und lediglich einige Besatzungsmitglieder der Raumstation Deep Space Nine wussten, was tatsächlich vorgefallen war. So erscheint es logisch, dass der Aufstand der cardassianischen Zivilisten erst mehr als ein Jahr nach der gescheiterten Offensive im Gamma-Quadranten ausbrach. Die Informationen über die Vernichtung des Ordens sickerten nur sporadisch und tropfenweise durch die Festungsmauern der Cardassianischen Union.
Doch Gerüchte verbreiten sich bekanntlich mit Warpgeschwindigkeit – und Gerüchte, die der Wahrheit entsprechen, verdichten sich langsam aber sicher zu Beweisen. Da für diesen Regierungswechsel nicht das Dominion verantwortlich war – wie eine Zeitlang vermutet wurde – konnte nur der Wille einer Bevölkerungsmehrheit dahinterstehen. Die Cardassianer brauchten ihre Zeit, um zu begreifen, dass sie tatsächlich frei waren von Terror und pausenloser Überwachung.
Zweihundert Jahre Militärdiktatur können eine Gesellschaft sehr tief prägen. Die Mentalität der Cardassianer – die “politische Kultur “, wie es in Fachkreisen heißt – stützt sich auf ein nahezu bedingungsloses Vertrauen in den Staat und ein konservatives Beharren auf alten Strukturen. Die Bürger erwarten, dass der Staat sie beschützt, ihnen Arbeit und ein Dach überm Kopf besorgt und danken dies mit Loyalität und Hingabe. Natürlich kann ein Staat, der seine Schäfchen behütet wie ein treusorgenden Vater, nicht zulassen, dass jemand seine Autorität anzweifelt! Das wäre doch anmaßend, undankbar und außerdem respektlos! Wer also seinen Schnabel zu weit aufreißt und deshalb irgendwo spurlos verschwindet, ist selber schuld. Punktum.
Das ist die cardassianische Staatsdoktrin – und sie entbehrt nicht einer gewissen kaltschnäuzigen Logik. Doch hätte dieses System tatsächlich so reibungslos funktioniert, wie die cardassianische Propaganda uns Glauben machen wollte, wäre nach dem Zusammenbruch des Obsidianischen Ordens niemand auf die Barrikaden gegangen. Abgesehen von ein paar Weltverbesserern, die alles in Frage stellen müssen…
Der Weg, den Cardassia vor 200 Jahren eingeschlagen hat, war verhängnisvoll – doch in der Geschichte vieler Föderationswelten finden sich Parallelen.
Jene Partei, die Cardassi jahrzehntelang regiert hatte, war der unerschütterlichen Überzeugung gewesen, dass die Stärke und das Wohlergehen eines Volkes ausschließlich am Wirtschaftswachstum und der technischen Entwicklung gemessen werden konnten. Rationalität, Fortschritt, Leistung und immer wieder neue technische Erfindungen, deren Besitz als Statussymbol galt, wurden zum Lebensinhalt einer gesamten Nation. Wer diesem Bild nicht entsprach, weil er etwa religiös oder ein Naturfreak war, wurde im besten Fall belächelt, im schlimmsten Fall diskriminiert. Doch die Rohstoffe des Planeten erschöpften sich recht schnell unter den ständig wachsenden Ansprüchen seiner Bewohner. Bald machten Hungersnöte, Seuchen und Naturkatastrophen das Leben unerträglich und die ersten Kämpfe um die letzten verbliebenen Ressourcen entbrannten. Die Regierung rief den Ausnahmezustand aus – mit dem Ergebnis, dass sie vom eigenen Militär gestürzt wurde. Den Streitkräften gelang es schließlich, den gesamten Planeten unter ihre Herrschaft zu zwingen – und viele andere Planeten, die dem cardassianischen Volk jene Ressourcen lieferten, die es benötigte, um den Lebensstandard wieder zu erreichen, den es während der Blüte seiner Zivilisation genossen hatte.
Als die cardassianischen Streitkräfte Bajor eroberten, zeichneten sich bereits die ersten Probleme ab. Oftmals kosteten die vielen Kriege mehr, als sie an Beute einbrachten, die Regierung kürzte die Sozialausgaben zugunsten des Militärs, appellierte mit großem Pathos an die Opferbereitschaft der Bürger und versprach, dass es nach dem nächsten glorreichen Sieg allen besser gehen würde.
Doch die Bajoraner waren nicht nur das erste von Cardassia unterworfene Volk, das ernst zu nehmenden Widerstand leistete … Viele Cardassianer konnten sich dem Sog dieser fremdartigen Lebensweise nicht entziehen. Erstmalig wurde ihnen vor Augen geführt, dass möglich war, andere Wege einzuschlagen, ohne in Dreck und Armut zu vegetieren. Die Herrscher im Zentralkommando spürten, dass das Volk langsam aber sicher ihrer Kontrolle entglitt, und beschlossen, die Zügel fester in die Hand zu nehmen. War vorher schon der größte Teil des Staatshaushaltes für das Militär draufgegangen, wurde nun fast der gesamte Rest für den Obsidianischen Orden ausgegeben: für Spitzel, Überwachungsgeräte und Gefängnisse. Schließlich reichten die Mittel kaum noch, um die Versorgung der Kriegsinvaliden, Alten und Kranken zu sichern.
So absurd dies klingen mag – das cardassianische Militär führte längst keine Kriege mher, um Feinde zu bekämpfen, sondern um welche zu schaffen. Die Gewinnung von Lebensraum und Rohstoffen war im Grunde nichts weiter als ein willkommener Nebeneffekt.
Man fragt sich unwillkürlich, weshalb die Cardassianer den Planeten Bajor über fünfzig Jahre lang besetzt hielten, obwohl die Kosten zur Terrorbekämpfung die Ausbeute letztendlich weit überstiegen. Immerhin gibt es in diesem Quadranten mehrere unbewohnte Klasse-M-Planeten, deren Klima zum Teil wärmer und angenehmer ist als das Bajors. Doch das cardassianische Militär unterdrückte die Bajoraner, diese setzten sich zur Wehr, hasserfüllte bajoranische Rebellen töteten Männer, Frauen und Kinder… und ein neues Feindbild war geboren. Nun, da es kaum noch Pazifisten und Bürgerrechtler gab, die man nach effektvollen öffentlichen Prozessen einsperren und hinrichten konnte.
Für ein totalitäres Regime wie die cardassianische Militärdiktatur sind nämlich Feinde lebensnotwendig: Sie dienen als Rechtfertigung, um das Volk zu überwachen, drastische Strafen für unbedeutende Delikte zu verhängen, sämtliche verfügbaren Staatsgelder in die Rüstungsindustrie und die Geheimdienste zu buttern, Steuern zu erhöhen… Ohne Feinde hätte die Herrschaft des Zentralkommandos sehr schnell ihre Berechtigung verloren, das Volk hätte sich viel eher erhoben und sogenannten wichtigen Leuten die Kehlen aufgeschlitzt.
Als Gul Dukat gezwungen wurde, von Bajor abzuziehen, blieb den Herrschenden nichts weiter übrig, als ihre eigenen Untergebenen zu verfolgen, um den Kampfgeist und den Hass ihrer Anhänger aufrecht zu erhalten, um ihre Gier nach Feindbildern, Schauprozessen, Sensationen, Verschwörungstheorien, Mord und Totschlag zu befriedigen.
Der Druck, der dabei entstand, machte die Cardassinische Union zum Pulverfass.
Es gibt in der Föderation ein weit verbreitetes Vorurteil: Cardassianer haben keine eigene Meinung, sie werden so lange mit Propaganda berieselt, bis sie nicht mehr selbstständig denken können, sie respektieren Autorität und werfen sich vor jeder Obrigkeit platt wie terellianische Flundern auf den Bauch.
Klischees wie dieses gedeihen hervorragend in einer Welt, wo die Leute um nichts mehr kämpfen müssen, wo niemand Hunger leidet und Andersdenkende nicht um ihr Leben fürchten müssen. Dabei fordert ein Regime, wo der Einzelne unterdrückt und nonstop überwacht wird, ebenso Widerspruch heraus wie ein Vater, der seinen Kindern ständig verbietet, auf der Straße zu spielen.
Natürlich gibt es auch Kinder, die dem übermächtigen Vater immer gehorchen und nie erwachsen werden. Unter der Fuchtel eines allmächtigen Staates, der seinen Bürgern vorschreibt, welche Bücher sie lesen, wo sie unseren Urlaub verbringen und was sie zum Frühstück essen dürfen, ist es auch besonders schwer, zu sich selbst zu finden. Noch schwerer ist es, sich zu emanzipieren.
Doch das cardassianische Volk hat es geschafft, unter schwersten Bedingungen erwachsen zu werden. Denn der Staat, der selbsternannte Übervater, hörte auf, für seine Kinder zu sorgen. Er hätschelte nur noch diejenigen, die ihm schmeichelten und ihm ähnlich waren, misshandelte die Ungehorsamen und vernachlässigte alle Übrigen.
Dieser Vater hatte nicht begriffen, dass man sich Dankbarkeit und Treue verdienen muss … dass man sich durch Macht allein keinen Respekt verschafft."