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Art-ificial Intelligence

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Leela:
... damit zu Teil 2.

V. Verlagerung des Zentrums und das Heraustreten aus dem Bild.
Was heute kaum beachtet wird, ist, dass wir das Bild nicht mehr im Originalzustand sehen, sondern das seine Ränder massiv gekürzt wurden. Daher hat sich auch der Bildaufbau verschoben. Steht man heute vor dem Bild ist das Zentrum relativ eindeutig zu ermitteln; es sind die Hauptfiguren.



Legt man aber das Original und seine Bildabmessungen zu Grunde, welche Figur rückt da plötzlich ins Bildzentrum? Es ist vermutlich keine Überraschung mehr. Die Figur des Attentäters befindet sich plötzlich im Bildzentrum.


Noch deutlicher wird es, wenn man das Bild nur auf seine Figuren reduzieren würde. Der Attentäter würde von allen Figuren her absolut ins Zentrum geraten.


Und an dieser Stelle kann man Rembrandts Bild gedanklich einmal in Ebenen zerlegen. Immerhin, die beiden Offiziere im Bildvordergrund treten ja beinahe aus dem Bild heraus. Was würde passieren, wenn sie es tatsächlich täten? Was würde das Bild dann zeigen? Würde man dann ernstlich noch davon ausgehen hier befände sich eine Kompanie auf dem Marsch?


Wohl eher nicht. Die beiden Offiziere wirken immer mehr wie vor eine Kinoleinwand platziert, hinter ihnen spielt sich etwas unerhörtes ab, etwas wichtiges. Und auch Moderne Bilder arbeiten natürlich mit dieser Art Bildtiefe und „Ebenen“. Neuerlich erzeugt man damit sogar 3D Effekte.




VI. der Mann in Weiß
Geht man davon aus, dass das Bild in mindesten zwei Ebenen zerfällt, ist die Frage wie Rembrandt diese in Beziehung setzt. Zwei Zentrale Punkte sind der Offizier in Hell und die Frau. Entweder sind Rembrandt hier zwischendurch die Farben ausgegangen, oder aber man könnte Argumentieren – das, da beide fast Farbgleich gehören irgendwie zusammen. Sogar ihre Kleidung scheint enorm ähnlich.

Tatsächlich gibt es dafür einige Indizien. Nimmt man zb den Blick der Frau, so geht dieser direkt durch den Mann in Schwarz durch, zum Gesicht des anderen Offiziers. Und auch dessen Blick geht ins Leere... aber auch etwas in ihre Richtung. Sein Körper neigt sich ihr auch zu. Er tendiert noch mehr zum Bildhintergrund als der Schwarze. Auch die Hellebarde deutet auf einen sexuellen Kontext hin. Auch die Hellebarde gilt als Phallus Symbol – insbesondere da auch sie ein „Stichwaffe“ ist, sie durchdringt etwas. Und hat dabei eben noch recht eindeutig Formen. Ob es tatsächlich Zufall ist, dass die Spitze der Hellebarde die der Helle Offizier trägt direkt aus seinem Schritt zu ragen scheint? Wäre es schwer gewesen für Rembrandt sie etwas zu kürzen oder zu verlängern? Wohl nicht. Hier könnte tatsächlich eine enge, sogar Sexuelle Beziehung zwischen beiden Figuren angedeutet werden... Die Frau als Mätresse des Offiziers, ihr Blick sucht ihn.... seiner sucht sie, aber der Mann in Schwarz schiebt sich dazwischen.



VII. der Mann in Schwarz
Ist nicht der Held des Bildes. Im Gegenteil. Er scheint... ein Kriegstreiber, ein Störer, jemand der Unrecht deckt, Kriege und Fehden anzettelt... Rivalen aus dem Weg räumen lässt. Er drängt sich zwischen die Licht-gestalten, zwischen Beziehungen und... er versucht die Guten zu verführen.

Hier eine kleine Chronologie der Merkwürdigkeiten um den Mann in Schwarz;

* er scheint zivil aufzutreten – aber das ist nur Maskerade. Unter seinem zivilen Kragen scheint der metallische Kriegskragen durch. Im Vergleich zu seinem Begleitoffizier ist er also „versteckt“ in Rüstung. Sein Begleiter trägt seine Waffe und Rüstung offen.
* erinnert sich noch wer daran das er offenbar zwei rechte Handschuhe trägt? Ja, tut er. Die plausibelste Erklärung dafür ist, dass er einen Fehdehandschuh eine Feindes oder Rivalen aufgesammelt hat. Scheint er deswegen besorgt? Nein. Aber offenbar ist hier gerade eine Fehde im Gange.
* der Schatten seiner Hand mit der er verführerisch dem anderen Offizier etwas erklärt... fällt dieser Schatten wirklich zufällig auf den Genitalbereich seines Begleiters? Greift er auf dessen Männlichkeit zu oder auf seine Waffe? Wenn ja würde das bedeuten, er möchte sich seiner Bedienen... ihn sich dienstbar machen. Ein Griff nach seiner Kraft, als Schatten dargestellt.
* das er sich zwischen beide Licht- und womöglich Liebes-gestalten zu drängen scheint... habe ich schon erwähnt.
* das er den Attentäter ver-deckt und verbirgt auch
* das Rot und Schwarz, seine Farben, die Farben des Teufels in der damaligen Zeit sind, wurde aber noch nicht erwähnt. Mit etwas Fantasie kann man auch sein nach hinten gestelltes Bein als Teufelsfuss missdeuten. Die rote Schärpe die weit hinter ihm zu Boden fällt, ist gewiss auch nur ein Zufall und kein Hinweis auf einen... Schwanz. :D
* Und wer auf diesem Bild sieht ihm am ähnlichsten? Gibt es noch einen Mann mit so einem schwarzen Hut, Spitzbart und „zivilen“ Kragen? Ja, die gibt es... ganz rechts. Dieser Mann ist fast genauso ehrwürdig gekleidet und gestaltet (Gesicht)... auch in Schwarz, aber ohne rote Schärpe. Könnte dies ein Rivale sein? Ein Vorgänger oder Nachfolger für den Hauptmann? Man weiß nur sie sehen sich ähnlich in Kleidung und Ansehen. Aber: ausgerechnet der Doppelgänger deutet auch noch auf den Attentäter? Ausgerechnet geht der Schuss in seine Richtung? Und sieht es nicht beinahe so aus als würden die ganzenLanzen im rechten Bildteil fast eine Art Käfig um diese Person bilden... in den man hineinschiesst oder sticht?


Wahnsinnig viele Zufälle für einen „alten Meister“.


VIII. Die Hunde des Krieges
Und sogar der Hund scheint in Richtung des „Ziels“ zu kläffen. Der Ausdruck „die Hunde des Krieges“ von Shakespeare war damals natürlich noch nicht so bekannt und erst 20 Jahre alt. Dennoch wird das Bild heute nicht nur wegen seiner Dynamik als „Anschlag“ auf die Kunst gewertet... es wird in einigen Interpretationen vermutet Rembrandt stellt einen „wahren“ Mord der damaligen Zeit verschlüsselt dar und setzt sich selbst als Zeuge dazu und beschuldigt durch verschiedene Bildsymbole diverse (reale) Personen der Mit-Täter und Mitwisserschaft.

So soll der Hauptmann der realen Figur von Andries de Graeff entsprechen – dem damaligen Regenten und Bürgermeister von Amsterdam (tatsächlich sehen sich beide ähnlich http://de.wikipedia.org/wiki/Andries_de_Graeff) der ein Mitglied der Stadtwache, nämlich Piers Hasselburg, beseitigen lässt durch ein Attentat. Rembrandt, so eine Theorie habe so viele Details, Hinweise und Anklagen gegen die damalige politische Situation im dem Bild versteckt – das jeder Zeitgenosse sie habe sehen müssen. Auch die Mächtigen und Bösen – die er angeklagt habe. Woraufhin sie ihn wirtschaftlich ruinierten (was tatsächlich geschah).



Man muss dieser Verschwörungstheorie nicht glauben. Vieles daran wirkt auf den ersten Blick konstruiert, viele Details habe ich zudem weggelassen. Alles kann man abtun.

Nur... eine wichtige Frage bleibt dann unbeantwortet: Wie kann es einem Meister wie Rembrandt passieren, dass er zwei rechte Handschuhe malt?

Immerhin reden wir hier von einem Bild das 5 Meter gross ist. Das zig Studien und Vorzeichnungen gebraucht hat. Das auf Leinwand vorgezeichnet wurde... dann langsam korrigiert und gemalt wurde. Rembrandt, der Ultrarealist, hatte vielleicht auch schlechte Tage. Aber an diesem Bild hat er zig Monate gearbeitet. Vermutlich sogar mit Schülern und begleitenden Zuschauern. Und die wissen alle nicht wo der linke Daumen sitzt? Diese Argumentation ist noch grotesker als... jede Verschwörungstheorie.


Natürlich kann man sogar das abtun. Wenn interessieren schon zwei rechte Handschuhe von 1642?

Aber das Bild... ist aktueller im Bewusst sein als man glaubt. 1911 sticht ein Exsoldat mit einem Messer auf das Bild ein... 1975 wiederholt ein Lehrer das Attentat auf das Bild. Beide wollen sich am Staat rächen – indem sie ihm dieses Kunstwerk vernichten. 1990 versucht jemand das Bild mit Schwefelsäure zu zerstören. Zählt man die „Beschneidung“ dazu hat das Bild also 4 schwere Angriffe überlebt... eigentlich ein Zeichen wie wichtig es ist.

Und wenn man auch das beiseite schiebt...


IX. John F. Kennedy... und das Attentat auf den Attentäter, made by Rembrandt...
… was würde passieren, wenn das Leben die Kunst imitiert? Was passiert... wenn sich die zentrale weiße Figur und der böse Schwarze bis in unsere Zeit gehalten hätten? Wenn sie heute noch auf Bildern von Attentaten zu sehen sind? Was wenn das Leben solche Situationen imitiert?

Jahrelang haben Rembrandt Forscher nach dem Ort gesucht der als Kulisse für das Bild gedient haben könnte. Gefunden haben sie ihn nicht. Aber – die Szene spielt eben vor einer Mauer und einem Torbogen, einem Durchgang. Auch das kann das Leben imitieren.

Und so wie Rembrandt vielleicht einen echten Mord seiner Zeit festgehalten hat, hat man 1963 den ersten Mord „live“ im TV sehen können. Nein, nicht der von JFK – davon gab es nur Privataufnahmen. Sondern der Mord an seinem vermeintlichen Mörder; Lee Harvey Oswald wird von Jack Ruby vor laufenden Kameras und Fotografen erschossen.

Und Star schrieb... „weil die Blicke der beteiligten Personen in so ziemlich alle möglichen Richtungen gehen, und selbst wenn sich mal welche treffen... scheinen die Gesichtsausdrücke... der Situation irgendwie unangemessen, weil sie viel zu neutral sind.“

Vielleicht deswegen weil so was in der Realität auch heute noch so aussieht?


24.11.1963 Jack Ruby, der Mann in Schwarz, erschiesst Lee Harvey Oswald... den vermeintlichen Attentäter vom JFK, vor den Augen seines begleitenden Wachmanns (in Weiß), währen im Vordergrund die Leute wie unbeteiligt weggehen. (gross: http://img4.wikia.nocookie.net/__cb20130718170431/criminalminds/images/9/90/Ruby_shoots_Oswald.jpg)


...


Weiterführende Links zur Verschwörungstheorie und Bildinterpretation (und auch den von Max angesprochenen Film)
http://de.wikipedia.org/wiki/Nightwatching
http://www.zeit.de/2011/02/Film-Greenaway
http://exiledonline.com/peter-greenaways-battle-with-visual-illiteracy/

Star:
Danke, dass du dir die Arbeit gemacht hast, Leela. Ich fand die Bildanalyse jetzt doch spannender, als ich gedacht hätte, und - auch wenn ich die Interpretation nicht so ganz teile -, kann ich sie diesmal aber absolut nachvollziehen. Ich muss auch sagen, dass ich das Bild bisher nicht kannte, und wenn ich es irgendwo zufällig gesehen hätte, hätte ich wohl nur einen kurzen Blick drauf geworfen. Zum einen, weil ich mit der Epoche nicht so viel anfangen kann, und zum anderen, weil die Bildintention ja doch recht versteckt ist.

Dieser Kommentar schließt mich zwar im Grunde schon von jeglicher weiteren Diskussion aus, aber ein paar Sachen sind mir ja doch noch aufgefallen :deliver. Zwar bezweifle ich irgendwie, dass ich hier viel entdecken kann, was nicht schon anderen Leuten aufgefallen wäre, aber manchmal ist ein frischer Blick ja auch ganz nützlich.


--- Zitat ---Man muss dieser Verschwörungstheorie nicht glauben. Vieles daran wirkt auf den ersten Blick konstruiert, viele Details habe ich zudem weggelassen. Alles kann man abtun.

Nur... eine wichtige Frage bleibt dann unbeantwortet: Wie kann es einem Meister wie Rembrandt passieren, dass er zwei rechte Handschuhe malt?
--- Ende Zitat ---

Vielleicht hält er auch aus irgendeinem Grund den Handschuh von seinem Lieutenant, dessen rechte Hand praktsicherweise nicht zu sehen ist. Ansonsten... macht auch ein Meister vielleicht mal einen Fehler. Je länger ich mir den Schützen (Attentäter) ansehe, desto verwirrter bin ich beispielsweise über seine Pose. Vor allem das sichtbare Bein macht mir Schwierigkeiten. Ich kann nicht richtig erkennen, ob es das linke oder das rechte ist. Wenn es das rechte ist, dass er nach hinten streckt, dann ist das die merkwürdigste und unbequemste Schussposition für einen Linkshänder, die ich mir vorstellen kann (zumindest wenn er die Waffe so hält, wie ich mir denke, dass er sie hält, weil... wie soll er sie sonst halten?). Wenn es das linke ist, dann ist der Fuß zu stark verdreht, was vielleicht auch ein Fehler ist  :duck

Irgendwie habe ich jetzt angst, dass mich Rembrandts Geist des Nächten heimsuchen wird :deli

Das ist zwar sicher kein Fehler, aber ich weiß nicht, was es bedeuten soll, dass die Frau so klein ist. Vor allem, wenn es Rembrandts Frau sein soll?

Was den Vergleich mit dem Oswald-Attentat angeht... na ja, ein gewisser Unterschied zwischen einem kleinen, leicht übersehbaren Revolver und einer großen Büchse gibt es ja schon :)

Für mich hat die Konfusion in dem Bild eher etwas politisches denn etwas militärisches. Als ob dort... Stadträte, oder Adelsgeschlechter - Politiker eben - gezeigt würden, die alle irgendetwas tun und sich dabei recht wichtig fühlen, ohne, dass sie überhaupt wissen, was genau sie tun. Der Mann in Schwarz beispielsweise sieht für mich wie ein Anführer aus, der den Klang seiner eigenen Stimme zu sehr mag und daher gar nicht mitbekommt, was hinter ihm los ist. Der Mann in Weiß - anscheinend nicht viel von seinem Boss haltend - scheint einigermaßen bemüht zu sein, ein interessiertes Gesicht zu machen, während er in seinem Kopf die Tetris-Melodie summt. Hinter ihnen: Aktionismus ohne Ziel - hauptsache beschäftigt aussehen. Einer schießt ins Leere, ein anderer propft seine Waffe, einer schwenkt die Fahen und versucht dabei heroisch auszusehen, zwei andere diskutieren über die Fahne "schwenkt schön, nich?" "Ja ja, nette Farben auch", die zwei rechts, die zwei rechts, sind etwas verwirrt über den Schützen "Guck mal der Depp", wo ein Messer(Schwert?) doch eine viel nettere Waffe ist.. um sie herum: Dunkelheit, imaginäre Feinde(?) und ein paar echte Gefahren (Straßenhund?). Die einzig erleuchtete scheint die Frau zu sein, aber die ist zu klein, die sieht keiner. Aber überhaupt scheint da der eine den anderen nicht zu sehen.






Ich glaube jetzt darf ich nie wieder ein Museum betreten, weil morgen die "Wanted - lassen sie diesen Hutträger nicht rein"-Zettel umhergehen. :deli

Leela:
^^


--- Zitat ---Ansonsten... macht auch ein Meister vielleicht mal einen Fehler.
--- Ende Zitat ---

Machen sie sicher. Ich bin nur nicht sicher ob es so grobe sind.
Wenn wir heute "Maler" im Kopf haben, dann sehen wir oft vor unserem inneren Auge einen Mann vor einer Leinwand.

Bei Rembrandt in dieser Phase haben wir es aber mit einem flämischen Meister zu tun, der auch eine "Werkstatt" betrieben hat. Man muss sich das ganze wie einen kleinen Betrieb vorstellen. Da gibt es mehrere Gehilfen und auch Lehrlinge, welche dem "Meister" auf vielfältige Art zur Hand gehen... Das heisst hier im Mal-Prozess sind viel mehr Personen eingebunden als wir das zB von einem VanGogh kennen. Zudem war Rembrandt ein "Lebemann" und zu der Zeit eine kleine Bekanntheit - das heisst er hatte in seiner Werkstatt auf häufig Gäste. Also dieses Bild ist bereits in seiner Entstehung vielen Leuten unter die Augen gekommen...

Nur um das ganze zu untermauern: noch vor gut hundert  Jahren ging man von 700 bekannten Rembrandt Bildern aus. Inzwischen haben Experten diese Zahl auf 350 heruntergestuft. Die "besten" Rembrandt Fälscher waren die Schüler von Rembrant selber. Sie haben selber so nah an Rembrandt gemalt bzw. wurden sogar von ihm beauftragt (und er hat die Bilder dann nur signiert) dass heute relativ sicher ist das Rembrandt sehr viele Schüler ausgebildet haben muss.


Als zweites muss man sich den Entstehungsprozess nochmal vor Augen führen.
- zuerst macht Rembrant eine kleine Skizze wie er sich das ganze etwa denkt
- dann arbeitet er die wichtigen Figuren aus, fertigt teils Einzelskizzen zu diesen an
- sobald dieses Ensemble steht wird es Stück für Stück als Vorzeichnung auf die Leinwand übertragen
- dann wird die Leinwand leicht grundiert
- er dann beginnt der Malprozess der letztlich zum Bild führt

Wie gesagt, bis ein so monumentales Bild fertig ist dauert es Monate. Das Rembrandt und seine Schüler, Gehilfen und Zuschauer einen Fehler über so lange Zeit und soviele produktionsphasen nicht bemerken erscheint mir sehr fragwürdig. 


Eine andere (erweiternde) Interpreation die ich eher von mir abgeguckt habe ist schlicht: Langeweile. Wenn ich wüsste das ich die nächsten 12 Monate nur an einem Bild malen werde... und dabei auch noch alles haarklein Anordnen und supersauber ausführen muss... ich würde allein um mich selbst dabei zu unterhalten kleine Gimmicks in das Bild einbauen. Einfach um mich selber nicht zu tode zu langweilen, wenn es an die "Ausführung" geht. Auch deswegen glaube ich persönlich das viele solcher monumentalen Werke voller Anspielungen stecken... Die Künstler unterhalten sich selber auf diese Weise.
Bin nicht sicher ob Du verstehst was ich meine. :)




--- Zitat ---Je länger ich mir den Schützen (Attentäter) ansehe, desto verwirrter bin ich beispielsweise über seine Pose. Vor allem das sichtbare Bein macht mir Schwierigkeiten. Ich kann nicht richtig erkennen, ob es das linke oder das rechte ist. Wenn es das rechte ist, dass er nach hinten streckt, dann ist das die merkwürdigste und unbequemste Schussposition für einen Linkshänder, die ich mir vorstellen kann (zumindest wenn er die Waffe so hält, wie ich mir denke, dass er sie hält, weil... wie soll er sie sonst halten?). Wenn es das linke ist, dann ist der Fuß zu stark verdreht, was vielleicht auch ein Fehler ist  :duck
--- Ende Zitat ---

So merkwürdig finde ich die Position nicht;



Die Starke Streckung des Beines kommt daher das er von unten nach oben schiesst. Ob er Linkshänder ist - bin ich auch nicht sicher. Wenn er den Abzug mit der rechten Hand betätigt ist er es in meinen Augen eher nicht.



--- Zitat --- Irgendwie habe ich jetzt angst, dass mich Rembrandts Geist des Nächten heimsuchen wird :deli
--- Ende Zitat ---

Lass ein oder zwei deiner Sketch Bücher offen liegen, das versöhnt ihn sicher... oder lenkt ihn ab. Je nachdem. ;)
Solltest Du ihn sogar dazu bringen sie zu signieren bist Du fein raus. :D



--- Zitat ---Das ist zwar sicher kein Fehler, aber ich weiß nicht, was es bedeuten soll, dass die Frau so klein ist. Vor allem, wenn es Rembrandts Frau sein soll?
--- Ende Zitat ---

Also es soll nicht Rembrandts Frau sein... zumindest nicht auf den Bildkontext bezogen. Er hat dieser Frau die gesichtszüge seiner Frau gegeben... das hat... er öfter gemacht. Zum einen stand sie ihm wohl sehr kostemgünstig Modell, zum anderen war es ein Asudruck seiner Verehrung. Aber im Bild selbst soll es nicht seine Frau darstellen. Warum sie so kleinwüchsig ist - ist wirklich schwer zu beantworten. Gerade in der Renaissance haben die Künstler es nicht wirklich geschafft Kinder zu malen - die sahen alle aus wie Erwachsenen. Aber Rembrandt konnte das schon, so dass es hier auch unwahrscheinlich ist, dass die Frau eher ein Kind darstellen soll. Gänzlich ausschliessen kann man es nicht.



--- Zitat ---Für mich hat die Konfusion in dem Bild eher etwas politisches denn etwas militärisches. Als ob dort... Stadträte, oder Adelsgeschlechter - Politiker eben - gezeigt würden, die alle irgendetwas tun und sich dabei recht wichtig fühlen, ohne, dass sie überhaupt wissen, was genau sie tun. Der Mann in Schwarz beispielsweise sieht für mich wie ein Anführer aus, der den Klang seiner eigenen Stimme zu sehr mag und daher gar nicht mitbekommt, was hinter ihm los ist. Der Mann in Weiß - anscheinend nicht viel von seinem Boss haltend - scheint einigermaßen bemüht zu sein, ein interessiertes Gesicht zu machen, während er in seinem Kopf die Tetris-Melodie summt. Hinter ihnen: Aktionismus ohne Ziel - hauptsache beschäftigt aussehen. Einer schießt ins Leere, ein anderer propft seine Waffe, einer schwenkt die Fahen und versucht dabei heroisch auszusehen, zwei andere diskutieren über die Fahne "schwenkt schön, nich?" "Ja ja, nette Farben auch", die zwei rechts, die zwei rechts, sind etwas verwirrt über den Schützen "Guck mal der Depp", wo ein Messer(Schwert?) doch eine viel nettere Waffe ist.. um sie herum: Dunkelheit, imaginäre Feinde(?) und ein paar echte Gefahren (Straßenhund?). Die einzig erleuchtete scheint die Frau zu sein, aber die ist zu klein, die sieht keiner. Aber überhaupt scheint da der eine den anderen nicht zu sehen.
--- Ende Zitat ---

Ich glaube da brauchst Du vor Rembrandts Heimsuchung wenig Angst haben. Ich vermute auch diese Interpreation hätte ihm gefallen - weil sie vom grund her genauso richtig ist und eben den "Kern" der Leistung dieses Gruppenbilds freilegt: eine vielschichtige Dynamik. Nichts ist starr, alles befindet sich im Fluss und wenn man länger hinsieht entdeckt man immer noch etwas neues.

Und eines ist an deiner Interpretation auch bemerkenswert: Sie ist nicht gerade schmeichelhaft. Es ist nicht das heroische Porträt einer schlagkräftigen Truppe das Du da siehst. Allein das macht Deine Interpretation schon sehr interessant, weil sie dem eigentlich Bildzwecke "Besondere Dar- und Herausstellung einer Miliztruppe" vollkommen zuwider läuft. Ich vermute auch deswegen hätte es Rembrandt gefallen. :D

Max:
Danke für den doch sehr mit Liebe zum Detail verfassten zweiten Teil der Bildbesprechung, Leela.

Also wie auch immer man zu einer Interpretation steht, ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass die Bildkompositionen schon (zumindest hin und wieder) viel mehr hergeben, als es der erste Blick vermuten ließe.
Wie schon andernorts anklang, macht das mMn das Malen und das Anschauen gleichermaßen noch aufregender.

Viele der aufgezählten Interpretationen finde ich sehr plausibel; beispielsweise die Verbindung zwischen der hell gekleideten Frau und dem hell gekleideten Mann, ebenso wie die Sache mit dessen (geraubter) Männlichkeit. Bei der Bildkomposition glaube ich einfach nicht an einen Zufall.

Klar bleiben viele Fragen offen.
(BTW finde ich, dass nicht nur die Frau recht klein ist, sondern auch der Attentäter oder auch der Mann neben dem "Verführten").
Ich habe bei solch einem Thema immer ein wenig die Sorge, dass die zeitliche Distanz da auch unser Feind ist, wenn es darum geht fremde Bildsymbolik zu verstehen. Da sind dann die Kunsthistoriker gefordert, so weit wie möglich in die Mentalität der Zeit einzutauchen und sie uns begreifbar zu machen.

So oder so spricht das Bild aber dann doch eher für sich. Die Sache mit dem Oswald-Attentäter ist zwar eine nette Pointe - aber auch nicht mehr ;) Denn die optischen Übereinstimmungen halten sich in Grenzen und weitere Parallelen müssten noch extremer konstruiert werden.
Ich wäre auch ein wenig vorsichtig, zu viel in die Attentate auf das Bild hineinzuinterpretieren ;) Solchen Angriffen ausgesetzt zu sein, ist nicht unbedingt nur das Schicksal der "Nachtwache" gewesen. Nun ja, es ist immer gut, wenn ein Gemälde solche Attacken übersteht :)

Star:

--- Zitat von: Leela am 08.04.14, 21:24 ---Eine andere (erweiternde) Interpreation die ich eher von mir abgeguckt habe ist schlicht: Langeweile. Wenn ich wüsste das ich die nächsten 12 Monate nur an einem Bild malen werde... und dabei auch noch alles haarklein Anordnen und supersauber ausführen muss... ich würde allein um mich selbst dabei zu unterhalten kleine Gimmicks in das Bild einbauen. Einfach um mich selber nicht zu tode zu langweilen, wenn es an die "Ausführung" geht. Auch deswegen glaube ich persönlich das viele solcher monumentalen Werke voller Anspielungen stecken... Die Künstler unterhalten sich selber auf diese Weise.
Bin nicht sicher ob Du verstehst was ich meine. :)
--- Ende Zitat ---

Klar verstehe ich das. Ich bin jetzt kein Rembrandt, der an aufwändigen Bildern lange arbeitet, aber... ich mache ja recht viele Charakterzeichnungen, und irgendwann hat man da auch jede Pose durch, weshalb ich den Leuten ganz gerne Waffen oder Tricorder oder sonstiges Equipment in die Hand gebe, einfach... weil mich das dann wieder ein bisschen fordert. Und dass in viele Bilder kleine Details und Gimmicks versteckt werden - Eastereggs eben - ist ja auch heute noch Gang und Gäbe :)




--- Zitat ---So merkwürdig finde ich die Position nicht;


--- Ende Zitat ---

Der steht aber anders herum. Mit dem Rücken zu uns. Was wir von ihm sehen, ist der Rücken und eben die Schulter. Das heißt, er hat die Linke Hand am Abzug - es sei denn, sein linker Arm ist länger als der rechte. Glaube ich zumindest. Anders macht die Position des Helmes keinen Sinn? Also ich finde der steht mehr so da:



(Hat auch die gleiche Zielgenauigkeit)
Und dafür ist das nach hinten ausgestreckte Bein merkwürdig verdreht. Probier es mal aus - es geht zwar erstaunlicherweise, aber einen sicheren Stand hat man so nicht gerade. Also wenn sie oft nach Modell gezeichnet haben, dann kann ich mir nicht vorstellen, wie das ein Modell länger als zwanzig Minuten ausgehalten haben soll.


--- Zitat ---Ich glaube da brauchst Du vor Rembrandts Heimsuchung wenig Angst haben. Ich vermute auch diese Interpreation hätte ihm gefallen - weil sie vom grund her genauso richtig ist und eben den "Kern" der Leistung dieses Gruppenbilds freilegt: eine vielschichtige Dynamik. Nichts ist starr, alles befindet sich im Fluss und wenn man länger hinsieht entdeckt man immer noch etwas neues.

Und eines ist an deiner Interpretation auch bemerkenswert: Sie ist nicht gerade schmeichelhaft. Es ist nicht das heroische Porträt einer schlagkräftigen Truppe das Du da siehst. Allein das macht Deine Interpretation schon sehr interessant, weil sie dem eigentlich Bildzwecke "Besondere Dar- und Herausstellung einer Miliztruppe" vollkommen zuwider läuft. Ich vermute auch deswegen hätte es Rembrandt gefallen. :D

--- Ende Zitat ---

Nun ja, mit einer Truppe - wenn auch nur mit einer am Militär anlehenden Truppe -, verbinde ich einfach mehr... Disziplin, Ordnung und auch Uniformität. Davon findet man aber gar nichts in dem Bild. Von daher finde ich es erstaunlich, dass man diese Auftragsarbeit überhaupt angenommen hat. Hat sich da keiner Beschwert, oder war sein Name bereits so bekannt, dass sich keiner getraut hat? Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es keinem aufgefallen ist, wie wenig Schmeichelhaft das Bild eigentlich ist?


--- Zitat ---Viele Spieße und Gewehre lassen in ihrer rhombischen Anordnung schon das Ordnungsprinzip der militärischen Übungen ahnen, wie die Lehrbücher und Illustrationen der Zeit sie zeigen. Die Spannung zwischen dem ‚schon jetzt‘ und ‚noch nicht‘ macht den besonderen Reiz dieser Komposition aus.“
--- Ende Zitat ---

Ich kann da kein "schon jetzt" erkennen, nur Konfusion. Alleine der auffällige weiße Anzug des Lieutenants... das wäre doch der erste, der in einem Kugelhagel zu Boden gehen würde. Wie gesagt, ich sehe in dem Bild eher ein Beispiel nichtfunktionierender Gruppen. Wir alle kennen doch solche Arbeitsplätze, Projektgruppen - oder eben auch Politiker-Gemeinschaften, die ganz ähnlich (schlecht) funktionieren, wie auf dem Bild. Mit dem Chef, der nicht mit seinen Leuten steht, sondern abgesondert davor, und der sich gerne reden hört, mit dem zweitplatzierten, der nickt, sich seinen Teil denkt und in Wahrheit die Abteilung selbst führt, und alle anderen, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, geschäftig zu wirken. Als ob sie wüssten, was sie tun. Dabei entstehen Sub-Gruppen, Qliqu.... Klickue... Grüppchen eben, die auch gerne mal auf die anderen zeigen und tratschen, und so weiter.

Das ist jedenfalls das, was ich mit dem Bild verbinde. Und so etwas wird es auch immer geben. Das heißt, wenn die Intention hinter dem Bild tatsächlich in so einer Darstellung lag, dann ist es auch in vier-fünfhundert Jahren noch aktuell. Und es ist etwas, das man auch in vier-fünhundert Jahren noch versteht, ohne die Bewandtnis der Kleidung oder anderer Details im geschichtlichen Kontext kennen zu müssen. Und... macht nicht genau das große Werke aus?

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