Autor Thema: Libellen und fliegende Teppiche (Star Trek / NCIS / Aladdin)  (Gelesen 38352 mal)

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CaptainCalvinCat

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Prolog

Manche Menschen verschwinden einfach.
Es war für Leroy Jethro Gibbs eine eindeutige, weil viel zu reale Erfahrung. Wenn er in seinen Jahren als Special Agent des Naval criminal investigative service – kurz N.C.I.S. - eines gelernt hatte, dann war es der Fakt, dass das Leben manchmal die Richtung ändert. Schnell und für immer.
Er erinnerte sich noch daran, dass er vor knapp 5 Jahren auf diesem Dach stand, der dunkelhaarigen ehemaligen Secret Service Agentin aufhalf und sie plötzlich wieder in sich zusammenklappte, mit einem Loch, das in ihrer Stirn prangte.
Vor knapp drei Jahren hatten sie Special Agentin Paula Cassidy verloren, vor zwei Jahren war es Jenny Shephard gewesen, die gestorben war und im letzten Jahr hatte er seinen Mentor Mike Franks an einen Killer verloren.
Irgendwie war es ihm klar, dass das Schicksal noch einen Trick auf Lager hatte, noch etwas, was ihm mal wieder den Boden unter den Füßen wegziehen würde.
Und tatsächlich, so als wären solche Schicksalsschläge eine Lieferung bei einem großen Versandwarenhaus (Fate and Company Incorporated?!) stellte sich nicht nur heraus, dass der Mann, der an der Spitze des NCIS arbeitete, rein rechtlich gesehen noch gar nicht existierte, eine komplette Welt jenseits dessen, was er als Sicher angesehen hatte, tat sich auf.
Gerüchte über Alienlandungen müssten sich jetzt mehrfach reevaluieren lassen, denn – so hatte er vor einigen Tagen gelernt – sie existierten. Und nicht nur eine Rasse, nein, nein, eine ganze Galaxie von Ausserirdischen, Koalitionen und Ränkeschmieden existierte gleich hinter der nächsten Erdkrümmung.
Zeitreisen waren ebenfalls möglich und der Navy Yard war von Offizieren einer Organisation, die sich „Sternenflotte“ nannte unterwandert und – ja, die in „Star Trek“ geschilderten Erlebnisse, die Shannon gerne gesehen hatte, fußten auf realen Geschehnissen. Diese hatten allerdings noch nicht stattgefunden.
Aber auch die Erde in diesem Jahrhundert stand mit Aliens in Kontakt, war sogar ein „geschützter Planet“, den die intergalaktische Planetenallianz der sogenannten „Systemlords“ nicht angreifen konnte, wollte sie nicht im Konflikt mit den Asgard stehen.
Ehrlich, wenn er sich selbst so zuhörte – oder zudachte? – fragte er sich, ob die Ereignisse der letzten Tage nicht unter die Kategorie „langer, verrückter Traum“ abzulegen wären.
Und gerade, als er sich dazu entscheiden wollte, genau dies zu tun, trat die schlanke Gestalt Ziva Davids auf ihn zu.

Er lächelte.
„Hast Du genug Unheil angerichtet, damit die Spurensicherung nichts mehr finden kann?“
Eigentlich war es faszinierend gewesen. In seiner gesamten Dienstzeit war es ihm noch nie untergekommen, dass er einen Tatort zusätzlich hatte verwüsten müssen. Eine „crime scene“ zu sichern, Fotos zu schießen und Beweise zu finden – das gehörte zu seinem täglichen Brot, auch wenn er das rumkrabbeln im Dreck inzwischen eher seinen jüngeren Kollegen überstellte. Aber einen Tatort nachhaltig zu schädigen? Bisher war das noch nie sein Aufgabengebiet gewesen. Aber – es gab für alles ein erstes Mal.
Das schwere Seuzfen der hübschen Israeli brachte ihn wieder in die Gegenwart und so schaute er sie abwartend an.

Ziva David, Tochter des Mossad-Chefs Eli David, wischte sich die Hände an ihrer Hose ab, schaute dann zu Gibbs und schüttelte den Kopf: „Wir haben noch nicht einmal angefangen. Die Wohnung der Stones so zu verändern, dass sie aussieht, als sei sie einer Gasexplosion zum Opfer gefallen – das dauert. Aber – wir haben etwas Interessantes gefunden.“
Damit deutete sie hinter sich, wo McGee im Dreck kniete und sich über etwas beugte.

Seit Tagen hatte es nun schon geregnet und der saubere, penible Vorgarten von Stones Nachbarn glich eher einer Schlammpfütze, als allem anderen. Während Gibbs durch die Regenbände auf seinen Agenten zutrat, dachte er daran, was alles passiert war und wie das alles mit dem Ort, an dem sie sich gerade befanden, zusammen hing.

Captain Thaddeus Stone, gleichzeitig Navy-Captain, aber offenbar auch auf der Gehaltsliste der vereinigten Föderation der Planeten, war umgebracht worden. In seiner Eigenschaft als Zeitkontrolloffizier für das 21. Jahrhundert, war er den Xindi, einer Rasse Ausserirdischer, zu nahe gekommen und umgebracht worden. Das ganze fand durch die Hand des eigentlich toten Killers Ari Haswari statt und gipfelte in einem Kampf in der Ruine der Katzenfutterfabrik „Mad Cow Middleton Inc.“. Was die Sache noch unglaublicher machte, war der Fakt, dass nicht nur Captain Stone, seine Frau, Angela Stone – eine Nachfahrin Angelina Jolies – und ihr Boss, Leon Vance, Sternenflottenoffiziere waren, sondern die beiden höchst merkwürdigen Leute, die sie schon am Anfang ihrer Ermittlung kurz im Fadenkreuz hatten, sich nicht als Verrückte herausstellten, sondern als Sternenflottencaptain Calvin Nathan Cat und XO Commander Agatha Silverbird. Beide waren Offiziere der U.S.S. Dragonfly und hatten ihnen die Situation gleichermaßen erschwert, wie erleichtert.

Leroy Jethro Gibbs pirschte sich durch die dunklen Gänge des Gebäudes. Hier war wirklich viel Spielraum, um ihm aufzulauern – er als Marine war sich dessen bewusst. Aber, einer seiner Leitsätze war, dass man niemals einen Mann zurückließ und als sie, dem Tricorder folgend, festgestellt hatten, dass da dieser eine Raum war, in dem eine Regelrechte Personenfluktuation stattfand, hatte man sich diesen Raum als Ziel gesetzt. Gerade, als ein riesiges Wesen den Captain vor sich her trieb, waren sie im Korridor aufgetaucht. Dass dies ein riesiger Zufall ist, war nicht nur Gibbs klar, sondern auch dem Autoren. Mit schussbereitgemachten Waffen begann man den Angriff, der darin endete, dass Cal von dem Wesen in einen Raum geschubst wurde, den das Wesen danach betrat und offenbar begann, ihn zu verhören.
Es war überhaupt interessant, dass das Ding sprechen konnte und gerade, als Cal eine besonders pffifige Antwort, die ihm Gibbs tatsächlich mal als solche anerkennen wollte, gab und dafür – dem Geräusch nach zu urteilen – mindestens einen Kinnhaken erhielt, hatte der Special Agent die Tür eingetreten und das Wesen anvisiert.
Das Wesen schaute Gibbs an – aus hasserfüllten Augen – und gerade, als es einen Angriff starten wollte, zersprang das Fenster, vor dem das Wesen stand in seine Bestandteile und Hulks Cousin krachte zu Boden.
Captain und Special Agent schauten verblüfft zuerst zu dem Wesen, dann zum Fenster – und schließlich schluckte der Captain.
„Bilde ich mir das nur ein, oder zielt hier tatsächlich jemand auf mich.“, fragte er, was Gibbs dazu brachte, ihn genauer zu betrachten. Tatsächlich, auf Höhe der Stirn des Offiziers, befand sich ein roter Punkt, wie von einem Laserpointer. Gibbs handelte schnell und effektiv, warf sich gegen Captain und Stuhl und ging mit dem Offizier zu Boden.
Über ihnen rieselte der Putz aus einem ganz frischen Loch.
Beide Chefs ihres jeweiligen Teams schauten sich an.
„Ari“, murmelte Cal.
„Traceless“, murmelte Gibbs.
Beide schauten einander an und sagten, wie aus einem Mund: “So ein Schweinehund.”
Dann versuchte Cal, sich aufzurichten, was spätestens nach dem zweiten Versuch erfolg zeitigte, und er, sowie Gibbs rannten an das zerstörte Fenster.
Sie zielten mit ihren Waffen auf die Flüchtenden, der in diesem Moment hinter einem Bauzaun verschwand.
Gibbs und Cal sahen einander frustriert an.


Stimmt – da war ja noch der Faktor, der alle Logik der ganzen Geschichte in eine Galaxie, weit, weit entfernt verbannte.
„Traceless“, eine Art Fantomas – nur mit dem Unterschied, dass der Franzose Masken benötigte, der Mensch aus der Zukunft jedoch seinen gesamten Körper neu formen konnte.
Beinahe hatte Gibbs Wochen später gelacht, als sie den Fall „Tunney“ auf dem Tisch hatten. Hatte dieser Marine denn niemals Fantomas gesehen? Sich mit einer Maske zu verkleiden war ja nur die halbe Miete, wenn man ein viel zu auffälliges After-Shave trug.
Gibbs schüttelte den Kopf, ging neben McGee, den er gerade erreicht hatte, in die Knie und lächelte ihm zu: „Tolles Wetter haben wir uns ausgesucht, hm?“
„Oh ja, Boss.“, grinste der Computerexperte und deutete auf den Gegenstand im Schlamm: „Interessant. Sieht aus wie ein PADD aus Star Trek.“
„Meinst Du, es könnte von Angela Stone sein?“
McGee zuckte kurz mit den Schultern, starrte abwartend auf den Gegenstand, den man auch gut für ein Kindle halten konnte. Dann schien er zu bemerken, dass Gibbs nun ihn anstarrte und griff nach dem Gerät.
„Das haben wir gleich.“
McGee presste seinen Finger auf eine Taste und blickte zu Gibbs: „Hat mir Gina auf der Dragonfly beige…“
Weiter kam er nicht, denn Gibbs warf ihm einen Blick zu, den der junge Techniker mit einem „Das interessiert dich nicht“ abnickte.
Dann warf er einen Blick auf den Bildschirm und schaute dann wieder zu Gibbs: „Verblüffend.“
Der Chefermittler hob fragend beide Augenbrauen, dann auch noch die Schultern und sein Gesichtsausdruck sagte eindeutig „Spucks schon aus, oder ich prügel es aus dir raus.“
„Das PADD ist beschädigt. Ich konnte nur einen kurzen Blick auf den Startbildschirm erhaschen.“, setzte der Techniker an und schaute dann seinem Boss in die Augen.
Erneut war Ungeduld im Blick des Special Agents sichtbar.
„McGee?“, machte er nur und der jüngere Mann nickte. „Natürlich, Boss.“
Er räusperte sich: „Ich kann dir näheres erst sagen, wenn ich es an einen Computer angeschlossen und die Daten heruntergeladen habe – aber was, ich dir sagen kann, ist, dass es sich hierbei um eine Nachricht handelt.“
„Und an wen?“
Das , Boss, kann ich dir erst sagen, wenn ich die Daten heruntergeladen habe.“
„Kannst Du mir sagen, von wem diese Mitteilung ist?“, fragte der Senior Special Agent und McGee nickte: „Ich konnte einen Namen erkennen. Ich vermute, es ist der Unterzeichnende.“
„Und wer ist es?“
„Calvin Nathan Cat.“
Gibbs hob den Kopf: „Heißt das…“
„Das Cal und seine Crew in Schwierigkeiten sind? Definitiv.“, sagte McGee und steckte das PADD ein.
„Das wäre ja nichts neues“, entfuhr es der hübschen ehemaligen Mossad-Agentin und sie machte sich daran, den Tatort weiter zu verunreinigen.
Gibbs hielt inne. Was mochte da wieder passiert sein? Hatte sich der Captain wieder einmal mit der Zeit angelegt, wie vor ein paar Wochen, als er versucht hatte, seine Freunde, die das legendäre SG-1 bildeten, vor dem Tode zu bewahren?
Er wusste es nicht, aber er ahnte, dass die Schwierigkeiten sich vermutlich nicht gerade gering ausnehmen würden. Ein Seufzen entrann seiner Kehle und zum ersten Mal seit Jahren wünschte er sich eine Zigarette.

“To be continued”   


Kapitel 1 Und da sind wir wieder

Eigentlich gab es schlimmere Jobs.
Svetlana McGarrett hatte es eigentlich ziemlich gut getroffen – momentan war die dralle Blonde dabei, die Daten, die sie auf dem Ewigkeitsplaneten gesammelt hatte, in den Computer einzugeben. Auch die archäologische Arbeit dort war etwas gewesen, das andere Personen vielleicht als „extrem langweilig“ bezeichnet hätten – aber wenn es nach ihr ging, gab es nichts Schöneres, als zwischen Säulen auf einer toten Welt zu stehen und sich mit der Frage, was der Wächter der Ewigkeit dieses mal für einen bereit hielt, zu beschäftigen.
Sie hatte schon einiges gesehen, einige Ereignisse beobachten dürfen und diese waren so tiefschürfend gewesen, dass man eigentlich von „Ereignisse der Weltgeschichte“ sprechen sollte. Da der Begriff „Weltgeschichte“ in diesem Rahmen allerdings ein wenig zu „gering“ wirkte, bevorzugte sie den Begriff „Weltallgeschichte“, auch wenn dies kein wirklicher Begriff war. Vielleicht sollte sie diesen Begriff den Wortsammlern aller möglichen Wörterbuchverlage vorschlagen?

Momentan befand sie sich allerdings nicht auf dem Ewigkeitsplaneten, sondern beschäftigte sich mit dem Überspielen diverser Daten auf den Hauptrechner ihres Büros, das sich auf der Raumstation Erd-Aussenbasis 1 befand. Irgendwie gefiel ihr die Bezeichnung nicht. „Erd-Aussenbasis“ – das Wort wirkte zu sperrig, zu lang. Vielleicht konnte man sich auf einen anderen Begriff einigen? Erd-Aussen-Station?
Auch dieses Wort war zu lang. Und wie wäre es mit EAS? Das war kurz, knapp, schön schnell auszusprechen?
Doch – ja: EAS ging. Vielleicht sollte sie auch dieses Wort vorschlagen, um…
Weiter sollte sie nicht kommen, denn von einer Sekunde auf die Nächste verdunkelte sich die Beleuchtung, einige rote Lampen nahmen ihren Dienst auf und  sie wusste, noch ehe das nervende Klaxon zu hören war, was die Stunde geschlagen hatte. Alarmstufe Rot.

Basis-Kommandant Karl Peterson staunte nicht schlecht, als die Sensoren der Erd-Aussenbasis 1 plötzlich verrückt spielten. Er merkte, wie sein Herz schneller schlug und fragte sich, wer nun wieder in den terranischen Sektor einfallen würde. Das letzte Mal, als er diesen Alarm gehört hatte, war er vor 4 Jahren, damals noch ein Lieutenant Commander, Zeuge geworden, wie Schiffe der Jem’Hadar die Erde angriffen. Welchen Krieg hatte er jetzt wieder verschlafen? Wer wollte dieses Mal die Muskeln spielen lassen? Die Klingonen? Kaum – schließlich waren sie ja Verbündete. Gut, das hatte sie beim letzten Mal auch herzlich wenig geschert, im Gegenteil, sie hatten sogar den Friedensvertrag aufgekündigt, als sie vor knapp 6 Jahren Cardassia von Deep Space Nine aus einnehmen wollten. Aber der Dominion-Krieg hatte die Allianz zwischen der Föderation und dem klingonischen Reich doch gestärkt.
Wer konnte als Agressor in Frage kommen?
Vielleicht die Romulaner?
Auch das hielt er, wenn man bedachte, dass die U.S.S. Titan gerade auf dem Weg ins Imperium war und dort versuchte, diplomatische Beziehungen zu knüpfen, eher für unglaubwürdig.
Und dann schluckte er. Es konnte nur wie vor zwei Jahren sein, als die komplette Station in Panik geraten war – gut, nicht die Station, aber das Personal. Damals war eine Transwarpleitung in direkter Erdnähe aufgetaucht und hatte eine Borg-Sphäre ausgespuckt, aus der sich hinterher die Voyager , wie ein Vogel aus einem Ei, freikämpfte. Vielleicht hinkte der Vergleich mit dem Vogel etwas – schließlich war ein Ei das natürliche Habitat eines Jungvogelembryos, bis sich dieser durch den Akt des „Freipickens“ aus dieser Schale befreite. Das konnte man von der Beziehung Voyager - Borgsphäre nicht wirklich behaupten.
Eigentlich war dies auch vollkommen unerheblich, wichtiger war nur, dass damals eine ähnliche Hektik losbrach, wie jetzt. Und dieses Mal war es an ihm, zu entscheiden, ob er den Ruf ins Starfleet-Headquarter entsenden und die schlafende Erde unter sich tatsächlich in einen Albtraum wecken sollte.  Und als er sich entschieden hatte, war der ganze Spuk vorbei.

Im Jahr 2379 blickte Admiral William Husker Adama auf die DRADIS-Anzeigen. Neben ihm tat Commander Tigh das Selbe, schaute dann zu ihm. Auf der Flucht vor der Tyrannei der Zylonen flogen die beiden letzten intakten Raumschiffe der Menschheit, die mächtigen Kampfsterne GALACTICA und PEGASUS , mit einer kleinen Transportflotte von Überlebenden durch das Weltall auf der Suche nach dem blauen Planeten, der Erde. Und sie hatten einen Planeten gefunden, dessen Ähnlichkeit sehr augenfällig war. Laut Sensoren besaß der Planet eine ihnen angenehme Gravitation, sogar die Sauerstoff-Stickstoff-Mischung war mehr als nur „für sie geeignet“. Eigentlich könnte es nicht besser kommen – dann sahen die beiden Offiziere, wie auf dem DRADIS die ersten Schiffe einer unbekannten Flotte auftauchten. Eigentlich hatte Gaeta es ihnen weit vorher gemeldet, ebenso den Fakt, dass die Dragonfly verschwunden war und Adama konnte sich nicht helfen – er musste sich gerade zwei Sachen fragen.
Erstens: Lag die Tatsache, dass die Dragonfly jetzt auch verschwunden war, am Fakt, dass ein Calvin Cat sie kommandierte?
Zweitens: Waren beide Cals eventuell Zylonen?
Gut, Letzteres war wirklich etwas sehr weit hergeholt, aber – eine gewisse Grundmißtrauischkeit konnte man ihm nach all den Erlebnissen nun wirklich nicht verübeln.
Jetzt, wo er die Flotte sah, die sich ihnen näherte, wusste er nicht so richtig, ob sie nicht vielleicht doch in eine Falle gelaufen waren.
Schnell wandte er sich an Dee und Gaeta: „Was ist das für eine Flotte?“
Die attraktive Dunkelhäutige antwortete als Erste, blickte auf ihre Konsole und zuckte mit den Schultern. „Die Konfiguration ist uns unbe…“,setzte sie an, stockte und wandte sich dann, mit einem Lächeln an Adama: „Ich glaube, ich habe eine Idee. Commander Middlegate hatte, kurz bevor er von einigen sehr übereifrigen Mitgliedern des Sicherheitsteams niedergeschlagen wurde, die Datenbank seines Schiffes mit unserer verknüpft. Sollten wir tatsächlich dort sein, wohin wir wollten, müssten diese Schiffskonfigurationen sich auch in der Datenbank des Föderationsschiffes wiederfinden.“
Mit ein paar genau so flinken, wie zielsicheren Griffen tippte die junge Frau auf den Computer ein, suchte die entsprechende Datei heraus und öffnete sie. Zumindest vermutete Adama, dass sie genau das tat – sie konnte natürlich auch jederzeit „Ping“ spielen, das wohl älteste Computerspiel der zwölf Kolonien. Doch als er sah, wie ihre nussbraunen Augen über den Bildschirm fuhren und wie sich ihr sinnlicher Mund weiter öffnete, bis er schließlich komplett erstaunt sperrangelweit offen stand, wusste er, dass sie las.
Sie wandte sich an ihn und lächelte: „Ich glaube, wir sind in Sicherheit, Sir.“
Seine Antwort, ein einfaches, rauhes „Wie kommen Sie darauf?“, ließ sie noch weiter lächeln. „Sir“, sagte sie und warf einen Blick auf die Daten: „Die Schiffe, die sich uns nähern, sind die Defiant , die Voyager , sowie die Calypso . Alle drei sind Schiffe, die der Föderation angehören und, wenn ich das richtig lese, ist die Voyager ein Schiff der Intrepid-Klasse, wie es auch die Dragonfly ist – das bedeutet, dass Captain Cat die Dragonfly entweder von diesen Leuten gestohlen hat oder tatsächlich im Dienst dieser Föderation ist. Aber egal, von welcher Seite wir es betrachten: Die Föderation ist unser Freund.“
„Sagen zumindest die Daten dieses Schiffes.“, merkte Tigh an und Dee konnte sich ein Nicken nicht verkneifen. „Das stimmt“, sagte sie, ehe sie einen Blick auf den Computer warf, „Aber bisher hat uns die Crew  der Dragonfly noch keinen Grund gegeben, uns zu mißtrauen.“
Der Commander blickte sie an und lächelte – wenn auch unaufrichtig, wie Adama fand – ehe er sagte: „Ich beneide Sie um ihren Optimismus.“
Und ehe Adama etwas sagen konnte, stockte Dualla und warf einen Blick auf ihre Konsole: „Admiral? Ich empfange einen Ruf von einem der Schiffe.“
„Stellen Sie mich durch.“

Ereignisse im „tiefen Raum“.
Das klingt im ersten Moment sehr wichtig, aufregend und man möchte es am Liebsten mit dem Wort „uuuuuuuuuhhhhh“ belegen.
Es ist aber alles nur eine Standortfrage. Von Vulkan aus kann Bajor schon „tiefer Raum“ sein,  von Bajor aus ist Deep Space Nine auch nicht so „Deep Space“ und aus Sicht der Wurmlochwesen ist das eigentlich alles egal, weil „Es ist nicht linear“.
Über die „Ereignisse im Nahen Raum“ hat eigentlich bisher noch nie jemand etwas geschrieben – lustigerweise, denn die Ereignisse die direkt vor der Haustür passieren können einen deutlich mehr betreffen, als irgendwas, dass sich hinter der nächsten Ecke ereignet. Natürlich, wenn es auf einen zukommt, wird es früher oder später den eigenen Raum, den „Nahen Raum“ betreffen, aber bis dahin fließt eventuell noch viel Wasser den Rhein hinunter. Oder die Mosel, Ems, Elbe, Lippe, Emscher, Rhône, Saone oder was man so an Flüssen in der Nähe hat. Nicht geeignet für den Spruch sind Kanäle, denn diese sind ja „Stehende Gewässer“, und der Spruch „Es steht noch viel Wasser den Mittellandkanal hinunter“ klingt irgendwie ziemlich unclever.

Jedoch in diesem Fall sind die Ereignisse „im nahen Raum“ von durchaus großem Interesse, denn auf der Erde gingen sämtliche Annäherungsalarmlampen an, die anzugehen in der Lage waren, als die Flotte, die der GALACTICA folgte in den Sektor sprang. Und irgendwie kann man die Panik, die die Damen und Herren des Stabes gerade unheimlich spürten, verstehen. Wenn man sich vorstellt, dass plötzlich, ohne dass irgendwelche Anzeichen dafür ersichtlich wären, im eigenen Vorgarten eine Gruppe von Leuten auftauchen würde – nicht mal reinkommen, sondern zack einfach mal da wären, ist ein gewisses mulmiges Grundgefühl durchaus verständlich.

Und so taten die Damen und Herren des Stabes das, was man, wenn man auf einer Farm wohnt und mehrere Leute anwesend sind, durchaus tun kann, wenn plötzlich merkwürdige Gestalten vor der Haustür auftauchen – man schickt ein paar Leute hin und lässt sie mal höflich fragen, „Wer seid ihr? Was wollt ihr?“
In diesem Fall waren es drei Föderationsschiffe, die entsandt wurden, um die merkwürdigen Besucher mal genauer in Augenschein zu nehmen und Captain Chakotay hatte irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, als er die zerstreute Flotte sah. Verwundert wandte er sich an seinen XO, Thomas Eugene Paris, der das Schiff früher als Navigator geflogen hatte und sah, wie die blauen Augen des blondhaarigen ersten Offiziers eine gewisse Verwunderung annahmen.
„Ich kann mich nicht erinnern, solche Schiffe schon einmal gesehen zu haben.“, murmelte der Commander und warf seinem Captain einen Blick zu, den dieser zuerst mit einem kaum-merklichen Schulterzucken beantwortete und dann mit gerunzelter Stirn die Flotte betrachtete und sich dann an den Asiaten wandte, der an Tuvkos Konsole stand.
‚Nein’, verbesserte sich Chakotay, ‚es ist jetzt Harrys Konsole.’
„Mister Kim?“, fragte er und deutete auf die Flotte: „Wie ist Ihre Einschätzung?“
Lieutenant Harry Kim erlaubte sich einen kurzen Moment der Verblüffung, ehe er seine Finger über die Konsole gleiten ließ und sich die in diesem Moment eintreffenden Daten ansah. Kurz blickte der Asiate auf, wandte sich dann wieder seiner Konsole zu und schüttelte den Kopf: „Die Schiffskonfiguration ist unbekannt, gleichges gilt für Hüllenzusammensetzung und Schiffskennung. Die Registriernummer lautet…“
Er brach ab, schaute erneut auf die Daten und hob dann den Blick: „BSG 75 – Battlestar GALACTICA.“
Tom Paris wandte seinen Kopf zu Harry herum: „Sagtest Du gerade GALACTICA?“
„Ja, wieso?“
Harry Kim war verwirrt, als er sah, wie Tom sich auf seinen Platz setzte und nachdenklich den Kopf schieflegte. Doch er hatte keine Zeit, sich über das Verhalten seines XO und Kumpel Gedanken zu machen, als seine Konsole eine Meldung ausspieh.
Er wandte sich an Chakotay: „Sensoren melden, dass die GALACTICA Atomraketen bereit macht.“
„Schilde hoch.“, war die eher ruhige Antwort des Indianers, ehe er ihn erneut anblickte: „Versuchen Sie, dieses Schiff zu rufen.“
„Aye, Sir.“

„Wir empfangen einen Ruf.“, sagte Dualla in diesem Moment im CIC der GALACTICA und schaute zu Adama herüber: „Ich glaube, dass die Atomraketen ihre Aufmerksamkeit erweckt haben dürften.“
Ein leichtes Lächeln erschien auf den Lippen des Kommandanten, ehe er sich der attraktiven Dunkelhäutigen zuwandte: „Stellen Sie mich durch.“
Damit griff er zum Telefon, das er schon so oft verwendet hatte, dass er das Gefühl nicht loswerden konnte, mit ihm verwachsen zu sein.
Sein „Hier ist Admiral William Adama vom Kampfstern GALACTICA“ hallte durch das CIC und er hatte das Gefühl, dass er noch rauher klänge, als er es normalerweise tat.
Eine Reaktion blieb kurzzeitig aus, ehe die sympathisch-klingende Stimme eines Mannes aus dem Telefon hallte: „Admiral Adama, schön ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin Captain Chakotay von der USS Voyager . Darf ich fragen, was Sie in unseren Sektor treibt?“
„Ihr Sektor?“, fragte Adama und klemmte das Telefon zwischen Schulterblatt und Ohr ein, ehe er zu Dualla herübergestikulierte, dass sie die Daten abgleichen sollte.
Die hübsche Frau verstand und ließ ihre zarten Finger, einer Klavierspielerin gleich über die Tasten des Computers gleiten. Es dauerte keine fünf Sekunden, ehe sie die entsprechenden Dateien gefunden hatte, überflog sie schnell, ehe sie zu Adama herübernickte, der ein „Sie meinen… die Erde?“ an seine Frage „Ihr Sektor?“ fügte.
Erneut entstand eine Pause, die in diesem Fall jedoch eher einer gewissen Grundverwirrung geschuldet war, von der sich Adama sicher sein konnte, dass sie auf dem Föderationsschiff herrschte. Auch das „Genau“ von Captain Chakotay zeugte von eben jener Verwirrung, als er fortfuhr: „Sie scheinen nicht aus dieser Umgebung zu sein. Wenn ich fragen darf – wo kommen Sie her?“
„Caprica“, sagte der Admiral leise, was im CIC beinahe nach einem Knurren klang – aber andererseits klang beinahe jeder Satz, den er sagte, nach einem solchen Geräusch.

Plötzlich war Tom Paris auf den Beinen. Nicht dass Chakotay sich irgendwie erschrak oder sich wunderte, aber es verblüffte den Captain schon, dass sein XO wie aus dem Boden gewachsen neben ihm stand, obwohl er sich gerade eben noch auf seinen Platz gesetzt hatte.
Die Worte, die der erste Offizier seinem Kommandanten ins Ohr flüsterte, ließ das Tatoo auf Chakotays Stirn in Folge des Stirnrunzelns ein wenig „zerknautscht“ wirken, als er sich an Paris wandte: „Könntest Du das nochmal wiederholen, Tom?“
Und gerade, als der Angesprochene genau dies machen wollte, piepste Harrys Konsole erneut und der taktische Offizier warf einen Blick auf die Anzeigen.
„Sir“, meldete er, „die Sensoren melden eine Raum-Zeit-Verzerrung hinter der Flotte.“
„Klartext, Harry?“, verlangte Chakotay zu wissen und nachdem Harry erneut den Computer befragte, blickte er entsetzt auf: „Es sieht aus wie eine Transwarp-Leitung.“
Beinahe wäre dem früheren ersten Offizier der Voyager ein Fluch entwichen, als er sich zu Harry umdrehte und ein „Roter Alarm!“ befahl.
Dann räusperte er sich: GALACTICA – ich weiß nicht, in wiefern Sie sich zu verteidigen in der Lage sind, aber ich empfehle ihnen, sich gegen einen Angriff zu rüsten.“
„SIR!“, unterbrach ihn Harry, „Ich empfange hier gerade eine Textbotschaft – die Quelle ist die Raumverzerrung.“
„Was steht da?“, wollte Chakotay wissen und Lieutenant Kim räusperte sich, ehe er das Wort „Geronimo“ vorlas. Irgendwas verriet Tom Paris, dass sein Kumpel Harry genau so verwirrt war, wie er.
Geronimo? Was sollte das?
„Die Verzerrung öffnet sich.“, sagte Harry in diesem Moment und Tom wandte den Blick zum Bildschirm. Tatsächlich – etwas schob sich durch einen gedachten Ereignishorizont einer Raumverzerrung, nahm langsam Formen an und es würde ihn nicht wundern, wenn sich ein oder mehrere Borgschiffe aus dieser Verzerrung lösten.
Doch das Gefährt, dass durch das Verzerrungsfeld glitt, sah weder kubisch noch spährisch aus. Vielmehr erinnerte es ihn an die Voyager – wenn man sie mit Materialien des 20. Jahrhunderts gebaut hätte. Vor seinem inneren Auge flammte ein Bild des ersten Erdschiffes auf, das jemals größer als ein Shuttle gewesen und sich in der Lage gesehen hatte, Überlichtgeschwindigkeit zu fliegen. Er erinnerte sich daran, wie er, nach seiner Rückkehr in den Alpha-Quadranten an einer Konferenz teilgenommen hatte, in deren Verlauf sich sein gesamtes Bild der Menschheit auf den Kopf gestellt hatte.

„Ich lese die Registriernummer des Schiffes“, riss Harry Kims Stimme den Commander aus seinen Erinnerungen. Die Frage, wieso ein Föderationsschiff Konstruktionsähnlichkeiten mit einem frühen Erdenraumschiff aufwies, beschäftigte ihn zu diesem Zeitpunk allerdings immer noch – als er die Registriernummer und den Namen dieses Schiffes hörte, wunderte ihn allerdings nichts mehr.
„U.S.S“, las Harry vor, „ Dragonfly . NCC 0815-A.”
To be continued

CaptainCalvinCat

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Kapitel 2 – Trautes Heim…
Ein Grinsen lief über Calvin Nathan Cats Züge, als sie endlich die Raum-Zeit-Barriere durchbrochen hatten und zum richtigen Zeitpunkt angekommen waren. Wenn die Berechnungen seines Chefingenieures Sebastian ‚Scotty’ Middlegate auch nur annähernd zutrafen, dann waren sie gerade einmal vier Minuten nach dem Konvoy der GALACTICA und der PEGASUS angekommen und konnten noch Schlimmeres verhindern.
Captain Calvin Nathan Cat bevorzugte es, sich mit „Cal“ ansprechen zu lassen, statt mit „Captain“, war mit 1,83 Metern relativ groß, hatte grüne Augen und kurze, blonde Haare, sowie einen Körperbau, der seine Lebensgewohnheiten (Milchschnitte und Cola zum Frühstück, kaum Mittagessen, dafür abends richtig reinhauen) komplett ad absurdum führte.
Er, sowie sein Zwillingsbruder Richard Nathaniel Cat, hatten die U.S.S DRAGONFLY erdacht, geplant und aus der Taufe gehoben.
Aus diesem Grunde hatte er sich zum Captain ernannt, während sich sein Zwilling, der sicherlich mit seinem 1,0-Schnitt besser geeignet und qualifiziert gewesen wäre, als der 3,2er Kandidat Cal, dann doch lieber versuchte, auf ehrlichem Wege zum Captain zu werden und sich den Rang nicht einfach zu „erschwindeln“.
Das dies zu einer tiefen Kluft zwischen den Gebrüdern führte, dürfte zu verstehen sein, denn „erschwindeln“ war für den Captain honoris causa ein etwas hartes Wort.
Nun jedoch 4 Jahre nach den Ereignissen, die zum Bau der DRAGONFLY, dem damit einhergehenden „Jungfernflug“ und den ersten interstellaren Problemen führten, bewertete selbst Rick, der zur Zeit als Lieutenant auf der U.S.S.Roswell Dienst tat, die Situation ein wenig anders.Ausserdem hatte Cal es geschafft, tatsächlich zum richtigen Captain befördert zu werden.

Agatha war seine erste Offizierin, eine wunderschöne Frau, mit feuerroten Haaren, die ihr bis zu den Hüften herunterreichten, von denen manche sagten, wenn Agatha Bauchtanz lernen würde, wären diese Hüften gefährliche Waffen.  Was diese Leute nicht wussten, war, das Agatha sowieso Bauchtanz erlernte und das diese Hüften nur halb so gefährlich waren, wie der berühmte Killerblick, den sie jedes Mal aufsetzte, wenn ihr jemand dumm kam.
Dann konnte es passieren, das man der Meinung war, der Raum erkalte binnen Nanosekunden auf 0 Grad Kelvin, also immerhin Minus 273 Grad Celsius. Aber Agatha war nicht nur bildschön, eine Wildkatze, wie sie im Buche stand und daher durchaus in der Lage, sich ihrer Haut zu erwehren, sie war auch noch aussergewöhnlich clever. Was eigentlich der Grund sein sollte, weswegen sie die Kommandantin der U.S.S DRAGONFLY hätte sein sollen, aber da Cal dort eine leicht despotische Ader durchblitzen lies, und sich selbst den Captainssessel gönnte, tat er danach sofort das Richtige und machte Agatha zu seiner ersten Offizierin – damit wenigstens der XO wusste, was er tat.

Sie hatten zusammen eine Unmenge von Abenteuern erlebt, von denen einige aber mal sowas unter die Kategorie NC-17 fielen, dass man sie hier nicht mal ansatzweise erwähnen durfte. Aber das waren eher die privateren Abenteuer. Im „All-Tag“ lief es weit gesitteter, wenn auch nicht unbedingt risikoärmer ab. Und hier wogen die Risiken gleich richtig schwer – war das Verletzungsrisiko der privaten Abenteuer vielleicht mal ein verknackster Knöchel oder ein verschobener Wirbel, ging es in den beruflichen Abenteuern wirklich extrem zur Sache.
Da wurde der Captain gern mal als Geisel gehalten, während Agatha sich überlegen musste, wie sie ihren CO (commanding officer) wieder aus dem Schlamassel, den er – da wollen wir fair sein – meistens selbst verursacht hatte, herausbekam. Und meistens funktionierte es.
Nicht so, wie bei dem Auftrag, von dem sie gerade zurückkamen.
Da sollte es eigentlich eine ganz einfache Sache sein.
Hin zum Sternbild der Jagdhunde – gucken, wer sich da meldet.
Problematisch wurde es, als diejenigen, die sich da „meldeten“ zur Rasse der sogenannten „Zylonen“ gehörten.

Zylonen – noch vor ein paar Tagen wäre es Captain, Commander und Crew nicht in den Sinn gekommen, sich mit so etwas mal expliziter herumschlagen zu müssen.
Gut – durchdrehende Borg, randalierende Dalek, rauflustige Klingonen, intrigenspinnende Romulaner und merchandise-erfahrene Ferengi – damit kam man klar. Aber eine Rasse, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Menschheit zu vernichten?
Die Borg wollten die Menschheit assimilieren, also ihrer eigenen Rasse hinzufügen, was zwar auch eine Vernichtung der Menschheit als solcher, aber nicht unbedingt der menschlichen Kultur bedeutete.
Die Dalek wollten zwar auch E-LI-MI-NIE-REN , wie sie immer skandierten, aber auch hier war es klar, dass die menschliche Rasse irgendwo im All überleben konnte.
Die Klingonen – denen waren die Menschen als solche relativ egal. Als Handelspartner, Kommandanten oder Zielscheiben eigneten sich die Menschen ganz gut, aber als solches – eine wirkliche Bedrohung sahen die kriegerischen Aliens die Menschen nicht an – lediglich als ein willkommenes Mittel mit dem Kriegssäbel zu rasseln, weil man beleidigt worden war – aber nicht als Bedrohung per se.
Gleiches galt für die Romulaner, denen die Menschen als solche auch eher egal waren – und die Ferengi wären schön dämlich, wenn sie sich in der Tötung von Handelspartnern üben würden.

Aber die Zylonen? Das war ein komplett anderer Schlag.
Von den Menschen konstruiert, damit sie ihnen schwere und gefährliche Arbeit abnahmen, taten sie irgendwann das, was jede unterdrückte Spezies tut – sie probten den Aufstand.
Sie probten ihn nicht nur, sie hatten damit sogar Erfolg.
Es war ein blutiger Aufstand, dem ein langer Krieg folgte – dessen Ursachen die meisten Menschen bis heute nicht wirklich begriffen hatten.
Nach einigen Jahren entschloss man sich, einen Friedensvertrag zu schließen – die Zylonen suchten sich einen Planeten, auf dem sie residieren konnten… und alles wäre wunderbar gelaufen.
Man hatte sogar eine Begegnungsstätte für Menschen und Zylonen errichtet.

Doch es kam anders.
Diese Geschichte handelt nicht davon, dass die Sklaven zu ihren damaligen Herren zurückkehrten und feststellten, dass es daheim doch viel schöner war.
Sie handelt auch nicht davon, dass die Menschen zu ihren früheren Zylonensklaven flogen und ihnen sichere Jobs anboten oder ihnen erneut Knechtschaft androhten.
Nein – es kam der Tag, an dem die Sklaven zu ihren ehemaligen Herren zurückkehrten – um sie ein für alle mal auszulöschen.

Diese Geschichte tangiert einen groß angelegten Genozid, eine Geschichte hinter der Geschichte – eine Geschichte voller Liebe, Leidenschaft, Sex, Hingabe, aber auch Verlust, Verrat, Tod und Tragödie.
Fragt Kara Starbuck Thrace, die weiß ein Lied von all diesen Aspekten zu singen.
Doch von ihr und ihren Freunden vom tapferen Kampfstern GALACTICA, einem der letzten Schiffe der Menschheit, wird später berichtet werden.



„Wir haben das Verzerrungsfeld verlassen.“, meldete Jill Menacer – Commander, Freundin, taktischer Offizier – und Cal wandte sich zu ihr herum: „Und, wieviele Schiffe wurden von der Föderation schon platt gemacht?“
Jill ließ ihre blauen Augen über die Konsole gleiten – natürlich nicht die kompletten Augen, sondern nur den Blick aus selbigen – ehe sie sich mit einem zufriedenen Lächeln an ihren Kommandanten wandte: „Keines.“
„Das is schön. Ruf das Föderationsschiff, das am nächsten an uns dran is.“
Kurz betrachtete die TO (tactical officer – in diesem Fall wäre „officeress“ das Wort der Wahl, aber das gibt es, ausser im Film „Falling down“ nicht, aber ‚die tactical officer’ klingt ein bischen komisch) die Konsole (hier passt der weibliche Artikel wieder) und wandte sich mit einem Lächeln an Cal: „Es ist die Voyager.“
Das Lächeln schien von Jills auf Cals Lippen zu wechseln, als er zu Agatha blickte, ihr zuzwinkerte und dann zu Jill nickte: „Dann stell mal durch.“


Tom lächelte. Er erinnerte sich daran, wie er den Kommandanten und das Schiff das Erste mal gesehen hatte.
Aber damals wirkte das Schiff doch noch wie eine Intrepid -Klasse und nicht …
„Wir werden gerufen“, hörte er Harrys Stimme und Chakotay schaute ihn an: „Da bin ich gespannt. Auf den Schirm.“

Die Flotte verschwand vom Bildschirm und machte dem grinsenden Gesicht des Kommandanten der DRAGONFLY platz, der sich gerade das Gesicht rasierte: „Wenn es euch nichts ausmachen würde, fände ich es ganz toll, wenn ihr die Flotte direkt vor euch nicht unter Feuer nehmen würdet. Die sind mit uns unterwegs.“
Chakotay wollte gerade eine Frage stellen, da verschwand der Captain schon vom Hauptschirm. Verblüfft hob Harry den Kopf: „Der hat den Kanal unterbrochen.“
Tom und Chakotay blickten einander an: „Typisch Cal.“



Man schrieb das Jahr 2377. Gerade vor ein paar Tagen war die U.S.S. Voyager von ihrer beinahe sieben Jahre dauernden Odyssee im Delta-Quadranten zurückgekehrt und man hatte sich einerseits an die Reparaturarbeiten und andererseits daran gemacht, sich mit der Umgebung wieder vertraut zu machen.  Und gerade, als Thomas Eugene Paris gedacht hatte, mit seiner Rolle als Familienvater und Ehemann klar zu kommen, riss ihm eine Konferenz in San Francisco den Boden unter den Füßen weg.

Der Konferenzraum wurde aus offensichtlichen Gründen „Roundtable“ genannt – er war nämlich rund. Kreisrund. Data, der Wissenschaftsoffizier der U.S.S. ENTERPRISE – E , stand vor Kopf, hinter ihm befand sich ein großer Monitor und der Androide hatte gerade eine Meldung verlauten lassen, die durch das laute „Bei allem Respekt, das kann nicht wahr sein.“, von Tom höchstselbst gesprochen, noch am Besten kommentiert war. Die Augen Catryn Janeways blickten ihn an und mit einem Hauch von Amüsement und mütterlicher Liebe, aber einem Großteil Strenge sagte sie nur kurz seinen Namen.
„Entschuldigung.“, murmelte Paris und blickte erneut in die Runde. Und was sich hier für eine interessante Gruppierung versammelt hatte.   
Eigentlich war es eine Konferenz für die Captains und die XOs von 6 ausgewählten Schiffen – aber da Commander Chakotay gerade andere Verpflichtungen hatte, von denen Paris lieber nichts Genaueres wissen wollte, war er von Janeway mitgenommen worden. Aber so hatte der Offizier die Möglichkeit, sich mit einigen Captains im selben Raum zu befinden und das war ja auch schon mal etwas wert. Vermutlich würde Harry Kim vor Neid die Wände hochgehen, wenn er von seinem Date mit Libby wiederkam und hörte, dass er – Tom Paris – während Harry die Zeit mit seiner Verlobten verbracht hatte, Captain Jean Luc Picard die Hand gegeben hatte. Dieser zählte mit seinem ersten Offizier – William T. Riker – nämlich zu den anwesenden Offizieren. Die anderen Captains und ersten Offiziere waren ihm eigentlich nur namentlich bekannt, lediglich die Captains Sisko und Kira hatte er vor sieben Jahren einmal getroffen, als er auf die Station Deep Space Nine kam und von dort aus mit der Voyager in die Badlands fliegen sollte. Damals konnte er nicht wissen, dass dies eine sieben jährige Reise werden würde, die ihn auch in den Ehehafen bringen würde. Wie hatte er sich in den letzten Jahren entwickelt, war zu einem durchaus verantwortungsbewussten Mann geworden – ein weiter Weg von dem Kerl, der damals einen Pilotenfehler hatte verschleiern wollen.
Er stockte, als er bemerkte, das er von den anwesenden Offizieren angesehen wurde. Allen voran  Captain Jean Luc Picard, ehe er zu dem goldäugigen Androiden schaute, der sie alle hierher gerufen hatte: „Ich stimme Lieutenant Paris zu, Mister Data. Wir wissen, dass der erste Warp-Flug durch Zephrem Cochrane gestartet wurde.“
„Dieser Fakt ist korrekt.“, sagte der Androide in seiner für ihn typisch leidenschaftslosen Stimme, „Allerdings ist dies nicht der erste Überlicht-Flug, den die Menschheit je erlebt hat. Es liegt mir fern, die Leistungen Professor Cochranes zu schmälern und er ist definitiv der Raumfahrtpionier, dem wir unseren heutigen Antrieb zu verdanken haben…“
„Wie können Sie daher behaupten…“, setzte Paris an und Data bedachte ihn mit einem neutralen Blick: „Ich möchte Sie bitten, mich ausreden zu lassen, Lieutenant Paris.“
Dann wandte er sich Picard zu: „Captain – meine Aufgabe nach Beendigung des Dominion-Krieges war es, die beschädigten Datenbanken der Föderation wieder zu reparieren und dort, wo Beschädigungen zu schwerwiegend waren, eigenhändig Daten einzufügen. Sie wissen, dass mein positronisches Gedächtnis fehlerlos funktioniert.“
„Wie kommt es, dass Sie jetzt diese Daten ausgegraben haben?“, erklang eine Stimme, die deutlich jünger als die Toms war und der Pilot der Voyager wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war – wobei er sich gar nicht viel wenden brauchte, denn die Person, die diese Frage gestellt hatte, saß ihn im großen Rund des Tisches genau gegenüber.

Data musste sich jedoch umdrehen, betrachtete den jungen Mann: „Der dritte Weltkrieg hat nicht nur etliche Leben, sondern auch eine große Menge an Daten gekostet, Captain Cat,  womit ich mich in allererster Linie auf solche beziehe, die als „Streng Vertraulich“ klassifiziert wurden. Diese Daten wurden in Unterverzeichnissen gespeichert und mit einem Verschlüsselungscode versehen, den der Computer der ENTERPRISE zusammen mit mir zu entschlüsseln in der Lage war.“
„Und hierbei stellte sich heraus, dass es weit vor dem dritten Weltkrieg ein sogenanntes „Stargate-Programm“ gab und das erste Raumschiff, dass auf Überlichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte, die X-303 war?“, fragte Picard.
Data nickte: „Auch bekannt als Prometheus, Sir.“
Der Mann, den Data „Captain Cat“ genannt hatte, beugte sich vor, betrachtete das Gefährt, das nun auf dem großen Monitor hinter Data gezeigt wurde und wandte sich an die Frau, die neben ihm saß. Sie hatte raspelkurze, blonde Haare, blaue Augen und lächelte ihm, Tom, kurz zu, ehe sie sich an den Mann neben sich wandte.

Mehr musste Tom gar nicht wissen. Er sah, dass die rote Uniform, die sie trug und die drei Rangpins sie eindeutig als Commander auswiesen und er vermutete, dass es sich dabei um die XO Captain Cats handelte, der in diesem Moment zu Tom herüberblickte, auf den Monitor deutete und nickte: „Schickes Schiff, was?“
Und ehe er darauf antworten konnte, geschahen zwei Dinge.
Erstens gab Captain Picard einen Laut von sich, der nicht unbedingt angenehm klang, zweitens öffnete sich die Tür, die zu „Roundtable“ führte und eine attraktive Blondine betrat den Raum, gestützt von Chakotay. Sie hielt sich den Bauch, stöhnte einmal und taumelte nach vorne, ehe sie sich an dem Stuhl, der Cat gehörte, festklammerte. Der Captain schien die Blonde sehr genau auswendig lernen zu wollen, was ihm einen Stoß in die Seite seitens der Frau, von der er vermutete, dass sie Cats XO sei, eintrug, ehe sie sich in die Augen griff und zwei gefärbte Kontaktlinsen herausholte. Dann blickte sie Cat an, der grinste und ein sehr deutlich sichtbares: „Ich find deine grünen Augen hübscher, Gathy“ flüsterte, ehe er sich umwandte und Seven of Nine anblickte, die in diesem Moment ihre Schmerzen anscheinend abschütteln konnte.
„Ich wollte nicht stören“, sagte sie in einer angenehmen Stimme und fokussierte Captain Janeway und ihn: „Die Borg…“
Weiter kam sie nicht, denn Picards Kopf ruckte hoch und sein Blick traf den ihrigen: „Sie… sind in die Vergangenheit gereist?“
Seven nickte, ehe ihre vollen Lippen sich zu einem weiteren, gepeinigten Atmen teilten und die Borg Picard anblickte: „Wir müssen sie aufhalten.“
„Das werden Sie.“, setzte Data an und wandte dann seine goldenen Augen dem Captain neben Seven zu: „Um genauer zu sein, die Crews der Voyager und der DRAGONFLY .“
Captain Cat stockte.
„Erm… wieso wir?“
„Das ist vollkommen unerheblich.“, meldete sich Janeway zu Wort und schaute den Captain, der ihr gegenübersaß an, „Wieviel Zeit benötigen Sie, um die DRAGONFLY fertig zu machen?“
Cal zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung – ne Stunde?“
Damit blickte er zu Seven: „Wieviel Zeit haben wir denn?“
„Je länger sie benötigen, desto mehr Zeit verlieren wir.“, erwiderte die Borg mit einem eiskalten Blick.
Cal riss die Augen auf: „Okay, dann sind wir fertig.“




Auf der GALACTICA war man inzwischen auf das Schlimmste vorbereitet… Adama sah schon, das ihr Kampf verloren war.
Doch dann meldete sich Cal: „Hi Leute – gute Nachrichten. Die unbekannten Objekte sind unsere Freunde. Ihr seid vorläufig in Sicherheit.“

Was dieser eine Satz ausgelöst hatte, war wirklich beachtlich.
Auf der Brücke herrschte zunächst Totenstille.
Bill Adama fühlte sich wie betäubt, wie vor den Kopf geschlagen.
Es war vorbei? Konnte das wirklich sein?
„Das ist doch ein Trick der Zylonen.“, schoss es ihm durch den Kopf.
Oder?
War es ein Trick der Zylonen?
Adama konnte es sich vorstellen – natürlich, das wäre, wenn man ihn fragen würde, ein probates Mittel, das der Feind anwenden konnte.
Zunächst lullen wir den Gegner im falschen Gefühl der Sicherheit ein und schlagen dann zu.

Den lauten Schrei hörte er in dem Moment, als er losbrach.
Der Kommandant der GALACTICA zuckte zusammen und sah dann mit einem gewissen amüsierten Funkeln in den Augen, wie Gaeta auf Dee zusprang und die hübsche Dunkelhäutige umarmte.
Felix Gaeta – er war schon ein Fall für sich.
Es amüsierte Adama, zu sehen, wie die Worte des Sternenflottencaptains den eigentlich recht beherrschten Offizier zu einem derartigen Freudenausbruch hinrissen.
Und dann gab es kein Halten mehr.
Kara und Lee sprangen sich, lächelnd in die Arme, dann wandte sich Lee seiner Frau und Kara ihrem Mann zu und küssten ihren jeweiligen Partner…

Erneut legte sich ein Lächeln auf Adamas Lippen, das sich verbreiterte, als er Saul Tigh neben sich auftauchen sah, der ihm eine Metalltasse reichte und anschließend mit goldener Flüssigkeit füllte.
Ambrosia.
Das stark-alkoholische Getränk der Kolonien.
‚Zur Hölle, selbst wenn es eine Falle ist – der Schiffsmoral tut es sicher gut.’, dachte sich Adama und gab sich lächelnd dem Gefühl der Sicherheit hin. Er nahm dankend die Tasse und setzte sie an die Lippen an.
‚Wir haben es geschafft.’, schoss es ihm durch den Kopf, als er trank, ‚Bei den Göttern.’

Galen Tyrol konnte nicht anders, er musste lächeln.
Seine Deckgang war gerade offenbar – völlig durchgeknallt.
Eine halbe Stunde, nachdem er zu sich gekommen war, war das Schiff auf taktischen Alarm gegangen.
Tyrol hatte gehört, dass die Flucht vor den Zylonen die entscheidende Phase erreicht hatte und befürchtete nun, da der Alarm ausgebrochen war, dass die Zylonen doch gewonnen hatten.
Der Chefingenieur machte seinen Frieden mit den Göttern – und wartete, mit seiner Frau, Cally, im Arm, auf das Ende.
Doch es kam nicht.
Stattdessen beendete man den Alarm – und Admiral Adamas Stimme raunte durch die Lautsprecher.
Es war wie damals vor drei Jahren gewesen – es war wieder eine kurze Situationsbeschreibung, ein Sit-Rep, wie man es so schön nannte – doch im Gegensatz zum damaligen, geraunten „Von diesem Moment an sind wir im Krieg.“, erklang nun die Stimme des Admirals: „Von diesem Moment an sind wir in Sicherheit.“

PENG.
Das war's.
Nun brachen alle Dämme.
Egal in welcher Position man vorher gewesen war, welchen Rang man vorher bekleidet hatte – nicht das man groß darauf geachtet hätte, nicht mit einem Vorgesetzten zu fraternisieren, mit den Regeln war es nach dem Zusammenbruch der Kolonien verständlicherweise sowieso nicht allzu weit her  -  man lag sich, himmelhoch jauchzend in den Armen.
Der Krieg, der soviele gute Techniker, Nuggets, Piloten, Offiziere – und auch Tyrols Sharon, die man damals Boomer genannt hatte – gekostet hatte, war vorbei.
Schien vorbei.
War vorbei.
Und die Deckgang ergab sich ihres Freudentaumels, dem auch Tyrol sich nicht entziehen konnte – und wollte.


Doch… an Bord ihrer Raptor saß Sharon Valeri und schaute nach draußen.
Der Weltraum… unendliche Weiten – hatte man in dieser Welt Platz für eine Zylonin? War sie von Bedeutung? War sie von Wert?
Oder konnte man sie einfach loswerden?

Naja, wie man sieht – nicht alle waren glücklich… Präsident Baltar gehörte zu dieser kleinen Minderheit, die der Sache nichts Positives abgewinnen konnte… jetzt war er nicht mehr der wichtigste Mann – er war, im Gegenteil, wieder das, als was er angefangen hatte – Zylonenexperte, aber einer, in einer Welt, in der es keine Nachfrage nach Zylonenexperten gab. Im Grunde war er Überflüssig.
„Was kann ich hier noch tun?“, schoss es ihm durch den Kopf und er stöhnte innerlich auf, als er sich selbst die Antwort lieferte: „Nichts – ich bin überflüssig. Ich kann genau so gut…“

Baltar war Wissenschaftler – in seiner Welt gab es keinen Platz für „Überflüssiges Dasein“. Funktionalität bestimmte die Lebensdauer und das Leben als solches. Und Gaius Baltar übte keine Funktion mehr aus – mit einer Anwesenheit in Sicherheit gab es keine Nachfrage für einen Zylonenexperten und noch weniger für einen Präsidenten eines obsoleten Systems.
Die einzige Person, deren aktueller Rang noch unnötiger war, als seiner, war Laura Roslin. Doch die Frau war wenigstens noch Lehrerin, sie erfüllte also einen Nutzen.
Er war ein technisches Genie, keine Frage, nur würde es in dieser Welt auch keine Nachfrage nach technischen Genies geben, denn diese Welt hatte dies alles. Das bewies die DRAGONFLY , sowie die anderen Schiffe, die er nun sah, wenn er aus dem Fenster der Colonial One blickte.
„Nein, mein Leben ist hier völlig überflüssig. Ich kann genau so gut…“


Er hatte es schon zum zweiten Mal gesagt und nun sollten den Worten Taten folgen.
Er griff nach dem scharfen Brieföffner und betrachtete ihn.
Ein Wahlsieggeschenk von Gina Inviere, mit der Aufschrift „In ewiger Liebe G.I.“ – Ironie des Schicksals, dass diese Ewigkeit nicht allzu lange dauerte, im Gegenteil, sie endete als sie, Wochen, nachdem Gaius die Wahl gewonnen hatte, eine Atombombe zündete und die Cloud Nine, an deren Bord sie war, zerstörte.

Baltar überlegte kurz und nahm dann den Brieföffner in die Hand, um sich die Pulsadern aufschneiden – aber die feingliedrigen Hände Natasis, der Frau, mit der alles angefangen hatte, legten sich auf die Klinge. Sie lächelte ihn an, küsste ihn sanft und raunte ihm, mit seinen Haaren spielend, ins Ohr: „Deine Zeit wird kommen, Gaius.“


An Bord der DRAGONFLY war die Situation recht entspannt.
Cal und Agatha saßen einander in ihrem Quartier gegenüber, er war fest entschlossen, das, was vor der Enterung der DRAGONFLY angefangen hatte, fortzusetzen.
Beide Offiziere hatten je ein Glas mit goldener, prickelnder Flüssigkeit in der Hand und Agatha hatte Cal schon, als er ihr das Glas gereicht hatte, überrascht angeschaut.
Wobei „überrascht“ ein krasser Euphemismus ist – „sparsam“ wäre das treffendere Wort der Wahl.
„Du trinkst doch sonst nie Alkohol.“, hatte sie gefragt und Cal hatte gegrinst: „Heute ist einfach ein besonderer Tag.“

Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, wusste er auch wieder, wieso er sonst keinen Alkohol trank, denn dieser Sekt, den er da vom Replikator hatte replizieren lassen, aktivierte alle seine Gesichtsmuskeln im Mund- und Lippenbereich, um alles, was verzogen werden konnte, zu einer Grimasse der Abscheu zu verziehen.
Dieser Alkohol schmeckte einfach nicht. Er war zu sauer, er prikelte im Mund und … er mochte ihn einfach nicht.
Agatha schien da keine größeren Probleme zu haben und trank das Glas, beziehungsweise, den Inhalt des Glases in drei großen Schlucken weg.
Das Agatha „einen Stiefel vertrug“, wie man es damals nannte, wahrscheinlich bezog man sich dabei auf das „Stiefelsaufen“, was man ja wiederrum unter anderem von Klaus Störtebeeker kannte, war ihm, Cal, schon vor Jahren klar gewesen. Schon bei der Weihnachtsfeier, als sie 18 Jahre alt waren und Trinken endlich legal war, hatte es in der Klasse des Captains ein kleines Saufgelage gegeben.
Agatha Silverbird „exte“, wie man im frühen 21. Jahrhundert zu sagen pflegte, 4 große Gläser Gin, Wodka und Whiskey.
Scotty hielt den Gin und Wodka mit, nach dem dritten Glas Whiskey lallte er Unzusammenhängendes und fand sich in inniger Umarmung mit der Tischplatte wieder, gegen die er geknallt war.
Und Cal hatte nach dem ersten große Glas Gin schon zuviel gehabt.
Aber er war noch wach genug geblieben, um zu sehen, wie Agatha nach dem vierten Glas Whiskey „Issmirheiß“ murmelte und begann, am Top zu nesteln.
Dann war auch er in Ohnmacht gefallen.

So war das mit Cal und Alkohol.
Er vertrug nicht viel und trank noch weniger – weswegen er wiederrum nicht viel Vertrug.
Teufelskreis eben.
Doch dem Captain war das heute – naja, egal ist hierbei das falsche Wort, er hatte nicht vor, betrunken in der Ecke zu liegen und zu lallen, wie schön Agatha doch sei, aber er wollte ein wenig feiern.
Und zum Feiern gehörte Sekt nunmal dazu.

Die Beiden tranken also (Cal ein Glas, Agatha zwei) und beschränkten sich darauf, den Tag Revue passieren zu lassen.
So lagen sie in seinem Bett, sein Kopf ruhte in ihrem Schoß und sie erzählten einander, was sie von den aktuellen Geschehnissen hielten.
„Was hat eigentlich das HQ gesagt?“, wollte Agatha wissen und Cal zwinkerte ihr zu: „Ich soll die Tage mal zu einer Besprechung vorbeikommen.“
„Und was wirst Du ihnen erzählen?“
„Na – das was passiert ist. Ich meine, das is so verquer, das glaubt einem keiner. Niemand würde glauben, dass wir in Agrabah waren und mit Aladdin und Jasmin gegen…“
Agatha grinste, packte ihren Kommandanten und presste ihm einen Kuss auf den Mund.
 Gleichzeitig umarmte sie ihn, sie verloren ihr Gleichgewicht und lagen nun wirklich im Bett.
Er schaute in ihre Augen und erlaubte sich, sich in diesen unglaublichen grünen Augen zu verlieren. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, ehe er sich ihr hingab.
to be continued

CaptainCalvinCat

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Kapitel 3 Das Hearing


Computerlogbuch der U.S.S. DRAGONFLY , 56944,8. Captain Cat.
Nachdem wir dem Start der Titan zugesehen haben, wurden wir von Admiral Nachayev gebeten, uns auf die Erde zu begeben und einen Bericht über die letzten Abenteuer der DRAGONFLY abzuliefern. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Sache noch sehr amüsant werden kann.


Der Blick in die ausdruckslosen Mienen der Admirale Benjamin Ross, Alynna Nachayev und Edward Jellico verliehen Cal das Gefühl, dass er gerade auf der Anklagebank saß. Gewissermaßen tat er das wohl, nicht zuletzt wegen diverser Eingriffe in die erste und die erste temporale Direktive.
„Captain“, setzte Nachayev an und der Kommandant der DRAGONFLY musste hart schlucken. Die Stimme klang nicht wirklich freundlich – allerdings war das bei ihr Standard, so hatte man ihm zumindest einmal gesagt. Und so guter Dinge er noch gestern abend gewesen war, desto nervöser wurde er jetzt, wo er diese drei mächtigen Admiräle vor sich sah.  Er blickte in die eisigen Augen Nachayevs und versuchte, freundlich zu lächeln, was vermutlich mehr als nur mißlang.
„Ja?“, fragte er und hatte das Gefühl, sich unter diesem Blick zu winden, wie ein Wurm.
Nachayev blieb völlig neutral.
„Captain Cat, würden Sie uns einmal genau schildern, wieso Sie ihre Position im Sternbild der Jagdhunde verlassen haben, erst diese Flotte vorbeischicken und dann auftauchen, als wäre nichts passiert?“
Okay – dass Nachayev einfach nur eiskalt sein konnte, hatte man dem Captain ebenfalls mitgeteilt. Sie hatte einfach diese Disposition, Fakten einfach so ‚rauszuhauen’, sich nicht um die Geschichte hinter diesen Fakten zu kümmern und ein möglichst schlechtes Licht auf die Situation zu werfen.
Cal räusperte sich, versuchte, den Köder nicht zu schlucken und antwortete dann, in einem langsamen, gemessenen und – seiner Meinung nach – perfektestem Oxford-Englisch-Tonfall, den man sich vorstellen konnte.
„Ma’am“, sagte er, wobei er das Wort nicht wie „Mäm“ aussprach, sondern es eher wie „Mam“ klang, was aber vollkommen mit dem britischen Hochakzent, den er gerade sprechen wollte, konform ging. Dann wandte er sich an die beiden Herren.
„Sirs“.
Und erneut fokussierte er Admiral Nachayev.
„Ich stehe zu meinen Berichten – die Hintergründe sind in den Logbüchern zu finden, aber – wenn Sie darauf bestehen, kann ich die Geschichte gerne noch einmal wiederholen.“
Nachayev blickte ihn an, als sich eine vierte Stimme meldete.
Cal wandte sich um, als sich Admiral Kathryn Elizabeth Janeway aus dem Schatten ins Licht lehnte und ihn mit einem mütterlich-warmen Lächeln anblickte: „Bitte, amüsieren Sie uns.“
Der Captain schenkte ihr ein ebenso kurzes, wie schüchternes Lächeln und räusperte sich.
„Wo soll ich anfangen?“
„Am Anfang.“, lächelte Janeway und Cal nickte.
„Okay – am Anfang.“, sagte er und schaute sich um: „Ich beginne am Besten mit den Antagonisten der Geschichte – den Zylonen.“
Damit lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete das komplette Admiralsquartett.
„Die Zylonen wurden von Menschen erschaffen.“, begann er und blickte in die Runde, „Sie entwickelten sich. Sie rebellierten. Sie sehen aus – und fühlen – wie Menschen. Einige sind darauf programmiert, zu denken, sie wären Menschen. Es gibt viele Kopien. Und sie haben einen Plan.“
„Plan, Captain?“, fragte nun Admiral Ross und schaute ihn verblüfft an, „Von welchem Plan sprechen Sie?“
Cal zuckte mit den Schultern: „Gute Frage, Sir – ich weiß es selber nicht. Ich weiß nur, dass immer wieder die Rede davon war, dass sie einen Plan hätten.“
„Und was ist das mit den „Sie sehen aus wie Menschen?““, fragte nun Admiral Jellico. Cal wandte sich ihm zu: „Das habe ich nun selbst erlebt. Offenbar können Zylonen entweder menschliche Lebewesen klonen oder aber sie erschaffen Roboter und überziehen diese dann mit geklonter Haut. Also eines von beiden ist es auf jeden Fall.“
„Captain“, lenkte nun Nachayev die Aufmerksamkeit des Sternenflottenoffizieres auf sich, „Wenn ich ihren Bericht richtig lese, dann wurden Sie selbst geklont und für einige Zeit von eben jenem Doppelgänger als Kommandant ihres Schiffes ersetzt.“
‚oh Oh’, schoss es dem Kommandanten durch den Kopf, als er Nachayev anblickte und kurz – hilfesuchend – zu Janeway schaute, die ihn mit einer undurchdringlichen Maske ansah.
‚Naja, heute is n guter Tach, um den Pöter zuzukneifen’., schoss es ihm durch den Kopf, als er zu Nachayev blickte und mit einem „Das ist korrekt“ nickte.
„Woher sollen wir dann sicher sein, dass Sie nicht der Klon sind?“, fragte Nachayev und Cal zuckte mit den Schultern: „Ma’am, fragen Sie mich was Leichteres. Ich weiß, dass ich mich wie ich fühle, aber das ist so ziemlich das Klischee – ich glaub, jeder Klon fühlt sich, wie man selbst, oder? Ich kann mich daran erinnern, dass ein Klon von Chief O’Brien auch nicht gedacht hat, dass er der Klon wäre.“
„Dies soll keine Anklage gegen Sie sein, Captain.“, erklang nun wieder Janeways Stimme, ehe sie ihn anblickte: „Aber Sie verstehen, dass wir da sehr vorsichtig sein müssen.“
„Natürlich, Ma’am.“, sagte der Captain und zuckte zusammen, als die ehemalige Kommandantin der Voyager kurz einen Blick aufs PADD warf und sagte: „Wieso haben Sie den Convoy um die GALACTICA mitgebracht?“
Der Captain holte tief Luft.
Wo sollte er beginnen?
Am Anfang – schon klar.
„Nun“, setzte Cal an und begann, zu erzählen.


Cal wandte sich auf der Brücke der DRAGONFLY an Scotty Middlegate, der ebenfalls zugegen war: „Sag mal, wie weit sind wir mit dem … Du weißt schon… dem Dings.“
Scotty rollte mit den Augen: „Du meinst doch wohl unsere Möglichkeit, nach Hause zu kommen? In unser Universum? Naja – wir haben es an den Warpkern angeschlossen und – können eigentlich starten, wenn du willst.“
„Dann mach das mal.“, sagte der Captain, „und gib bitte auch der GALACTICA und dem Rest der Flotte Bescheid – Zerhackercode Cat 1“
Agatha warf ihm einen warnenden Blick zu, doch Cal schüttelte mit dem Kopf: „Nein, Gathy! Das hier ist kein selbsgerechter, arroganter Versuch, seine Freunde zu retten, das hier ist ein selbstgerechter, arroganter Versuch die Menschheit und unsere Vorfahren zu retten, verdammt noch mal.“
„Vorfahren?“, murmelgurgelte Adama vom Bildschirm her, doch Cal schüttelte den Kopf: „Jetzt nicht, Admiral.“
Damit wandte er sich an Apollo : „Ich nehme an, die PEGASUS ist in Sicherheit gesprungen?“
Verblüfft blickte der Kommandant des Kampfsternes zuerst ihn und dann seinen Vater an, doch dann nickte er: „Nein, sie ist nur ausserhalb des Aktionsradius des Basissterns.“
Cal nickte: „Gut.“
Damit wandte er sich an Jill: „Sag der PEGASUS auch Bescheid, Zerhackercode Silverbird 1.“
Mit unerhörter Präzision glitten die Finger der taktischen Offizierin über die Konsole, dann wandte sie sich an ihren Kommandanten und nickte: „Meldung ist abgeschickt. – wir erhalten Bestätigungen von der gesamten Flotte.“
„Das ist sehr gut.“, murmelte der Captain, dann schaute er zu Sebastian herüber: „Meinst Du, dass das klappt?“
Kurz überlegte der Chefingenieur, dann zuckte er mit den Schultern: „Keine Ahnung. Eine kleine Marge für Fehler ist eigentlich bei allem gegeben. Ich nehme nicht an, dass uns großartige Probleme erwarten, aber – wie schon gesagt, mit einer kleinen Fehlermarge muss man eigentlich immer rechnen.“
Dies zu hören, und zu verstummen, war für den Captain eines.

Was, wenn ich mich täusche? Was, wenn ich falsch liege? , schoss es ihm durch den Kopf und man konnte diese Gedanken beinahe sehen. Verdammt – zu viel war schief gelaufen, zu viel hatte er verändern wollen und bei zu vielem hatte er versagt.
Was, wenn dies wieder so ein Punkt war? Was, wenn er erneut falsch lag? Vielleicht würde gerade die Entfernung der Flotte aus diesem Zeitrahmen alles nur noch Schlimmer machen?
Andererseits war es möglich, dass genau diese Handlung das Überleben der Menschheit sicherte.
„Cal?“, riss ihn die sanfte Stimme seiner XO aus den Gedanken. Er schaute auf, blickte in ihr aufmunternd-lächelndes Gesicht und merkte, wie neue Energie ihn durchfloss.
„Danke, meine süße Duracell-Batterie.“, grinste er, sah, wie sie ihn verwundert anblickte – war da eine Spur von amüsierter Verwirrtheit in ihrem Blick, ein „Ich nehm das mal als Kompliment“? – und richtete sich auf.
„Jill?  Schutzschilde hoch, Phaser auf die Zylonen ausrichten – feuern wenn bereit.“
„Cal, meinst Du nicht, das ‚feuern, wenn sie in Reichweite sind’ zweckmäßiger wäre? Du kennst doch Jill, sie ist immer bereit.“, grinste Scotty Cal zu und des Captains Gesichtszüge verrutschten.
„Bitte?“, fragte er und Agatha rollte mit den Augen, bevor sie sich vorbeugte und ihm ins Ohr flüsterte: „Das erklär ich dir später.“
Der Captain hatte zwar keine Ahnung, was sie genau meinen könnte, aber die Wortwahl und der Tonfall ließen ihn darauf schließen, dass es zumindest ein wenig… unpassend für eine Kampfsituation und dazu noch für die Brücke wäre.


„Wir wollten eigentlich alleine in die Gegenwart springen.  Dann begannen die Zylonen mit Nuklearwaffen zu ballern und unsere Verteidigungsmöglichkeiten wurden…“
Cal machte eine Pause, holte tief Luft und schüttelte den Kopf: „Locutusiert.“
Nachayev blickte ihn verdattert an: „Locutu… was?“
„Er bezieht sich auf die Tatsache, dass die Zylonen wussten, was für Waffen die Föderation im Arsenal hatte.“, sagte Janeway und warf Nachayev einen Blick zu, „Wie die Borg wussten, was die ENTERPRISE vorhatte, als Jean Luc Picard in Locutus verwandelt wurde.“
Cal nickte und fuhr fort.



Vor ein paar Sekunden hatte Jill einen Phaserstrahl auf den Zylonenbasisstern abgefeuert und das atomare Feuer hätte die kristallin-wirkende Struktur durchschlagen müssen, wie ein brennender Pfeil Butter durchschlägt.
Hätte.

HÄTTE.
Wie in „hat nicht.“
Stattdessen war der Phaserstrahl an einen grellbunten regenbogenbunten Energiespektakel absolut wirkungslos verpufft.


Der Basisstern schwebte immer noch absolut bedrohlich vor ihnen – und die anderen beiden Basissterne gesellten sich langsam, aber sicher, dazu.
Die Schiffe der Zylonen legten keine übermäßige Hektik an den Tag – im Gegenteil, sie zelebrierten Gelassenheit, Ruhe und Frieden.
Sie hatten ja auch nichts zu verlieren – ein Arsenal von Raketen, von denen mindestens die Hälfte Nuklearraketen waren, eine komplette Miniflotte von Zylonenangriffsjägern und Kaperschiffen und die Gewissheit, beim Sterben in einen neuen Körper heruntergeladen zu werden, wodurch das Sterben lediglich zu einem Prozess der Erfahrensgewinnung, wie man es Nicht macht, verkommt – all dies hatten die Zylonen auf ihrer Seite.

Im Gegensatz dazu die Menschen.
Sowieso schon abgekämpft, die einen von ihrem kürzlich erlebten Abenteuer, die anderen von einer inzwischen Monatelang dauernden Flucht vor den Zylonen.
Material- und Crewermüdung setzte ihnen ebenfalls zu.
Alles in allem waren die Menschen in einem recht desolaten Zustand, während die Zylonen all dies konnten, was die Menschen nicht konnten.


Der Captain zuckte mit den Schultern, als die vier Admirale ihn anblickten: „Wir waren – nun, ich möchte mal so sprechen… wir waren…“
„Am Arsch?“, fragte Janeway mit einem leichten Grinsen, was Cal erwiderte: „Ich meinte eigentlich ‚gepitscht’, aber so geht es natürlich auch.“
Ross räusperte sich: „Wenn Sie bitte zur Sache kommen könnten?“
„Aber gerne, Admiral“, sagte der Captain und schaute in die Runde – er merkte gar nicht, wie seine Erzählung immer mehr Besitz von ihm ergriff und er die Charaktere in ihr versuchte, durch Immitation zum Leben zu erwecken.


Adama fuhr herum und schaute zu Cal, Agatha und Jill, die auf der Brücke der DRAGONFLY eher wenig optimistisch dreinschauten.
„Hey, Captain!“, sagte der ältere Mann dann, „Reißen Sie sich zusammen! Es gibt Menschen, die auf Sie und Ihre Crew zählen! Enttäuschen Sie sie nicht.“

Cal schaute Adama einen momentlang in kompletter Fassungslosigkeit an, nickte dann aber und machte sich auf den Weg zu seinem Sessel.
Dann aktivierte er das Intercom.
„An alle! Hier spricht der Captain. Schnallt euch an und haltet euch fest – es wird gleich ein wenig rumplig. Aber keine Sorge, wir packen das. Wir haben ein cooles Schiff – und Ihr seid eine coole Crew. Ich schließe diese kurze, inspirierende Rede mit den Worten von Jason Nesmith alias Peter Quincy Taggart, gespielt von Tim Allen in Galaxy Quest. Niemals aufgeben, niemals Kapitulieren!“
Damit schloss er den Kanal und wandte sich an Agatha: „Ich hab schon immer darauf gewartet, das zu sagen.“
Er grinste, erhob sich wieder und ging auf den Bildschirm zu.
„Nun denn, Admiral Adama – zwo, eins, Risiko.“
„Du bist nicht Darkwing Duck!“, sagte Agatha hinter ihm und Cal seufzte grinsend.
„Musst Du mir immer in den Rücken schießen?“, fragte er dann.
„Wenn er sich gerade so schön anbietet.“, lächelte die erste Offizierin und Cal rollte mit den Augen.



Cal musste husten, griff nach dem Glas Wasser, das seit Beginn des Hearings neben ihm stand und trank es in einem Zug leer, ehe er sich an die Admiralität wandte: „Entschuldigung, aber Admiral Adama geht sehr auf die Kehle.“
„Vielleicht sollten sie mehr Zeit auf Interpretation verwenden, anstatt auf Immitation?“, fragte Nachayev und der Captain schluckte kurz.
„Ja, natürlich.“, sagte er und fuhr fort.


An Bord der DRAGONFLY schüttelte Jill den Kopf: „Es sterben zuviele. Sie fallen wie die Fliegen, Cal.“
Der Captain schluckte kurz und hart und schaute dann zu Jill.
„Gib ihnen Feuerschutz.“
„Aye, Sir.“, sagte Jill und betätigte die Phasertaste mehrere Male – ebenso feuerte sie einige Photonentorpedos ab, die aber genauso wirkungslos verpufften, wie die Phaser.
„Was können wir nun tun?“, fragte Cal und wandte sich an Scotty: „Kannst Du uns und die GALACTICA in dieses künstliche Dingsbums holen?“
Scotty legte den Kopf schief: „Dazu braucht es einen anderen Energieoutput, einen anderen Vektor – ich versuche es, aber ich kann für nichts garantieren.“
„Tu das.“, meinte Cal und wandte sich dann an Adama: „Bill? Mein Beileid wegen Ihrer Verluste – aber… ziehen Sie sich zurück und machen Sie sich sprungbereit. Wir versuchen, Sie mitzunehmen, aber wenn es nicht klappt, müssen sie selbst hier rausspringen.“

Cal wandte sich an seinen technischen Offizier.
„Wie lange brauchst Du, um das Programm zu starten, Scotty?“, fragte er und der Offizier rechnete: „Nun, wir haben ein wenig zusätzlichen Ballast – ich schätze, ’ne Minute, ´ne Minute zwanzig.“
„Tu es.“, sagte der Captain und Scotty aktivierte das Programm.
Der Warpkern nahm hörbar pulsierend seine Arbeit auf, erinnerte Cal an das Pulsen, das er dann sah, wenn Inuyasha im Holoprogramm an den Baum geheftet, erneut zum Leben erwachte, nachdem die Miko Kikyou ihn, fünfzig Jahre vor den eigentlichen Ereignissen der Serie, mit einem verzauberten Pfeil an den Baum heftete und in magischen Schlaf versetzte.

Das Pulsen wurde schneller, die Energie fiel zuerst komplett aus, dann schalteten sich einige Systeme wieder ein.
Cals Herz begann, im selben Rhythmus, wie ihn das Pulsieren des Warpkerns hatte, zu pumpen.
„Come on – funktioniere.“, dachte er sich und wünschte sich für einen Moment, den Maschinen mit seinem Geist die nötige Kraft geben zu können.

Für Aussenstehende, also die Crews der GALACTICA und der Basissterne, wirkte das, was nun geschah, mit Sicherheit ungemein beeindruckend.
Vom Heck der DRAGONFLY , von den Warpgondeln, die normalerweise blau leuchteten, ging eine grüne Welle aus, die das gesamte Schiff einhüllte und sich dann, nachdem sie sich über das gesamte Schiff ausgebreitet hatte, über die Hülle zum Hauptdeflektor vortastete.

Auf der Brücke sprühten die ersten Konsolen funken – Lichtbögen schlugen in diverse Konsolen ein, EM-Entladungen brachten andere Konsolen zum leuchten. Das Pulsieren des Warpkerns war nun unglaublich laut und schnell hintereiandner zu hören.
Techno.

Für die Loveparade geeignet – für halbnackte Frauen und Männer, die sich im Sommer in einer X-Beliebigen Stadt zu diesen Klängen bewegten.

Für die Brücke der DRAGONFLY – und vor allem für den Kopf des Captains – absolut nicht geeignet, denn das ewig-repetative Bummern verursachte Kopfschmerzen im Captainshirn.
So sank Cal auf die Knie, faste sich an den Kopf, merkte noch, wie Agatha ihn packte und ihm in die Augen sah – und sank in ihren Armen in eine kurze Ohnmacht.


In diesem Moment feuerte der Hauptdeflektor der DRAGONFLY einen konzentrierten Strahl grüner exotischer Energie auf einen bestimmten Punkt im All – woraufhin selbiges aufbrach und den Subraum freilegte.

Das Pulsieren hörte auf, Agatha verpasste dem Captain zwei kurze Ohrfeigen und wandte sich dann an Alexander Strange: „Kurs auf die Anomalie setzen. Voller Impuls.“
In diesem Moment schrie Jill: „RAKETEN!“


„Wir halten fest“, ließ Nachayev das PADD so heftig auf den Tisch knallen, das Cal zusammenzuckte, „Dass Sie bis auf den Fakt, dass sie uns hier Theater vorspielen, nichts neues, Nennenswertes, zu berichten haben.“
Cals Kinnlade klappte herunter, doch dann hörte er Janeways Stimme: „Im Gegenteil, Alynna. Seine Erklärung, warum die DRAGONFLY die GALACTICA mit in unsere Zeit gerettet hat, war deutlich. Die Zylonen wollten die Menschheit vernichten und der Captain wollte dies verhindern.“
Nachayev blickte zu Ross und Jellico und wandte sich dann an Cal: „Gut, das sei Ihnen gewährt. Aber verraten Sie mir, was dann passiert ist?“
Der Captain grinste.
„Dann“, sagte er und machte eine kurze Pause, um zu Janeway herüberzublicken, die wissend nickte: „… wurde es richtig verwirrend.“
TBC

Kapitel  4  – Das Leben ist immer noch kein langer, ruhiger Fluss.

Das Gefühl, vor einem Tribunal zu stehen, wurde von Minute zu Minute immer stärker. Und eigentlich hatte Cal keinen Grund, in Panik zu geraten, wusste er doch, dass zumindest eine Admiralin der anwesenden Vier auf seiner Seite war – oder zumindest vermutete er es.
Dennoch war es ihm alles andere als Behaglich, als Nachayev ihn anblickte und fragte: „Verwirrend? Können Sie das eventuell ein wenig spezifizieren?“
Cal schluckte, richtete innerlich sämtliche Stoßgebete, die er aufzusagen im Stande war, an seinen Schöpfer und begann, zu erzählen.


Captain Calvin Nathan Cat schwitzte.
Sie waren hier gerade per Notfalltransport aufgetaucht, da hatte sie der Typ, Marke Kleiderschrank Edelfichte, schon gesehen und sich ihnen genähert.
Die Sprache, der sich dieser Mann, dieser Brocken, dieser Koloss befleißigte, kam ihm irgendwoher bekannt vor, allerdings nicht genug, um ihm antworten zu können. Und dann war da noch eine andere Sache, die ihm auffiel. Wenn der Mann in einer Sprache sprach, die er nicht verstand, musste der Universaltranslator ausgefallen sein.
Cal und Agatha bedachten einander mit einem genau so fragend, wie ehrlich verwirrt-hilflos wirkenden Blick, ehe sich der Captain an den Kleiderschrank wandte.
„Entschuldigung, ich verstehe sie nicht.“
Und in dem Moment, in dem er dies sagte, stellte er fest, dass er hier einem ziemlichen Problem gegenüberstand. Wenn er Kleiderschrank nicht verstand, wie sollte Kleiderschrank ihn verstehen?
Kurz räusperernd wünschte er sich, dass Daniel hier wäre, auch wenn er in seiner Vision – Ausblick – Traum – Halluzination? – gegen den Anthropologen gekämpft hatte. Dennoch gefiel es ihm nicht, ohne Universaltranslator einem Typen gegenüberzustehen, der ihm vermutlich ohne jegliche Anstrengung das Rückgrat brechen konnte. Wobei – das war Blödsinn. Er war nicht Batman und der Typ war nicht Bane.
Erneut kehlte der Mann los, erneut stellte Cal fest, dass er keine Ahnung hatte, was der Typ sagte und zum allerersten Mal stellte der Captain fest, dass seine XO tatsächlich verängstigt wirkte.
Es war nicht das allererste Mal, dass sie Angst erfahren hatte, aber momentan blickte sie drein, wie er, wenn er mal wieder eine Wespe gesehen hatte. Die Augen waren vor Panik aufgerissen und starrten in die Ferne.
Cal wandte sich zu ihr: „Schatz?“
Keine Antwort.
Dafür kehlte es hinter ihm wieder los, doch Cal wusste, dass er hier keine andere Wahl hatte, als unhöflich zu sein. Vielleicht wollte der Typ ja nur nach dem Weg fragen? Wobei, jetzt, wo er erneut einen Blick auf Kleiderschrank warf und feststellte, dass er Klamotten trug, wie sie vielleicht zu Sultans Zeiten als ‚in’ angesehen wurden und das Schwert erblickte, dass in Kleiderschranks Hosenbund steckte, ahnte Cal, dass es nicht nur eine einfache Wegbeschreibung war, die Kleiderschrank haben wollte.
Bestenfalls verlangte er einfach nur nach ihren Personalien, unglücklichenfalls nach ihren Wertsachen, schlimmstenfalls nach ihrem Leben.
Mit einem „Sorry, ich versteh dich immer noch nicht“ wandte sich der Captain nun vollends seiner XO zu, schaute ihr in die weitaufgerissenen, grasgrünen Augen und merkte, wie sein Herz zum Halsansatz wanderte, um dort zu schlagen.
Verdammt – was war mit Agatha los?
„Schatz?“, fragte er – nun zum zweiten, oder dritten Mal – und griff nach ihren Schultern, um sie sachte zu berühren.
Sie blinzelte und der Captain merkte, erleichternd aufatmend, wie Leben in ihren Gesichtsausdruck trat. Ehrliche, offene Verwirrung.
„Liebling?“, fragte er nun, lächelte sie beruhigend an und bedeutete nach hinten, dorthin wo Kleiderschrank stand und wieder kehlte, noch einen kleinen Moment still zu sein, ehe er den Kopf schieflegte, und Agatha neugierig betrachtete.
„Was war los?“
Ein Lachen kroch aus seinem Mund.
Agatha blickte ihn an, ihre grünen Augen leuchteten förmlich im Halbdunkel und sie schüttelte den Kopf: „Das glaubst Du mir eh nicht. Ich hab da gerade etwas gesehen, das nicht wahrsein kann.“
„Und was?“, fragte der Kommandant und zuckte erschrocken zusammen, als direkt neben ihn ein Schwert in den Sand eindrang.
Er warf den Kopf herum und blickte zu Kleiderschrank, der gerade offenbar jegliche Geduld verloren und sein Schwert gezogen hatte, um damit auszuholen.
Man sagte ihm, dem Captain, ja gerne mal nach, dass er kopflos handelte, aber das war dann doch zu wörtlich genommen.
Er hob abwehrend beide Hände, warf sich aus der Schwungbahn des Schwertes, nahm eine Handvoll Sand und warf sie ihm ins Gesicht. Dann griff er sich Agathas Hand, versicherte sich, dass sie am restlichen Körper angebracht war und schaute ihr dann zu: „Schnell weg?“
„Schnell weg.“, sagte sie und dann eilten sie los.


„Moment“, signalisierte in diesem Moment Admiral Edward Jellico Fragebedarf und schaute den Kommandanten der DRAGONFLY an: „Darf ich fragen, wie sie darauf kamen, anzunehmen, dass Ihnen Gefahr drohen würde?“
Cal wollte schon zu einer Antwort ansetzen, stockte dann aber und starrte in die Ferne.
Ja, woher nahm er an, dass dieser Kleiderschrank ihm irgendwie schaden wollen würde?
Kurz überlegte er, den Admiral darüber aufzuklären, das manche Leute sehr stark verallgemeinern, weil sie in einer Welt leben, in der nicht nur ein paar Dutzend Menschen leben, sondern knapp 9 Billionen – und da sind die Ausserirdischen noch gar nicht mit drin – und er sich zwar nicht wirklich sicher war, dass der Typ ihm übel wollte, er es sich aber auch nicht leisten konnte oder wollte, abzuwarten, bis der Typ ihm den Kopf abgeschlagen hatte. Ausserdem hatte der Kerl doch schon mit einem Schwert nach ihnen geschlagen. Welche Beweise wollte Jellico eigentlich noch haben?
Dies schien auch Janeway zu beschäftigen, denn sie blickte den Admiral an und fragte: „Der Mann hat mit einem Schwert nach dem Captain geschlagen. Brauchst Du noch irgendwelche anderen Beweise, Edward?“
Dann wandte sie sich an den Captain und lächelte: „Bitte, fahren Sie fort, Captain Cat.“


Das laute Kreischen aus seinem Kommunikator ließ den Captain erstarren und verdattert die Brosche anblicken.
Was zum Henker?
„Das ist ein Peilungssignal, das die DRAGONFLY sendet. Sie hat unsere Kommunikatoren gefunden und das Programm, das Sebastian geschrieben hat, sorgt dafür, dass sie uns auf sich aufmerksam macht. Ich muss jetzt nur mit dem Tricorder die Frequenz klarkitzeln, dann können wir…“
Agatha Silverbird brach überrascht ab, als der Captain sie packte, ihren Körper gegen die nächste Wand und seinen Mund gegen ihre Lippen presste. Er küsste sie so hart, so leidenschaftlich, dass sie dachte, er würde allerhöchstens loslassen, wenn sie beide vor Sauerstoffverlust ohnmächtig werden würden. Innerlich konnte sie nur mit dem Kopf schütteln – das war wieder etwas, das so typisch Cal war, dass man es beinahe in eine Markenpräsentation einbauen könnte. Andererseits – der stürmische Cal entfachte auch in ihr ein Feuer und so tat sie das, was ihr Körper ihr befahl. Sie presste ihren Kommandanten gegen sich und spürte, wie seine Hände über sie glitten.
Mit geschlossenen Augen gab sie sich dieser Hitze hin, bis sie Schritte hörte, die ihren militärischen Geist wieder wachriefen. Sie öffnete ihre Augen und sah den Riesen – zumindest seine Silhouette – an sich vorbeirauschen, wobei er von einigen anderen Leuten verfolgt wurde.
Der Kommandant löste sich von ihr, schaute sie ein wenig verwirrt an und lächelte: „Gute Taktik, oder?“
„Ja, eine der Besten.“, grinste die XO, aber sie ahnte, dass Cal sie nicht aufgrund des alten „knutschende Pärchen stört man nicht“-Tricks geküsst hatte, auch wenn er es gerade so aussehen lassen wollte.
Er lächelte ihr zu: „Eigentlich müssten wir jetzt hier unbeschadet raus…“
Weiter kam er nicht, denn erneut quietschte der Kommunikator los. Schnell richtete Agatha ihren Tricorder auf die Brust ihres Captains, scannte die Frequenz und startete einen Suchlauf, als plötzlich der Kleiderschrank wieder in der Gasse stand.
„Verdammt, wo kommt der her?“, fragte Cal, als der Typ erneut sein Schwert hob und irgendetwas bellte.
Den Kopf schüttelnd trat der Captain auf den Riesen zu und legte eine Hand auf das Schwert – und bevor er zu sprechen ansetzte, wusste Agatha, dass das ganze nichts werden konnte.
„Erstens“, sagte er und bohrte seinen Blick in die Augen des Riesen, „Halt das Ding jemand anderem unter die Nase und zweitens verstehen wir dich nicht , verstehst Du das?“
Die Antwort des Riesen war eine genau platzierte Gerade in Cals Gesicht, die ihn gegen die nächstbeste Wand taumeln ließ, an der er mit verdrehten Augen herunterrutschte.


„Das war nicht unbedingt klug von Ihnen, Captain.“, erlaubte sich Nachayev eine kleine Bemerkung, die Cal mit einem Nicken bestätigte, „Ja, das war nicht gerade eine meiner Glanzleistungen, das gebe ich gene zu.“
„Eine ihrer Glanzleistungen?“
Nachayev schien sich ein Lächeln nicht verkneifen zu können, als sie ihn anblickte: „Was wäre denn eine Glanzleistung, Captain?“
Cal holte tief Luft, wollte gerade etwas sagen, als er innerlich den Kopf schüttelte und zu sich selbst sagte: „Darauf, lieber Cal, fällst Du nicht rein. Sag ihnen, was sie wissen wollen und dann is die Sache gut.“
Also räusperte er sich und sagte, ganz knapp: „Nun, ich wachte nach ein paar Minuten auf, sah Agatha mit dem Typen reden und griff erst zu und dann ein.“

„Hältst Du das für so eine gute Idee?“, fragte die XO, als ihr auffiel, das Cal, statt geradeaus zu laufen, sehr schlangenlinien-mäßig rannte.
Das gebellte Wort, das der Kleiderschrank von sich gab, verstand ihr Herz nur allzu deutlich: „HINTERHER!“
Und wenn man denkt, blöder geht’s nicht mehr, dann kommt von irgendwo eine typische Cal-Idee her. Sie hinter sich herziehend, schien der Captain einem Weg zu folgen, den entweder nur er sehen konnte oder der sich ihr aus Gründen der noch vorhandenen Rationalität verschloss. Der Weg führte sie durch eine Unzahl von kleinen, verwinkelten Gässchen, vorbei an unzähligen Möglichkeiten, sich neu einzukleiden und somit zumindest für ein paar Minuten unter dem Radar ihrer Häscher hinweg zu tauchen und dann hinauf, auf einen Turm, der auch schon bessere Tage gesehen hatte.  Mit ihren Möchtegern-Fängern und komplett ohne den Dillanger-Roggen im Genick wurde der Captain gleich nochmal so schnell und Agatha konnte sich der Frage nicht erwehren, wo der Mann auf einmal seine Kräfte herhatte? Sie konnte letzendlich nur mutmaßen und schob es darauf, dass er noch einmal alle Reserven mobilisierte, nur um dann, wenn sie dann doch irgendwann in Sicherheit sein sollten, in Ruhe und ungestört zusammenklappen zu können.  Das wäre schließlich nicht das erste Mal. Doch plötzlich stoppte er, wild mit den Armen rudernd und prallte zurück. Sie machte einen Schritt zur Seite und stellte fest, was den Captain so cartoonisch hatte reagieren lassen.

„Das ist nicht das Ende der Welt“, grinste sie, „nur das Ende unseres Fluchtweges, hm?“
‚HÄ?’, schoss es dem Captain durch den Kopf, ‚Wir sind gerade auf der Flucht vor diesen Kleiderschränken und sie nutzt diese Gelegenheit, um einen Witz zu machen?“
Er wandte sich ihr zu, sah, wie sie sich an die Wand presste, eine Hand auf ihre Brust und ihm zulächelte. Die Frau hatte viel zu viel Spaß.
Vermutlich sah er gerade aus, als habe man ihm irgendwo hineingetreten, denn er spürte, dass er seine Gesichtsmuskeln nur noch bedingt unter Kontrolle hatte, als er fragte: „Wie kannst Du dabei noch so gut drauf sein?“
Sie zuckte mit den Achseln, deutete auf die Treppe, die sie gerade hochgerannt waren und von deren ersten Stufen die Schritte Kleiderschranks und seiner Gefolgsleute heraufpolterten.
„Ich nehme nicht an, dass Du diese Raufbolde betäuben willst, oder?“, fragte sie und Cal schaute sie an: „Ich dachte nicht, dass Du es mir erlaubst.“
„Würde ich auch nicht. Wir haben immerhin keine Ahnung, was sie von uns wollen?“
„Wie, was sie von uns wollen? Das kann doch nun alles sein. Räuber, Mörder, durchgeknallte Profi-Wrestler…“
„Palastwachen…“, warf Agatha ein, was ihm nur ein abfälliges Geräusch entlockte, das man in der englischen Sprache als „scoffing“ kennt, „Ja, klar, genau. Von welchem Palast?“
Seine XO deutete hinter ihn: „Von dem da, eventuell?“
Verblüfft drehte sich der Captain um … und erstarrte.
Sie waren sicherlich noch einen knappen Kilometer entfernt, aber dieser Palast war gewaltig. In der Mitte befand sich ein Gebäude, dessen Kuppel ihn an eine Zwiebel erinnerte, die auf dem Kopf stand… und er fühlte sich an ein Märchen aus Tausend und Einer Nacht erinnert.
Sanft lächelnd wandte er sich an Agatha: „Na, meine kleine Sheherazade?“
Die XO hob eine Augenbraue: „Ganz schlechter vergleich, Cal, gaaanz schlecht. Oder willst Du mich nach der Hochzeitsnacht umbringen lassen?“
„Erm“, machte der Kommandant, „Da müsste ich schon ziemlich bescheuert sein.“
In diesem Moment war auch Kleiderschrank da, gefolgt von seinen Leuten, und blickte mißmutig in die Runde, doch ehe er ansetzen konnte, schaute Cal seine XO an: „Jetzt guck dir diesen extem intelligenten Gesichtsausdruck an. Das is nich unbedingt Universitätsmaterial. Ich würde eher sagen, der Mann is zu dämlich, um gerade aus aus dem Busch zu winken.“
Erneut warf ihm der Typ erdolchende Blicke zu – doch die Umgebung hatte Cal gerade in ihrem Griff. Beinahe so, als wäre er Aladdin aus der Disney-Serie, die er auch zwischendurch mal gesehen hatte, kniff er dem Typen in die Wange und wandte sich lächelnd an Agatha: „Jetzt guckt der auch noch so, als ob er mich verstehen würde.“
Doch in dem Moment, in dem er sah, dass Agatha ihn unverständlich anblickte, stellte er fünf Sachen fest – erstens, ein Treffer mit der Faust gegen das Kinn ist eine schmerzhafte Angelegenheit, zweitens ein Treffer mit der Faust gegen das Kinn, durchgeführt von einem extrem wütenden Riesen reicht aus, um einen 75 Kilo-Captain seitwärts gegen eine 65 Kilo-XO zu schleudern, die durch die Wucht gegen eine Wand geschleudert wird, drittens sah Agatha, trotz der Kopfverletzung ziemlich friedlich aus, viertens hatte sie ihn nicht verstanden und fünftens, der grobe Klotz ihn dafür um so mehr.
Schnell wirbelte er herum, hatte seinen Phaser gezogen, ihn aktiviert und fühlte sich bemüßigt, einen weiteren Disneyhelden zu zitieren – oder besser gesagt – ihn an seine Situation anzupassen: „Frei nach Darkwing Duck – siehe Licht, Bösewicht!“
Damit feuerte er, was Kleiderschrank und seine Mannen auf der Stelle erstarren und dann kollabieren ließ.
Erleichtert atmete der Captain aus und eilte dann zu seiner bewusstlosen XO. Er tastete nach ihrem Puls, atmete erleichtert aus, beugte sich vor und tat das, was ein Prinz mit einer Prinzessin tut – er gab ihr einen langen Kuss.
Die schallende Ohrfeige tat noch zwei Stunden danach weh.
Da saßen sie allerdings schon… aber ich greife vor.

Als Agatha die unglaublich grünen Augen aufschlug, war der Captain sofort wie hypnotisiert – ganz ohne Erdbeerparfait, ohne Pendel, ohne Massagen, ohne sonstige Blickfänge, er war einfach nur vollkommen im Bann dieser wunderschönen Frau und merkte, wie er breit lächelte, als sein Kopf ihm zuflüsterte „Das ist deine Freundin.“
Das laute Rauschen, das er dann hörte, tat er zunächst als Blätterwald ab, versetzte sich und Agatha gedanklich in einen grünen Garten, wie den, in dem Sebastian als junger Mann gerne gewerkelt und seine eigenen Projekte gestaltet hatte, wo Linda Layd und Gina Intrupper, bevor sie Bordcounselor und Bordärztin wurden, eine kleine Gemüse- und Kräuterecke betrieben hatten, wo er sich bevorzugterweise mit einem PADD und einem kühlen Getränk in den Schatten gesetzt und wo Agatha gerne sonnengebadet hatte. Ja, so ließ es sich gut leben – aber sie waren nicht in einem Blätterwald, sie waren in einer Stadt in der Wüste und demzufolge konnte das Rauschen auch nicht von Blättern herrühren. Vielleicht war es ja das Meer oder der Lago Maggiore, wo er mit Agatha und Gina mal Urlaub gemacht hatte?
Nein, das Meer war viel zu weit weg.
Dann sah er Agatha an und bemerkte, dass sie einen extrem ungläubigen Gesichtsausdruck spazieren trug.
Verblüfft wandte er sich um und fand seine Nase in den Bommeln eines Teppichs wieder.
„Wer…“, brachte er hervor und bemerkte dann, dass auf diesem Teppich jemand stand. Seine Augen fuhren die strammen Waden hoch, die Hüfte, den freiliegenden Bauch und die Weste, das jungenhaft-lächelnde Gesicht , bis hinauf zum Fez.
„Hör mal, ich weiß ja, das Fezze cool sind, aber… warum trägst Du einen?“
„Vielleicht, weil es ihm einfach nur steht?“, fragte seine XO und Cal blickte sie an: „Erstens: Was? Zweitens: Das hast Du verstanden?“
Sie nickte und grinste: „Ich glaube, als ich mit dem Kopf gegen die Wand geknallt bin, ist der U.T. wieder angesprungen.“
U.T. -  Universaltranslator.
Cal war sich nicht sicher, wer auf die grandiose Idee gekommen war, im Fall einer Gefangennahme oder falls sonstige Unberufene mitlauschen sollten, in Abkürzungen zu verfallen, aber zwischenzeitlich war es ziemlich praktisch.
Ein einfaches „H.D.K.“ war schneller in den Raum gebrüllt, als ein „Halt die Klappe!“, ein „N.R.D.“ deutlich simpler, als ein „Name, Rang, Dienstnummer“. Zumal, wenn man vor Leuten, die sich mit der Thematik nicht auskannten – ja, nicht auskennen sollten – sprach und der Universalübersetzer das, was man die Nasen eigentlich nicht verstehen sollten, übersetzte, die Sache ein wenig unschön werden konnte. Vielleicht war es nicht die Beste der Ideen, den Grund, warum man sich verstand so laut auszuposaunen und zu hoffen, dass nur die Buchstaben U.T. ausreichten, damit nur Sternenflottenoffiziere die Begründung verstanden – aber auch Agatha hatte ein Anrecht darauf, mal in ein Fettnäpfchen zu treten, fand Cal. Das geschah einfach zu selten. Und so toll es auch war, mit einer ebenso schönen, wie athletischen, wie kompetenten, wie cleveren Offizierin zusammenzusein – Abwechslungen waren halt das Salz in der Suppe.
Das ihre Äußerung ein Fehler gewesen war, merkten sie beide, als der unbekannte Fremde lächelte und mit einer sympathisch klingenden Stimme fragte: „U.T.? Was ist das?“
„Oh, großartig“, entwich ein Seufzen der Kehle der hübschen XO, „das kann noch was werden.“
Cal blickte sie an, nickte und warf dann wieder einen Blick auf den Typen, der gerade auf einem Teppich vor ihnen stand. Was eigentlich kein Problem wäre, würde dieser besagte Stofffetzen nicht ungefähr einen knappen Meter in der Luft schweben. Dann legte der Offizier den Kopf schief: „Kein schlechter Trick, dieses … Ding… in der Luft schweben zu lassen. Aber… wie geht das?“
Er betrachtete den Teppich genau, ging in die Knie um unter ihm hindurchzulugen: „Ich sehe keine Streben, die ihn in der Waagrechten halten.“
Damit klopfte er einmal gegen das Produkt feinster Webkunst, was zur Folge hatte, das der Teppich ihm mit dem Bommel auf die Nase schlug.
„Er mag es nicht, geschlagen zu werden.“, sagte der junge Mann, der auf dem Teppich stand, was Cal dazu brachte, ihn anzusehen und bissiges ein „Aber er scheint drauf zu stehen, dass man auf ihm steht“ zurückgab.
Dann stockte er erneut, tastete nach seiner Kehle, machte ein paar Sprechbewegungen und schaute den Mann auf dem Teppich erneut an: „Sag nochmal was.“
„Und was?“, fragte der Junge, was Cal dazu führte, entsetzt zu Agatha zu blicken: „Schatz? Der hat meine Stimme!“
Und dann – als wäre der Blitz der Erkenntnis in ihn gefahren, zückte der Captain seinen Phaser und richtete ihn auf Teppich und Mann: „HA! Hab ich dich, Traceless! Du magst tausend verschiedene Gesichter haben, aber du hast nur einen Kopf. Und es wird der Tag kommen, an dem Du überhaupt keinen mehr hast, dann werde ich ihn nämlich geholt haben, Fantomas. Jaja, wer zuletzt lacht, lacht…“
Er stockte, als zwei unterschiedliche Dinge zum selben Zeitpunkt geschahen. Zuerst schlug der Teppich ihm den Phaser aus der Hand, dann Agatha mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, wobei sie grinste: „Cal, du bist nicht Juve! Bringt also nichts, Sprüche aus dem ersten Fantomas-Film mit Louis de Funes zu zitieren. Und ausserdem, ich bezweifele, dass dieser junge Mann Traceless ist.“
„Ich weiß nicht, wovon ihr beiden redet, aber, wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich lieber schnell von hier verschwinden, ehe Razul wieder zu sich kommt.“, lächelte der Junge und streckte seine Hand aus, die Agatha dankbar ergriff.
„Danke“, sagte sie, „vielleicht können Sie uns auch sagen, wo wir uns befinden?“
Cal versuchte, seinerseits den Teppich hochzukraxeln, als er spürte, wie kleine Füße über ihn liefen und sich dann unter lautem Keckern ein Affe seinen Phaser nahm.
„Hey“, rief der Captain, „Lass … nein, gib ihn her.“
Er hatte kurz überlegt, ob es cleverer wäre, den Affen zu bitten, die Waffe liegen zu lassen, aber in Hinblick darauf, was Kirk und seine Mannen schon für einen Trouble erlebt hatten, nur weil jemand ein Buch verloren hatte, bezweifelte er, dass es eine gute Idee wäre, seine hochtechnologische Waffe hier – wer weiß wo – liegen zu lassen.
Das wäre sicher nicht im Sinne der ersten Direktive, wobei er befürchtete, dass hier so einiges nicht im Sinne irgendeiner ersten Direktive verlief – ob nun der temporalen Variante oder der herkömmlichen.
„Wer sind deine Freunde?“, hörte er plötzlich eine angenehm weibliche Stimme, nahm all seinen Mut zusammen und versuchte sich, am Teppich hochzuziehen, als der Affe über seinen Rücken lief und der Teppich plötzlich losflog.
Als dann plötzlich seine Füße in der Luft schwebten, gab es einmal einen kurzen, kräftigen Ruck und das nächste, was er wusste, war, dass seine Hände sehr angestrengt in die Fasern des Flugteppichs fassten und wie die Schwerkraft an ihm zog.
Wenn jetzt noch einer rufen würde „Schau nicht nach unten“, würde er ihn spontan erschlagen. Aber der Klischeesatz fiel nicht, stattdessen hörte er Agathas entsetzten Aufschrei und spürte, wie vier Hände nach seinen Oberarmen griffen. Und irgendwie hatte der Junge viel zu zarte Hände.
Als der Captain dann nach oben blickte, stockte er.
Entweder war der Typ ein Wechselbalg oder aber er hatte die Frau irgendwie übersehen. Sie und Agatha und dann auch der Junge halfen ihm, sich auf den Teppich zu bugsieren, irgendwann spürte er sogar, wie der Affe nach seinen Haaren griff. Und irgendwie wusste er nicht so ganz, was das Tier damit bezwecken wollte. Hatte er tatsächlich vor, ihn zu retten oder einfach nur, ihn zu lausen? Was auch immer der Plan des Affen war, nach ein paar Sekunden der eher bangen Frage, ob er nicht doch noch auf Planet X im Land Y auf dem Marktplatz zermatscht enden würde, befand er sich in aufrecht sitzender Position auf dem Teppich.
Und dieses Wort klang einfach viel zu – abgefahren.
Oder abgeflogen, in dem Fall.
Ein fliegender Teppich, wie bei 1001 Nacht, wie bei Aladdin, wie bei den Abenteuern des Straßenjungen, der sich in die unglaublich schöne Prinzessin Jasmin verliebte und…
Cal umarmte seine XO und nickte dem Jungen und der Frau dankbar zu, ehe er zusammenzuckte.
„Ja bin ich denn Leo?“, fragte er und blinzelte die Beiden an.
Dann schluckte er und merkte, wie er gegen seine Freundin sackte, die ihn besorgt ansah: „Was ist los?“
„D… das…“, stammelte er, deutete auf die beiden Teppichreiter und schaute seine XO an: „Das sind … Aladdin und Jasmin.“
Die Prinzessin bedachte ihn mit einem sanftmütigen Lächeln, nickte ihm zu und hielt ihm die Hand hin: „Sehr erfreut… wer sind Sie?“
Das war der Moment, in dem es wieder Dunkel um Cal wurde.
Für eine sehr lange Zeit.


„Aladdin…“
Die Stimmfärbung der Admiralin machte es dem Kommandanten der U.S.S. DRAGONFLY nicht unbedingt möglich, zu erkennen, ob sie ihm glaubte, ob sie amüsiert war und sich dachte „Was hat der Junge für eine blühende Fantasie?“ oder kurz davor war, den psychologisch-psychiatrischen Dienst der Sternenflotte zu rufen. Cal spürte, wie seine Kehle erste Anstalten machte, sich zu ziehen zu wollen, also schaute er Admiral Nachayev an und nickte: „Ja, Aladdin.“
Nachayev erwiderte seinen Blick, blinzelte kalt und reptilienartig – aber vielleicht bildete der Captain sich das auch nur ein – ehe sie mit einem „Sie wollen mir sagen, dass Sie Aladdin begegnet sind. Dem Aladdin aus 1001 Nacht.“
Der Captain zuckte mit den Schultern. „Eher dem aus der Disney Version. Sie wissen schon.“, sagte er, ehe er in eine kurze Gesangsdarbietung ausbrach: „Komm mit mir, dieses Land bietet Dir allerhand, hier sind Abenteuer furios…“
Keine zwei Sekunden später verstummte er, als er den wütend-entnervten Blick der ehemals blonden Admiralin bemerkte.
Das freche Lächeln, das sich auf Admiral Janeways Lippen gelegt hatte, bemerkte er in dem Moment, als es schon wieder verschwand und sie sich zu ihm wandte: „Was ist passiert, nachdem Sie bewusstlos wurden, Captain?“
Cal räusperte sich: „Bei allem Respekt, Ma’am – das zu erklären, würde einiges an Zeit in Anspruch nehmen.“
„Die haben wir.“, erklang die eiskalte Stimme Nachayevs. Der Captain nickte ihr zu und begann, zu erzählen.


„Wieder zu Sinnen kommen“ – das ist auch ein sehr schöner Begriff. Er beschreibt nicht ein bloßes „Aufwachen aus einem langen Schlaf“, sondern tatsächlich die Rückkehr der Sinne in das Bewusstsein der Person. Calvin Nathan Cat „kam wieder zu Sinnen“. Zuerst war sein Geruchssinn wieder da und nahm seine Arbeit auf.  Wonach roch es hier? Sandelholz? Er konnte es nicht genau bestimmen, denn da war noch eine andere Unzahl von Düften, von denen keiner stark genug war, um ihn bestimmen zu können, aber schwach genug um diese Düfte nicht unangenehm zu finden. Als nächstes schaltete sich sein Gehör ein und er nahm drei Geräusche in seiner Nähe wahr. Da war einmal ein ruhiges Atmen, als würde die Person, die dort atmete, schlafen und dann waren da zwei Stimmen. Die Eine klang professionell, ruhig, sachlich und auch, wenn Cal im ersten Moment nicht verstand, was diese Stimme sagte, so würde er sie definitiv in eine Krankenstation stecken. Diese bestimmte Art und Weise sich auszudrücken, dieses ruhig-sachlich-professionelle, das auch Gina eigen war… es würde ihn nicht wundern, wenn der Besitzer dieser Stimme tatsächlich ein Arzt wäre.
Die andere Stimme war weiblich und klang auf eine gewisse Art und Weise vertraut. Man konnte eine bestimmte „Grundsorge“ hören und Cal fühlte sich sofort an Abby vom NCIS erinnert. Nicht aufgrund des Sprachduktus als solchem, denn Abbys war schnell, hektisch – und es wunderte den Captain, dass die Forensikerin des NCIS nicht den Duktus des Kabarettisten Piet Klocke angenommen hatte. Beide waren schließlich Meister der „sehr schnell fließenden Gedanken“. Doch die Stimme, die er gerade vernahm, hatte nur eine gewisse Ähnlichkeit mit Abby – eben die das man eine gewisse „Grundsorge um alles und jeden“ in ihr hören konnte, das sie warm und herzlich war, sich in das Ohr des geneigten Hörers schmiegte und es sich dort bequem machte.

Wie ein heller Blitz tauchten Erinnerungsfetzen in seinem Kopf auf. Wunderschöne, braune Augen, die vertraut blinzelten. Erneut erinnerte er sich an ein Mitglied des NCIS-Teams, an die bezaubernd-hübsche Ziva David und doch – sie sah ihr zwar ähnlich, die Person aus seinen Erinnerungen, aber es war eben nur eine gefühlte Ähnlichkeit, keine wirkliche.
Kurz hörte er die eher kehlige Sprache der beiden Stimmen, die des Arztes und die der hübschen Frau, ehe sein Universalübersetzer wieder ansprang.
„… eine leichte Gehirnerschütterung. Kein Grund zur Beunruhigung, Prinzessin.“
Das Schöne an Universalübersetzern der zweiten Generation, wie Cal einen besaß, war, dass sie nicht nur die Worte übersetzten, die jemand sagte, sondern auch den gebräuchlichen Kontext. So war es möglich, das der Arzt einen anderen Ausdruck für „leichte Gehirnerschütterung“ verwendete, für Cal würde es immer eine „leichte Gehirnerschütterung“, da der Computer den gedacht-komplett-fremden Fachterminus nicht nur übersetzte, sondern auch deutete.
Die Schmerzen in seinem Kopf bemerkete er in diesem Moment auch und merkte, wie sich seine Gesichtsmuskeln verzogen und er ein „Au, meine Birne“ von sich gab. Er richtete sich auf und fragte sich, ob der Übersetzer das „Au, meine Birne“ ebenfalls kontext-getreu übersetzt hatte. Kurz schirmte er seine Augen vor dem grellen Licht, das durch die Fenster drang, ab, ehe er mehrfach blinzelte und merkte, wie seine Schmerzen weniger wurden.
Dennoch spürte er diese gewisse Benommenheit und wiederholte leise, für sich, die Diagnose des Arztes.
„Leichte Gehirnerschütterung.“
Er wollte die Augen nicht öffnen und wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, drum herum zu kommen, hätte er sie genutzt – aber es gab sie nicht. Mit einem „Alles oder nichts“ kniff er sie zunächst ganz fest zusammen, ehe er sie aufriss und kurz schmerzhaft wimmerte, als das Licht in seine Augen fiel und dort bunt-schimmernd explodierte.
Dann wurde es weniger und er konnte die ersten Umrisse erkennen.

In erster Linie erkannte er hohe Fenster durch die heiße Luft hineinkam, die seinem Kopf auch nicht unbedingt gut tat. Gegen das Licht erkannte er dann zwei Konturen. Die eine ein bischen gedrungener, mit etwas das wie ein überdimensionaler Kopf aussah – wobei das auch gut und gerne ein Turban sein konnte – die andere hochgewachsen, schlank und durchaus kurvenreich. Er grinste. Vermutlich stand gerade Agatha neben irgendeinem ausserirdischen Arzt und beriet über sein Schicksal.
Doch als er das schläfrige „Na, schon wach, Liebling?“ hörte, das Agatha mit der ihr sehr eigenen Stimme aus Sprechen, Hauchen und Schnurren fragte da lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Gar nicht so sehr, weil sie wieder die Stimme, die ihn so in ihren Bann zog, verwendete, sondern, weil sie es direkt neben ihm sprach. Das heißt – oder besser: daraus folgerte: Die Frau, deren atemberaubende Silhouette er da gerade in der Vorstellung, seine Freundin zu sehen, begutachtete, war gar nicht seine Freundin.
Und dann war es mit einem Schlag da.
Er blinzelte und dieses Mal konnte er die beiden Figuren deutlich erkennen.
Da war ein Typ, der genau so klein, wie breit war, eine dicke Knubbelnase aufwies und eigentlich nur sympathisch wirkte – und da war sie.
Die Frau, die er nie gedacht hatte, zu sehen. Die Frau, bei der ihm eigentlich klar war, dass er sie nie sehen würde, schließlich und endlich war sie nur eine Zeichentrickfigur. Die Frau, die eigentlich auf der Figur der Prinzessin Badroulbadour basierte – Prinzessin Jasmin von Agrabah.
Cal betrachtete sie kurz, schaute dann zur schläfrig lächelnden Agatha die – und dafür beneidete der Captain sie – vermutlich schon längst mit allem abgeschlossen hatte und versöhnt war.
„Ja“, sagte sie und zwinkerte ihm frech zu, ehe sie sich aus der Liegenden aufrichtete, „Ja, das ist Prinzessin Jasmin, ja, wir sind in Agrabah, ja, die Walt Disney Verfilmung von Aladdin ist weitaus genauer, als wir gedacht hätten und ja, ich trage ein eben so bauchfreies Kostüm wie Jasmin und du trägst eine Kluft, wie sie Aladdin trägt.“
Sie grinste: „Flipp nicht aus.“
Der Captain hob eine Augenbraue: „Flipp… Flipp nicht aus? Schatz, wir sind in einer Welt… wir… sind…“
Erneut holte er tief Luft: „Schatz, wir sind bei Walt Disney. Was kommt als nächstes? Darkwing Duck?!“
„Entschuldigung?“, hörte er dann die samten-weiche Stimme der Prinzessin neben sich, wandte sich um und sah in ihre genau so schönen, wie neugierig-großen Augen: „Wer ist Darkwing Duck?“
Cal schluckte, ehe er sich aufrichten wollte und bemerkte, das sich seine Kleidung momentan eher durch einen Mangel an Solcher auszeichnete. Errötend blickte er Jasmin an: „Erm… das… ist im moment unwichtig. Wichtiger ist… wo sind wir?“
„In Agrabah, der Hauptstadt der sieben Wüsten.“, lächelte die Prinzessin, was Cal zu einem „Stopp, das wissen wir schon“ nötigte. Nun sprang er doch aus dem Bett, trat ans Fenster und blickte auf die Stadt unter sich, was er mit einem „WHOA!“ kommentierte. Dann wirbelte er um die eigene Achse, schaute Agatha an und deutete hinter sich: „Also, entweder ist das wirklich Agrabah oder aber eine verdammt gute Computersimulation. Und da wir schon eine Menge erlebt haben, bin ich momentan geneigt, beide Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.“
„Simulation?“, fragte Jasmin und Agatha stand nun ebenfalls auf, trat neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter: „Das erkläre ich später, Prinzessin.“
Dann trat sie auf Cal zu, schaute ihm in die Augen und lächelte: „Du bist gerade ziemlich geflasht, oder?“
Der Kommandant der DRAGONFLY zuckte mit den Schultern: „Hey, was erwartest Du? Ich hab gerade noch gegen Zylonen gekämpft und bin jetzt hier, in… in Agrabah? Erwartest Du von mir, dass ich das anstandslos schlucke?“
Sie kicherte: „Natürlich nicht. Ich habe auch erst gedacht, ich bin in einem langen, verrückten Traum. Aber bevor Du alle Möglichkeiten ausprobierst, herauszufinden, wo wir sind, meinst Du nicht, dass Du dich zuerst einmal deiner Gastgeberin vorstellen solltest?“
Der Captain nickte: „Da hast Du recht.“
Sprachs, trat auf Jasmin zu, ging in die Knie und gab ihr einen Handkuss: „Milady? Wenn ich mich vorstellen darf? Ich bin…“
Er setzte an, etwas zu sagen, doch in seinem Kopf ging in diesem Moment eine Alarmglocke los und vor seinen Augen blitzten Warnsignale auf, die deutlich signalisierten, das dies erneut eine Verletzung der obersten, temporalen Direktive nach sich ziehen würde.


„Wenn ich fragen darf, Captain“, setzte Admiral Janeway an und betrachtete ihn neugierig, „Wie haben Sie sich nun vorgestellt?“
Cal räusperte sich und fuhr zu erzählen fort.


„Sie sind?“, fragte Jasmin in ihrer unglaublich sanften Stimmfärbung und betrachtete den Captain mit Augen, die offenbar auch, wenn sie nicht neugierig-weit-aufgerissen waren, groß waren und die eine Vielzahl von Emotionen offenbarten. Natürlich fand sich auch Neugierde im Mix, aber es war eben nur ein Teil.
Der Captain konnte nicht verhindern, dass ein Lächeln über seine Lippen kroch, als er sie aus seiner knienden Position ansah, Blickkontakt herstellte.
„Ich bin der Doktor.“, sagte er dann, begab sich aus der Knienden wieder in die Stehende und deutete hinter sich. „Der wunderschöne Rotschopf hinter mir ist meine Frau. Sie heißt… erm…“
Er stockte, um zu überlegen, ehe er sagte „River… River Song.“


„River Song?“, echote Nachayev, „Interessante Namenswahl. Sie nennen sich selbst ‚Doktor’ und verleihen ihrer XO den Namen eines Companions. Das lässt tief blicken.“
Der Captain runzelte die Stirn: „Ma’am? Ich habe nur den erstbesten Namen genommen, der mir in den Sinn kam. Ich hätte mich auch John Smith nennen können.“
„Und Commander Silverbird Pocahontas?“, fragte nun der ehemalige Captain der Voyager ehe Cal sie anblickte: „Sie meinen, nur weil ich schon in einem Disneyfilm war, kann ich auch mehr referenzieren?“
Janeway blickte ihn an, in ihren Augen tanzte der Humor, doch er verschwand, als sie beide das Räuspern von Alynna Nachayev hörten: „Captain, ich darf sie doch bitten, ernst zu bleiben.“
Und dann, völlig „aus der Kalten“, also „out of the blue“: „Ausserdem, wäre in Ihrem Fall der Name Martha Jones für ihre XO besser gewählt.“
Verblüfft blickte der Captain sie an, sah in Nachayevs Augen ein kurzes Auffunkeln von Humor und fragte sich, ob er sie nicht vielleicht doch vorschnell verurteilt hatte. Schließlich war Janeway auch nicht so schlimm, wie SFDebris sagte, da mochte es für Alynna Nachayev vielleicht auch gelten, dass die Meinung des „opinionated Guide“, wie sich der Reviewer nannte, auch revidiert gehörte?
Vielleicht irrte er sich ja auch in allem? Das war ja immerhin möglich. Schließlich waren die „opinionated guides“ das, was der Name schon sagte: „opinionated“, also „meinungsbezogen“ oder „nach eigener Meinung“. Das machte ihn eigentlich den anderen Reviewern gegenüber sogar ein wenig sympathischer, da er seine Meinung als das präsentierte, was es effektiv war: Eine Meinung. Kein absoluter Fakt, den man als das ansehen musste, kein „Gesetz“, sondern eine einfache, eigene Meinung. Dem gegenüber stand die Präsentation manch eines Reviewers, der nur seine Meinung gelten ließ.
„Captain?“, riss ihn die Stimmy Nachayevs aus den Gedanken und der Kommandant schaute sie an: „Ja, Ma’am?“
„Wenn Sie bitte fortfahren würden?“
Der Captain zuckte mit den Schultern: „Och, soviel war da eigentlich gar nicht – wir haben die Astrometrie der DRAGONFLY hochgepowert, haben die Sternkonstellationen verglichen, den Interstellardrift in Betracht gezogen und festgestellt, dass wir weit vor Christi Geburt angekommen waren. Dann haben wir einen Händler gefragt, ob er bald mal nach Theben geht – ja, tat er – dann haben wir ihm eine Mitteilung mitgegeben, die nur Daniel Jackson verstehen würde, haben sie von dem Händler in einem der Müllsammelplätze von Theben verstecken lassen, von dem wir wussten, dass er im Jahr 2009 ausgegraben würde und haben uns dann, in eine Transporterschleife begeben, so wie es auch mein Chefingenieur und der Rest meiner Crew gemacht hatten.“
Er zuckte mit den Schultern: „2009 wurde das PADD gefunden, es machte eine drei Jährige Reise, bis es in die Hände Daniel Jacksons fiel, wir wurden ausgebuddelt, die US-Air Force hat sich sehr kooperativ gezeigt und die DRAGONFLY repariert, wir machten einen Zeitsprung in die Gegenwart und da sind wir.“
Die vier Admirale schauten den einen Captain an und es war deutlich, dass hier einiges an Mißtrauen vorherrschte.
„Wir werden ihre Logbuchaufzeichnungen prüfen lassen, Captain.“, erklärte Nachayev und der Offizier zuckte mit den Schultern: „Ma’am, so leid es mir tut, es gibt keine. Jedenfalls nicht von unserer Zeit in Agrabah, denn das Logbuch ist so ziemlich das einzige, das wir nicht ohne Hilfe von Sebastian reparieren konnten.“

Vielleicht lag es daran, dass Cal wusste, dass er nicht ganz ehrlich gewesen ist, vielleicht lag es daran, dass es vermutlich Möglichkeiten gegeben hätte, einige Eingriffe in die temporale Spur zu verhindern oder daran, dass er sich dieser sowieso schon ein paar Mal schuldig gemacht hatte, aber als er über den Platz vor der Starfleet Academy schländerte und sich umblickte, war ihm alles andere als Wohl.
Sicher – er hatte sich Jasmin als Doktor vorgestellt und Agataha als River Song, aber mal ehrlich, liebe Leser – hättet Ihr geglaubt, dass die Sache so glatt von statten ginge, wie vom Captain beschrieben? Natürlich nicht, da musste er einiges ausgelassen haben.
Und was, das erfahrt ihr im nächsten Kapitel.

TBC


CaptainCalvinCat

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Kapitel 5 – Arabische Nächte   

„Sie sind?“, fragte Jasmin in ihrer unglaublich sanften Stimmfärbung und betrachtete den Captain mit Augen, die offenbar auch, wenn sie nicht neugierig-weit-aufgerissen waren, groß waren und die eine Vielzahl von Emotionen offenbarten. Natürlich fand sich auch Neugierde im Mix, aber es war eben nur ein Teil.
Der Captain konnte nicht verhindern, dass ein Lächeln über seine Lippen kroch, als er sie aus seiner knienden Position ansah, Blickkontakt herstellte.
„Ich bin der Doktor.“, sagte er dann, begab sich aus der Knienden wieder in die Stehende und deutete hinter sich. „Der wunderschöne Rotschopf hinter mir ist meine Frau. Sie heißt… erm…“
Er stockte, um zu überlegen, ehe er sagte „River… River Song.“
Kurz warf er einen Blick auf die hübsche, erste Offizierin, die einen gefühlten Meter hinter ihm stand und mit den Augen rollte, ehe er sich wieder an die attraktive Prinzessin wandte und den Kopf senkte: “Sie benötigen keiner Vorstellung, Milady.”
Hätte Cal ihr zumindest ins Gesicht gesehen, hätte er bemerkt, dass sie die Stirn verwirrt kraus zog: „Nicht? Ihre Freundin, Doktor, schien dennoch wissen zu wollen, wo Sie sich befinden.“
Der Captain hob den Blick wieder, zuckte mit den Schultern und deutete nach draußen: „Ganz klar.“
Damit trat er auf das Fenster zu, streckte den Kopf hinaus und sah sich suchend um.
„Nun, ich würde vermuten, wir befinden uns in einer Gegend, in der es sehr viel Sand gibt, in der es sehr heiß werden kann und in der das Meer etliche Meilen entfernt ist. Ausserdem haben Sie uns gesagt, dass wir uns in Agrabah befinden, wo sollen wir also sonst sein? In Leer/Ostfriesland, vielleicht?“
„Wo?“, fragte Jasmin und Cal schüttelte den Kopf: „Das ist jetzt eigentlich unwichtig. Interessanter sind eigentlich sie.“
Die Prinzessin runzelte die Stirn, blickte zu der hübschen Rothaarigen und dann wieder zu ihm: „Ich bin schon verheiratet, Doktor.“
„Erm…“, machte Cal, errötete und wandte sich an Agatha, dann wieder an Jasmin, ehe er stammelte: „ja… erm.… und… ich…auch.“
Grinsend trat die XO neben ihn: „Na, das hat aber lange gedauert, bis du dich in das erste Fettnäpfchen setzt, Sweetie.“
„Sweetie?“, echote der Captain und betrachtete die Frau neben ihm mit hochgezogenen Augenbrauen und schiefgelegtem Kopf: „Wieso Sweetie?“
Agatha seufzte, griff den Captain bei den nun sehr frei liegenden Schultern und drehte ihn zu sich rum.
„Schatz“, raunte sie, „Wenn Du mich River Song nennst, ist es dem Gesetz der Serie geschuldet, dass ich Dich mit ‚Sweetie’ anrede.“
Cal schien kurz zu überlegen, blickte in die Ferne, ehe er sie ansah und nickte: „Stimmt, da war was.“
Agatha seufzte.

Agatha seufzte. Das war übrigens nicht das erste Mal an diesem Tag – das erste Seufzen war ihr entronnen, als Cal – ohne einen ersichtlichen Grund – auf dem fliegenden Teppich kollabiert und mit seinem Kopf in ihren Schoß gesunken war. Wieso der Captain zusammengebrochen war, wusste sie nicht, wenngleich sie sich zwischendurch fragte, ob er dafür tatsächlich einen Grund brauchte. Es war eigentlich immer so, dass der Captain dann kollabierte, wenn er oder der Autor des ganzen Schwachsinns es mal wieder für erforderlich hielten. Mit dem Kopf in ihrem Schoß schaute sie ein wenig verdutzt in die Runde, als sie die Personen, die auf dem fliegenden Teppich saßen, tatsächlich erkannte.
Ja, das war einmal die schöne Prinzessin Jasmin, der ebenso athletische, wie gut aussehende „Straßenköter“ Aladdin, selbst die „Flohtüte“, Abu, das Äffchen, war zugegen. Kurzzeitig fragte sich Agatha, ob nicht sie, anstatt Cals in Ohnmacht gefallen war und nun wirklich abgefahrenes Zeug träumte, aber, der Fakt, dass die Beule, die sie sich bei der Kontaktaufnahme mit der Wand zugezogen hatte, tatsächlich schmerzte, ließ sie von dieser Theorie Abstand nehmen. Dies bedeutete eines: Sie waren tatsächlich in Agrabah – und dies zu Zeiten des nicht näher genannten Sultans.
„Warum ist er ohnmächtig geworden?“, fragte nun Jasmin und blickte sie an. Ja, das war eine gute Frage und Agatha stellte sich erstens genau selbige und zweitens eine weitere – wie würde die XO Jasmin erklären können wer Cal war, wer sie war und wo sie überhaupt herkamen, ohne die Zeitlinie zu beeinflussen?Das war tatsächlich eine verdammt gute Frage, auf die sie momentan nicht die geringste Antwort hatte. Und irgendwie war es auch vollkommen nebensächlich, denn, als sie einen Blick über den Rand des Teppichs warf, stellte sie fest, dass sie flog. Gut, bei einem Ding, das „Fliegender Teppich“ heißt, dürfte man wohl erwarten, dass er genau das tat und alles andere würde unter die Kategorie „False Advertising“ fallen, also „Falsche Werbung“, aber – von einem fliegenden Teppich zu hören und auf ihm zu sitzen, das sind nun zwei Paar Schuhe.
Erneut hörte sie die sanfte Stimme Jasmins, deren Inhaberin, die wunderschöne Prinzessin, sich ihr zuwandte: „Haben Sie keine Angst. Ihnen wird nichts geschehen.“
„Das ist beruhigend.“, schenkte die rothaarige XO der Prinzessin ein Lächeln, fuhr einmal sanft über den Teppich und lächelte: „Der fühlt sich wirklich weich an.“
„Teppich ist ein Qualitätserzeugnis, Made in Agrabah.“, erklang in diesem Moment eine kräftige Stimme und Agatha wandte ihren Kopf nach links, dort, wo plötzlich ein gigantisches, blaues Gesicht aufgetaucht war und sie angrinste.
Erneut nahmen ihre vollen Lippen die Arbeit auf, sich zu einem Lächeln zu verziehen und sie schaute das blaue Wesen an: „Du musst Genie sein, richtig?“
„Na, wer sagts denn?“, fragte der Flaschengeist, „Ich bin berühmt.“
Agatha nickte: „Natürlich bist Du berühmt, Genie. Du bist schließlich der Flaschengeist, nach dessen Abbild alle Anderen geformt sind. Du bist derjenige, mit dem der ganze Flaschengeisthype angefangen hat und der alle Ideen über einen „Genie in a bottle“ beeinflusst hat.“
Sie lächelte: „Lediglich – der Fakt, dass Du sehr blau bist und die Stimme von Mork vom Ork, beziehungsweise Homer Simpson, hast – das ist wäre jetzt eher etwas, von dem ich nicht ausgegangen wäre. Aber ansonsten… die drei Wünsche, die …“
Weiter sollte Agatha nicht kommen, denn von einer Sekunde zur Anderen wurde sie in ein grelles Blitzlichtgewitter getaucht, als plötzlich der Dschinn neben ihr auftauchte und seinen massigen Körper in einen schwarzen Anzug gepresst hatte.
„Danke, Susan“, sagte er im üblichen Tonfall eines Showmasters, „ich möchte Dich nicht unterbrechen, aber neben dir hat gerade der Hauptdarsteller dieser Show platzgenommen. Meine Damen und Herren, Sie kennen ihn alle, Sie lieben ihn alle, hier ist für sie Genie , der Dschinn.“
Und gerade, als Agatha etwas sagen wollte, hob das magische Wesen abwehrend beide Hände und schüttelte den Kopf: „Bitte, keine Presse – keine Presse.“
Damit drückte er ihr ein Buch in die Hand und grinste „Kaufen Sie lieber meine neue Autobiographie ‚The Genie of Agrabah’.“, ehe er hinter vorgehaltener Hand ergänzte: „Wird auch zu Weihnachten im Kino laufen.“
Nun lief ein Grinsen über die ebenmäßig-attraktiven Gesichtszüge der XO: „Ich werde es mir ansehen.“
„Damit würde ich warten.“, hörte sie dann die Stimme des jungen Mannes, der in der Legende über die Wunderlampe und den ihr innewohnenden Flaschengeist gebot. Sie hob den Blick und sah, wie der Teppich auf den Palast zuschwebte und dann, wie eines der modernen Shuttles zur perfekten Landung ansetzte – ganz ohne Positionslichterabfrage und Towerbestätigung. „Wow.“, murmelte die XO, „der Teppich ist wirklich allererste Ware.“

Sofort eilten Wachen auf das fliegende Weberzeugnis zu – wobei hier natürlich kein Erzeugnis aus dem Web gemeint ist, sondern ein Erzeugnis das beim Weben entsteht, also wird das Wort „Web“ natürlich auch nicht „Webb“ ausgesprochen, sondern „Wehb“ – und umstellten es. Aladdin hob abwehrend die Hände, als die Prinzessin sich anmutig erhob und einfach nur ernst in die Runde blickte.
Dann trat sie vom Teppich, deutete auf Agatha und den in ihren Schoß gebetteten Cal und sprach, mit der Würde und der Anmut, wie sie nur einer Prinzessin eigen ist: „Sie gehören zu mir. Es sind meine Freunde und ich bitte euch, sie angemessen zu behandeln.“
Kurz zeigte sich Verwirrung auf den Gesichtszügen der Wachen, dann ließen sie die Schwerter, die sie gezogen hatten, sinken und nickten der Prinzessin zu.
Diese wandte sich wieder an Agatha und lächelte: „Ihr habt mein Vertrauen. Enttäuscht es nicht.“
„Würden wir nie.“, sagte die XO und rollte mit den Augen als Cal ein Geräusch von sich gab, das irgendwo zwischen schläfrig und zustimmend stöhnen anzusiedeln war. Ihr Blick traf sich mit dem verwunderten Blick der Prinzessin und sie zuckte mit den Schultern: „So ist er halt.“




Die hübsche XO musste gar nicht großartig überlegen und lange grübeln – sie wusste, dass der Captain sie verdattert ansehen würde und, tatsächlich, der inzwischen berühmte, nicht unbedingt intelligente Gesichtsausdruck ihres Kommandanten grüßte sie, als sie ihn anblickte.
Er blickte sie an, blinzelte ein, zwei Mal und fragte dann: „Wat?“
„Ja“, nickte Agatha, deutete auf Jasmin und dann wieder auf das Fenster, das den Blick nach draußen freigab, „Wir sind hier in Agrabah.“
Mißmutig blickte Cal seine XO an: „Soweit war ich eigentlich auch schon, aber danke für die Nachhilfe in Geographie. Mich würde viel mehr interessieren, wieso wir hier sind und nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten.“

Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Cal von sich sagen, dass Agatha Silverbird es geschafft hatte, eine Frage nicht befriedigend zu beantworten. Die Antwort, die ihm die XO auf das „Wie kommen wir hierher“ gab, war ein einfaches Schulterzucken und die Feststellung, dass sie genau so wenig Ahnung hatte, wie er. Einerseits war das ziemlich beruhigend, zeigte es doch, dass auch Agatha nicht alles wusste, aber andererseits musste er festhalten, dass es Situationen gab, in dem die Ahnungslosigkeit der XO ihm besser gefallen hätte – besser als in dieser. Der Tag, an dem er ihr offenbaren wollte, dass er tatsächlich niemand anderen mehr lieben konnte als sie und das sie, wenn sie wollte, in sein Quartier ziehen könne – das war eine solche Situation gewesen, aber damals hatte sie zwischen „Du, Agatha, ich glaub ich muss Dir was sagen“ und „Was hältst Du davon, bei mir einzuziehen?“ die Brücke verlassen – Cal hatte es gar nicht mitbekommen, weil er ihr den Rücken zugewandt und seine so-wohl-geprobte Rede einfach nicht unterbrechen wollte – und war mit gepackten Koffern hinter ihm aufgetaucht.
Auch eine Geburtstagsüberraschungsparty für die XO zu geben, war der Horror. Aber jetzt, gerade hier, wo man wirklich ein „Ach, das ist doch ganz einfach“ hätte gebrauchen können, musste die XO die Waffen strecken. Klasse. .

Vermutlich zählt der folgende Satz zu einem der ältesten Sprüche der Welt: Wenn sich irgendwo eine Tür schließt, öffnet sich eine neue. Und vermutlich hat dieser Spruch seinen Ursprung in genau dieser Situation, wo er noch „Und plötzlich öffnet sich eine Tür“ hieß. Denn – so abgeschmackt es auch klingen mag – plötzlich öffnete sich eine Tür. Irgendwie stellt der Autor nach dem Schreiben und der Leser nach dem visuell-geistigen Verköstigen dieser Zeilen fest, dass es irgendwie nicht spannend klingt und eine „sich öffnende Tür“ noch kein Grund ist, einen solchen Spannungsbogen zu schlagen.
Okay – mag sein, gebe ich zu.
Aber interessant wird es, wenn man überlegt, wer durch die Tür kommt. Hierbei handelte es sich um die Personen, die Cals nächsten Schreck und nächste Glaubenskrise verantwortlich zeichneten – nämlich den Sultan und Aladdin. Und beide sahen genau so aus, wie in der gezeichneten Walt Disney Variante. Gleiches galt übrigens auch für Prinzessin Jasmin – oder wie es mal ein Internet-Reviewer bezeichnete: Sie sieht aus, als wolle sie Jessica Rabbit neidisch machen. Nun, in Metern sah dieses wie folgt aus – Cal schätzte Jasmin auf einen Meter sechzig, also sechs Zentimeter kürzer als seine XO, während er vermutete, dass die Körpergröße Aladdins bei knappen einhundert und siebzig Zentimetern, respektive 1,70 Metern lag. Die Größe des Sultans mochte 1,10 Meter betragen, in die die Höhe des Turbans einrechnete. Der gerade durch die Tür stapfende Riese, den Cal nun als „Razul“ erkannte  - klar, Aladdin hatte ihn ja auch so genannt – mochte ungefähr in seiner Höhe rangieren, also eins dreiundachtzig, wenngleich er sich in einem Anfall von Narzissmus, deutlich besser aussehend fand, als diesen Wachmann, dessen Augen ihn gerade anfunkelten.

„Euer Hoheit“, sagte Razul, mit Stimme und Tonlage, die Cal an DarkWarrior Duck, die bedrohliche Variante des tölpelhaften Erpels Darkwing Duck , erinnerte. Und irgendwie konnte der Captain nicht anders, als festzuhalten, das dies sogar von Razuls Charakter her stimmte. Der Sultan erblickte seinen Hofdiener, nickte so schnell, dass sein Turban die Bewegung mitmachte und beinahe vom königlichen – oder besser: sultanischen – Kopf fiel und sagte nur: „Jajajaja, sprich.“
„Euer Hoheit“, wiederholte Razul den Gruß und stockte, als Aladdin sich zu Jasmin neigte und ein „Das hatten wir schon“ flüsterte. Das mädchenhafte Kichern Jasmins machte einem Klaps ihrer zierlichen Hand gegen seinen Oberarm und einem sanft-gezischten „Pssst“ Platz, was von einem genervten Knurren von Razul untermalt wurde.
„Sprich.“, repetierte der Sultan, was Razul dazu brachte, den Gruß „Euer Hoheit“ zu wiederholen und dann schnell fortzufahren: „Die Delegation aus Theben ist soeben eingetroffen.“
Der Sultan lächelte: „Wirklich? Dann lassen wir sie nicht lange warten. Razul – sag unseren Köchen, sie mögen etwas besonders Leckeres zubereiten, aber keinen wirklich aufwendigen Schnickschnack. Ein kleines Mahl, für sechs Personen.“
„Acht“, korrigierte Jasmin, was Razul zu einem überrascht-protestierenden „ACHT?“ brachte und dazu, die Gästeliste an der Hand abzuzählen, ehe ihm Jasmin auf die Schulter klopfte und ihn freundlich anlächelte: „Du vergisst die Beiden.“
Damit deutete sie auf Cal und Agatha.
„Erm“, machte der Captain der Dragonlfy , „Meinen Sie uns?… Das… können wir nicht…“
„abschlagen“, komplettierte Agatha und zwinkerte Cal zu, ehe sie ihm eine Hand auf seinen Bauch legte: „Ich höre doch, wie dein Magen rumort.“
„Das tut gut.“, grinste der Captain, legte seine Hand auf ihre, sodass sie auf seinem Bauch blieb, ehe er dann zu Jasmin blickte und mit den Schultern zuckte: „Ja – gut – erm… da sin’ma dabei, dat is prima.“
Und so schnell, wie Agathas Hand auf seinem Bauch war, hatte die XO sie dem Captain auch wieder entzogen, ehe sie ein: „Das war der falsche Karnevalsschlager“ wisperte.
„Nun“, sagte der Sultan, „Wenn sie uns diese Ehre erweisen würden, wären wir sehr… erm… geehrt.“
Captain Cat blickte den hohen Würdenträger und Gebieter über die Hauptstadt der sieben Wüsten an, zuckte dann mit den Schultern und hatte nicht nur das Gefühl, mal wieder komplett auf verlorenem Posten zu stehen, sondern diesen auch noch in irgendeinem bekloppten Paralleluniversum zu haben.
„Allerdings würde mich doch interessieren, wie Sie heißen.“
Ja, das war eine verdammt gute Frage.
Erneut zuckte der Captain mit den Schultern und lächelte den Sultan an: „Ich bin der Doctor.“
„Doktor… wer?“, fragte nun Aladdin, was Cal dazu brachte, ihn anzublicken und mal wieder die Schultern zu zucken: „Einfach – der Doctor. Das ist ein Name. So wie Cher.“
„Wer?“, wollte nun Razul wissen, was ihm von Cal ein Grinsen einbrachte: „Das erkläre ich dir nachher, Eddie-Teddie. Nach dem Essen und nach dem…“
Er blickte zu Agatha. „Treffen wir wirklich eine Theb… Thebi… Thebina… ägyptische Delegation?“
„Scheint so.“, zuckte nun die XO mit den Schultern und Cal blickte sie an: „Und Du hast kein Problem damit, dass wir eventuell die TED brechen könnten?“
„TED?“
Dieses Echo kam von Jasmin und Cal zwinkerte ihr zu: „Milady, das zu erklären würde ein bischen länger dauern. Wenn das alles hier überhaupt real ist.“
„Und wie kommst Du darauf“, fragte nun Agatha, „Dass das alles nicht real wäre?“
„Dein ganzes Verhalten, so als ginge dir das alles an deinem hübschen, knackigen Allerwertesten vorbei. So langsam, aber sicher glaube ich nämlich, dass ich nur eine Sekunde vom Leben entfernt bin und vermutlich seit wir mit der GALACTICA fliehen wollten, im Koma liege. Denn es gibt Leben auf dem Mars und wenn das Leben endet, heißt es „Ashes to ashes“.“
Agathas Gesicht hellte sich auf: „AH! Ich verstehe, du denkst also… Schatz, bist Du irgendwie zurück in die 80er gereist oder gefangen in den 70ern?“
„Kann man es mir verübeln?“, grinste der Captain, „Aber Du bist mir eindeutig lieber als Gene Hunt.“
Dann klopfte er ihr auf die Schulter: „Wie siehts aus, Liebling? Gönnen wir uns ein paar schöne arabische Nächte?“
„Wenn sie so sind wie die Tage vorher?“
„Du meinst ‚feurig-brisant auch recht amüsant’?“
„Zumindest erstaunen sie mich sehr.“, grinste die XO, was Cal dazu brachte, sich erneut umzublicken: „Nicht nur Dich, Schatz.“
Dann zuckte er mit  den Schultern: „Kann ich nicht versprechen, aber – gehen wir einfach mal.“Lächelnd hielt er ihr die Hand hin, das sie mit einem ebenso breiten, wie schönen Lächeln ergriff und dann gingen beide los.
Aus dem Raum hinaus, in dem der Captain zu sich gekommen war und hinaus in ein interessantes Leben.

In diesem Moment schüttelt der Autor den Kopf und stellt fest: „Ich hab Fieberträume gehabt, die waren weit weniger abgefahren.“ Und über den Schreibprozess hält er sich an Sophia Petrillo: „Mir ist mal ein Nierenstein abgegangen, das war weniger schmerzhaft.“
Aber der Captain hatte seinen Spaß – wenigstens einer. Wer konnte es ihm verdenken? Er war mit seiner XO, seiner Traumfrau unterwegs und offenbar auch noch entweder in einem Paralleluniversum oder einer Zeitepoche gelandet, die … entschuldigt, aber ich muss es nochmal festhalten. Cal und seine XO waren bei Aladdin.

„Dat is einfach nur ein Traum.“, grinste Cal, als er mit Agatha durch die Gänge des Palastes schlenderte. Und auch wenn die Gänge groß genug waren, um vermutlich sogar zwei Elefanten die Möglichkeit zu geben, parallel nebeneinander herzulaufen, kam der Captain aus dem Grinsen nicht heraus. Wie genial war das? Das einzige, was jetzt noch fehlte, war ein Angriff von Morgana, El Fatal, Mogelrath oder wie sie alle hießen und er wäre tatsächlich in einer Folge gelandet. Und er würde es ihnen schon zeigen. Er hatte einen Phaser und damit konnte er doch den Palast ganz alleine beschü… moment mal.
Nein – das ging nicht. Erstens würde man ihn allein schon wegen des Verstoßes gegen die Temporale erste Direktive zur Rechenschaft ziehen, zweitens hatte er oft genug „last action hero“ geschaut, um zu wissen, was dann passiert, wenn jemand versuchte, aus seinem Wissen eine bestimmte Filmreihe betreffend, Kapital zu schlagen.
Oh nein, das würde er nicht tun.
Zumindest nicht offiziell. Vielleicht konnte er sich ja als nächtlicher Wächter verdingen.


Der Dieb war auf der Flucht.
Natürlich, was sollte ein Dieb sonst auch machen? Es steht ja so in seiner Jobbeschreibung, die von einer x-beliebigen Arbeitsvermittlung ausgestellt wird.
„Ihr Aufgabengebiet umfasst:
Stehlen
Fliehen.“
Das Erstere hatte er getan, das zweite folgte nun.
Athlethisch war er eigentlich schon immer gewesen, was ihn dazu befähigte, einige der Abkürzungen zu nehmen, die seine Kollegen nicht nehmen konnten. So balancierte, hüpfte und rutschte der Dieb über Hindernisse und unter ihnen hindurch.
Sein Atem ging hastiger, als er merkte, wer da hinter ihm her war und versuchte, ihn zu fangen. Mit dem Jungen, der früher genau so wie er gewesen war, hätte er reden können – aber die Kante von Typ, die ihm dichtauf folgte war eher seltener für seine Rethorik bekannt.
Obwohl sich schon einiges gebessert hatte, seitdem der Großwesir des Sultans gestorben war.
Vorher war die Strafe für Diebstahl recht drakonisch gewesen und hatte nicht selten im Verlust des Kopfes geendet, aber dies war lange her.

Er huschte noch unter einem Wagen hindurch, presste sich in die Ecke und atmete tief durch. Hier war er sicher, niemand konnte ihn…
„Ich bin das Raumschiff, das den Weltraum durchdringt.“, erklang eine Stimme und der Dieb schaute sich verblüfft um. Wer war das denn jetzt schon wieder?
„Ich bin der Photonentorpedo, der dein Shuttle bei Warp 9 in den Allerwertesten trifft.“
Immer hektischer schaute sich der Dieb um. Und dann sah er auf dem Dach einen Typen. Einen Typen? Einen Koloss. Er trug eine Art Rüstung, ein Cape, eine Maske und schaute ihn aus rot-leuchtenden Augen an, ehe er ein „ Ich bin Spacewing Duck!“ schrie und vom Dach sprang, um direkt neben ihm aufzukommen.
Okay, das war jetzt wirklich ein bischen unheimlich. Also trat er einen Schritt zurück und schaute sein Gegenüber an: „W… wer bist Du?“
Mit einer Stimme, die aus der Hölle zu kommen schien, raunte der Maskierte: „Ich bin Spacewing Duck.
Und dann, in einem normalen, beinahe klagenden Tonfall: „Hast Du mir nicht zugehört?“

Nun schaute der Dieb sein Gegenüber mit einem eher fassungslosen Gesichtsausdruck an: „Wie sollte ich, ich war doch gerade noch auf der Flucht vor Razul.“
„Kenn ich“, nickte Spacewing, zuckte mit den Schultern und wandte sich an den Dieb: „Aber es ist dein Job zu fliehen, und meiner dich zu fassen. Wollen wir dann?“
„Ich glaube nicht, dass ich eine großartige Wahl habe, oder?“
„Nich wirklich“, schüttelte Spacewing den Kopf und wandte sich dann ihm zu: „Also, wie schon gesagt.“
Er packte den Dieb am Kragen: „Ich bin das Raumschiff, das den Weltraum durchdringt.“
Nun zog er ihn näher zu sich, seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er sagte: „Ich bin die Transporterschleife, die… erm… Ich bin das Jucken, dass Du nicht kratzen kannst.“
Dann stieß er ihn von sich weg, sodass der Dieb aus der Deckung und Razul vor die Füße stolperte: „Ich bin Spacewiiiing DUCK .“
Der Wachmann, der den Dieb nun ebenfalls am Kragen packte, blickte kurz zu Calvin Nathan Cat, a.k.a. Spacewing Duck, herüber und nickte ihm zu: „Danke, Spacewing.“
„Ich lebe, um zu dienen.“, salutierte der Captain und grinste, als neben ihm Agatha Silverbird auftauchte.
„Oh, Captain,“, hauchte sie, „das hast du gut gemacht.
Cal grinste:“ Naja, man tut, was man kann.“


„Tatsächlich, Cal?“, riss den Captain die Stimme seiner XO aus seiner Superheldenphantasie, was ihn dazu brachte, verwirrt den Kopf zu schütteln und sie dann anzuschauen: „Bitte?“
War das gerade ein Lächeln auf Agathas Lippen, als sie sagte „Och, der Sultan hat eigentlich gerade davon erzählt, dass seine Vätersväter diesen Palast mit ihrer eigenen Hände Arbeit aufgebaut haben und du schießt ein „Man tut, was man kann“ dazwischen. War schon lustig.“

Lustig? Eher Peinlich. Mit errötendem Kopf blickte Cal in die Runde und stellte fest, dass der Sultan nun nach rechts abbog. Ihm folgend, betraten alle den Speisesaal des Palastes und Cal stellte fest,dass er die unglaubliche Schönheit des Saales nicht anders artikulieren konnte, als durch ein „WOW“.  Japp, irgendwie war das wieder peinlich, aber es schien so, als habe ihm sowieso keiner zugehört. Praktisch.

Also konnte man sich die Umgebung genauer ansehen, doch gerade als Cal dies tun wollte, standen vom Esstisch zwei Gestalten auf und traten auf den Sultan zu. Neben ihm holte Agatha überrascht Luft und griff nach dem Arm des Captains. Die Wärme der Berührung sandte Wellen der Entspannung durch Körper und Geist und als er sich zu ihr umdrehte, war es, als würde sie einen Eimer kalten Wassers über seinem Kopf ausschütten. Sie sah ihn mit einem Blick an, in dem Angst, Überraschung, eine Spur Ärger lagen und diese Mischung verwirrte den Captain. Agatha musste dies gesehen haben, denn sie beugte sich vor und flüsterte ihm eine Frage zu.
„Kennst Du die beiden etwa nicht?“
Damit stellte sie sich vor ihren Captain und legte seine Hand auf ihre Schulter. Der verblüffte Blick des Captains traf ihre Augen und sie seufzte leise: „Friemel da irgendwas rum. Hauptsache ist, du starrst nich so offensichtlich zu den Beiden, wenn du sie begutachtest.“
„Schatz, ich hab ne hübsche, halbnackte Frau vor mir, meinst Du, da guck ich mich weiter um?“
„Solltest Du vielleicht tun.“
Cal ließ seinen Blick zurück zu den Gästen gleiten.
„Naja, die beiden sind sehr jung“, stellte der Captain fest, legte den Kopf schief und betrachtete die Delegation aus Theben weiter, „Lass sie mal – was? 15, 16, 17 sein. Und sie trägt ja nun ein sehr schlichtes Kleid.“
„Du bist kein Modeberater.“, grinste die XO ihm zu.
Der Captain ließ seine Hand über die Schultern Agathas zu den Trägern des Stückchen Stoffes, das Hemd zu nennen, sich beinahe schon verbot, gleiten und zog sie gerade, ehe er nochmal kurz zu den beiden Delegierten schaute.
„Nö, sorry, kenn ich nicht.“
Sie seufzte, zwinkerte ihm dann zu und sagte: „Dann – mach dich mal auf eine Überraschung gefasst.“
„… und das sind unsere Gäste“, hörten beide in diesem Moment die Stimme Prinzessin Jasmins, „Prinzessin River Song und Prinz Doktor.“
Cal hob überrascht beide Augenbrauen und blickte seine XO an, ehe er ein ungläubiges „ Prinz Doktor?“ stammelte. Agatha zuckte mit den Schultern, umarmte ihn und flüsterte ihm ins Ohr: „Anders hätte ich es nicht hinbekommen, dass sie uns im Palast willkommenheißt. Und – sein wir ehrlich – wenn wir uns hier schon umgucken müssen, dann doch am Besten von oben, oder?“
„Könnte von mir sein, die Logik“, murmelte Cal und machte sich dann von seiner „Frau“ los, um auf die beiden Delegierten zuzugehen.

Die Delegierte in ihrem schlichten Kleid trat auf Cal zu, verneigte sich und sagte: „Ich bin Prinzessin Teti, Tochter des Pharaos Mehren-Re, dem Herrscher der beiden Länder.“
Moment mal, den Namen kannte der Captain dann doch. Überrascht keuchte er auf, schaute blitzartig zu Agatha und das so schnell, dass seine Nackenwirbel protestierten, ehe er sah, wie sie mit den Schultern zuckte. Langsam wandte er sich wieder zu Prinzessin Teti um und verbeugte sich gleichfalls: „Eine Ehre Sie kennen zu lernen.“
Dann deutete Teti hinter sich: „Dies ist mein Verlobter. Sein Name ist …“
Sag es nicht, sag es nicht, sag es nicht , schoss es Cal durch den Kopf, Bitte, lass ihn Hans, Franz, Peter oder meinetwegen auch Alibaba heißen, aber lass ihn nicht…
„Papyrus“, vollendete die Prinzessin den Satz.
Das war mir irgendwie SO klar. , schoss es dem Captain durch den Kopf, als er den Jungen mit dem goldenen Schwert anblickte und ihm höflich lächelnd zunickte. Dann trat er neben Agatha und er merkte, wie seine Lippen ein nervöses Lächeln bildeten: „Kann das sein, dass so ziemlich alles , was an Pharao- und Altertümlichen Serien jemals im Fernsehen gelaufen ist, einen gewissen Wahrheitsgehalt hat?“
„Werden wir dann sehen, wenn die Leibwache von Mehren-Re auftaucht und es sich dabei um Ja-Kal, Rath, Armon und Nefer-Tina handelt.“, seufzte die XO und Cal wandte sich ihr zu: „Du meinst doch wohl nicht…“
„Doch, doch, ‚Mit der Kraft des Ra’.“
Cal grinste: „Na, die Mumien wären momentan aber noch sehr lebendig. Und - da können wir uns eigentlich ziemlich sicher sein, dass dies nicht passieren wird. Immerhin ist Ra ein Ausserirdischer und, wenn ich mir das so überlege, stelle ich fest, dass… erm… wenn die Rebellion gegen Ra erfolgreich war, sämtliche… erm…“
„Ja?“, fragte Agatha, beugte sich vor und lächelte ein leicht-süffisantes Lächeln, „Du hast gerade auch gemerkt, dass wir zwar wissen wo wir sind, aber keinen Anhaltspunkt haben wann wir sind, richtig?“
Cal nickte: „Stimmt – die Regentschaft von Ra könnte rein theoretisch gerade zu diesem Zeitpunkt stattfinden. Oder erst in ein paar Jahren. Vielleicht ist sie auch schon vorbei – keine Ahnung.“
„Und Du kannst keinen fragen, weil weder Du, noch ich, wissen, wieviel von den ausserirdischen Ereignissen, die in Gizeh stattfanden, die Leute in Theben mitbekommen haben.“
„Prinzessin Song und Prinz Doktor? Kommt zu Tisch.“, hörten sie die Stimme des Sultans und Cal warf seiner Frau einen Blick zu: „Dann schlagen wir tut… äh… zu.“
Lächelnd schüttelte sie den Kopf „Übrigens, woran hast Du vorhin gedacht?“
„Das erkläre ich dir später, meine kleine Catwoman.“, zwinkerte er und deutete auf den Tisch: „Lass uns Essen. Mein Magen knurrt.“

TBC


David

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Deine Geschichte liest sich schon mal sehr spannend.
Wird es die auch als PDF geben, wenn sie fertig ist?

CaptainCalvinCat

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Na aber sicher das. Das kann allerdings noch was dauern - die Story ist noch nicht fertig. ^^

Alexander_Maclean

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Bei der Delegation aus Theben muss ich mal ganz dezent nachhaken aus welcher serie die sind.

weil bei "Mit der Kraftdes Ra" klingelte ein kleines Glöckchen bei mir, kontne es aber nicht zuordnen.
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CaptainCalvinCat

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Mit der Kraft des Ra entstammt einer Serie, die "Mummies Alive! Die Wächter des Pharaos" genannt wurde - hat nur bedingt etwas mit der Delegation aus Ägypten zu tun, die wir gleich kennenlernen werden und einer komplett anderen Serie entstammen.

Kapitel 6 – Die fremde Prinzessin

Der Lebensstandard hatte sich verbessert, seit Jaffar nicht mehr unter den Lebenden weilte.
Dieser Satz mag jetzt vielleicht hart und gemein klingen, aber er traf zu. Wenn Prinzessin Jasmin von Agrabah daran dachte, wie die Schere zwischen Arm und Reich vor dem Dahinscheiden des Großvisiers auseinandergegangen war, konnte sie jetzt nur feststellen, dass es jetzt definitiv besser war. Zwar existierte das Armenviertel immer noch und sie würde sich bei ihrem Vater noch sehr für die Rechte der Unterpreviligierten stark machen müssen, aber sie sah Agrabah auf einem guten Wege. Und wer weiß? Vielleicht würde man ja eines Tages von einer Art „Sozialversicherung“ sprechen, die von ihr auf den Weg gebracht wurde.
Vielleicht schaffte man es ja sogar, eines Tages zu einem solide-finanzierten Staat zu werden – wie „Griechenland“, beispielsweise? Vor ein paar Wochen hatte es zwischen Ihr, Aladdin und dem griechischen Helden „Hercules“ ein Treffen gegeben, bei dem sie am Anfang von Hades und Jaffar gegeneinander ausgespielt wurden, sich dann aber zusammenrauften.
„Herc“, wie der Held genannt werden wollte, hatte sie nach Griechenland eingeladen und heute waren sie hingeflogen – zu diesem Zeitpunkt fiel ihr auf, dass sie mit dem fliegenden Teppich schon einmal dorthin geflogen waren – und sie hatten sich umgeschaut.  Griechenland war schon ein interessanter Staat und bot viele Möglichkeiten, sich zu entspannen. 

Nun flogen sie aber wieder in das ein, was Genie scherzeshalber als „agrabah-ischen Luftraum“ bezeichnete. Zwischendurch verstand sie die Anspielungen des blauen Gesellen nicht so ganz und wenn sie sah, wie verblüfft Aladdins Augen dann funkelten, war sie sich sicher, dass auch er noch weniger verstand. Irgendwann musste sie einmal recherchieren, wovon der Flaschengeist sprach. Und das Leben war ein Training. Zwar hatte sie es, durch ihre Tochterschaft zum Sultan vergleichsweise einfach – wenngleich es da anfangs auch ziemliche Komplikationen gab, die sich aber durch das Auftauchen Aladdins mehr oder weniger „in Luft aufgelöst hatten“, wie es der Genie formulierte – aber auch sie wollte ein gewisses Training absolvieren. Ihr Vater hatte es am Anfang nicht gutgeheißen, dass sie sich mit einem Schwert bewaffnete und an den Übungsstunden von Razul teilnahm, aber nachdem sie einmal, gegen den Willen des Sultans,  als Mann verkleidet, mit Razul und seinen Mannen auf eine Mission gegangen war, um Aladdin zu retten und dies mit Bravour erledigte, sah der Sultan dies anders. Er war immer noch nicht sonderlich erbaut darüber, aber er wusste, dass sie die Schwierigkeiten, die damit einhergingen, handhaben konnte.

Inzwischen hatte sie einige Tricks erlernt, war in der Lage, sich zu verteidigen und auch Angriffe zu reiten, sie hatte ihren natürlichen Intellekt zusätzlich geschärft und sich taktisches Wissen angeeignet – aber sie war natürlich auch eine Prinzessin. Das hieß, dass sie mit dem Hofprotokoll vertraut war und im Zweifelsfall in der Lage war, auch die Rolle der Prinzessin zu spielen. Das Leben war Training.

„Was ist denn das?“, schoss es ihr durch den Kopf, als sie, inzwischen zwar immer noch hoch in der Luft, aber innerhalb der Stadtmauern Agrabahs, zusah, wie ein Mann und eine Frau um ihr Leben rannten. Und, als ob das Schicksal ihr eine Antwort darauf liefern wollte, sah sie im nächsten Moment den Grund, warum die beiden flüchteten.

Razul und seine Männer.
Sie eilten, säbelschwingend hinter ihnen her, was bei Aladdin ein Seufzen hervorrief, das zwischen „melancholisch-reminiszent“ und „genervt“ lag. Natürlich wusste sie, dass ihr Mann früher einmal ein Straßenjunge gewesen und mehr als nur ein Mal vor Razul geflohen war. Schließlich ließ der muskulöse Wächter ja keine Gelegenheit aus, ihn darauf hinzuweisen oder ihn mit dem Namen „Straßenköter“ zu belegen. Eigentlich konnte sie sehen, dass es Aladdin nervte, aber sie würde nicht einschreiten. Wenn sie im Laufe ihres Lebens eines gelernt hatte, dann war es, dass man für seine Belange „aufstehen“ musste. Aber hier war es anders. Die Beiden waren auf der Flucht und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie momentan wenig Möglichkeiten hatten, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen.
Also tippte sie Aladdin auf die Schulter, deutete auf die Flüchtenden, ehe sie eine Hand auf den Teppich legte und sagte: „Folg ihnen, Teppich, so schnell, wie du kannst.“

Und der Teppich flog. Und wie er flog. Jasmin merkte in diesem Moment wieder, wie sehr sie die ganze Situation inzwischen doch liebte. Seit „Prinz Ali Abwa“ sie damals von ihrem Balkon abgeholt hatte und mit ihr um die Welt geflogen war, wusste sie dass es dieses Leben war, das sie begehrte. Abenteuer, Spaß und warum nicht sogar eine Prise Romantik? „Prinz Ali“ – oder besser gesagt „Aladdin“ – hatte ihr damals gefallen wollen und er hatte es sogar geschafft, dass sie ihr Herz an ihn verlor.

Schnell musste sie den Kopf einziehen, als der Teppich knapp unter einer Brücke herflog und dann eine Linkskurve machte. Jasmins Lippen verzogen sich zu einem amüsierten Lächeln. Nicht so sehr, weil der Teppich sie beinahe geköpft oder K.o. geschlagen hätte, sondern weil sie den Ort erkannte, an dem sie gerade angekommen waren. Es war Aladdins alter Unterschlupf,  den er zu dem Zeitpunkt, als er noch ein Dieb war, unterhalten hatte. Hierhin hatte er sie damals mitgenommen, als sie aus dem Palast geflohen war und versucht hatte, sich alleine auf der Straße durchzuschlagen. Es mochte von einer gewissen Naivität ihrerseits gezeugt haben, , damals, als sie aus dem Palast geflohen war, davon auszugehen, dass sie einem Jungen einfach, ohne zu bezahlen, einen Apfel von einem Händler geben konnte, aber diese Lektion hatte sie schnell gelernt. Ausserdem war dies der schicksalhafte Moment gewesen, an dem Aladdin sie gerettet und hierher gebracht hatte. Wobei sie, wie sie während ihrer Flucht unter Beweis stellte, eigentlich keine Hilfe gebraucht hätte. Es war einfach nur der Zusammenstoß der Lebensweisen gewesen, der sie ein bischen durcheinandergebracht hatte.

„Erinnerst Du dich daran, wie wir das erste mal hier waren?“, fragte in diesem Moment Aladdin und sie wandte sich an ihn. Waren seine Augen eigentlich schon immer so groß gewesen, oder lag das an dem Fakt, dass er gerade sehr nah an sie herangerutscht war.
Irgendwie konnte und wollte sie nichts anderes als „Ja“ hauchen, aber in diesem Moment hörte sie Gesprächsfetzen von dem Ort aus, von dem man auf den Palast sehen konnte.
Und Razul und seine Mannen schlossen auf.

Sie klopfte dem Teppich auf den Rücken und als ob dieser wüsste, was gemeint war, machte er sich daran, das Gebäude zu umkreisen.
„Jetzt guck dir diesen extem intelligenten Gesichtsausdruck an.“, hörte Jasmin die Stimme des Mannes, der da auf der Flucht war und blickte kurz zu Aladdin. „Irgendwie klingt er sehr nach dir, findest Du nicht auch?“, fragte sie und ihr Mann nickte, als sie hörten, wie die Stimme, die auch ihrem abenteuerlichen Mann gehörte, fortfuhr:  „Das is nich unbedingt Universitätsmaterial. Ich würde eher sagen, der Mann is zu dämlich, um gerade aus aus dem Busch zu winken.“
Kurz schenkten sich die Prinzessin und der Abenteurer einen besorgten Blick. Razul zu reizen war nie eine gute Idee und in dem Moment, in dem sie genau über dem Versteck Als waren, konnten sie sehen, wie der riesige Wächter seine Rückhand mit der Wange eines jungen Mannes Bekanntschaft machen ließ. Dieser flog, mit schmerzhaft verzogener Miene zur Seite, kollidierte dabei mit einer rothaarigen Frau, die ihrerseits mit dem Kopf gegen eine Steinmauer krachte, schmerzhaft aufstöhnte und erschlafft liegenblieb.

Aladdin merkte in genau diesem Moment einen Stich in seinem Herzen. Es war gar nicht mal so sehr der Fakt, dass die hübsche Frau offenbar verletzt und bewusstlos zu Boden gegangen war – das war eine Sache, die Razul nicht einkalkulieren konnte und daher war ihm auch kein Vorwurf zu machen – aber die beiden Unbekannten wirkten so aufeinander eingespielt, wie er es von sich und Jasmin kannte, dass er ihren atemberaubenden, pluderbehosten Körper anstelle der hübschen Rothaarigen daliegen sah. Er erinnerte sich da an die Sache, als er in den Stein von irgendwas eingesperrt war und Jasmin auf dem Teppich gestanden hatte und versuchte, ihn vor Mogelrath zu retten, was zur Folge hatte, dass der Magier sie mit seinen Kräften vom Teppich holte und sie kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Und wie immer, wenn er dies sah, schmerzte seine Brust. Er wusste nicht so recht, woran dies lag, aber er vermutete, es war der Fakt, dass er Jasmin liebte und sie nicht verletzt sehen wollte.
Offenbar schien der Mann in seinem Versteck ähnliche Gedanken zu haben,
Eine gewisse Portion Geschick konnte der ehemalige Dieb dem Mann auf dem Boden – oder besser gesagt, dem Mann in seinem Versteck – nicht absprechen, denn er wirbelte herum, hatte irgendwas in der Hand und gab einen Spruch von sich, der Aladdin und Jasmin wieder verblüffte Blicke tauschen ließ.
„Frei nach Darkwing Duck – siehe Licht, Bösewicht!“

Wer in El Fatals Namen war „Darkwing Duck“? Und – was tat der Mann in diesem Moment? Von dem Gegenstand, den er in der Hand hatte, spannte sich eine Art Lichtstrahl zu Razul und seinen Mannen, der sie zuerst erstarren und dann – als wären sie Bäume, die gerade gefällt wurden – zur Seite krachen ließ. Dann wandte sich der Typ der rothaarigen Frau zu, tastete nach ihrem Puls, schien zu einem beruhigenden Ergebnis zu kommen und küsste sie auf den Mund.
Aladdin wandte sich Jasmin zu und wisperte: „Soll ich dich, wenn Du von El Fatal mal wieder betäubt wirst, auch so wecken?“

Die Prinzessin schaute ihn kurz erstaunt an.
Wenn er das ernst meinte, war das ja wohl die Höhe. Sie gab sich wirklich Mühe, sie trainierte und… das amüsierte Funkeln in seinen Augen zeigte, dass er sie nur necken wollte. Also hob sie ihre Hand zur Brust und deutete auf sich, eine Maske der Entrüstung auf den ebenmäßigen Gesichtszügen: „ICH? So häufig werde ich doch gar nicht…“
Das Geräusch einer Ohrfeige unterbrach sie, ließ sie erst Aladdin anblicken und dann zu den beiden Unbekannten. Die Rothaarige war wieder aufgewacht.

Und sie schien eine starke Anziehung auf den jungen Mann auszuüben, denn er überhörte den Anflug des Teppichs anscheinend gerade total. Die Rothaarige schien sie dafür viel eher zu bemerken und – was interessant war – Erkennen funkelte in ihren Augen auf. Aladdin legte den Kopf kurz schief, betrachtete sie und wandte sich dann an Jasmin: „Kennst Du sie?“
„Wieso?“
„Nun, von ihrem Aussehen und Auftreten her, würde sich schätzen, dass es sich bei ihr um eine Prinzessin handelt und daher gehe ich mal davon aus, dass Du sie kennst.“
Jasmin  schaute ihn an: „Nur weil sie eine hübsche Frau ist, muss sie noch lange keine Prinzessin sein.“
„Zugegeben“, wiegte Aladdin mit dem Kopf, „aber so wie er“, der Finger des ehemaligen Diebes deutete auf den Mann, den er später als „Prinz Doktor“ kennen sollte, „sie behandelt, würde ich schon sagen, dass sie uns beiden relativ ähnlich sind. Das heißt, vielleicht ist er, genau wie ich, ein Straßenjunge und sie eine Prinzessin.“
In diesem Moment war der junge Mann aufgestanden und mit dem Kopf in den Bommel des Teppichs gelaufen.

Jasmin schüttelte den Kopf, als sie in ihrem Zimmer angelangt war. Was war das für ein interessanter Tag gewesen? Zuerst die Reise nach Griechenland, dann das Zusammentreffen mit der rothaarigen Frau, die von Aladdin für eine Prinzessin gehalten wurde und von der – das konnte Jasmin einfach spüren – keine Gefahr ausging. Was nicht hieß, dass sie nicht in der Lage wäre, sich zu verteidigen. Im Gegenteil. Als der Teppich aufgesetzt war und die Wachen sie umstellt hatten, war ihr der Blick aufgefallen, den die Frau ihrer Umgebung schenkte. Es war nicht der gehetzte „Wie komme ich hier raus“-Blick, den sie bei einigen Situationen in den Augen Anderer gesehen hatte, es war eher ein ruhiges, überlegtes Umsehen, um im Zweifelsfall einen Ausweg zu haben. Auch als die Rothaarige ihr einen Blick schenkte, bemerkte die Prinzessin wie sie gemustert wurde, ob sie im Falle eines Falles als Geisel herhalten konnte – aber Jasmin konnte auch erkennen, dass die Rothaarige dies als allerletztes Mittel anwenden wollte und sie, also Jasmin, lieber nicht in Gefahr brachte. Irgendwie beruhigte dies die Prinzessin, weswegen sie die beiden Unbekannten unter ihren persönlichen Schutz gestellt und den Mann in der Obhut eines Arztes gelassen hatte.

„Ich hatte es ja gleich gesagt, das is ne Schnapsidee.“, hörte sie die Stimme des Papageien Iago, der gerade auf sie zugeflattert kam und sich auf ihre Schulter setzte: „Wenn Du Aladdin beeindrucken willst, flieg mit ihm an den Strand, aber mach keine Kulturreise. Das ist ein ziemlicher Abtörner, wenn Du mich verstehst.“
Es gab Momente, in denen sie sich fragte, wieso sie diesen vorlauten Vogel eigentlich überhaupt noch im Palast duldeten – aber dann sagte er meistens, komplett unerwartet, etwas, das ihn zumindest wieder rehabilitierte.
„Ach Iago“, lächelte die Prinzessin, „Du hast wirklich was verpasst. So schlimm war Griechenland gar nicht.“
Und das war eigentlich genau das, worauf er gewartet hatte und sie wusste, dass er darauf gewartet hatte. Jetzt hüpfte der Vogel von ihrer Schulter auf ihren Nachttisch und begann mit einem lauten „PAH!“, was eigentlich schon wieder zu stereotyp-papageiisch war, eine seiner berühmt-berüchtigten Tiraden, bei denen eigentlich niemand wirklich zuhörte. Und dieses Mal reagierte die Prinzessin sehr schnell, in dem sie ihm den Schnabel zuhielt, den Vogel wütend anblickte und innerlich lächelte, als sie bemerkte, dass dies die gewünschte Wirkung zeitigte.
„Iago“, sagte sie dann, ließ den Schnabel los und setzte ihn wieder ab, „Griechenland ist eine sehr schöne Gegend. Du solltest beim nächsten Mal tatsächlich mitkommen.“
Der Papagei schüttelte den Kopf: „Nein, danke. Ich bin nicht wirklich ein Zugvogel und momentan würde mich mehr interessieren, wer da im Gästezimmer liegt.“
„Das“, zwinkerte sie ihm zu, „geht dich nichts an.“
Kurz blickte der Papagei sie an, schien zu hoffen, dass sie doch noch ein paar Informationen fallen lassen würde, wie diese leckeren Cracker, die sie ihm zwischendurch gab, aber – nein.
„Das ist doch nicht zu fassen“, entwich es dem Schnabel des Vogels, „Da lasst ihr mich hier zurück, macht einen Tagesausflug nach Griechenland – selbst die Flohtüte habt ihr mitgenommen – und wenn ich dann mal eine Information möchte, bekomme ich sie nicht? Wofür bin ich eigentlich hier?“
Erneut zwinkerte sie, dieses mal eine Spur neckischer: „Das frage ich mich zwischendurch auch, Iago.“
„PAH! Dafür bin ich von der Expedition mit Cassim zurückgekommen.“, „machte der Vogel erneut, wandte sich um und flatterte davon, „Ich flieg zu Al, der sagt mir vielleicht, was los ist.“
„Tu das.“, rief ihm Jasmin nach, „Aber dann verpasst Du die Ankunft von Prinzessin Teti und Papyrus, die aus Theben kommen und sicherlich einen großen Schatz dabei haben.“
In Nullkommanichts saß der Vogel wieder auf ihrer Schulter: „Schatz?“
„Ja“, raunte sie ihm in verschwörerischem Ton zu, „Groß und mächtig. Sicherlich eine Menge wert.“
Sie wusste einfach, wie sie den Vogel kriegen konnte.

Der Klang der sich öffnenden Tür ließ Iago und Jasmin herumfahren und die Gestalt, die sich ihnen näherte, ließ zumindest die Lippen der hübschen Prinzessin in einem Lächeln erleuchten.
„Vater!“, strahlte sie und eilte auf den untersetzten Mann zu, der sie in die Arme nahm und ihr ein väterlich-liebevolles Lächeln schenkte: „Jasmin. Es ist schön, dass Du wieder da bist. Erzähl, wie war es in Griechenland? Ist es dort wirklich so schön, wie Hercules gesagt hat?“
„Oh, Vater – es war einfach zauberhaft. Du hättest mitkommen sollen.“
„Klaaar“, meldete sich Iago zu Wort, „Und am besten noch ein paar Staatsanleihen mitbringen.“
Sultan und Prinzessin schauten das in der hauptsache Rot-gefiederte Federtier an und runzelten die Stirn. Was waren jetzt Staatsanleihen? Wovon sprach der Vogel da wieder?
„Wolltest Du nicht auf den Schatz von Teti warten?“, fragte die Prinzessin – und tatsächlich, als hätte sie es geplant (was sie ja auch hatte), der Vogel hob ab und flatterte davon.
Kaum, dass er ausser Hörweite war, wandte sich der Sultan an seine hochgewachsene Tochter: „Aber, mein liebes Kind – die Prinzessin bringt keinen Schatz mit.“
„Ich weiß“,  zwinkerte Jasmin ihrem Vater zu, „Aber Iago weiß es nicht.“
„Wer sind eigentlich unsere beiden Besucher, die Du mitgebracht hast?“, fragte der Sultan nun und die Prinzessin konnte hören, dass eine gewisse Neugierde in seiner Stimme mitschwang.
Jasmin bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick – sie war sich selber nicht so ganz über die Identität der beiden Besucher im Klaren, noch war sie sicher, dass eben diese Vermutung zutraf.


Als Prinzessin und Sultan das Krankenzimmer betraten, in dem der Mann lag, war Jasmin gar nicht allzusehr überrascht, die junge Frau bei bester Gesundheit und vollster Aktivität vorzufinden. Die grünen Augen der Rothaarigen funkelten voller Aufregung und Neugierde, als sie sich umblickte, aus dem Fenster spähte und herumwirbelte, als Jasmin und ihr Vater den Raum betraten.
„Wo bin ich hier genau?“, fragte die Rothaarige und Jasmin lächelte. Die Frau drang direkt zum Kern der Sache vor, das war etwas, das die Prinzessin sehr schätzte und ihr – vielleicht sogar deshalb ? – antwortete: „Im Palast des Sultans.“
„In Agrabah?“, entwich es der Rothaarigen und sie schien tatsächlich ein bischen ungläubig dreinzublicken, was nun Jasmin verwundert die Stirn runzeln ließ. Weswegen schien der Gedanke, in der wohl prachtvollsten Stadt der sieben Wüsten zu sein, so wider die Natur, dass die Frau, deren edele Brosche Jasmin erst jetzt wirklich auffiel, so verblüfft war ?
Nun war es am Sultan, sich einzuschalten und er trat auf die Frau zu, griff kurz ihre Hand und hauchte einen Kuss auf selbige: „Willkommen in meinen Palast.“
„D… danke“, stammelte die Rothaarige und blickte sich dann um: „Es… es ist einfach nicht zu glauben. Ich komme mir vor wie in Tausendundeiner Nacht…“
Kurz stockte die Rothaarige, drehte sich zu dem schlafenden Mann um und grinste: „Sheherazade.“
„Ist das Ihr Name?“, fragte Jasmin und schaute sie an: „Heißen Sie Sheherazade?
Die Frau schüttelte den Kopf: „Nein, ich bin…“
„Ist die fremde Prinzessin wach?“, erklang in diesem Moment eine jugendliche Stimme und sowohl Jasmin wandte sich kurz um, als sie die bekannten Umrisse Aladdins durch die Tür kommen sah.
Wann immer sie ihn ansah, bemerkte sie, wie er kurz – einen Bruchteil dessen, was Gelehrte später als „Millisekunde“ definieren würden – erstarrte und offenbar versuchte, sich zu fangen. Aber auch ihr Herz schlug immer schneller, wenn sie ihn sah und vermutlich sah er auch in ihren Augen, dass sie sich erst einmal wieder fangen musste.
Mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßte sie ihn, kopfnickend und wandte sich dann zu der hübschen Rothaarigen um, die erst ihn, dann sie und dann den Sultan verblüfft anblickte: „Prinzessin?“
Und schon schien es, als müsste nun sie sich fangen – denn Jasmin sah in ihren Augen die Erkenntnis, dass die Rothaarige selbst mit „Prinzessin“ gemeint war.

Ein paar Stunden später hatte sich die Situation nicht gedreht, aber dergestalt geändert, dass man die Rothaarige und den immer noch schlafenden Mann neu eingekleidet hatte, dieser wenig später ebenfalls wieder zu sich gekommen war und sich nun an einem Tisch wiederfand auf dem allerlei leckere Speisen feilgeboten wurden.
Worüber sich der Mann, der sich als „Doktor“ und seine Begleiterin als „River Song“ vorgestellt hatte, mit eben jener Frau unterhielt, verstand die Prinzessin nur am Rande, was in erster Linie daran lag, dass sie sehr leise sprachen. Aber sowohl Prinz Doktor als auch Prinzessin Song schienen Prinzessin Teti und Papyrus zu kennen und sich in ihrer Gegenwart ein wenig unwohl zu fühlen.

Irgendwann stand Prinz Doktor auf,  verließ mit den Worten „Ich bin gleich wieder da“ den Speisesaal und ließ seine Frau mit ihnen allein.
Jasmin blickte die rothaarige Prinzessin an, stand auf und ging zu dem Platz herüber, der gerade eben noch von Prinz Doktor warmgehalten wurde.
„Ich darf doch?“, fragte sie und ließ sich neben ihr nieder, um sie lächelnd zu betrachten. Die Frage „Sie kommen nicht von hier“ lag ihr förmlich auf der Zunge, aber, sie überlegte und formulierte sie um: „Das Königreich, über das dein Vater gebietet, scheint nicht in diesen Gefilden zu liegen, sehe ich dies richtig?“
Prinzessin Song wandte ihr einen Blick zu und die grünen Augen funkelten mit einer Mischung aus Amüsement, Neugierde, Feuer und Klugheit – nicht nur „normale“ Klugheit, sondern eine Art Weisheit, die sie eigentlich noch gar nicht besitzen sollte. Eine Weisheit weit ausserhalb ihrer Jahre, sozusagen.
„Das ist richtig.“, sagte sie dann und ihre Stimme klang tief und sanft zugleich, ehe Jasmin ihr ihren Becher entgegenhielt: „Nenn mich Jasmin.“
„Agatha“, antwortete die Frau und die Prinzessin runzelte die Stirn: „Nicht River?“
„River ist nur mein Rufname… Song ebenfalls. Ich höre eher auf den Namen Agatha Silverbird.“
„Sil…ver…bird.“, versuchte Jasmin die fremden Laute zu immitieren, was ihr sehr gut gelang, „Silberner Vogel? Ein interessanter Name.“
„Und der Name „Gesang“ irritiert dich nicht?“, fragte Agatha, was Jasmin zu einem verschwörerischen Zwinkern brachte: „Nein – aber im Hinblick auf deinen wirklichen Namen passt er. Schließlich singen Vögel gerne.“

Prinz Doktor schien sich zu verspäten, was Prinzessin „Silberner Vogel“ ein wenig irritierte. Sie blickte immer wieder Richtung Tür und tiefe Sorgenfalten verunzierten ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht. Jasmin blickte zu ihr: „Alles in Ordnung?“
„Hatte der Prinz nicht gesagt, dass er eigentlich nur kurz weg wollte?“
„Machst Du dir Sorgen?“
Die Sorgenfalten verschwanden und machten einem schönen, wenn auch leicht sarkastischem Lächeln platz: „Du hast ja keine Ahnung.“
Und irgendwie hatte Jasmin das Gefühl, als wäre dort mehr zu erzählen, was die hübsche Prinzessin Rotschopf aber mehr als offensichtlich weder vorhatte noch zu wollen schien.
Vielleicht war es besser, wenn man sie nicht drängte.
„Dann sollten wir nach ihm suchen.“
Jasmins Tonfall ließ nicht einmal den Hauch eines Widerspruchs zu und sie sah, wie Aladdin sie zuerst verdutzt anblickte, dann aber mehr als bereit aufstand und ihr zunickte.
„Ich suche aus der Luft.“, sprachs, eilte zum Balkon und pfiff nach seinem treuen Wegbegleiter, den er aus der Höhle der Wünsche befreit hatte. Mit einem Satz über die Balkonbrüstung, den Teti und Papyrus mit einem erschrockenen Aufschrei quittierten, der Prinzessin Agatha, Prinzessin Jasmin und den Sultan nur ein geseufztes „Toller Abgang, Al“ kostete, war er schon auf dem Teppich und wandte sich und das Fluggefährt um.
„Meine Damen, wollt ihr mich begleiten?“
Und ob Jasmin wollte. Es gab eigentlich nichts schöneres, als nach einem guten Essen die Dienste des fligenden Teppichs in Anspruch zu nehmen. Also eilte sie los, winkte noch einmal ihrem Vater zu -  „Warte nicht auf mich“ – und machte ebenfalls einen Satz über die Brüstung, um auf dem Teppich zu landen. Dass zeitgleich mit ihr Prinzessin Agatha dieselbe Idee hatte, war ihr klar und es überraschte sie nicht im Geringsten – wohl eher der Fakt, dass auch Prinzessin Teti auf dem Teppich platz nahm, sich zu dem einzigen männlichen Wesen, das neben dem Sultan am Tisch saß, umwandte und mit einem Kichern in der Stimme rief: „Worauf wartest Du, mein kleiner Fischer?“

Irgendwie war es verblüffend, dass fünf Personen auf dem fliegenden Teppich platz fanden, ohne das Aladdin besorgt wäre. Vielleicht war die Webware ein wenig überfüllt, vielleicht war es bequemer, wenn Aladdin und Jasmin alleine auf dem Teppich waren, sich aneinanderkuschelten und den Geschwindigkeitsrausch des Flugobjektes plus die Einsamkeit in der Luft genossen, aber es machte tatsächlich Spaß, mit mehreren auf dem Teppich zu sitzen und die verblüfften „Oooohs“ und „Aaaaahs“ zu hören, die Teti und Papyrus von sich gaben. Prinzessin Song – Agatha Silverbird – blieb so ruhig und gefasst, wie sie es bei ihrem ersten Flug gewesen war. Nicht einmal Aladdin selbst hatte sich bei seinem ersten Flug mit dem Teppich dem Gefühl entziehen können, dass er gerade etwas Besonderes erlebte und daher fragte er sich, was die rothaarige Prinzessin schon alles gesehen haben musste, das sie ein Flug auf einem fliegenden Teppich nicht mehr schrecken konnte.
Der Ruf „Da unten ist er!“, den Agatha in diesem Moment ausstieß, sorgte dafür, dass sich der Abenteurer verblüfft zu ihr umwandte und als die Rothaarige sanft auf den Teppich klopfte und sagte „Flieg uns bitte hin“ – und das Fluggefährt ihr gehorchte – da wusste der Nun-Prinz: „Die Frau ist genau so unerschrocken wie Jasmin. Wenn Prinz Doktor ihr Mann ist, werden sie beide sehr glücklich sein.“

Sie hielten neben dem jungen Mann, bei dem Aladdin erst jetzt feststellte, dass er Sachen trug, die sehr an seine Damaligen erinnerten und der Abenteurer bemerkte als erster den etwas unsicheren Gang des Prinzen.
Agathas Räuspern ließ den Doktor herumfahren, er schaute in ihre Richtung und trat wankend ein paar Schritte auf die Gruppe zu.
„Sssorry“, sprach er mit schwerer Zunge, „Aber mein Freund, der Vvogel hat mich in diese Taverne geführt, die…“
Weiter kam er nicht, denn Agatha trat mit majestätischen Schritten auf ihn zu, beugte sich vor und flüsterte etwas in seine Ohren, was ihn dazu brachte, in ihre Arme zu sinken.
Dann beugte sie sich über seinen Mund, schnupperte und schüttelte den Kopf. Sich zu Jasmin umdrehend, zuckte sie mit den Schultern: „Voll wie eine Standhaubitze.“
„Eine was?“
„Nicht weiter wichtig. Er ist auf jeden Fall ziemlich angetrunken, ich glaube, wir sollten ihn in den Palast bringen.“
„Hast Du nicht vor, ihn zu bestrafen?“, fragte nun Teti und warf einen Blick zu Papyrus herüber, ehe sie Agatha anblickte: „Ich würde es nicht gutheißen, wenn mein Freund sich einfach so von einem Bankett entfernte, nur um sich in der nächstbesten Taverne zu betrinken.“
Ein leichtes, beinahe schon sadistisches Lächeln legte sich auf die vollen Lippen der Frau, die Aladdin als „Prinzessin Agatha“ kannte und er stellte in Gedanken fest, das er froh war, dass seine Frau sich nicht ebenfalls mißbilligend geäußert hatte. Schließlich wusste sie, dass sie sich auf ihn verlassen konnte und…
„Auch ich würde es nicht gutheißen.“, hörte er in diesem Moment Jasmins Stimme und wandte sich an sie, ehe sie ihm ein süßes – beinahe schon zu süßes – Lächeln schenkte und ein „Aber das würde er ja nie machen, oder?“ anhängte.
Verdammt.
Nein, eigentlich trank er nicht und wenn, dann nicht in einer Taverne, aber…
„Ich heiße es auch nicht gut. Aber ich habe meine Möglichkeiten, den Prinzen zu bestrafen.“, stellte Agatha fest, hievte, mit einer erstaunlichen Kraftanstrengung den erschlafften Körper auf den Teppich, ehe sie zu den anderen blickte.
„Was ist? Wir können.“, grinste sie, “Wenn der Prinz sich an unserer Feier nicht beteiligen möchte…”
Aladdin und Papyrus warfen einander einen Blick zu, in dem eine Mischung aus Freude und Sorge tanzte. Das konnte noch interessant werden.
Sie bestiegen den Teppich und machten sich auf den Weg zum Palast.
TBC

CaptainCalvinCat

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Kapitel 7.1 -  Die Wahrheit ist irgendwo da draußen

Der schwarze Dodger hielt in der Tiefgarage des NCIS-Hauptgebäudes in Washington D.C.
Gibbs stieg aus und verspürte eine Art Wehmut. Seit dem 15. September war das Hauptgebäude nicht mehr das Hauptgebäude. Es war nicht mehr – aber auch nicht weniger – als eine Dependance, eine Zweigstelle, des NCIS-HQ, das inzwischen seinen Platz in Quantico hatte. Er und sein Team waren noch hier und vermutlich würde auch Vance zwischen diesen beiden Gebäuden hin und her pendeln, wenn es noch Sachen zu erledigen gab. So wie diese hier.

Die Tür des Dodgers schlug mit diesem charakteristischen Klatschen zu, Gibbs warf erneut einen Blick auf die Tiefgarage und stellte fest, wie leer sie momentan wirkte. Was würde wohl aus dieser Dependance werden, was aus seinem Team? Würde man seine Leute wirklich auseinanderreißen?
McGee hatte am Stone’schen Tatort schon erste Vermutungen in diese Richtung geäußert und vielleicht war es ja auch genau so. Aber wenn Vance auch nur über den Hauch eines Hirns verfügte, dann würde die Sache vermutlich anders ablaufen – nämlich dergestalt, dass das Team zusammenbliebe – als ein Team, als eine Familie, an einem Dienstort, egal ob sie nun am Standort Quantico Verbrechen aufklärten oder am Standort DC.
Vielleicht würde man ihn auch bald Pensionieren, denn so langsam, aber sicher spürte er das Alter in jeder Faser seines Körpers – wenngleich er noch nicht bereit war, tatsächlich aufzugeben. Nein, dafür war er viel zu zäh – er war wie ein alter Wolf, der schon hier und da einige Narben, Kratzer und Wunden hatte, sie aber nicht versteckte, sondern sie als Zeichen der unbestrittenen Anführerschaft und wie eine Art Schmuck trug.

Es gab diese Momente, da konnte der Agent Ziva David vollkommen verstehen, die ebenfalls die Zeichen, dass sie im Kampf war, nicht als Makel trug, sondern als Signum ihres Sieges.
Auch er bevorzugte es, sich stolz und aufrecht zu präsentieren und tat es bei jeder Gelegenheit, wenngleich sein Körper ihm deutliche Signale sendete, dass er eben nicht mehr zu denen gehörte, die wie Rehe herumspringen konnten. Dies mochte in der freien Wirtschaft ein Zeichen von Schwäche sein, aber in seinem Team galt dies als Zeichen von Stärke, von Führungsbewusstsein und von Verbissenheit. Er würde sich niemals jemandem einfach so ergeben. Er nicht. Nichts und niemandem. Er würde weder vor seinem Chef kuschen, noch vor seinem größten Gegner – sich selbst und seinem Alter.

Das leise Ding , mit dem die Aufzugtür hinter ihm zuglitt, ließ ihn kurz aus seinen Gedanken erwachen – und das, obwohl dies gar nicht notwendig war. Den Aufzug bediente er seit Jahren fast schon im Schlaf. Das Büro des Direktors würde er auch recht zügig erreichen, um dem Mann die entscheidende Frage zu stellen. Was wusste Captain / Direktor Leon Vance über das PADD, das sie am Tatort gefunden hatten?  Und war dies eventuell sogar der eigentliche Grund für den Auftrag gewesen?
Gibbs wusste es nicht, ahnte aber, dass er bald ausreichende Antworten erhalten würde – zumindest würden sie so ausreichend ausfallen, wie es im Falle von Vance überhaupt möglich war.

Der Lift trug ihn in den ersten Stock, dorthin, wo bis vor ein paar Wochen noch das Leben gepulst hatte – und als sich die Tür öffnete, traf ihn eine Erinnerung an die Vergangenheit.



Ziva, Abby und Agatha kamen lächelnd aus dem Aufzug und betraten den Bullpen, wo die Herren der Schöpfung sie anblickten.
Cal hob eine Augenbraue, betrachtete seine XO von Kopf bis Fuß und schüttelte amüsiert grinsend den Kopf: „Habt ihr etwa den ganzen Tag verwendet, um Shoppen zu gehen?“
„Naja, wir haben uns noch einen schönen Mädels-Abend gegönnt. Das hab ich auf der DRAGONFLY zu selten.“, sagte Agatha und Cal verschluckte sich beinahe an den Konsonanten: „Zu Sel… Agatha, Gina und Jill sind vielleicht keine Mädels?“
Die XO trat auf ihn zu, küsste ihn und streichelte ihm sanft über den Kopf: „Das erkläre ich dir später. Nachdem ich dir gezeigt habe, was ich mir gekauft habe, bin ich sicher, Du wirst wollen dass ich mit Ziva und Abby öfter mal shoppen gehe.“
Cal räusperte sich: „Vorsicht, sonst werden wir Klischee. Ich würde es nicht gerne haben, wenn wir die Geschichte auf den letzten Metern tatsächlich mit Volldampf an die Wand fahren.“
„Ich übrigens auch nicht.“
Damit betrat Leon Vance den Bullpen, was Cal und Agatha dazu brachte, zu salutieren.
Der afroamerikanische Captain und NCIS-Director schaute die beiden an: „Rühren.“
Dann blickte er in die Runde.
„Das war eine sehr anstrengende Geschichte. Für alle von uns, wie ich anmerken möchte.“
Einer seiner viel gekauten Zahnstocher wanderte im Mund herum, bevor er ihn nahm und in den nächsten Mülleimer verfrachtete, um ihn durch einen neuen auszutauschen. Er wandte seinen Blick Gibbs zu, der ihn vollkommen ungerührt erwiderte.
‚Typisch’, dachte er sich, ‚Als ob sich der große Leroy Jethro Gibbs von so etwas wie ‚Offizieren aus der Zukunft’ beeindrucken lässt.’
„Ich habe auch gleich einen neuen Auftrag für Sie und ihr Team, Gibbs.“
Vance hatte das Gefühl, in den eisblauen Augen seines besten Agenten so etwas wie Amüsement aufleuchten zu sehen, als er in einem professionellen Tonfall, mit einem dennoch vorhandenen Unterton von Irionie, ein „Tatsächlich“ von sich gab.
„Ja.“, sagte Vance, förderte eine Akte zutage und übergab sie dem Grauhaarigen: „Angela Stone. Inoffiziell zurückgekehrt in ihre Zeit – offiziell tot. Sie sollen Spuren verwischen und die Ermittlungen in die Richtung führen, dass es tatsächlich ein Unfall war.“
Die Unterlippe des Chefermittlers zuckte verräterisch und Vance erkannte, dass Gibbs tatsächlich extrem amüsiert war: „Spuren verwischen? Das heißt, wir sollen einen Tatort verschleiern?“
„So in etwa.“, erklärte Vance, ehe er sich an Agatha und Cal wandte: „Und Sie, Captain und Commander, haben auch einen neuen Auftrag. Kehren Sie in Ihre Zeit zurück, nehmen sie Captain Angela Stone und die Leichen ihres Mannes, sowie von Ensign McConnaugh mit. Und dann wäre da noch etwas.“
Damit übergab er ihnen ein PADD, das der Captain studierte. Verwirrt blickte er auf.
„Sir?“, fragte er, „Lese ich das richtig? Kontakt?“
Vance nickte: „Ja – nach allen Anzeichen findet sich im Sternbild der Jagdhunde eine Intelligenz, die Signale aussendet. Fliegen Sie dort hin und nehmen Sie Kontakt auf.“
Nun war es am Captain, zu nicken. „Aye, Sir.“
Damit salutierte er.
Vance schaute ihn an, erwiderte den Salut, ehe er ihm die Hand reichte: „Schön, Sie mal kennen zu lernen, Captain Cat. Ich hätte es mir zwar weitaus weniger chaotisch gewünscht aber …“
„Wat willste machen?“, grinste der Captain und drückte angemessen fest zu.

Die Verabschiedung von Cal und Agatha verlief für Gibbs nach altem, bekanntem Zeremoniell. Es war eigentlich immer angenehm, zu wissen, dass sich manche Rituale auch in Zukunft nicht änderten. Er konnte die leichte Anspannung in Cal erkennen, als Agatha DiNozzo umarmte und ihm einen sanften Kuss auf die Wange hauchte, sah die leicht eifersüchtigen, aber sehr amüsierten Blicke als Ziva das selbe mit Cal tat, worauf der Offizier rot wie eine Tomate wurde und das beinahe schon schweinische Grinsen, als Agatha und Ziva sich umarmten.
So ließ er, einfach aus Gewohnheit, seine flache Hand auf den Hinterkopf seines besten Agenten klatschen. Er würde schon wissen, warum.
Kurz nickte er Cal und Agatha zu, folgte ihnen mit seinem Blick in den Fahrstuhl und kurz, bevor die Tür sich schloss, konnte er erkennen, wie ein blaues Leuchten die Kabine erfüllte.
Er blickte in die Runde, lächelte: „Also dann – ihr habt den Chef gehört. Ein Tatort will verunstaltet werden. Nehmt euer Zeug.“
Die verblüfften Blicke seiner Leute trafen ihn und er rollte kurz mit den Augen, ehe er nachdrücklich zu Tony starrte. Dieser nickte, griff nach seinem Rucksack. Ziva und McGee taten es ihm gleich und machten sich dann, ganz eingespieltes Team, auf den Weg zum Fahrstuhl.

„Moment“, erklang die Stimme Leon Vances, was seine Wirkung nicht verfehlte. Gibbs wandte sich um, schaute seinen Vorgesetzten an und dachte sich ‚Wie sollen wir den Tatort verunreinigen, wenn Du uns nicht losziehen lässt?’. Aber er würde diesen Satz nicht sagen – vielleicht hatte der Direktor ja noch den einen oder anderen Tipp? Schließlich war der Tatort ein Haus, das vermutlich Technologie enthielt, von der selbst McGee, ihr Computerexperte, nur insofern Ahnung hatte, als das er sie im Fernsehen gesehen hatte.
„Ja, Direktor?“, fragte Gibbs daher, in seinem ihm sehr üblichen Duktus, mit dieser kleinen Pause, die allerhöchstens eine Attosekunde dauerte, also 10 Hoch Minus 18 Sekunden, oder 0,000 000 000 000 000 001 Sekunden, die er immer zwischen einem Ja und der Anrede der Person macht.
Leon Vance – sollte er ihn immer noch als Direktor anreden oder als Captain? Durfte er Gibbs überhaupt irgendwelche Befehle geben? Zählte seine Position als Captain als Qualifikation? Und wie war er überhaupt in diese Position gekommen?
Je mehr Fragen sich Gibbs über Vance stellte, desto mehr fragte er sich, ob er dem Mann überhaupt Vertrauen schenken konnte. Und irgendwie hatte er das Gefühl, wieder zur Zeit von Jennys Tod zu leben und erneut den Charakter des „neuen Chefs“ zu evaluieren.
Doch das Räuspern von Vance ließ ihn diese Frage auf später verschieben.  Momentan konnte er sehen, dass in den braunen Augen Vances irgendetwas schimmerte. Es war keine Träne, es war sowas wie Gewissheit. . Anders konnte Gibbs es nicht beschreiben. Es war so, als wüsste Vance mehr, als er seinen Untergebenen zu diesem Zeitpunkt sagen konnte – oder wollte - und Gibbs hatte das Gefühl, als würde in einer Sekunde sein komplettes Leben erneut eine Umwertung erfahren.
Und beinahe so, als wäre diese eine Sekunde ein Universum in sich selbst, wollte sie nicht vergehen.
Einundzwanzig .
Die Sekunde war vergangen, Vance öffnete den Mund und die Welle der Veränderung traf Gibbs mit nur einem einzigen Satz: „Das Hauptquartier zieht ins Quantico.“

Es war wahrlich eine Meisterleistung, Leroy Jethro Gibbs sprachlos zu bekommen und Vance würde sich rühmen können, genau dieses Meisterstück für sich verbuchen zu können. Wie vor den Kopf geschlagen, blickte der Senior Special Agent seinen Vorgesetzten an, hörte hinter sich ein überraschtes Aufkeuchen von Ziva und ein „Das kann nicht wahr sein“ von Tony, ehe er ein „Doch, es ist beschlossene Sache“ von Vance hörte.



Gibbs hatte noch nie die besten Manieren.
Gut, das ist jetzt eine Lüge, aber zu sagen, dass er zwischendurch ein wenig rau sein kann, ist eine durchaus detailgenaue Beschreibung. Und Gibbs hielt sich nicht mit langen Wartereien auf. Er öffnete die Tür, die zu Vances Büro führte, sah, wie der Direktor ihn anblickte und dann auf den Stuhl vor sich deutete.
„Kommen Sie rein, Special Agent Gibbs“, sagte er und der Ermittlerlegende entging der ironische Unterton des Satzes nicht. Das konnte er auch.
Also setzte er sich, fixierte seinen Vorgesetzten mit seinen eisblauen Augen und sagte nur ein Wort: „Danke.“
„Möchten Sie einen Scotch?“
Dies fragen, aufstehen und zum Schrank gehen war für Leon beinahe eine einzige Handlung. Er nahm ein Glas aus dem Schrank, blickte zu Gibbs und holte, nachdem der Special Agent genickt hatte, ein weiteres Glas heraus.
„Eis?“, fragte der dunkelhäutige Sternenflottencaptain-NCIS-Direktor und ließ drei Eiswürfel in sein Glas klirren, ehe er einen Fingerbreit der göldlichen Flüssigkeit aus der Flasche ins Glas laufen ließ.
Dann schenkte er die selbe Menge in das Glas, welches er nun an Gibbs reichte.
Beide Männer standen einander gegenüber, ließen die Gläser aneinanderstoßen und tranken die Flüssigkeit in einem Zug aus.


Der Scotch arbeitete sich die Speiseröhre herunter, Vance nahm einen Zahnstocher und klemmte ihn, wie eine Zigarette, zwischen seine Zähne, ehe er zu Gibbs herüberblickte.
„Wie kann ich Ihnen diesmal helfen, Special Agent Gibbs?“
Der Angesprochene ließ das Glas auf den Tisch sinken, blickte Vance an und schüttelte den Kopf: „Wann hatten Sie vor, mir mitzuteilen, dass der NCIS umzieht?“
„Eigentlich ist es seit dem 15. September amtlich. Da waren Sie aber gerade mit dem Hernandez-Fall beschäftigt – und später kam die Traceless-Angelegenheit dazwischen. Sie sehen also, ich konnte ihnen nicht bescheidgeben.“
Gibbs blickte ihn überrascht an
als sein Vorgesetzter seinen Blick über das zerkratzte PADD gleiten ließ, das er ihm in diesem Moment, nachdem sie sich einen Scotch gegönnt hatten, übergeben hatte.
„Faszinierende Technik, nicht wahr?“, fragte der Dunkelhäutige nun, ließ den „Notizblock aus der Zukunft“ auf den Tisch niedersinken und wandte sich dann, mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, seinem Untergebenen zu, der mit den Schultern zuckte und dann, mit deutlichem Amüsement in der Stimme, feststellte: „Wirklich, Leon? Ich hab es nicht ausprobiert.“
„Hätte ich mir irgendwie denken können.“
Vance blickte ihn ausdruckslos an, wandte sich dann um und machte sich daran, einige Sachen in einen Karton zu packen.
Gibbs sah ihm einige Sekunden lang zu, trat dann zu ihm und holte einen Stapel Bücher aus dem Regal, um sie in den Karton gleiten zu lassen.Vance blickte auf, Gibbs tat dasselbe, ihre Blicke trafen sich. In einer Slash-Fanfiction würde vermutlich jetzt etwas vollkommen anderes gesagt werden, doch als Gibbs Vance anblickte sagte er nur drei Worte.
„Calvin Nathan Cat.“
Vance runzelte verblüfft die Stirn: „Bitte?“
„McGee sagt, er sei der Unterzeichner dieses PADDs gewesen.“, erklärte der Grauhaarige und sein Vorgesetzter warf einen kurzen Blick auf den zerkratzten Datenträger: „Wie kommt ein PADD mit dem Signum Captain Cats in das Haus der Stones?“
Gibbs schaute ihn an: „Das habe ich mich auch gefragt – ich dachte, Sie hätten darauf eine Antwort.“
„Vielleicht“, vermutete Vance, „verlor der Captain dieses PADD, als er zusammen mit mir und seiner XO das Haus von Captain Stone aufsuchte?“
„Das wäre eine Möglichkeit.“, nickte Gibbs und Vance hob den Blick: „Und eine andere wäre, dass er schon länger mit Stone Kontakt hatte?“
Der Special Agent nickte, trat dann zum PADD, um es in die Hand zu nehmen: „Aber McGee vermutet, dass es sehr alt ist. Sehr alt und sehr beschädigt.“
„Lassen Sie es von Miss Sciuto untersuchen.“, schaute der Direktor den Leiter des Major Response Teams an, der nickte und mit einem gedachten „Na, da wird Abby sich freuen“ das Büro verließ.

TBC
Kapitel 7.2
Musik – da wackelt das Labor.
Gut, der Satz heißt eigentlich „Musik, Musik – da wackelt die Penne“ und ist der Filmtitel einer Klamotte aus den 70ern und strenggenommen müsste man hier festhalten, dass das, was da aus Abbys Lautsprechern kam Gibbs Ohren nur sehr vage als Musik ausmachen konnten, aber er stellte jedes Mal fest, dass die junge Frau mit musikalischer Begleitung einfach mehr erreichte. Schon ehe er das Labor überhaupt betreten hatte, waren die Klänge ans eine Gehörgänge gestoßen und am Liebsten hätte er sich im Aufzug versteckt, bis die Vergewaltigung diverser Gitarren vorbei war, aber – was wollte man machen? Wenn Abby „brain matter“ hörte, waren sämtliche Anmerkungen Lautstärkeregelungen bezogen vollkommen überflüssig, da sie sich sowieso nicht drum kümmerte.  Und als Gibbs im Labor stand, sah er, wie Abby einen Purzelbaum hinlegte, dass ihr weißer Kittel sie einmal komplett umrundete, dann auf die Beine kam und nach der Puppe trat, die sie vor ein paar Tagen als „Sh’tu“ aufgestellt hatte.

Ja, der Fakt, dass es Ausserirdische gab hatte Gibbs in eine leichte Sinnkrise gestürzt, Abby hingegen hatte es beflügelt, als habe sie sich den Inhalt von 10 Bechern Caf-Pow intravenös gegeben, um auf das lästige Trinken und Schlucken zu verzichten. Der grauhaarige Mann schaute zu ihr herüber, trat auf sie zu und hielt ihr dann die Hand mit dem PADD hin. Kurz blickte Abby auf, schaute ihn mit einer Spur Desinteresse an und kam dann hoch.
„Hey, danke, dass du mir eine Requisite aus Star Trek mitgebracht hast, Gibbs.“, sagte sie dann, ging in den Teil des Labores, in dem sie für gewöhnlich Waffen testete, kam wieder und hielt ein graues Kästchen hoch, das ungefähr die Größe einer Zigarettenschachtel hatte.
„Hier“, sagte sie, „ich hab einen originalen Tricorder geschenkt bekommen.“
Sprachs, klappte ihn auf und richtete ihn auf Gibbs. Kurz betrachtete sie die Anzeigen und schüttelte den Kopf: „Das gefällt mir aber ganz und gar nicht. Du solltest mehr auf deine Gesundheit achten. Weniger Scotch, mehr Wasser.“
Der Chefermittler betrachtete sie kurz, wollte dann ansetzen, etwas zu sagen, wurde aber von Abby unterbrochen, die nun, in einer erstaunlich guten Gibbs-Parodie das aussprach, was sie dachte, das die Ermittlerlegende sagen würde: “Danke, Abby, aber Du musst dir um mich keine Sorgen machen.“
„Doch, Gibbs, das muss ich, ich mache mir um jeden sorgen.“
„Nicht nötig, Abby.“
„Doch, Gibbs.“
„ABS!“
Das  Interessante an dieser Konversation war, dass sie vollkommen und ausschließlich durch Abby stattgefunden hatte, Gibbs also keinen Ton gesagt hatte. Dennoch hatte er das Zwigespräch-als-Monolog mit großem Amüsement verfolgt, ehe er sich räusperte und den elektronischen Datenblock wieder zu Abby reichte.
Dies tun, und dabei nur das Nötigste sagen – das war Gibbs Lebensmotto und sein Lebensstil.
„Das ist kein Requisit.“
Das war das Nötigste und es reichte, um bei Abby die Reaktion zu erzielen, die er eigentlich sofort von ihr erhofft hatte. Die Augen weiteten sich, sie riss ihm das PADD aus der Hand und betrachtete es – beinahe schon eine Spur zu – ehrfürchtig.
„Wo hast Du das her?“, fragte sie dann und legte das Gerät auf den Labortisch, um es besser untersuchen zu können. Die Kratzer bemerkend, wandte sie sich an Gibbs und schüttelte den Kopf: „Hab ich Dir nicht schon mal gesagt, dass elektronische Ausrüstung pfleglich behandelt werden soll?“
Gibbs war sich nicht sicher, ob das Amüsement in seinen Augen zu sehen war oder ob er es gut verbergen konnte, aber er blickte zu der Labortechnikerin und Vollzeit-Goth, räusperte sich und nickte dann Richtung PADD.
„Kannst Du mir sagen, was damit los ist?“
Abigail Sciuto nahm das Gerät wieder in die Hand und betrachtete es – maß es mit ihren hübschen, dunkelumrandeten Augen millimetergenau aus, kippte es dann und legte es wieder ab.
Sie atmete tief durch, wandte sich so schnell herum, dass es schien, als würde ihr Kittel ersteinmal überlegen wollen, was zu tun wäre, ehe er ihr folgte und stand dann kerzengerade da, die Haltung militärisch, der Blick spottend: „Ich würde sagen, das berühmte Oximoron über Militär und Intelligenz hat mal wieder zugeschlagen.“

Es war durchaus interessant, was sich Abby bei Gibbs erlauben konnte. Ihn selbst überraschte dies immer wieder, denn er hatte Tony schon für weniger eine Kopfnuss verpasst. Wobei er dringend über einen neuen Namen nachdenken musste, denn streng genommen war das, was er machte, keine „Kopfnuss“, eher ein „Headslap.“.
„Ein Schlag ins Gesicht ist eine Beleidigung, ein Schlag auf den Kopf ein Weckruf.“, pflegte er immer zu sagen, wenn er jemanden zum allerersten Mal mit dieser sehr besonderen Tradition vertraut machte. Abby hatte er noch nie einen solchen Weckruf verpassen müssen und wollte es eigentlich dabei belassen. Momentan war die Laborgoth sowieso vollkommen auf einem ganz eigenen Trip und von Nerds-wegen nur bedingt zurechnungsfähig. Und solange sie gute Arbeit ablieferte, war es ihm egal.
Also räusperte er sich einmal kurz, Abby schaute ihn an, schien zu merken, dass ihre Zunge und ihr Herz ihren Verstand nicht nur mal ein wenig überholt, sondern gerade gnadenlos umrundet hatten, senkte den Blick und wirkte von einer Sekunde auf die Andere sehr schuldbewusst.

„Autsch“, machte sie, hob dann den Blick wieder, sagte ein „Sorry Gibbs“ und machte sich daran, das PADD zu untersuchen. Doch da es eigentlich klar war, dass auch hierbei ihr Mund nie wirklich still stand, tat Gibbs genau dies, er blieb still stehen und schaute Abby bei der Arbeit zu. Eigentlich sehr interessant, wenn er sich das so genauer überlegte. Vielleicht sollte er ihr öfter zusehen, so könnte er noch was dazulernen. Wenn da nur nicht diese Ausdrücke wären, die man gemeinhin „Techno-Babbel“ nannte – er verstand kein Wort von dem, was Abby da von sich gab, obwohl es einfache englische Wörter zu sein schienen.
„Abs?“, fragte er, was sie dazu brachte, erneut herumzufahren, ihn anzusehen und zu sagen: „Ich kann dir sagen, dass dieses PADD ziemlich ramponiert, der Arbeitsspeicher bis auf drei Dateien vollkommen leer ist und die Bedienung ziemlich in den Binsen ist.“
Sie schaute Gibbs an: „Dass dieses PADD von der DRAGONFLY ist und von Cal persönlich gegengezeichnet wurde, ist Dir vermutlich schon lange klar, oder?“
Der Grauhaarige nickte, zauberte dann einen Caf-Pow hervor, den er wohlweißlich eingesteckt hatte und gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er sich umsah: „Weitermachen, Abby.“

TBC
Kapitel 7.3

Schon seit sie sich endlich in Zivas Mini-Cooper gesetzt hatten, hatte Tony gefühlt, wie seine Augen immer wieder zufielen und am Liebsten geschlossen geblieben wären. Seine Gedanken kamen langsam, aber sicher zur Ruhe und er war sich sicher, dass er, wenn er heute noch einen Bericht schreiben müsste,  diesen mit einer Menge rechtschreibtechnischen Fehlern auf das virtuelle Papier bringen würde. Entweder das, oder der Bericht würde so konfus werden, dass jeder Leser die berühmte WTFMOFU-Frage stellen würde, die Erod gerne stellte.
Seit sie auf Captain Cat getroffen waren – genauer auf die Reviewer „TGWTG“ – hatte McGee keine Gelegenheit ausgelassen, sie mit nutzlosem Hintergrundwissen zu füttern. Dabei hatte er den Reviewer „Erod – the blockbuster buster“ nicht ausgespart und erzählt, dass einer seiner Lieblingssätze „Dabbel-you Tieh Ef, Mo Fu“ war, also „What the fuck, Motherfu...“
Was das letzte Wort heißen soll, wissen wir alle, es muss nicht noch näher beleuchtet werden.
Tony fühlte sich aber so, als könnte er heute keine geraden, englischen Sätze ausformulieren und war deshalb froh, als er die Tür des Coopers hinter sich schloss und sich anschnallte. Kaum, dass die Schließe des Sicherheitsgutes durch das charakteristische „Klack“-Geräusch signalisiert hatte, dass der Sicherheitsgurt von nun an das tun würde, wozu er konstruiert war, nämlich ihn, im unwahrscheinlichen Vorfalls eines Unfalls davon abzuhalten, mit dem Kopf dem Amaturenbrett guten Tag zu sagen, hatte selbiger Kopf gesagt „So, Feierabend“ und mit dem Runterfahren des Körpers begonnen. Die Augen fielen zu und obwohl Tony versuchte, sie zu öffnen, wollten sie ihm nicht gehorchen. Zivas Stimme und Nähe lullte ihn ein, wickelte ihn in eine komfortable Decke und ließ den Wunsch, sich endlich, wenigstens für ein paar Minuten, dem Schlaf hinzugeben übermächtig werden.
Selbst der Fahrstil der Israeli ließ ihn in diesem Moment kalt.

Als Tony neben ihr weggesackt war – gut, weggesackt ist vielleicht ein bischen übertrieben dargestellt – wusste sie, dass er Halbitaliener den Schlaf nachholte, den er so dringend zu brauchen schien. Zwar versuchte Ziva noch ein, zwei Mal, Konversation zu machen, aber das schläfrige „Mhm“, das Tony von sich gab, war doch ein deutliches Zeichen dafür, dass er nicht aufzuwecken wäre. Auch über sie wusch die Welle der Schläfrigkeit, aber sie musste wach bleiben – schließlich fuhr sie.  Da konnte sie sich so etwas wie einen „Sekundenschlaf“ nicht erlauben, zumal der Stunt, den sie mit ihrem Auto hingelegt hatte, als Traceless sie damals angegriffen hatte, ein ziemlich kapitales Loch in ihre Haushaltskasse gerissen hatte. Zwar konnte sie den Wagen noch fahren – was sie nicht gedacht hätte – aber es musste einfach nicht sein, erneut zu Big Mikes Werkstatt zu fahren, um das Dach erneut auszubeulen. Vor allem nicht, wenn es ihre Schuld wäre, weil sie in diesem Fall einfach eingeschlafen wäre und daher den Unfall verschuldet hätte.
Nein – sie fuhr höllisch konzentriert, defensiv und vorrausschauend, sodass sie nach knappen 30 Minuten das NCIS-HQ erreicht hatten.
Tony schlafen zu lassen – das war eine Sache.
Ihn zu wecken, eine komplett andere.
„Tony?“, fing sie an, wohlwissend, dass sie es beim ersten Versuch nicht schaffen würde, den Halbitaliener aus Morpheus Armen zu bugsieren.
Das schläfrige „Mhm?“ gab ihr da recht.
Sie stubste ihn an, was dazu führte, das sein Kopf sich zur Seite drehte und dann gegen das Beifahrertürfenster klatschte.
„Großartig.“, murmelte die Israeli und seufzte, ehe sie sich selbst im Spiegel zuzwinkerte. Das war zwar dämlich, aber sie hatte gerade eine Idee. Schnell schnallte sie sich ab und sagte: „Mir ist es hier viel zu heiß. Ich glaube, ich zieh mir meinen Pullover und meinen BH aus.“
„mhm.“
Typisch – einmal an die niederen männlichen Instinkte appellieren und dann klappte das noch nicht einmal.
Vielleicht funktionierte es ja so: „Hey, da ist ja ne nackte Frau auf der Motorhaube.“
„Mhm:“
Okay das machte einen Stand von zwei zu null.
 Ziva David 0 schlafender Tony DiNozzo 2.
Aber noch war sie nicht am Ende ihrer Kunst. Es gab da noch eine Standardvariante, mit der sie versuchen konnte, Tony zu wecken. Sie nahm Ziel, presste ihren Daumen auf den Knopf und lächelte, als der Halbitaliener erschrocken zusammenzuckte. Das laute Dröhnen der Minicooper-Hupe hallte durch die momentan erschreckend leere Tiefgarage.
„W… wha?“, machte der schläfrige Agent und schnallte sich ab, „Sin… sind wir schon da?“
Es gibt Fragen, die sind so überflüssig – diese gehörte dazu.
Ziva focht gegen ihr inneres Bedürfnis, sarkastisch zu grinsen und zu sagen „Nein, Tony, ich halte nur alle fünf Minuten an und vollführe ein riesiges Rührstück, von dem du die Hälfte verpennst, um dich wach zu bekommen.“.
Stattdessen nickte sie nur, bedeutete ihm auszusteigen und verließ ihren Wagen.


Die Aufzugtür öffnete sich mit eben jenem Ding , das Gibbs inzwischen schon so vertraut in Fleisch und Blut übergegangen war, dass er es vermutlich vermissen würde, wenn sie tatsächlich in Quantico stationiert würden. Aber vermutlich ließe sich da was machen. Er hob den Kopf, sah, wie Tony und Ziva den Aufzug verließen und zu ihrem Sitzplatz herübergingen, um sich kurz zu schütteln und dann hinzusetzen.
Kurz ließ er seinen Blick zum Fenster schweifen und sah, wie eine Menge lauter Regen gegen die Fensterscheiben geworfen wurde.
„Was habt Ihr für mich?“
Die Frage war in purem, geschäftsmäßigen Duktus gestellt worden und er sah, wie Tony und Ziva ihn anblickten und augenblicklich vergessen hatten, wie bescheiden das Wetter draußen doch war. Mit einem Seufzen schaute Ziva ihn an und zuckte mit den Schultern: „Wir haben den Tatort, so gut es geht, verwüstet. Da sollte eigentlich nichts mehr auf das Vorhandensein von Föderationstechnologie hinweisen.
‚Verhandensein von Föderationstechnologie’ – auch so ein Satz, der vor knapp 3 Wochen nicht mal ansatzweise gefallen wäre, zumindest nicht, ohne, dass er von McGee ausgesprochen worden wäre.

Sie hatten den ganzen Tag und die vorherige Nacht darauf verwendet, den Tatort entsprechend zu kontaminieren – irgendwie klang das ganze wesentlich lustiger, als es tatsächlich war und Tony DiNozzo konnte es kaum erwarten, endlich nach Hause zu gehen und sich eine kalte Dusche zu gönnen. Aber – er kannte seinen Boss und wusste, dass er ihn so schnell nicht entlassen würde. Zumal da ja immer noch diese Sache mit ihm und Ziva war, die Gibbs ihm vermutlich immer noch nachtragen würde.
„Hey Boss“; hörte er sich in Gedanken sagen, „Ja, es ist wahr, ich habe eine Beziehung mit Ziva aufgebaut – aber das ist doch immer noch besser als mit EJ – oder mit Jeanne.“
Und während er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass seine Beziehungen tatsächlich nicht unbedingt von großem Erfolg und langer Dauer gekrönt waren. Im Gegenteil. Die Sache mit Jeanne war damals sowieso nur Tarnung gewesen – ein Auftrag von Direktor Jenny Shepard, damit er, DiNozzo, über Jeanne an ihren Vater, den Waffenhändler ‚La Grenouile’ kommen konnte.

Mit EJ war es auch nicht besser – im Gegenteil, die Beziehung zu ihr scheiterte aus durchaus offenslichtlichen Gründen – nicht zuletzt dem, dass er mit Ziva zusammengekommen war. Und Ziva? Zum ersten Mal seit langer Zeit – seit Mandy ihn vor dem großen Tag verlassen hatte – fühlte er sich bei ihr sicher und geborgen. Als könne er in ihrer Gegenwart seine sorgsam zurechtgelegte Maskarade ablegen und nur Anthony DiNozzo Junior sein.
Dies musste er Gibbs allerdings erst einmal klar machen und ob der Ältere tatsächlich davon ablassen konnte, auf seine Regeln zu pochen, das wusste er nicht. Und wenn er so ganz ehrlich zu sich selbst war, würde er – Tony – von seinen eigenen Untergebenen , so er denn mal wieder welche hätte, einfordern, dass sie sich an seine Vorschriften hielten. Aber dies war doch etwas völlig anderes. Oder nicht?

Er konnte sehen, dass Gibbs ihn abwartend anblickte – wollte er jetzt mit ihm über den Verstoß gegen Regel… erm…
Tonys Gedankengang legte eine spektakuläre Vollbremsung hin. Welche Regel besagte nochmal, dass eine sexuelle Interaktion mit seinen Teamkameraden verboten war? Irgendwie fiel es ihm nicht mehr ein. Das hatte natürlich einen unschätzbaren Vorteil, nämlich den, dass er jetzt freiheraus behaupten konnte, dass er keine Idee hatte, von was Gibbs da sprach, wenn sein Vorgesetzter jetzt von den Regeln anfangen wollte.
Und gerade, als Gibbs Luft holen wollte, klingelte das Telefon.

Abby Sciuto „legte gerade auf“. Das macht man heute nicht mehr. Zwar gibt es den Begriff „ich leg auf“ noch, aber eigentlich – streng genommen – müsste man sagen „Ich drück dich mal weg.“
Auflegen – das war ein Satz aus den Zeiten, als das Telefon noch ein Kabel hatte und auf eine Telefongabel „aufgelegt“ werden musste, um die Verbindung zu beenden. Noch schlimmer ist der Begriff „sie hängte auf“. Das tut man schon lange nicht mehr – zumindest nicht in Verbindung mit Telefonen.
Aber sie hatte gerade etwas gefunden, was definitiv interessant war.
Eine der Dateien war leicht zu öffnen gewesen und Abby hatte dies getan, und…
„Was hast Du für mich, Abs?“
Teufel auch – Gibbs war verdammt schnell. Sie hatte die Verbindung doch gerade eben erst beendet.
Andererseits war es kein langer Weg von Gibbs Schreibtisch zum Aufzug und von dort zu ihrem Labor.
Sie drehte sich um, lächelte Gibbs, Ziva und Tony zu und deutete dann auf das PADD.
„Wie schon im vorherigen Kapitelteil festgehalten, ist das Ding sehr ramponiert.“, eröffnete sie und Gibbs blickte sie verblüfft an: „Vorheriger Kapitelteil? Wovon sprichst Du?“
„Komm schon – hast Du nicht auch manchmal das Gefühl, dass Du einfach nur der Darsteller in einer miesen Fanfiction bist, die gerade geschrieben wird?“
„Eigentlich nicht.“, erwiderte Gibbs und legte dann lächelnd den Kopf schief: „Aber wenn ich es wäre, würde ich gerne mit dem Autoren sprechen.“
„Würden wir das nicht alle gerne?“, grinste Abby und deutete wieder auf das PADD: „Aber ich habe hier einige interessante Sachen rausgefunden. Wie schon gesagt – drei Dateien sind auf der Platte. Zwei, die nicht so leicht zu öffnen sind und eine, die sehr leicht aufrufbar ist. Also hab ich sie geöffnet und das, was ich sehen konnte, auf den Bildschirm gelegt.“
Damit betätigte sie eine Taste an der Tastatur ihres Rechners und nickte in Richtung Schirm.

Wenn Gibbs jemand wäre, den man einfach überraschen könne, würde man ihn jetzt mit weit geöffnetem Mund vor sich stehen sehen. So aber blickte er relativ ausdruckslos auf das Geschehnis vor ihm und dann zu Abby: „Sind das…“
„Hierogylphen.“, beendete die hübsche Laborgoth den Satz: „Genau – und nicht nur irgendwelche. Ich habe mir eine Software heruntergeladen, die den Text zumindest annähernd übersetzen kann.“
Erneut betätigte sie einige Tasten und blickte dann zu Gibbs: „Oh Silberfuchs – ich glaube, wir müssen noch einmal mit Colorado Springs telefonieren.“
„Das glaube ich auch.“, murmelte der grauhaarige Ermittler und las erneut, was das PADD sagte: „Holt Daniel Jackson.“

Wären wir hier bei „Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann“ würde die „Opening Narration“ so gehen: „Steve Austin – Astronaut. A man barely alive.“
Da wir aber bei „Der Sechs-Millionen-Dollar-Daniel“ sind, lautet die Narration so: „Daniel Jackson – Anthropologe. Ein Mann mit einer Mission.“
Früher war Daniel Teil eines Teams gewesen, dass sich SG-1 nannte und von Jack O’Neill geführt wurde.

Jack O’Neill, eigentlich Jonathan Jack O’Neill war nicht nur Leiter des Teams SG-1 gewesen, sondern auch kurzzeitig Basiskommandant und danach Chef der „Homeworld Security“. Zu seinen Glanzzeiten hatte SG-1 aus vier Leuten bestanden. Dem damaligen, Colonel Jack O’Neill, der blonden, brillianten und gut aussehenden Majorin Samantha Carter, dem intelligenten, multilingualen Doktor Daniel Jackson und dem stoischen Jaffa Teal’C, der sein Volk, die Jaffa, für die gute Sache verlassen hatte und hoffte, die Goa’Uld zu besiegen und sein Volk, das als Sklaven der Goa’Uld lebte, zu befreien.

Die Goa’uld – in der unendlichen Weite der Galaxis hatte keine Rasse einen so negativen Leumund, ausser natürlich, den Goa’Uld selbst. Wobei sie prinzipiell für ihre ursprüngliche Existenz herzlich wenig konnten. Sie waren Parasiten, die irgendwann im Laufe ihrer Evolution erfahren hatten, dass sie das tun können, was andere Parasiten zu tun pflegen – Wirte besetzen.
Als sie dann auch noch feststellten, dass sie diese Wirte kontrollieren konnten – da machten die Goa’Uld erstmal ein Fass auf. Nun könnte man es den Goa’Uld ja von Herzen gönnen, dass sie sich über ihre Verwundbarkeit erhoben haben und feststellten, wie sie Wirte besetzten – es ginge uns ja im Grunde nichts an.
Jetzt kommt aber die Krux  - die Goa’uld konnten nicht nur die Wirte kontrollieren, was in einer kompletten Teilnahmslosigkeit und in einem geistigen Dahinvegetieren für den entsprechenden Wirt endete – nein, sie hatten auch noch das Glück, auf einem Planeten zu wohnen, der ein Stargate besaß.

Das Stargate wiederrum muss man sich zunächst mal als großen Hohlkreis vorstellen – einen Ring von ungefähr 4 Metern im Radius – der über eine Innenspur, eine Mittelspur und eine Aussenspur verfügte. Innen und Aussenspur waren durch sogenannte Chevrons miteinander verbunden, die Mittelspur war frei drehbar und besaß 39 kleine eingravierte Bildchen.

Nun kann man nicht sagen wie die Goa’uld es geschafft haben, das Stargate funktionsfähig zu machen – manche vermuten, sie besetzten einen zufällig vorbeikommenden Asgard und nahmen ihm sein Wissen – die Asgard sind übrigens jene Rasse von Greys, die seit Jahren in unseren Medien dafür verantwortlich gemacht werden, des nächstens junge Frauen aus den Betten der amerikanischen Nation zu entführen und dort unschöne Experimente mit ihnen zu veranstalten. Lustigerweise sind diese Asgard nicht böswillig, die meisten sind sehr nette Wesen und bestens mit O’Neill befreundet, aber dazu später mehr. Die Vermutung Anderer, zum Thema, wie es die Goa’uld geschafft hatten, das Stargate zum Laufen zu bekommen, ist ein wenig anders gelagert und hört auf den Namen „Brute Force“ Methode.
Sprich: Die Goa’Uld tippten in den Körpern ihrer Wirte einfach mal „auf gut Glück“ irgendwelche Kombinationen in das Anwahlgerät und schauten, was passierte.
Es gibt noch andere Theorien – und keine von denen erscheint einem unglaubwürdiger, als die ersten beiden.
Wie schon gesagt, wie die Goa’Uld es schafften, sich Zugang zum Stargate-Netzwerk zu verschaffen, ist unbekannt…
Wohl aber, wie die Menschheit es schaffte.


Das ist auch wieder Daniel Jackson zu verdanken, dem Doktor und Multilinguisten.
Eines Tages wurde er, nach seiner letzten und wohl desaströsesten Vorlesung überhaupt, die ihn sein Stipendium und seine Wohnung kostete, von einer älteren Dame angesprochen, die sich schon in der Universität in die letzte Vorlesung gemogelt hatte und mit einem amüsierten Grinsen Jacksons Theorien mit angehört hatte.
Theorien, die sich später als Wahr herausstellen sollten, die jedoch für die akademische Welt mehr als Grund genug war, Jackson der selben Welt zu verweisen.

Jackson bekam einen Auftrag.
Der Auftrag war recht einfach – er sollte eine Übersetzung anfertigen.
Man brachte ihn in die Cheyenne-Mountain-Facility in Colorado Springs in Colorado – dorthin, wo auch NORAD, also das North-American Aerospace Defense Command, sprich, das Nordamerikanische Luft- und Weltraumverteidigungskommando seine zentrale Koordinierungsstelle für sämtliche Sensorendaten stationiert hatte. .
Als er in dem unterirdischen ehemaligen Raketensilo auf Ebene UG 28 ankam, war seine erste Amtshandlung ein kräftiger Nieser.
Daniel Jackson war nämlich Reiseallergiker – ein Zustand, der sich in den nächsten Jahren zwar nicht ganz legen, aber wenigstens mildern sollte.
Was Doktor Jackson nämlich noch nicht wusste, war, dass er gleich die Übersetzung seines Lebens machen würde.

Momentan erschien es ihm noch ein wenig albern, das man ihn in einen Militärbunker schleifte, und noch alberner, dass man hier einen gigantischen Abdeckstein aufbewahrte, den er just in diesem Moment zu sehen bekam, als er sich dachte, das es mysteriöser nicht mehr ginge.

Man setzte ihn auf eine altägyptische Textpassage von diesem Abdeckstein an, die sich folgendermaßen übersetzte:
Zitat
Jahr Millionen Himmel Ra Sonnengott
versiegelt und begraben für alle Zeit
Tor zum Himmel
Es klang schon sehr kryptisch und mysteriös: „Millionen Jahre in diesem Himmel liegt Ra, der Sonnengott, versiegelt und begraben für alle Zeit.“
Nach genauerer Überprüfung der Übersetzung hatte Daniel auch die Worte ‚Tor zum Himmel’ gestrichen und durch das ersetzt, was die Übersetzung eigentlich hatte sagen sollen:  „Stargate.“

Was sollte dies heißen?
Es fanden sich noch andere Symbole, die Jackson zunächst nicht zuordnen konnte.
Dies geschah zwei Wochen später und sei mal ein Beispiel dafür, wie nützlich es sein kann, manchmal einen Blick in die Zeitung zu werfen.
Die Zeitung, die einer der Wachmänner las, der gerade Wache hatte als sich Daniel den mindestens zehnten Kaffee der Nacht gönnte, hatte einen Artikel über die „Sternenkonstellation der Woche“ – und Daniel fiel sofort eine Ähnlichkeit zu den Zeichnungen auf dem Abdeckstein auf.
Er ‚lieh’ sich die Zeitung, verband die Punkte, eilte zum Abdeckstein und glich die Zeichnungen auf der inneren Kartusche mit der Sternenkonstellation ab.
Sie passte.

Von dort aus war alles einfach.
Es war klar, das in jedem drei-dimensionalen Raum sechs Punkte benötigt wurden, um eine Koordinate festzumachen.
Sechs Sternensysteme, wenn man so wollte, waren nötig, um im Weltall eine Koordinate zu finden – sechs Plus das siebte Symbol, sprich den Ursprungspunkt.
Den Daniel übrigens auch fand… und dann ging es los – die Erkundungsmission führte auf den Planeten Abydos, wo Ra, der Sonnengott, das Volk von Nagada brutal unterdrückte.
Was damals noch keiner wusste: Ra war ein Goa’Uld, der sich den Körper eines Jungen angeeignet hatte, um seinen eigenen Tod zu überlisten.

Ra wurde nach kurzer und heftiger Revolte besiegt, Daniel, der in der schönen und gleichzeitig schüchternen, aber auch kämpferisch-wilden Sha’re von Nagada die Frau seines Lebens gefunden hatte, blieb zurück und wurde für „kia“ erklärt, also für ‚killed in action’ -  im Einsatz getötet.

Die Charade ging ein Jahr lang gut.
Dann, das Stargate war schon eingemottet worden, passierte es:
Die Goa’Uld griffen an.
Sie drangen durch das irdische Tor in die Basis ein, veranstalteten ein ziemliches Blutbad und entführten eine Frau.
Ziel? Nutzen?
Das war noch nicht bekannt.
Man reaktivierte Jack O’Neill, der sich eigentlich vom Dienst zurückgezogen hatte und der von General Hammond erstmal befragt wurde.
„Wie bewerten Sie die Mission?“, war die Kernfrage, und: „Sind Sie sicher, das Ra tot ist?“
Nach einigem Hin und Her erzählte O’Neill seinem neuen Befehlshaber die ganze Geschichte. Das er hiermit einer neuen Mission und einem langfristigeren Engagement im SGC entgegenblickte, konnte O’Neill damals nicht ahnen.

Der erste Verdacht war natürlich, dass die Aliens von Abydos her kamen – deswegen sandte man ein Team dorthin. Doch während des Aufenthaltes griffen die Aliens auch Abydos an, entführten den jungen Krieger Ska’ara, mit dem sich O’Neill schon während seiner ersten Mission befreundet hatte – und Sha’Re.

Durch den Wunsch motiviert, seine Frau zu retten, kehrte Daniel zur Erde zurück, ließ sich in O’Neills Team einteilen und ging mit ihnen nach Chulack, einem Planeten, an dessen Addresse sie durch Major Ferretti gekommen waren, der bei dem Angriff zwar schwer verwundet worden war, sich aber alle sieben Zeichen einprägen konnte.

Auf Chulack wurden Daniels Hoffnungen, die Sache schnell beenden zu können, jäh enttäuscht – Apophis, der Schlangengott, hatte Sha’Re als Körper für seine Frau, Amaunet gewählt.
Aber Daniel schwor sich, Sha’re zu finden und…

So ganz einfach wurde es nie. Im Gegenteil – es fanden sich unterschiedliche Schwierigkeiten, Sha’re wurde getötet, die Machtverhältnisse änderten sich und all das kulminierte in den Ereignissen, die vor knapp 2 Wochen die Leben des SG-1 Teams forderten.
Daniel selbst hatte dabei „Glück gehabt“ – wobei man auch das eher zynisch sehen konnte. Schließlich hatte er – zum zweiten Mal in seinem Leben – die Frau, die er mehr als alles auf der Welt liebte, verloren.

„Ich bin nicht wütend auf dich, Cal.“
Mit diesem Satz eröffnete der Anthropologe, der in der Leichenhalle auf einem Stuhl neben Sams Körper saß und, obwohl er mit Cal sprach, selbigen nicht anschaute. Stattdessen hatte er sanft eine Hand auf die Schulter seiner Frau gelegt und versuchte, die Tränen wegzublinzeln. Ein Versuch, der kläglich scheiterte.
Aber es stimmte.
Daniel Jackson war nicht sauer auf den Captain – so merkwürdig dies auch klang. Er war sich sicher, der Offizier hatte alles mögliche getan, um den Tod seiner Frau zu verhindern. Und er war sich ebenfalls sicher, wie das wohl gelaufen sein mochte.
Cal hatte Sam auf die Nase binden müssen, dass es ihr Schicksal war, hier zu sterben und sie hatte dieses Schicksal mit einem leidenschaftlichen Vortrag darüber, dass Schicksale unabänderbar wären und was passieren würde, wenn man tatsächlich die Zeitlinie änderte, angenommen.
Das war so typisch für Sam. Sie konnte selbst über die hahnebüchensten Dinge eine Leidenschaft an den Tag legen, die ihn immer wieder faszinierte.
Und nun war sie tot. Seine Frau. Seine Sam – in deren lebhaften, eisblauen Augen er sich immer wieder verlieren konnte, die Frau, die verblüffenderweise den Drei-Beine-Spagat zwischen Wissenschaftlerin, cooler Frau und Soldatin mit einer Lässigkeit hinnahm, das es nur so eine Freude war.
Und Daniel wusste, wie schwer es sein konnte, diese beiden anscheinend widersprüchlichen Punkte „Wissenschaftler“ und „normaler Mensch“ zu kombinieren.
„Ich hätte sie retten können“, erklang das bebende, brechende Stimmchen Cals und nun wandte er seinen Kopf dem Offizier zu.
„Wir wissen beide, das hättest Du nicht. Sam ist…“
Er stockte, schluckte und korrigierte sich: „Sie war Wissenschaftlerin. Sie kannte die Implikationen dessen, was vermutlich passieren würde, wenn Du sie gerettet hättest.
Neben dem Captain räusperte sich die Bordärztin der DRAGONFLY, Gina Intrupper, und sagte: „Ich lass euch Beiden dann mal alleine.“
Damit wandte sie sich ab und verließ den Raum.
Kaum, dass die Tür geschlossen war, schauten Cal und Daniel sich an, nickten einander zu und setzten sich auf den Fußboden.

„Ich hätte etwas tun können.“, murmelte der Captain der DRAGONFLY und blickte Daniel aus braunen Augen an, in denen Tränen schillerten. Der Antrhopologe hob seinen Kopf, schüttelte selbigen und machte eine wegwerfende Bewegung: „Was hättest Du tun können? Sie hat dich ausgeschaltet. Neben dem, dass sie Wissenschaftlerin ist und wusste, was passiert wäre, wenn Du sie gerettet hättest, war sie Soldatin und wusste, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um jemanden kampfunfähig zu machen.“
Und dann, mit festem Blick: „Es ist nicht deine Schuld.“
„Hast Du eine Ahnung.“, seufzte der Captain und ließ seinen Kopf sinken. Daniel seufzte, als er plötzlich eine Berührung spürte. Überrascht wandt er seinen Kopf und sah die Hand Sams, die auf seiner Schulter ruhte.
Er seufzte. Vermutlich war sie zur Seite gesunken, als die Leichenstarre nachgelassen hatte.
Sich aufrichtend, griff er nach der kalten Hand seiner Frau, führte sie sanft auf ihren Bauch und ließ sie dort sinken.
Daniels blaue Augen füllten sich nun auch mit Tränen, als er sah, wie ruhig und friedlich sie wirkte.
„Wach auf.“; dachte er sich, „Verdammt, wach auf.“
Es war pure Unlogik, die von ihm Besitz ergriff, doch in diesem Moment interessierte es ihn nicht. Der Wunsch, dass Sam doch nicht tot war, so kindisch und doch verständlich, er auch war, bohrte sich in seinen Kopf. Und dann öffnete die Astrophysikerin die Augen
Daniel schluckte.
„S… Sam?“, fragte er, als die hübsche Frau sich aufrichtete und ihn anblickte.
Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen: „Ja.“

Und dann öffnete Daniel die Augen.

Er starrte an die weiße Decke seine Appartements, das ihm plötzlich viel zu groß und viel zu leer vorkam. Seufzend richtete er sich auf.
Nur ein Traum.
Der Traum, der ihn seit knapp zwei Wochen verfolgte. Der Traum, der Sam noch lebend zeigte und der von Tag zu Tag, an dem er ihn quälte, immer detaillierter wurde.
Am Anfang waren es nur sie beide gewesen – er und Sam – und sie würde die Augen aufmachen, sich aufrichten und dann würde er aufwachen.
Und wieder in ein tiefes, emotionales Loch fallen.
Nein, Sam würde nicht wiederkommen.
Sie war tot.

Das Klingeln des Telefons ließ Daniel zusammenzucken und er griff nach dem Hörer.
„Ja“, machte er und befeuchtete kurz seine Lippen: „Daniel Jackson hier?“
Die Stimme am anderen Ende kam ihm bekannt vor. Abigail Sciuto vom NCIS.
„Können Sie nach Washington kommen?“, fragte sie und Daniel zuckte mit den Schultern. Er trat zu seinem Kalender, öffnete ihn, ging ihn durch und sagte dann, mit geschäftsmäßiger Stimme: „Natürlich – worum geht es denn?“
„Wir haben eine Nachricht für Sie.“

TBC

CaptainCalvinCat

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Kapitel 7.4

Es gibt Momente, in denen man sich einfach nur verarscht vorkommt. Das sind dann solche Sekunden, wie die, die Daniel Jackson einen knappen Tag später erlebte. Er stand im großzügigen Büroraum des NCIS-Headquarters in Washington D.C. und warf einen Blick auf den großen Flachbildschirm, auf dem gerade Hieroglyphen zu sehen waren.
„Holen Sie Daniel Jackson“, las er und schaute verblüfft in die Runde: „Ich habe gerade einen ziemlichen Flashback. Damals, vor knapp 5 Jahren hatte man in einer Nekropole in Ägypten eine Videokamera gefunden, die eine Aufzeichnung enthielt, die uns richtig schlucken ließ. Also, ich meine Sam, Jack, Teal’c und mich. Da hatte sich nämlich herausgestellt, dass wir in die Vergangenheit gereist sind, um Ra ein ZPM zu stehlen… also nicht, wir-wir, sondern zwei Wirs aus zwei verschiedenen parallelen Realitäten.“
„Erinnert mich an eine Geschichte, die ich gehört habe, als ich noch in Israel war.“, warf nun Ziva ein und blickte in die Runde: „Ich weiß nicht, sagt euch der Name John Kaun was?“
McGee hob den Blick: „Kaun? Du meinst den Typen von Kaun ENTERPRISEs?“
„Genau den.“; nickte Ziva, „Als ich noch meinen Militärdienst abgeleistet habe, lernte ich eine Reservistin kennen. Ihr Name war Judith Menez. Sie war Grabungshelferin bei einer Ausgrabung, die von eben jenem John Kaun finanziert wurde. Einer jener Grabungshelfer, ein gewisser Stephen Cornelius Foxx fand angeblich eine Videokamera, die…“
„Stephen Cornelius Foxx?“
Erneut echote McGee einen Namen und hackte dann, wie von der Tarantel gestochen, in seine Tastatur ein. Er blinzelte und wandte sich dann wieder Ziva zu: „ Der Stephen Cornelius Foxx? Der jetzt als CEO für Video World Dispatcher arbeitet und schon mit 19 die erste Millionen gemacht hat?“
Die Ein-Meter-Siebzig Schönheit zuckte mit den Schultern: „Mag sein. Ich hab mir sagen lassen, er kommt aus Maine. Wenn das dieser Foxx ist, dann…“
„Was hat das mit dem aktuellen Fall zu tun?“
Es sind so einfache Situationen, die Unbefangenen deutlich aufzeigen, warum Gibbs Chef ist. „Manchmal muss man halt sein Team wieder auf die richtige Spur bringen.“, schoss es dem Anführer des Teams durch den Kopf, doch als sich Ziva räusperte, da wusste er, dass er sich auf sein Team verlassen konnte.
„Gibbs, die Sache ist die: Du glaubst doch nicht an Zufälle. Und wenn zwei Leute verbuddelte Kameras finden, ist das kein Zufall.“
„Du meinst, da ist eine Verbindung?“, fragte nun DiNozzo, was Ziva zum Schulterzucken brachte: „Ich weiß es nicht – vielleicht ist die Erde auch die größte Postkarte des Universums, aber meinst Du nicht, dass man einer Spur nachgehen sollte?“
Nun räusperte sich Daniel: „Braucht ihr mich dann überhaupt?“
„ja!“, meldete sich in diesem Moment die den Bullpen betretende Abby und hielt ihm das PADD hin: „Erstmal – schau mal, wer dir diese Meldung geschickt hat. Zum Zweiten kannst Du gleich das Rätsel lösen.“
Der Anthropologe nahm den Gegenstand entgegen: „Ein Föderationspadd?“
Und dann, nach genauem Studium: „Gezeichnet von Cal?“

Die Erwähnung des Namens „Cal“, ließ Tony und Ziva einander anblicken und ein Grinsen stahl sich auf die hübschen Lippen der Israeli. Eine kurze Erinnerung blitzte auf.


Es mochte nicht unbedingt eine gute Idee gewesen sein, sich mit zwei Starfleetoffizieren in den nächstbesten Club zu begeben, aber irgendwie hatte Abby Ziva und Tony überredet und die beiden hatten ihrerseits Cal und Agatha dazu gebracht, mitzukommen. Dabei war dieser Veranstaltungsort nun wirklich nicht das beste Etablissement, um zwei Offizieren aus der Zukunft unsere Gegenwart nahezubringen. Zumal Cal sowieso eher an den Tresen gelehnt dastand und seine Cola festhielt. Dies konnte man von Agatha nun nicht unbedingt behaupten, denn kaum, dass die ersten Takte dieses Songs erklungen waren, hatte sich die XO den Captain gegriffen und mit ihm auf der Tanzfläche die Hüften kreisen lassen. Wobei das nun wirklich erotischer klingt, als es aussah. Zwar war die XO tatsächlich eine sehr ansehnliche Erscheinung und wenn sie tanzte, dann tanzte sie. Cals Bewegungsspiel erinnerte den geübten Zuschauer allerdings eher an die Verrenkübungen, die Bill Cosby im Intro der nach ihm benannten Show aufführte.  Und für alle, die sich jetzt fragen, wie das aussieht – hauptsächlich lustig, ziemlich ungelenk, aber alles in allem, nach allem möglichen, nur nicht nach dem, was die XO neben ihm körperlich ausdrücken wollte.

Der zweite Song wurde gespielt, komplett verschwitzt und ausgepowert waren XO und Kommandant von der Tanzfläche gewankt und hatten sich an der Bar niedergelassen.
Und gerade, als das, was bei dem eingespielten Lied euphemistisch als „Refrain“  bezeichnet wurde, erklang, blickten sich Cal und Tony grinsend an.
„Der Typ wird nach Wort bezahlt.“, stellte der Captain fest und Tony nickte: „Vermutlich. Ich nehme an, seine Teilnahme an diesem Stück wurde mit 16 Dollar entlohnt.“
„Wieso 16 Dollar?“, verlangte nun Agatha zu wissen und Tony grinste: „Na, hör dir die Zwischenstöhner doch mal an. „AH, oh, yeah, um, yeah, um, yeah, um, yeah, ah,ah, yeah, um, yeah, um, yeah, um yeah.“ Wir zählen mal mit – welche Worte hat der Refrain? „AH, oh, yeah, um.“ 4 Wörter – veranschlagen wir mal pro Wort 4 Dollar, ist die Produzentin dieses Hits mit 16 Euro Entrichtung an den ‚Künstler’ dabei.“
„Gilt stöhnen überhaupt als Kunst?“, fragte nun Cal, was Agatha zu einem Lächeln hinriss und dazu, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Ziva konnte die Reaktion des Kommandanten nicht sehen, aber da sie das Lächeln seiner Frau gesehen hatte, konnte sie ahnen, dass Cal vermutlich gerade eine solch liebliche Röte erreicht hatte, dass Tomaten, Erdbeeren und Kirschen sich spontan zu einer Demonstration verabredet hätten und mit den Worten „Wo kommen wir denn da hin, wenn das auch noch die Menschen übernehmen“ eine Versammlung zum „Farbschutz des Rotspektrums“ (FDR) einberufen hätten. Davon hätten Äpfel, Birnen und Bananen Wind bekommen und nach langen, laaangen Verhandlungen wäre aus diesen Verhandlungsgesprächen das IzSdnF hervorgegangen -  das Interessengremium zum Schutz des natürlichen Fruchtfarbspektrums. Sollten doch die Farbstoffe, wie sie für Malerarbeiten verwendet wurden,  sehen wo sie blieben.

Dann trat er auf und sofort wusste Ziva, dass es eine verdammt schlechte Idee gewesen war, Captain und XO einzuladen. Nun gut, „auftreten“ war vielleicht ein bischen hochgestochen. Der Typ war nicht nur mindestens zwei Köpfe größer als Cal, was bei den 1,83 Metern, die der Captain an die Messlatte brachte, schon eine Kunst war, er schien auch plötzlich und aus dem Nichts aufzutauchen. Ziva sah ihn dann plötzlich vor ihr und Agatha stehen und hörte ihn plötzlich, etwas sagen.
„Na, ihr beiden? So alleine hier?“
Wenn es eine Auszeichnung für die wohl häufigsten Klischeesätze geben würde, dann würde diese Type sie erhalten. Nicht nur, dass er den wohl Abgeschmacktesten aller möglichen Anmachsprüche von sich geben musste – nein – er musste sich dabei auch noch „in Positur bringen“.
Ziva konnte an Tonys Blick erkennen, dass er gerade dabei war, etwas monumental-dummes zu tun, etwa in ihre Richtung zu rufen „Hey, ruf das Smithonian an. Falls sie einen entlaufenen Primaten suchen, er is hier.“ Und er verdankte es allein ihrer Reaktionsschnelligkeit, dass er dies nicht tat. Agatha war genau so schnell, legte ihrem Schatz eine Hand auf den Mund und schaute nur in Richtung des Typen: „Nein, wir sind nicht alleine.“
Doch irgendwie schien Cal nicht wirklich auf solche Sachen wie eine sehr deutliche Warnung hören zu wollen, stattdessen ließ er sich sinken, tauchte unter Agathas Hand weg, schüttelte ihre andere Hand, die sie auf seiner Schulter platzieren wollte, ab und trat mit wutfunkelnden Augen auf den Typen zu.
Sie würde nie erfahren, was Cal ausser „Nun pass mal auf, Kollege Fettarsch“ sagen wollte, aber sie wusste eines. Genauergesagt: Sie wusste zwei Dinge. Einen Fremden, der ungefähr die Größe und Statur eines Lou Ferrigno hat, mit „Kollege Fettarsch“ anzusprechen, ist nicht unbedingt clever. Erst recht nicht, wenn Lou Ferrigno schon ziemlich angetrunken ist.  Den zweiten Fakt kannte sie erst ein paar Monate später, als sie sich durch die Programme zappte und auf einem Musiksender hängenblieb. Der Fakt lautete: Der Regisseur des Videoclips zu „Tonight – we are strong“ musste in der Bar gewesen sein, denn die Szene, als der Typ neben der süßen Blonden, die ihr Handy in die Kamera wirft, eben jener süßen Blonden die Flasche mit voller Wucht gegen den Hinterkopf zimmert, so dass Myriaden an Glassplittern ihren Kopf umrahmen wie ein Halo, war eine eins-zu-eins-Kopie davon, was der Typ mit Cal machte… bis auf den Fakt, dass Cal keine süße Blonde ist und auch kein Handy in die Kamera wirft.
Und im Gegenzug zu der Blonden, von der man nach dieser Szene nichts mehr sieht, sahen Ziva, Agatha und Tony, wie der Captain, einer Marionette, der die Fäden durchgeschnitten wurden gleichend, zuerst in die Knie sackte und dann nach vorne fiel.

„Der is für ein paar Stunden k.o.“, konstatierte Ziva und wandte sich an den Typen, den sie mit einem „Okay, die Party ist vorbei, Bundesagenten, keine Bewegung“ ansprach. Doch der Typ – als hätte sie es geahnt – konnte sich durch diese Offenbarung nicht wirklich in den Anschein einer Respektshaltung bringen. Eher im Gegenteil. Ein süffisantes Grinsen erschien auf seinen Lippen und er bedachte Ziva, sowie Agatha mit ebenso heißblütigem, wie offensichtlich schleimig-widerwärtigem Blick, als maß er ihre Körper ab.
„Babe“, sagte er, „Du kennst das Gleichnis von der Mücke, die einen Jumbojet trifft? Ich bin der Jumbo.“
Das Geräusch von klirrendem Glas ließ den Typen zusammenzucken und sich umdrehen. Cal hatte sich eine Flasche genommen und war erstaunlich flink auf den Beinen, griff noch eine Flasche und schlug sie ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Sie zerplatzte, Splitter flogen, das war aber auch das Einzige an Effekten.
„Netter Versuch.“, sagte ‚Jumbo’ und verpasste Cal einen Schlag gegen das Kinn, der ihn zu Boden gehen ließ – nur um ihm einige Sekunden später zu folgen. Das mochte mit dem rötlichen Aufschein zu tun haben, der sich eine Femto-Sekunde vor dem Kollaps des Riesen in der gesamten Bar abgezeichnet hatte und der „unerklärlicherweise“ von Agathas Hand zu kommen schien, die schnell hinter ihren Rücken wanderte, und den Phaser so unauffällig wie möglich wieder wegsteckte.
Dann schaute sie zu Ziva und zwinkerte ihr zu, ehe sie ein „Ich meine, das geht doch nicht.“ von sich gab.


„Ziva?“, fragte Tony in diesem Moment und die Israeli hob den Blick: „Hm?“
„Kommst Du?“, klarifizierte der Halbitaliener, was in diesem Moment nicht wirklich eine „Klarifikation“, sondern mehr eine weitere Verwirrung war. Kam sie? Wohin? Weswegen? Mit wem?
Die Verwirrung schien Tony nun bemerkt zu haben, er trat zu ihr herüber und flüsterte: „Gibbs hat mich gerade beauftragt, ich soll nach Maine fliegen und diesen Stephen Foxx befragen. Du sollst auch mitkommen.“

Daniel blickte kurz zu Ziva, die gerade leicht in irgendwelchen Gedanken zu hängen schien und diese Gedankenfetzen ihr offenbar einigen Spaß bereiteten. Warum nicht? Musste ja nicht jeder so ein Trauerkloß sein, wie er. Schließlich hatten sie ja auch nicht den Menschen verloren, mit dem sie hofften, den Rest ihres Lebens zusammen verbringen zu dürfen… und das gleich Zwei Mal.
Er seufzte, warf einen Blick auf das PADD und las eine weitere Botschaft, die in englischer Sprache auftauchte.
„Tor zum Himmel“ stand dort. Daniel runzelte die Stirn. Was sollte das denn nun? Dann bemerkte er, dass eine Art „Eingabefeld“ aufleuchtete und es dämmerte ihm. Klar – das war eine Passwortabfrage, die so auf Daniel personalisiert war, dass nur der Anthropologe dieses Passwort knacken konnte. Na gut, ganz so „personalisiert“ war es dann doch nicht, schließlich könnte jeder, der die Geschichte kannte, dieses Passwort knacken. Aber es schien, als wäre dies das einzige gewesen, das Calvin Cat eingefallen war und so blickte er zu McGee: „Sag mal, hast Du einen Datenstift?“
Der Computerexperte nickte, warf dem Archäologen den gewünschten Gegenstand zu und sah, wie er etwas eintrug.
„Was machst Du denn da?“
„Lass dich überraschen.“, grinste Daniel und merkte, wie das Wissen eines frisch gelösten Rätsels Adrenallin, Endorphine und körpereigene Opiate freisetzte und ein Hochgefühl auslöste.
„Glückwunsch, Dannyboy.“, erklang in diesem Moment die Stimme Calvin Nathan Cats aus dem PADD und der Anthropologe zuckte zusammen. Das PADD tat das, was losgelassene Gegenstände ob der Schwerkraft tun, landete auf dem Boden – und kommentierte dies mit einem „AUA“.
Verblüfft blickten McGee und Daniel auf den „Notizblock der Zukunft“, als sich die Stimme Agathas einschaltete und aus dem PADD säuselte: „Aua? Wieso aua?“
„Ich nehme einfach mal an, dass Daniel das PADD in der Hand hatte und es nun erschrocken hat fallen lassen.“
„Und wenn er das nicht getan hat?“
„Dann haben wir gerade einen perfekten Witz ruiniert.“, konnte man das freche Grinsen des Captains beinahe hören, ehe er sich räusperte und sein Tonfall geschäftsmäßiger wurde.
„Ich weiß“, sagte er, „dass dies alles auf Vermutungen basiert. Vielleicht wurde das PADD auch Daniel vorher gegeben und vielleicht sind die Anderen auch gar nicht da, aber falls sich alles so abspielt, wie ich denke, dass es sich abspielt, befindet sich dieses PADD zur Zeit in den Händen Daniels, der im NCIS Hauptquartier steht. Vermutlich schauen die Augen von Gibbs gerade mit einer Hauch Fassungslosigkeit drein, wenn ich jetzt „Hallo Gibbs“ sage und wenn das alles nicht zutrifft und mich nur Daniel hört, dann soll er jetzt einfach an die Doktor-Who-Folge „Blink“ denken, wo die Weeping-Angels das erste mal vorgekommen sind. Leider fehlt mir der Luxus eines vorher mitgeschriebenen Skripts. Also – was will ich damit sagen? Hilf uns, Daniel. Mobilisiere das SGC und hilf uns. Du findest uns…“
Und dann brach die Aufzeichnung ab.
Daniel, Gibbs, Abby und McGee schauten einander mehr als nur verdattert an, dann ging der Anthropologe in die Knie und hob das PADD wieder auf.
Der Bildschirm war dunkel, nur ein leises Klopfen war zu hören.
„ist die Mitteilung kaputt?“, fragte nun Gibbs, was Daniel zu einem Kopfschütteln brachte.
„Nein, nein, ganz und gar nicht. Die Mitteilung funktioniert.“, sagte er und grinste: „Dieser Mistkerl hat tatsächlich aufgepasst, wenn ich was erklärt habe.“

Man konnte dem NCIS-Hauptquartier förmlich ansehen, dass die hier arbeitenden Männer und Frauen im Umziehen begriffen waren. Die Stuhlreihen, die schulaulenähnlich aufgebaut waren, sodass derjenige der hinten saß, den höheren Sitzplatz hatte, verliehen dem Raum eine gewisse Kinoatmosphäre – oder würden sie ihm verleihen, wenn sie nicht gerade  mit einer Staub-und-Dreck-Schutzfolie verkleidet wären. Die Dunkelheit, die im Raum vorherrschte, war gespenstisch, erinnerte sie Daniel doch an Fotografien, die er vom SGC gesehen hatte, als es im Zustand der Einmottung begriffen war. Niemand – vermutlich nicht einmal der Fotograf – hätte jemals daran gedacht, dass dieser Ort die erste, letzte und beste Verteidigungslinie gegen Goa’Uld, Replikatoren, Re’etu und sonstigen Abschaum des Universums werden würde und – jetzt klang er schon wie Will Smith.
Daniel hatte das Gefühl, dass er sich gar nicht so sehr wundern würde, wenn Gibbs die Folie nun mit einem heftigen Ruck abzog, sodass sie in die Richtung einer fiktional-angedachten, im Raum positionierten Kamera gerissen wurde. Aber nein, das Einzige, was der Senior Special Agent zu sagen hatte, war: „Machen Sie da keine Flecken. Die Folie wird schließlich noch gebraucht.“
Dann nahm er Platz, so, dass Daniel ihn genau beobachten konnte. Die anderen Teammitglieder suchten sich eine Sitzgelegenheit in der Nähe, aber der fiktiv-angedachte Beleuchter tat einen guten Dienst, in dem er, der Dramaturgie wegen, nur Gibbs sichtbar werden ließ. Gut, in Wirklichkeit lag dies natürlich an dem Fakt, dass von irgendwo her Licht schien, aber irgendwie machte die Vorstellung, dass dort eine Kraft, ein Willen, am Werk war, Daniel mehr Spaß. Weniger, weil er kreationistisch oder sonst wie veranlagt wäre, sondern einfach aus dem Grunde, dass er sich dann vorstellen konnte, eines Tages dieser Person, diesem Willen, ein paar clevere Fragen stellen zu können.
„Doktor Jackson?“, hörte der Antrhopologe nun die Stimme des Senior Special Agents, räusperte sich, sagte „Natürlich“ und begann, seinen Vortrag.

Irgendwie hatte er genau diese Reaktion erwartet.
Himmel, er würde sich ja selbst nicht glauben, wenn er es nicht erlebt hätte – und wer würde schon jemandem Glauben schenken, der behauptete, er habe einen Spiegel auf einem Planeten berührt und wäre daraufhin in ein paralleles Universum gereist? Jeder normal-denkende Mensch würde spätestens nach dem „Ich bin auf einem anderen Planeten gewesen“  eine mentale Notiz anfertigen: „Memo an mich – die Männer mit den weißen ‚Hab mich lieb’-Westen anrufen.“.
Gut, Sam, Jack, Daniel und Teal’C waren da in der Regel abgebrühter, aber selbst der wackere Colonel, die Astrophysikerin, die so schön, wie intelligent, war und der edele Krieger, waren eher geneigt, Daniels Trip in eine Parallelwelt als Traum, Halluzination oder Vision abzutun. Und als ob sie den Spruch eines ehemaligen Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland gehört hätten – „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ – hatten sie ihn direkt vom Torraum zur Krankenstation gebracht. Oder vielleicht lag das eher an dem Fakt, dass der Teal’C im Paralleluniversum mit der Stabwaffe auf ihn geschossen hatte?

Daniel Jackson erklärte seinen Team-Mitgliedern, die SG-1 bildeten, aber noch weit davon entfernt waren, die heldenhaften Figuren zu werden, die später aus ihnen entstehen sollten, von seiner Reise in das Parallelunivrsum und vor allem den Sprung durch das dortige Erd-Tor – was in etlichen Schwierigkeiten für den Anthropologen endete. Nicht zu letzt der Fakt, dass diese Erde, auf der er war, von den Goa’Uld angegriffen wurde, ließ das Leben dort recht sauer werden. Und alles war mit dieser Meldung losgegangen, die sie empfangen, aber nicht dekodieren konnten.

„Hütet euch vor den Zerstörern“, rezitierte er, sicher in seiner Realität angekommen und in der Krankenstation versorgt, und blickte in sehr skeptische Mienen.

Dieselben skeptischen Mienen, die ihm hier entgegenblickten – komisch, da sollte man eigentlich meinen, dass der Fakt, dass es die Föderation und die Sternenflotte gab, dass Aliens existieren und das es möglich ist, in Nullzeit durch ein ringförmiges Gerät, das „Stargate“ genannt wird, von Planet zu Planet zu reisen, wenigstens ein bischen für die Glaubwürdigkeit des Berichtenden spricht.
Nein – Gibbs blickte sehr skeptisch drein, beugte sich dann vor und nahm nun direkten Blickkontakt zu Daniel auf: „Und was wollen Sie mir mit dieser kleinen Geschichte erzählen?“
Das waren so die Momente, in denen der Senior Special Agent den Anthropologen an eine Person erinnerte, die Jack O’Neill durchaus auch hätte werden können, genauer gesagt, die der Air Force Colonel damals, während der ersten Abydos Mission sogar war.
Und so schoss ihm ein psychologischer Begriff durch den Kopf: „Coping mechanism.“
Zu deutsch: Bewältigungsmechanismus oder Bewältigungsstrategie.
Vielleicht würde es dauern, vielleicht würde es auch nie passieren, aber vielleicht – so vermutete Daniel – würde Gibbs eines Tages auch eher versuchen, seine Probleme mit Humor zu lösen, anstatt mit grimmiger Miene.
Andererseits war diese Bewältigungsstrategie schon an Tony DiNozzo vergeben.

Daniel räusperte sich: „An die Meldung der Aliens damals war auch eine Reihe von Klopfgeräuschen angefügt. Die parallele Sam Carter konnte sie entziffern und stellte fest, dass sie in einer Art „Gruppe“ zusammengefügt und ähnlich wie…“
Weiter kam er schon nicht, denn Gibbs warf ihm einen Blick zu, der ihn kurz verstummen ließ, ehe der Special Agent ein: „Morsezeichen“ in den Raum warf.
Daniel nickte: „In diesem Fall, damals, ergaben die Klopfgeräusche Sternentor-Koordinaten.“
„Sie wollen sagen, dass Cal eventuell auf einem anderen Planeten hockt?“, fragte nun Abby und Ziva zuckte mit den Schultern: „Kann ich mir vorstellen. Ich meine, er hat ein Raumschiff.“
Daniel warf einen Blick auf das PADD: „Ich bezweifel, dass er nur auf einem anderen Planeten ist. Schauen wir uns die Beschaffenheit des PADDs an – es ist alt. Nicht nur ein paar Jährchen, sondern ein paar Jahrtausende. Von daher gehe ich davon aus, dass es nicht nur eine Botschaft von einem anderen Planeten ist, sondern auch aus einer anderen Zeit.“
Und dann, mit einem Blick in die Runde: „Wir sollten uns dringend an die Übersetzung machen.“

Es kam dem Anthropologen wie damals vor, als er von der US-Regierung zur Übersetzung der Decksteine geholt worden war. Die Morsearbeit ging nur langsam und schwerlich voran, weil man die Töne immer wieder zurückspulen musste, um sie zu gruppieren und auch ja keinen Ton zu verpassen. Im Stillen dankte er demjenigen, wer auch immer den ersten Kaffee der Welt erfunden hatte, dafür, dass er ein solches Genie war, denn momentan konnte er sich nur noch durch die nahezu schon intravenöse Zufuhr des koffeeinhaltigen Heißgetränkes wach halten. Kurz warf er einen Blick auf die versammelte Runde und stellte fest, dass ausser ihm noch zwei Leute wach waren und Mitschriften anfertigten – Ziva David und Leroy Jethro Gibbs. Aber wenn er ehrlich war, hatte er gerade von den beiden auch nichts Anderes erwartet, wäre.

Doch auch die Augen der hübschen Israeli wurden immer kleiner, die Pose, in der sie saß, machte deutlich, dass sie mehr als nur müde war und vermutlich würde ihr Kopf auf den Tisch knallen, wenn man den Arm, der eben jenen Kopf stützte, wegziehen würde.
Und Gibbs?
Vermutlich war er in einer Art „Arbeitstrance“ oder so, denn er schien noch der Frischeste der kompletten Kompanie zu sein. Und Daniel selbst? Seine Augen brannten, er sah bunte Punkte und wenn er blinzelte, blieben die Augen gleich mal zu, sein Kopf schmerzte und der Nacken beschwerte sich auch. Warum musste die Nachricht auch so furchtbar lang sein?
Hätte Cal nicht einfach sagen können „Ich bin auf Rügen, es is arsch kalt hier, holt mich sofort rauf“ oder „Ich bin kein Star, aber holt mich dennoch hier raus!“?
Es war ja nicht so, als habe er keine Geduld. Er war Archäologe, von denen verlangte das Stereotyp, dass sie sich mit Übersetzungen die Nächte um die Ohren schlugen. Das sagte ja schon der Volksmund. Er hielt dem gerne den großen Philosophen „Mister Spuck“ entgegen: „Der Volksmund soll sein blödes Maul halten.“

Ziva wusste nicht genau, wann sie aufgehört hatte, auf die Uhr zu blicken, sie wusste nicht genau, wann auch Gibbs die Waffen gestreckt und eingeschlafen war und sie wusste sicherlich nicht, wann sie selbst den Kopf auf den Tisch gelegt und sich geschworen hatte „Nur fünf Minuten.“
Sie wusste nur, dass das Sonnenlicht durch die langen Haare fiel, die ihre Frisur darstellten und das diese fünf Minuten, die sie sich an Entspannung gönnen wollte, irgendwie zu vier Stunden geworden waren.
Ihr Blick fiel auf die Klopf-Kombination, die sie sich aufgeschrieben hatte und sie blinzelte.

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Kurz Lang Kurz Kurz Lang lang lang Lang kurz Lang lang kurz kurz kurz Lang  kurz kurz lang Lang Kurz kurz  Kurz

Das kam ihr bekannt vor – irgendwo hatte sie es schon einmal gehört.
Sie überflog die Punkte und Striche, die sie gemacht hatte, fand Tatsächlich ein S (drei Mal Kurz), ein O (Drei Mal Lang) und noch ein S (Drei Mal kurz) aber nicht in der richtigen Reihenfolge – ein SOS schloss also aus.

Schnell schloss sie andere Kombinationen aus und kam schließlich auf
Zitat
Kurz Lang Kurz Kurz  - Lang lang lang -  Lang kurz -  Lang lang kurz -  kurz kurz -  Lang  - kurz kurz lang -  Lang Kurz kurz - Kurz
Kurz schloss sie die Augen, erinnerte sich an ihre Mossad-Ausbildung, in der auch Morsezeichen das Thema war und während sie ihren Kurs erneut durchging, schrieb sie, mit geschlossenen Augen erste Buchstaben auf den auf ihrem Schoß liegenden Zettel.

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Kurz Lang Kurz Kurz  - O -  Lang kurz -  G -  kurz kurz -  T  - kurz kurz lang -  Lang Kurz kurz - E

Die Augen öffnend blickte sie auf die schon eingetragenen vier Buchstaben, stand auf, nahm den Zettel mit sich und ging in den NCIS-eigenen Starbucks, um sich einen Kaffee zu gönnen.

Sie genoss es, am Fenster zu sitzen, und auf den Hafen zu blicken. Der Navy-Yard erwachte gerade zu morgendlichem Leben und es war, als würde ein schlafender Riese zu sich kommen. Erneut betrachtete sie den Zettel, trug noch zwei Buchstaben ein – und zwar ein L (das vor dem O seinen Platz fand), und ein I, das hinter dem G platziert wurde.
LO (Keine Ahnung)GIT(keine Ahnung, keine Ahnung) E.
Dann stockte sie. Moment mal – konnte das sein? War das möglich?
Wenn das Lang, kurz nach dem O und vor dem G ein N war, hatte man schon einmal das Wort „Long“, dem ein IT(frei frei)E folgte. Erneut meldete sich ihr gelerntes wissen – dieses mal weniger das des Mossad, sondern mehr das, des Navy-CIS. Das Wort, das hier zu suchen war, hieß „Longitude“.
Sie ließ ihre Hand auf den Tisch sausen – was eine Starbucks-Bedienung, einen jungen Mann namens Peter, zusammenzucken ließ.
„Sind… Sind sie mit dem Kaffee nicht zufrieden?“, fragte er und Ziva hob den Kopf: „Bitte? Nein – alles in Ordnung. Ich habe nur gerade ein Rätsel gelöst.“
Damit griff sie sich ihren Kaffee und eilte zurück zum Besprechungsraum, wo die Truppe ihr Nachtlager aufgeschlagen hatte.

Ziva schossen Gedankenfetzen durch den Kopf.
Longitude – nördliche Länge… es würde sie nicht wundern, wenn die anderen Klopfzeichen „eastern Latitude“ bedeuten sollten – also östliche Breite . Cal sandte ihnen Koordinaten. Koordinaten, an denen die DRAGONFLY zu finden war? Koordinaten, an denen weitere Hinweise warteten?
Sie wusste es nicht, sie hatte nur das Gefühl, dass es ganz wichtig war, dass sie sich beeilte.

TBC 


 

Kapitel 7.5 

Inzwischen saßen sie wieder im Bullpen des NCIS und lauschten angestrengt den Tönen, die aus dem PADD kamen.
Die Klopfgeräusche klangen immer noch nicht sonderlich verständlich, aber nach Zivas erhellender Erkenntnis, dass eines der Worte „Longitude“, also „nördliche Länge“ bedeutete, waren sie einen erheblichen Schritt weiter.
Daniel hatte sich die Klopftöne auf einen MP3-Player geladen und saß nun, die Augen geschlossen, eine Hand auf dem Ohr, in dem der Kopfhörer steckte und notierte die noch nicht „übersetzten“ Morsezeichen. Dann überreichte er den Zettel an Gibbs, der sich räusperte.
„Dank der freundlichen Unterstützung Doktor Jacksons und dem Geistesblitz, den Ziva hatte, konnten wir die Morsezeichen in 10 Gruppen unterteilen. Da einige Gruppen nur sehr kurz sind, andere sehr lang, werden wir je zwei Gruppen zur Übersetzung übernehmen. Ziva, Du übernimmst Gruppe 5 und 6. Da die sechste Gruppe das Wort „Longitude“ ist, hilfst Du bitte den Anderen, wenn sie nicht weiterkommen sollten. Ich tue dasselbe.“
Damit stand er auf und ging zu seinem Schreibtisch, nahm sich 5 Blätter und verteilte vier von ihnen an die anwesenden Agenten und Daniel.

„Gut“, sagte er, blickte in die Runde und schaute Tony an: „Du übernimmst Gruppe 1 und 2. Schreib bitte mit. Gruppe 1 – Gesuchter Buchstabe 1: Kurz, kurz, lang, lang, lang.  Gruppe 1 – Gesuchter Buchstabe 2: fünf mal kurz.“
Tony tat, wie ihm geheißen, blickte auf die Mitschrift und räusperte sich: „Sind das wirklich Buchstaben?“
„Ich weiß es nicht, sag du es mir, DiNozzo.“, kam die Antwort von Gibbs, ehe er ihn anblickte: „Schreib weiter: Gruppe 2 Buchstabe 1: Lang, kurz, kurz. Buchstabe 2: Kurz
Buchstabe 3: lang, lang, kurz. Buchstabe 4: Kurz, lang, kurz, Buchstabe 5: Kurz, Buchstabe 6: Kurz. Buchstabe 7: Kurz, Kurz, Kurz.“
Als er fertig war, die Punkte und Striche aufzuschreiben, blickte der Halbitaliener Gibbs an: „Der letzte Buchstabe ist schon einmal ein S.“
Gibbs blickte ihn kurz an und Tony konnte so etwas wie ein Lob in den Augen seines väterlichen Freundes aufleuchten sehen. 

Die Übersetzung war ein sehr langwieriger und mühsamer Prozess – wie gut, dass ihre Hauptaufgabe, nämlich die Verwüstung des ehemaligen Grundstücks der Familie Stone nicht mehr erledigt werden musste. So konnte man sich auf diesen Roman in Morsezeichen konzentrieren. Und je mehr sie arbeiteten, destomehr merkten sie, dass sie wirklich jede Unze an Konzentration benötigten. Als sie endlich die letzten Klopftöne knacken mussten, war die Sonne schon wieder im Begriff, unterzugehen. Dafür war die Aufgabe fast gelöst.
Gut, es fehlten hier und da noch ein paar Buchstaben, aber der Text war verständlich genug, damit die berühmte Frage „Was wollte der Autor uns damit sagen“ beantwortet werden konnte.

Die von Tony mit der Frage „Sind das wirklich Buchstaben“ bedachten beiden Zeichen der ersten Tongruppe waren nämlich tatsächlich keine Buchstaben, sondern Zahlen. Eine Zwei und eine Fünf um genau zu sein. Die zweite tonale Gruppe war allerdings tatsächlich ein Wort und zwar das schöne englische Wort „Degrees“ – also „Grad“.Zusammen mit dem Wort „Longitude“ lagen den Suchenden schon einmal genug Koordinaten vor, um eine Länge zu bestimmen.
In einem Jointventure von Ziva und McGee war es letzterem gelungen, die 10 kurzen Töne, die eigentlich eine Gruppe aus zwei mal fünf kurzen Tönen war als 55 zu übersetzen und erneut konnte das Wort „Degrees“ als Folgewort bestimmt werden, sodass die Koordinaten der DRAGONFLY als
Zitat
25° X Minuten N , 55° 3′ O
eingetragen werden konnten.
Dies genügte McGee, um in seine Wunderkiste zu hacken und nach ein paar Sekunden des Suchens hatte man eine ungefähre Ortung. Wenn das alles stimmte, befand sich die DRAGONFLY irgendwo im Wüstensand in der Nähe von Dubai.

Ob sie den Captain dort finden würden?
Ziva hatte da irgendwie keine großartigen Zweifel, die Frage war mehr, ob sie den Offizier – sowie seine Crew – noch lebend vorfinden würden. Das wiederrum bezweifelte die hübsche Mossad-Offizierin, denn ein Blick auf das Padd verriet ihr das Alter der Nachricht. Nicht genau auf Jahr, Tag und Stunde, aber in einem ungefähren Rahmen. Das PADD war alt. Richtig alt – sie schätzte es auf ungefähr 5 bis 6000 Jahre. Daher war die Frage, ob man den Captain und seine Freunde noch lebendig vorfinden würde, mehr oder weniger akademisch, es sei denn, sie hätten sich des Tricks bedient, den Scotty in der TNG-Folge „Besuch von der alten ENTERPRISE“ angewandt hatte. Hier war der alte Chefingenieur von Kirks ENTERPRISE auf Picards ENTERPRISE aufgetaucht, da er sich bei einer Bruchlandung der USS Jenolen in eine Transporterdiagnoseschleife gerettet hatte. Der „Besuch von der alten ENTERPRISE“ hatte in den USA im Jahr 1992 Prämiere gefeiert und sie selbst hatte die Episode knappe 15 Jahre später gesehen, als sie 2007 zusammen mit Tony auf der Couch gesessen und in Gedenken an Paula Cassidy zusammen getrunken hatten. Der Halbitaliener war eingeschlafen, sie selbst war noch wach genug, um sich über das amerikanische Fernsehprogramm zu amüsieren und als sie sich über die Leute, die sich bei Jerry Springer zum Viertel-, Halb- oder Vollprimaten machten genug aufgeregt hatte, hatte sie weitergezappt und war in einer Nachtwiederholung eben besagter Folge steckengeblieben.

„U.S.S. ENTERPRISE – no bloody A, B, C or D“, hatte der Mann mit dem deutlich schottischen Akzent schwerzüngig gelallt und war dann in das Holodeck eingetreten, um einen Blick auf das zu erhaschen, was Jahre lang sein Leben gewesen war. Vielleicht war es der Alkohol, der durch ihr Blut rauschte, aber sie konnte es dem Mann nachempfinden. Bis der Auftrag gekommen war, in die USA zu reisen, war ihr Leben zwar nicht wirklich einfach, aber einfacher gewesen. Sie konnte ja zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, was das Leben noch so für sie bereit hielt.

Für sie war es eigentlich nur logisch anzunehmen, dass Captain Cat und seine Crew tot waren. Dieser Gedanke lies ihr Herz gleich viel schneller schlagen und die hübsche Frau merkte erst, was los war, als Tony sie an der Hand fasste und sie anblickte.
„Was ist los mit dir?“, fragte er und seine Stimme klang besorgt. Verblüfft blickte die ehemalige Mossad-Agentin ihn an. „Bitte?“, fragte sie und versuchte, zu lächeln – wusste aber aus ihrem tiefsten, innersten Herzen, dass dieses Lächeln eher eine Karrikatur, als alles andere war.
Tony blickte sie an, sah ihr tief in die Augen und sagte nur drei Wörter: „Du summst. Temptation.“
Und dann war es mit einem Schlag wieder da.
Die Bombenexplosion, die ihren Körper in den Backstage-Bereich schleuderte – das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren, die Schmerzen, die Bombe und Trümmer, die schrapnellartig ihren atemberaubenden Körper trafen, dieser Moment der Halbbewusstlosigkeit, in der sie noch einiges an Worten mitbekam, die im Raum gesprochen wurden. Worte wie „River“ – oder einfache Anweisungen, schmerzhaft hervorgepresst von einer Stimme, die ihr bekannt vorkam: „Schwing deinen Hintern zur nächsten Telefonzelle und ruf die Polizei und den Krankenwagen. Eine lebt noch.“

Ziva David wusste, dass sie damit gemeint war. Die Bombenexplosion hatte ihre Ohren zwar klingeln lassen, aber sie verstand diese Worte immer noch gut genug.
Wie hatte dieser Mann die Explosion überlebt? Und war er nicht vorher noch jemand anders gewesen?
Was der Mann als nächstes sagte, bekam sie nicht mehr mit, denn sie die drohende Ohnmacht.. Doch bevor sie versank, sah sie den Mann in eine blaue Polizeinotrufzelle steigen. Und während ihr Bewusstsein schwand, tat es auch die blaue Kiste. Eine „Police Box“?



„Tardis!“, keuchte Ziva, riss den Kopf hoch und schaute Tony entsetzt an, dessen Blick nicht gerade wenig Überraschung verriet und der dieser mit einem einfachen „Eh, bitte?“ Ausdruck verlieh. Die Gedanken der Agentin rasten. Sie hatte in den letzten Wochen einiges an nur sehr schwerverdaulichen Sachen schlucken müssen, hatte einige Informationen, die sie am Liebsten nie erhalten hätte, erfahren und mit Sternenflottenoffizieren und einem Crack-Elite-Team, das in der Gegenwart gegen einige böse Aliens operiert und mit guten Ausserirdischen paktiert und taktiert gegen einen formwandelnden Psychopathen gekämpft. Der Fakt, dass sie anscheinend eine Begegnung mit dem Doktor hatte, war nun etwas, das sie nicht mehr schocken konnte. Vielmehr stellte sich die Frage, warum er sie nicht als Companion hatte haben wollen. Schließlich war sie tough, clever, witzig – was konnte man an ihr nicht mögen?

Gut, das werden dem Autoren vermutlich einige Kate-Fans beantworten können, aber das kann man ihr nicht vorhalten – nur den Autoren der Szene, in der Kate gestorben ist.
Von diesen Überlegungen wusste Ziva David allerdings nichts – schließlich ist sie, wie Ephraim Kishon sagen würde, im Fernseher und nicht auf dem Fauteuil, auf dem der Betrachter sitzt und eventuell im Feuilleton liest, während er darauf wartet, dass der Privatsender, auf dessen Wellen die Abenteuer Zivas und des Restes des Teams laufen, den Werbeblock beendet hat, der den Aufmerksamen darüber informieren würde, wie weich die Wäsche wäre, die mit Olympia gewaschen wurde, dem Weichmacher der Götter.

Zurück zum Thema.
Der Halbitaliener – der übrigens auch nicht auf dem „Faulteil“ sitzt, wie Denny, der Wilde, es in „Die Zwei“ immer nannte – war ob der hastig-hervorgestoßenen Äußerung seiner Freundin ein wenig verblüfft. Dabei hatte alles nett angefangen. Sie hatten herausbekommen, was der Captain mit seiner Klopf-Morse-Zeichen-Nummer hatte sagen wollen, sie hatten die Daten in den Computer eingegeben und der hatte ihnen den Weg nach Dubai gewiesen. Bis dahin – alles kein Problem.
Dann begann jedoch Ziva, starr auf den Monitor zu blicken und ihn sanft, beinahe zärtlich zu berühren und darüber hinaus in ihrer angenehm-sanft-kehligen Stimme eine bekannte Melodie zu summen, die Tony inzwischen sehr deutlich war. Und als er sie darauf hinwies, antwortete sie mit Tardis?
Merkwürdig, mehr als merkwürdig.
Aber – was konnte man machen? Ziva würde ihm schon sagen, was sie hatte, wenn sie es ihm sagen wollte.

„Wir sollten schnell mit einem Hubschrauber hinfliegen.“, sagte Ziva plötzlich und wandte sich an Gibbs, „Ich meine, selbst wenn Cal und seine Leute inzwischen tot sind, vielleicht haben sie Familien, die ein Geheimnis mit sich herumtragen und sich irgendwem anvertrauen möchten?“
Die Mossad-Instinkte erwachten in ihr zum Leben, sie musste einfach wissen, was da los war. Schließlich hatte sie das Gefühl gehabt, Cal und Agatha in der Bar gesehen zu haben, kurz bevor sie ihnen um die Ohren geflogen war. Und was dann passiert war, würde sie auch interessieren. Und natürlich auch, was nun war, wenn Cal und seine Mannen tatsächlich tot waren. Wenn dies zutraf, wer waren die Beiden, die sie in der Bar gesehen hatte?
Sie hatte einiges an Sci-Fi-Serien gesehen und sie wusste eine Sache verdammt genau: Eine Zeitreise kann ziemlich knifflig sein, besonders dann, wenn Ereignisse verändert werden. Was geschah dann? War dies ein Schmetterlings-Effekt und bedeutete dies, dass sich im Zuge dieser einen Veränderung alles veränderte? Und wenn dem so war, was war mit ihr? Sie erinnerte sich an die beiden Look-alikes in der Bar. War sie ein Paradoxon?

Die Nachricht, die McGees Stimme mitteilte, war so ziemlich alles, nur kein rettender Anker.
„Wir können dort nicht hinfliegen.“, sagte er.
Gibbs runzelte die Stirn: „Wieso nicht? Das ist doch Dubai.“
„Korrekt.“, erklärte der Computerfachmann, ehe er die Daten auf den großen Bildschirm legte, „Aber die Koordinaten … sie sind schwer zu erreichen.“
„ist das…“, setzte Daniel an und Ziva nickte.
„Wasser“, sagte sie tonlos.
Der Pfeil der Suchmaschine zeigte genau ins Meer.

Wird mit Kapitel 8.1 fortgesetzt.   

CaptainCalvinCat

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Kapitel 8 A whole new world
Kapitel 8.1.  



Calvin Nathan Cat sah sich im Haus um. Es gibt ja diesen bekannten Spruch „Wenn Steine reden könnten“ – nun, täten sie es in dieser Unterkunft, sie hätten tatsächlich einiges zu erzählen. Doch leider waren sie nicht unbedingt in Redestimmung und Auskunftsfreude war von den steinigen Gesellen auch keine zu erwarten. Wenngleich er eines feststellte: Wenn der Begriff „Steinerne Miene“ auf irgendjemanden zutraf, dann auf potentiell-redende Steine.
Das plötzlich, aus dem Nichts auftauchende Geräusch kam ihm bekannt vor. Er konnte es nicht wirklich benennen – es klang nach einer Mischung aus Trommelschlag und Keuchen, wurde immer und immer wieder wiederholt. Dieser Klang war dem Captain schon oft an die Ohren gedrungen – oft genug, um es als Herold einer Ankunft zu erkennen. Und tatsächlich, ein paar Meter von ihm entfernt begann etwas zu schimmern. Erst langsam konnte man tatsächliche Konturen erkennen – Konturen die sehr vertraut schienen, vielleicht deswegen, weil Cal sie oft genug gesehen hatte. Der Gegenstand pulste – pulsierte – von irgendwoher direkt in das Wohnzimmer des Hauses, in dem sich der Captain befand und plötzlich war es da. Komplett. Das Pulsen hatte aufgehört, das Geräusch war verschwunden und der Gegenstand war komplett materialisiert. Die Augen des Captains fuhren das Ding entlang, als wollen sie es vermessen, sie registrierten die kleine Plakette an der Tür, die blaue Farbe und schließlich das Schild, das diesen Gegenstand als „Police Box“ auswies.
In seinem Gehirn stellte er eine Verbindung her.
„T.A.R.D.I.S.“, hörte er die Stimme eines Mannes mit deutlich schottischem Akzent sagen, „Das bedeutet ‚Time and relative dimensions in space!“
Ja, genau.
Die Tardis materialisiert – das berühmte Gefährt des Doktors.


Die Erinnerung, wann sie das erste Mal gemeinsam ein Holodeckprogramm dieser Kategorie hatten laufen lassen, entzog sich Cal komplett, aber er erinnerte sich daran, was der Grund gewesen war. Die Vorstellung, mit Agatha zusammen ein Abenteuer zu erleben, bei dem er sich so anstellen konnte, wie er wollte, ohne danach die Krankenstation aufsuchen zu müssen, war nun etwas, das ihm sehr zusagte. Hier konnte er sich heldenhaft vor seine XO werfen, ihren atemberaubenden Körper mit seinem schützen – er würde dabei allerdings weniger auf die Idee kommen, seinem eigenen Körper das Attribut „Atemberaubend“ zu verleihen – konnte in Schlägereien geraten, ohne sich ernsthaft darüber sorgen zu müssen, dass man ihn über den Haufen schießen könnte – kurzum, für einen Hobbyhelden, wie Cal, war das Holodeck nun wirklich eine Lokalität, die ihm gefiel.
Eine gewisse Enttäuschung lag auf den Zügen des Kommandanten, als sie ihm erzählte, welche Rolle er dabei spielen sollte. Die Entität des „Doktors“, also des Mannes, von dem er anfangs dachte, dass er auf den Nachnamen „Who“ hörte, war ihm nicht sonderlich geläufig, was ihm von Agatha die Frage „Was bist Du eigentlich für ein Brite?“ eintrug. Zugegeben, obwohl der Doktor eine britische Nationalikone war, wagte es der Kommandant, leise Bedenken anzumelden, ob es nicht ein unerträgliches Stereotyp sei, zu behaupten, dass nun wirklich jeder Brite die Serie „Doctor Who“ kennen würde. Zumal sie nach Ende der Fernsehserie im Jahr 2283 mehr und mehr aus dem kulturellen Bewusstsein der Welt zu schwinden schien. Und doch konnte sich der Captain nicht helfen, er fragte sich, ob ein Großteil der Briten den Doktor tatsächlich kannten.

Als Agatha ihm dann erklärte, welche Rolle sie spielen würde – River Song, die Frau des Doktors – da war der Captain doch deutlich mehr geneigt, mit ihr gemeinsam dieses Abenteuer zu wagen. Wenngleich er sich an diesem Tag ein wenig überrumpelt vorkam, als Agatha ihm für den Start dieses Programmes erklärte, das sie keine wirklichen Partizipanten waren, sondern nur Zuschauer.


Die Tür der TARDIS öffnete sich und ein Mann taumelte heraus, stolperte über seine eigenen Füße und blieb liegen, ehe er sich aufrappelte. Der Gegenstand in seiner linken Hand, ein ungefähr stiftsgroßes Ding, dessen vorderes Ende eine Art Diodenkopf aufweis, das von einer Art „Kralle“ festgehalten wurde, pulsierte blau, dann rot, dann grün, ehe die „Kralle“ mit einem leisen „Klack“ aufklappte und die Diode freigab, die zwei Zentimeter vorschnellte.
Agatha und Cal sahen einander an, betrachteten das Ding und nickten, wie Weinkenner, wissend, was das war. Der Sonic Screwdriver. Die Person, die gerade die TARDIS verlassen hatte, war der Doktor.

Die Umgebung, in die der Doktor geplumpst war, war sehr dunkel – vermutlich hatten Programmierer und Regisseur der Folge, die sie gerade ansahen –„Death of a Doctor“ – bewusst diese Beleuchtung gewählt, um eine dunkle, unheimliche Stimmung zu erzeugen. Hätte man Cals Blutdruck und seine Herzfrequenz in diesem Moment untersucht, hätte man festgestellt, dass die Beleuchtung den geplanten Effekt durchaus unterstützte.

Der Captain blickte sich um. Hatte in diesem Haus keiner Ohren? Hatte es niemand gemerkt, dass die TARDIS in ihr Wohnzimmer gepulst war? Oder war es ihnen egal? Das konnte ja durchaus auch sein – vielleicht sagten sich manche Hausbewohner: „Ob nun ein Alien, das seine Jahrtausende auf dem Buckel hat, in unsere Wohnung stolpert, ein Polizist, der aus den 2000ern in die 70er versetzt wurde oder ein einfacher Einbrecher – das kommt aufs Gleiche raus – wir rufen eh John Steed an und der nimmt sie sich dann vor – mit Schirm, Charme und Melone.“

Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen richtete sich der Mann, der nur als Doktor bekannt war, auf und wankte, schweren Schrittes zur Treppe, gegen die er sich lehnte und seine Pein herausschrie. Dies zeitigte Wirkung, denn binnen Sekundenbruchteilen war das Treppenhaus hell erleuchtet, als eine weibliche Stimme rief: „Wer ist da?“
In dem Moment, in dem diese Frage gestellt war, klappte der Mann zusammen, was mal wieder ein Beispiel dafür ist, wie zwei Sachen aufeinander folgen können, ohne etwas miteinander zu tun zu haben. Cal und Agatha warfen einander einen Blick zu, betraten dann ebenfalls das Treppenhaus und sahen, wie aus dem ersten Stock, dort, wo der Kommandant das Schlafzimmer vermutete, der Rotschopf herausgeeilt kam, den er als Amelia „Amy“ Pond kannte.
„Ah“, machte der Captain und schaute seine XO an, „Wir sind also in einer der letzteren Regenerationen. Doc Nummer 11, ja? Gespielt von Matt Smith?“
Agatha zwinkerte ihm zu, lächelte und sagte: „Lass dich überraschen, Liebling.“
Amy ging neben dem Doktor in die Knie, schüttelte ihn und flüsterte ein „Nun los, ‚zerlumpter Mann’, lass mich hier nicht hängen.“
„Sie ist ne tolle Schauspielerin, die gute Karen Gillian.“, stellte Cal fest, trat auf das dreidimensionale Abbild zu, ging neben ihr in die Knie und warf dann einen Blick auf den gefallenen Doktor, als das Geräusch nahender Schritte, seine Aufmerksamkeit erregte. Sein Kopf ruckte hoch – wovon seine Nackenmuskeln nicht unbedingt angetan waren und das Ausbrechen in Begeisterungsstürme ausblieb. Stattdessen machten ihm kurze Schmerzexplosionen deutlich, dass diese Handlung mehr als töricht war. Das leise „Au“ konnte er nicht verhindern, verstummte dann aber, als er sah, wer da die Treppe herunterkam.
„Ja, dat is doch wohl…“, grinste der Kommandant, sprang auf und strahlte seine XO an: „Rory ist wieder da. Ich hatte schon befürchtet, dass die Scheidung der Beiden tatsächlich Bestand hätte.“
Agatha trat ihn zu, legte ihm sanft einen Finger auf die Lippen und flüsterte ein „Shhh, Spoilers.“, ehe sie ihre Aufmerksamkeit dem die Treppe heruntereilenden Rory Williams – oder Pond – schenkte, der stehenblieb, Amy anschaute und verblüfft zum Doktor blickte.
„Ist das…“
„Wer soll es sonst sein, du großer Dummkopf?“, fragte sie, wobei sie die Worte „großer Dumkopf“ nicht mit Verachtung, sondern mit Liebe sprach – wie eigentlich immer, wenn Rory etwas tat, das für sie nicht unbedingt clever wirkte, aber sie wusste, dass er ein gutes Herz und ein gutes Selbst hatte. Sie blickte ihn an: „Jetzt hilf mir, ihn auf die Couch zu legen.“
Das Wechselbad der Gefühle, das Rory gerade erlebte, konnte man dem Mann durchaus ansehen, denn sein Mimenspiel zeigte eine Mischung aus kurzzeitig aufblitzender Eifersucht (vermutlich inklusive des Gedankens: „Um mich würde sie sich nie so kümmern“), Angst um den Doktor und der geistigen Feststellung „Toll, es geht wieder von vorne los.“.
Dennoch nahm er die Füße des Mannes, nickte Amy zu, die die Schultern griff und mit gemeinsamen Kräften hoben sie den Zeitreisenden an, um ihn auf die Couch zu verfrachten. Dort blieb er liegen.
„Er sieht anders aus, oder?“, fragte Rory, was Cal dazu brachte, sich zu Agatha umzudrehen: „Ich denke, wir gucken eine Episode mit Matt Smith?!“
Mit den Schultern zuckend, blickte die hübsche, rothaarige XO ihn an und sagte: „Ich hab gesagt, lass dich überraschen.“
„Doll.“, kommentierte der Captain, ehe er sich zur Couch begab und den neuen Schauspieler betrachtete, der den Doktor spielte – doch er zuckte zurück, als der Mann sich plötzlich aufrichtete, einen qualvollen Schrei ausstieß und dann wieder auf die Couch sank.
Überrascht blickte Cal Rory, Amy und zuletzt Agatha an: „Wat war datten?“
„Regenerationskomplikationen, und nun halt die Klappe.“, sagte Amy, was Cal dazu brachte, sie verblüfft anzusehen: „Hä? Kannst Du mich hören?“
Die rothaarige Doctors-Companion blickte auf den leblosen Körper ihres väterlichen Freundes, seufzte tief und wandte sich dann an Cal, ihn explizit ansehend: „Was denkst Du, Captain?“
Der angesprochene Offizier schluckte: „W… was war das gerade?“
„Ich habe dich gefragt, was Du denkst, Cal. Denkst Du tatsächlich, ich merke es nicht, wenn jemand direkt neben mir in die Hocke geht und sagt, dass ich schauspielern könne? Denkst Du echt, ich bekomme es nicht mit, dass du dich an Rory vorbeischlängelst, um einen Blick auf den Doktor zu werfen? Und glaubst Du wirklich, ich würde nicht mitbekommen, dass da hinten eine hübsche Rothaarige steht?“
Damit schaute sie zu Agatha, nickte ihr zu und wandte sich wieder an Cal: „Ich habe auch keine Zeit für 20 Fragen, ich will nur eines wissen. Was wollt ihr hier?“
Amy war während ihrer Antwort sehr leise geworden, hatte das „Was wollt ihr hier?“ beinahe gezischt und es hätte eigentlich nur gefehlt, dass sie dem Captain den Finger gegen die Brust gerammt hätte.
Der Kommandant der DRAGONFLY schluckte erneut, blickte hilflos zu Amy herüber und zuckte dann mit den Schultern: „Ich nehme nicht an, dass ihr glaubt, dass dies alles nur ein Holodeckprogramm ist? Also Ihr seid die Traumgestalten, wir sind real?“
„Oh, natürlich glaube ich das.“, sagte Amy, die Stimme vor Sarkasmus triefend, „Ich glaube jedem Fremden, der in mein Haus einbricht und mich dabei beobachtet, wie ich einem guten Freund helfe – im Nachthemd!“
Agatha räusperte sich: „Du musst zugeben, Cal, sie hat einen guten Punkt.“
„Und ich“, meldete sich in diesem Moment eine Stimme, die tatsächlich immer noch den Matt-Smith-Duktus hatte, „habe eine gute Frage. Nein, eigentlich mehrere Fragen, aber wir fangen ganz langsam an.“
Damit richtete sich der Doktor auf, blickte sich um, tastete an seinem Körper entlang und grinste: „Wie komme ich hier her, was mache ich hier und noch viel wichtiger – wie sehe ich aus?“
„Fantastisch.“, grinste Amy.
„Joa, nicht schlecht.“, murmelte Rory.
„Ziemlich verpixelt“, stellte Cal fest, was ihm einen Stoß in die Seite von Amy und Agatha eintrug. Er wandte sich an die beiden Rothaarigen: „Was denn? Ist doch so.“
Damit wandte er sich an den Doktor: „Muss irgendein Darstellungsfehler sein – sehen Sie, Doc, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber ihre Augen sind deutlich zu erkennen, der Rest ist irgendwie sehr unscharf… und eben etwas pixelig. Aber das hat nichts mit der Story zu tun – ich wollte es ihnen nur sagen.“
„Wer sind Sie?“, fragte der Doctor und Cal grinste: „Nennen Sie mich ‚Den Captain’.“
„Captain… wer?“
Cal strahlte – zumindest solange bis Agatha sagte: „Nein, Schatz wir machen keinen Spin-off davon. Wir schreiben keine Fanfiction und wir drehen keinen Fanfilm.“
Das Grinsen tropfte förmlich von Cals Gesicht, als er seufzte und sich dann an den Doctor wandte: „Ist auch egal, wer wir sind. Nehmen Sie uns einfach nicht wahr. Wir sind gar nicht da, wir sind… weg.“
Damit traten die beiden Offiziere in den Hintergrund und betrachteten die Szenerie vor sich.
Amy blickte den Doktor an, der ihr eine Hand auf die Schulter legte und ein „Ich brauche deine Hilfe“ wisperte.
Cal und Agatha blickten einander an – sie konnten sich nun gar nicht an diese Folge erinnern und irgendwie schien auch der Titel nicht ganz passen zu wollen.
„Alles, Doktor. Wie kann ich helfen.“, sagte in diesem Moment die rothaarige Schottin und schaute ihren Mentor an, der den Sonic Screwdriver hob und ihn gegen ihre Hand presste.
„Es wird nicht wehtun“, sagte er, schloss noch ein „Hoffentlich“ an, ehe er den Knopf des Gerätes drückte. Die Hand leuchtete kurz grün auf, Amy stöhnte schmerzerfüllt und ließ sich dann gegen Rory sinken, der sie auffing und den Mann mit dem Screwdriver wütend anblickte: „Was haben Sie mit ihr gemacht, Doctor?“
„Oh, nichts Ernsthaftes, Rory. Sie hat nur einen kleinen Schock erlitten.“
Damit nahm er den Screwdriver, presste ihn gegen seine Hand und betätigte den Knopf. Auch er leuchtete grün auf, ehe goldenes Licht aus seiner Hand schimmerte und dann – als würde es von einem Magneten angezogen – in den Sonic Screwdriver floss.
Agatha stieß Cal aufgeregt in die Seite, was dieser zuerst mit einem „Hey“ kommentierte, dann verblüfft auf den leuchtenden Screwdriver blickte, dessen Kugeldiode nun in Regenbogenfarben schimmerte und dann einen konzentrierten Lichtstrahl in die TARDIS schoss.
Dann kollabierte der Doktor erneut, Amy rappelte sich auf, trat auf ihren gefallenen Kameraden zu, tastete nach seinem Puls und keuchte entsetzt auf.
„Er ist tot!“, brachte sie hervor und es sah so aus, als würde sie sich gleich übergeben müssen.
Rory nahm sie in den Arm, schloss sie ganz fest in eine Umarmung, ehe sich Amy losmachte, zu Cal blickte und auf ihn deutete „Das ist Deine Schuld!“
„Bitte?“, brachte der Kommandant der DRAGONFLY hervor, trat auf Amy zu und hob abwehrend die Hände: „Ich hab damit nix zu tun. Ich hab das Programm nich geschrieben, ich wollte es eigentlich nur schauen!“
Und woher hatte Amy auf einmal die Pistole?
Sie legte auf Cal an, feuerte und der Captain zuckte zusammen.
Verdammt, das tat weh !
Er wandte sich an Agatha, schrie ein „Die Sicherheitsprotokolle sind deaktiviert!“, ehe eine Kugel seinen Rücken traf und er schmerzerfüllt aufschrie. Doch der Schmerz, den der nächste Schuss brachte, war kein Körperlicher. Die Kugel, die nun aus Amys Waffe kam, raste nicht in den Captain, sondern durchschlug die Brust der XO. Mit weit aufgerissenen Augen fiel sie nach hinten, krachte gegen die Wand und rutschte mit blicklosen Augen an ihr herunter.
Der Captain warf sich herum, schrie ein wütendes „NEIIIN!“, als Amy ihn anblickte – doch der erlösende Schuss kam nicht. Stattdessen hielt sie inne und das Pixelmonster, das der Doctor war, richtete sich auf.
„Du bist schuld.“, sagte er, trat neben Amy und nahm ihr die Waffe ab, „Du hast mich in diese Bar gelockt.“
„Wovon sprechen Sie?“, fragte Cal und zuckte zusammen, als der Doctor die Waffe nachlud: „Ich bin ein neuer Mann. Mein altes ich hätte sich nie so gerächt… ich tus.“
Damit richtete er die Waffe auf Cals Kopf – zielte – und drückte ab.


Mit Kopfschmerzen ist das ein Problem – besonders, nachdem man einen sehr lebhaften Traum gehabt hatte. Irgendwie stellt sich die Frage, ob die Kopfschmerzen durch den Traum kommen oder die Kopfschmerzen diesen Traum ausgelöst haben.
Cals Kopf war kurz davor, zu platzen und als er die Augen öffnete, stellte er sich die Frage, ob er diese beiden seeeehr out-of-character-igen Szenen  des Doctors und Amys tatsächlich erlebt – oder doch nur geträumt – hatte.
Zugegeben, es wäre nicht das erste Mal, dass Amy auf jemanden geschossen hatte, um den Doktor zu beschützen. Cal erinnerte sich in diesem Zusammenhang daran, dass die hübsche, junge Rothaarige – in der Folge „Day of the moon“ -  im Jahr 1969 die Waffe von Canton Delaware genommen, auf einen herannahenden Astronauten gezielt und abgedrückt hatte, um den Doctor vor seinem Schicksal am Lake Silencio zu beschützen. Dort, bei einem Picknick im Jahr 2011 hatte der Doctor – in der Folge „The impossible astronaut“ -  nämlich sein Ende durch die Hand eben jenes Astronauten gefunden. Wobei sich auch hier sehr viel später herausstellte, dass …
Das Geräusch von Schwertern, die gegeneinander geschlagen wurden, verstärkten die Kopfschmerzen des Captains, er stöhnte laut auf und öffnete die Augenlider. Agathas hübsches Gesicht kam in sein Blickfeld, lächelte ihn mitleidig an und küsste ihn auf die Stirn. Cal erhob sich, blickte sich um und merkte, wie sich alles drehte.
Sein Körper tat einfach etwas, ohne, dass er sein tatsächliches, gedankliches Einverständnis dafür gab – er stand auf, schlurfte ans offene Fenster und warf einen Blick auf den Hof des Palastes, in dem gerade Razul und seine Mannen mit Schwertern trainierten, natürlich unter lautstarken Befehlen des großen Kerls.
„RÜCKZUG!“, bellte er nun.
Die drei Palastwachen richteten ihre silbernen Schwerter auf drei Holzbohlen, die in den Boden versenkt waren und gingen, die Waffen auf die „Bedrohung“ gerichtet, rückwärts nach hinten. Ein Sonnenstrahl, von einem der Schwerter reflektiert, fand seinen Weg ins Captainsgesicht und der Offizier gab einen schmerzerfüllten Stöhner von sich, ehe er ebenfalls den Rückzug antrat. 
Er spürte die beruhigende Wärme Agathas Nähe neben sich, griff nach ihrer Talie und bettete seinen Kopf auf ihrer Schulter.
„Ugh“, machte er, „Schatz, ich hab einen tierischen Kater.“
„Du ahnst gar nicht, wie recht Du hast.“
Die Ironie in Agathas Stimme ließ ihn kurz den Kopf heben und irgendwie bereute er es schon in diesem Moment, noch bevor die Kopfschmerzen gegen seine Sehnerven brandeten und Bildpunktexplosionen hervorriefen.
Und dann – nachdem er ein paar Nachbilder weggeblinzelt hatte – starrte er auf das, was sich ihm da langsam näherte.
„Ist das…“, brachte Cal mühsam hervor, ehe das Tier einen eleganten Satz hinlegte und Milimeter vor ihm landete.
Agatha grinste: „Das ist Rajah.“
Jasmins Schoßtiger stubste Cals Gesicht sanft an, legte den Kopf schief und schnurrte dann.
Der Kopf des Captains ruckte zu Agatha hoch: „Das heißt, ich hab das alles nicht geträumt?“
„Nein, wir sind tatsächlich in Agrabah.“
„Und haben Kontakt mit Prinzessin Jasmin und Aladdin aufgenommen?“
„Und Papyrus und Teti“, zählte Agatha auf, „Dem Sultan, dem Genie, Abu, Razul – du hast dich sogar mit Iago, Aladdins Papagei angelegt.“
„Das kann doch echt nich wahr sein.“, murmelte der Captain und bettete sein Gesicht in seine Hände.
TBC   

Kapitel 8.2   

Prinzessin Jasmin hatte sich um so ziemlich alles gekümmert. Ihre Gäste waren untergebracht, wurden sanft gebettet und bewacht. Im Falle des Prinzen Doktor und der Prinzessin River Agatha Silverbird Song hatte sie ihren Schoßtiger Rajah dazu abkommandiert, die Tür zu bewachen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass diese beiden Besucher Ärger bedeuten würden. Und zwar Ärger von der Sorte, der allumfassend, aber nicht beabsichtigt war.

Nun schloss sie kurz die Augen, seufzte und lehnte sich auf ihrem großen Divan zurück. Ihr langes, schwarzes, schweres Haar folgte ihr und fiel wieder in Position. Das musste sie einem der Hoflaboranten lassen – sie wusste nicht, welche Mittel der Mann verwendet hatte, um diese rätselhafte Rezeptur herzustellen, aber sie wusste, dass sie eine gute Arbeit taten. Ihr Haar glänzte, war nicht strähnig, es war, als wäre sie gezeichnet. Und das alles mit Hilfe der Kopfmassage, die ihr die indische Prinzessin seinerzeit beigebracht hatte und die sie Tscha-Puh oder so nannte. Momentan fühlte sich die Prinzessin einfach nur gut, es war, als könne sie nichts aus der Ruhe bringen…
Ein Gefühl, das keine fünf Sekunden später durch einen höllischen Krach gestört wurde.
„War ja irgendwie klar.“, murmelte sie, öffnete die Augen, richtete ihr Outfit und verließ ihr Gemach – nur um sofort wieder auf dem Rücken zu liegen, mit dem vollen Gewicht von Aladdin auf ihrem Körper.
Sie schaute ihn an, ließ kurz ihre Hände über seine Armmuskeln gleiten und stellte fest, dass die fast-täglichen Eskapaden, denen sie alle ausgesetzt waren, seinem Körper gut taten. Vielleicht würde ein Mann feststellen, dass auch ihr Körper von diesen Eskapaden profitierte – sie fühlte sich fitter, stärker und alles in allem besser.
„Aladdin?“, fragte sie mit sanfter Stimme, schaute in die zerknirscht-dreinblickenden braunen Augen des ehemaligen Straßendiebes, „Was war das?“
Ein peinlich-berührtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als der junge Mann lachte, aufstand und ihr half, sich in die stehende Position zu bringen. „Genie“, begann er, blickte kurz nach unten, ihr dann in die Augen, schüttelte den Kopf und streckte die Hände aus… nur um von dem dienstbaren Geist unterbrochen zu werden, der nun ein Schiedsrichteroutfit trug. Kurz blies er – ohrenbetäubend laut – in eine Trillerpfeife, schaute Aladdin und Jasmin an und schrie: „AUS! Der Ball ist im Aus! Der Affe hat den Einwurf!“
„Ball?“, fragte Jasmin und Aladdin schaute sie verlegen an: „Ja – wir… wir haben ein Spiel gespielt, das Genie erfunden hat. Er nennt es Fußball und – uns fehlen drei Mitspieler und…“
„Dann zieh ich mich mal eben um.“, grinste Jasmin und schaute zu dem „Schiedsrichter“: „Genie, wärest Du so nett?“
„Aber natürlich.“, sagte der Geist, richtete seinen massigen blauen Finger auf Jasmin und ließ sie in blauem Glanz erstrahlen.
„Herzlich Willkommen bei einer neuen Ausgabe von Shopping Queen.“, verkündete er dann, schnippte mit den Fingern und die magischen Energien umrundeten den kurvenreichen Körper der Prinzessin.
Der silberne Einteiler, den sie trug, wurde von Genie mit einem Kopfschütteln und einem „Nein, das Outfit geht ja gar nicht.“ Weggeschnippt, ebenso der Anzug, in dem sich Jasmin ein paar Sekunden später wiederfand. „Zu Men in Black.“, urteilte das magische Geschöpf, zauberte, schnippte, maß und einige Sekunden später war er sich sicher. Kurz erleuchtete ein magisches Feuerwerk ihren Körper, dann war anstelle ihres Outfits aus Oberteil und Pluderhosen ein enganliegendes Trikot und eine kurze Sporthose getreten.
„Sie kommt aus Agrabah, ihre Nummer ist die 1 und sie hat eine Tortrefferquote von 55. Prinzessin Jaaaaaaaaas-min!“, verkündete Genie, wobei er sich eines Duktus bediente, der seine Stimme tiefer, voller und dröhnender werden ließ und der einem Zuschauer aus Deutschland vermutlich allein schon deshalb bekannt vorgekommen wäre, weil er klang wie Michael Buffer, wenn er „Henryyyyyyyyyyyy Maaaaaaaaaaaaaaaaaskaaaaaaaaaaaaa“ ankündigte.
Und tatsächlich umschmeichelte das rote Spieleroutfit den Körper der Prinzessin so, als sei sie darin eingenäht worden. Jasmin sah an sich herunter, strahlte kichernd und fragte, mit einer ziemlich gut immitierten Klein-Mädchen-Stimme: „Darf ich mitspielen?“ was Aladdin zu einem geschluckten „Ja,… klar“ hinriss.
Dann blickte sich der junge Mann um und seufzte: „Aber uns fehlen noch zwei Mitspieler.“
„Eigentlich nur noch einer.“, erklang in diesem Moment die Stimme Prinzessin Thetis. Sie trat auf die „Spieler“ zu, lächelte Jasmin an und sagte: „Diese Kleidung steht dir.“
Keine zwei Sekunden später trug sie ein ähnliches Kostüm und wurde von Genie mit ähnlichen Worten angekündigt, wie Jasmin vorher.
„Da war es nur noch einer.“, sagte der ehemalige Flaschengeist, schaute sich um und zuckte mit den Schultern: „Aber es scheint keiner mehr Interesse haben zu wollen.“
Erneut begab er sich in die Maskerade eines Schiedsrichters, räusperte sich und fing an, zu sprechen: „Also, ick erklär euch ma, wie det Spiel läuft, wa.“
„Weißt Du, warum Genie immer den Berliner Akzent rauskehren muss?“, unterbrach den Geist in diesem Moment eine Stimme und das amüsierte „Keine Ahnung“ von Cal ließ ihn herumfahren.
Er schwebte auf den Sternenflottencaptain zu, legte den Kopf schief und fragte: „Kenne ich dich?“
Der Offizier zuckte mit den Schultern, nickte dann in Richtung Agatha und sagte: „Ich glaub, sie will auch mitspielen. Und mal unter uns, es wäre eine Schande für die Mannschaft von Prinzessin Jasmin, wenn sie Prinzessin Silver… ich meine Song, nicht nehmen würde.“
„Prinz Doktor, wollen Sie uns Gesellschaft leisten?“, fragte in diesem Moment Jasmin und Cal schaute sie an, ehe er mit den Schultern zuckte: „Nein, nein, ich bin kein guter Spieler. Da würdet ihr einen Gyrossieg eringen.“
„Bitte?“, fragte Jasmin und Agatha grinste ihr zu: „Er meint einen Pyrrhus-Sieg. Also ein Sieg, der mit so hohen Verlusten errungen wurde, dass er beinahe schon als Niederlage zu werten ist.“
„Ja, meine Taktik ist nicht sonderlich…“, setzte Cal an, stockte dann aber, als lautes, protestierendes Geschrei erklang.
Jasmin blickte in die Runde: „Habt ihr das auch gehört?“
„LASST MICH DURCH!!!“, erklang die Stimme erneut und Cal blickte die Prinzessin an: „Also ich schon.“
„IHR SOLLT MICH DURCHLASSEN!“
Aladdin und Agatha nickten und sagten beide, beinahe wie aus einem Munde: „Ich auch.“
Der Captain zuckte erneut mit den Schultern: „Da hat wohl einer ein Problem mit den Palastwachen. Vermutlich stehen sie da und sagen „Ey, kummst hier nit rein.“.“
Mehr brauchte Jasmin nicht zu hören. Sie war die Prinzessin und wenn jemand zu ihnen wollte, dann wollte jemand zu ihnen.
Sie wandte sich an Genie: „Ich muss wieder etwas vorzeigbarer sein. Kannst Du vielleicht…“
„Oh, natürlich.“, lächelte das Zauberwesen – erneut umhüllte magische Energie ihren Körper und das Trikot, sowie die Hose verwandelten sich in ihr Obeteil und die Pluderhose zurück.
In diesem Moment hörte man das Zuklappen eines Kiefers.
Agatha nahm den Finger von Cals Kinn weg und grinste: „Mund zu, Schatz, Herz wird kalt.“
„Hauptsache, Herz is gut.“, grinste der Kommandant der DRAGONFLY und sah, wie die Prinzessin, elegant wie immer, an ihm vorbei ging.
Dann wandte er sich an seine XO: „Interessiert uns das oder spielen wir Fußball?“
„Du willst ihr doch nur nachschauen, Cal, gibs zu.“, erschien nun ein Grinsen auf den vollen Lippen Agathas.

Die Bewachung des Palasteinganges mit „streng“ zu bezeichnen, wäre ungefähr genau so, als würde man den Ozean als „feucht“ titulieren. Razul und seine Mannen waren wie Kampfhunde auf mögliche Eindringlinge abgerichtet und es Unberufenen unmöglich machen, den Palast zu betreten. Und genau dieser Aufgabe kamen sie nach, als ein Mann auf die Palasttore zugerannt kam, dessen Kleidungsstil mit „zerrupft“ noch geschmeichelt umschrieben war. Die drei Wächter gaben ihm gar keine Chance, sich zu erklären, sprangen auf ihn zu und hatten ihn schon unter sich begraben, als er seinen Kopf unter dem Haufen Männer hervorstreckte und laut zu zetern begann.

Als ob Razul ihm das durchgehen lassen würde. Er, der bisher jeden Angriff auf den Palast abgewehrt hatte – naja, fast jeden. Er, der in der Gunst des Sultans so hoch stand, dass er den Posten des „Hauptmanns der Wache“ bekommen hatte. Er, der bisher noch mit jedem Angreifer fertig geworden war. Ausgerechnet er sollte sich von einem abgerissenen, zerrupften kleinen Wicht sagen lassen, was er zu tun und zu lassen habe? Er hatte schon damit Schwierigkeiten, dem Straßenköter einen gewissen Grundgehorsam entgegenzubringen – wobei er zugeben musste, dass er den jungen Mann nicht mehr ganz so übel fand, wie vorher. Sie würden nie wirklich gute Freunde sein, aber tief in seinem Herzen gab es eine Ecke – oder auch zwei – die Aladdin einen Grundrespekt zollten. Immerhin hatte er oft genug bewiesen, dass er nicht nur mit der Prinzessin verheiratet war, weil er auf ihre Reichtümer aus war. Was die Prinzessin jedoch bewogen hatte, den Straßenjungen zu ehelichen, das wusste er bis heute nicht. Zugegeben, er hatte schon die eine oder andere Heldentat vollbracht, er hatte Agrabah vor dem Zauberer Jaffar gerettet und alles in allem war er nett. Aber dennoch – sollte eine Prinzessin nicht auf ihren Stand in der Gesellschaft achten? Wo kam man denn da hin, wenn sich jetzt diejenigen, die niederen Standes waren, in Prinzessinnen verliebten? Verlieben – das war ja noch okay – aber auch gleich heiraten? Da konnte er sich auch gleich eine Prinzessin aussuchen und …
„Razul, lass ihn los.“
Die Stimme Jasmins riss ihn aus seinen Gedanken – mist, gerade jetzt, wo er sich vorgenommen hatte, selbst auf die Suche nach einer atemberaubenden Prinzssin zu gehen.
Der Hauptmann hob seinen Blick und schaute auf die Versammlung, die sich dort im Eingangsbereich postiert hatte. Da waren ja alle mit dabei. Die fremden Prinzessinnen, die gestern gekommen waren, hatten zusammen mit Jasmin Front gemacht, Position bezogen und den Hauptmann angeblickt. Verstärkt wurden sie dabei von ihren Männern, die sich ebenfalls zusammengerottet hatten und dem Mann finstere Blicke zu warfen.
„Prinzessinn…nen“, setzte der Hauptmann der Wachen an, „Dieser Mann wollte einfach eindringen und…“
„Lass ihn los, Razul.“, sagte Jasmin noch einmal, immer noch mit sanfter Stimme – aber man konnte deutlich hören, dass sie es nicht noch einmal so freundlich sagen würde.
Der Hauptmann nickte, erhob sich und gab den Blick auf den unter ihm liegenden Mann frei.
„Der ist ziemlich platt.“, stellte der Typ, den sie alle „Prinz Doktor“ nannten, lakonisch fest, trat auf den Gestoppten zu und ging neben ihm in die Hocke, um zwei Finger an den Hals des Verletzten zu legen.
Dann blickte er zu Jasmin, nickte und sagte: „Mhm, ich würde sagen, er lebt noch.“, ehe er fortfuhr..“Aber es ist faszinierend, wieviel er aushält. Ich meine er hier…“, er blickte zu Razul, „wiegt doch mindestens ne halbe Tonne. Da ist die Anzahl der Verletzungen, die unser neuer Gast hat, ja verschwindend gering.“
„Sag noch einmal, dass ich dick bin und Du bist der nächste, der geplättet wird.“, dachte sich Razul, besann sich aber eines besseren. Er würde garantiert nicht gegenüber eines Würdenträgers ausfallend werden.

Cal konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Das war doch einfach nur genial. Da hatten sich die drei Stooges der Palastwachen, Razul und seine beiden Handlanger, mit voller Wucht auf den Typen geworfen und das addierte Gewicht von Schmalhans Küchenchef, Razul und „Dicke Trumm“ hatte ihm nicht sonderlich geschadet. So langsam, aber sicher, fragte er sich, ob es nicht tatsächlich eine Art „Paralleluniversum“ war, in dem sie gelandet waren. Vielleicht eines, in dem die Physik von Cartoons existierte? Für ihn, Cal, wäre das natürlich ganz ausgezeichnet. Aber…
„Hilfe.“
Cal stockte. Hatte der Mann gerade gesprochen?
„Hilfe.“, erklang es aus dem Mund des Geplätteten und der Captain der Sternenflotte trat auf ihn zu: „Was ist los?“
Der Mann schlug die Augen auf, blickte ihn an und stieß einen entsetzten Schrei aus, der Cal dazu brachte, einen gefühlten Kilometer nach hinten zu springen und etwas zu tun, für das er sich im Nachhinein verfluchte. Er zog seine Waffe, zielte auf den Typen und schoss.

Das er dies getan hatte, bemerkte er erst, als Razul sein Schwert gezogen und gegen seine Kehle gehalten hatte. Das geschockte Aufkeuchens Jasmins, ließ den Captain herumfahren und den Phaser heben.
„Keine Sorge, keine Sorge.“, stieß er hastig hervor, „Er schläft nur. Ich – ich hab mich erschrocken und ihn mit diesem Ding hier schlafen geschickt.“
Und schon spürte er, wie er die Augen schloss, als aus seinem Inneren eine Idee hervorbrach wie der Unglaubliche Hulk aus dem armen Doktor David Bruce Banner.
„Agatha“, sagte er und schaute sie an, „Du erinnerst dich an unsere Beweisführung bei Zivalein?“
Die XO schloss nun ebenfalls die Augen, schüttelte den Kopf und blickte ihn dann an: „Du hast nicht ernsthaft wieder vor…“
„Sonst glaubt uns Darkwarrior hier doch nicht.“, sprach der Captain und nickte in Richtung Razul.
Jasmin blickte Agatha an und flüsterte ihr etwas zu. Der Sternenflottenoffizier merkte, wie die Idee immer mehr Formen annahm und auch wenn er keine Lust hatte, den Großteil der Geschichte wieder ohnmächtig zu sein, merkte er doch, dass ihm irgendwie die Argumente fehlten, das Ganze ohne seine Betäubung durchzuziehen.
„Razul, lass ihn los.“, sagte Jasmin und Cal sah, wie sie irgendetwas flüsterte. Vielleicht „Ich hab eindeutig den einfacheren Text, diesmal?“
Der Riese kam dem Befehl mit der zu erwartenden Widerwilligkeit nach, ließ das Schwert sinken und blickte Cal an. In seinen Augen funkelte Wut, doch die Haltung verriet, dass er zu etwas, was er sich selbst geschworen hatte, stehen würde. Der Captain nickte Razul zu, schaute zu Jasmin, verbeugte sich, wobei er mit dem Zeige- und dem Mittelfinger der rechten Hand seine Stirn berührte.
‚Und dabei bin ich nicht Jack Sparrow.’, schoss es ihm durch den Kopf, wenngleich er sich in diesem Moment fragte, wie der Pirat seine Dankbarkeit sonst ausdrückte. Das war doch eine ganz spezifische Bewegung.
Er kriegte es nicht hin. Egal.

Die Rechte, mit der er gerade eben noch seine Stirn berührt hatte, glitt zu der Waffe, umfasste sie und schleuderte sie zu seiner XO, die sie festhielt und nicht auf ihn richtete, sondern wegsteckte.
Verblüfft richtete sich der Captain auf, blickte sie an und fragte: „Wat wird datten? Planänderung?“
„So ähnlich.“
Zu seiner Verwunderung kam dieser Satz nicht von Agatha, sondern von Jasmin, die auf ihn zutrat und ihn anlächelte: „Sie müssen sich nicht, nur um was zu beweisen, anleuchten lassen.“
Cal betrachtete sie kurz, lächelte dann und wollte schon „Danke, Prinzessin“ sagen, als sie kurz nachdenklich innehielt und ihn dann anblickte: „Wobei eine gewisse Erleuchtung Ihnen nicht schaden könnte, Prinz Doktor.“
Das Lächeln Cals verrutschte.
„Na Tüll – äh – toll. Jetzt finden schon Zeichentrickfiguren, dass ich se nich mehr alle an der Waffel habe.“, dachte er sich, nickte der Prinzessin jedoch nur zu und trat dann neben den Bewusstlosen, neben den er sich kniete. Jasmin tat dasselbe, legte ihm eine warme, weiche Hand auf seinen Arm und schaute ihn an: „Wenn er jetzt schreit, lassen sie ihn am Leben.“
Sprachs und lächelte.
Der Captain atmete tief durch und murmelte ein „Ja, nee, is klar.“

Aladdin wusste nicht, wie lange sie schon im Eingangsbereich darauf warteten, dass der Mann wieder zu sich kam, er wusste nur, dass in dieser Zeit zwei Mal von der Küche bereitgestellte Speisen und Getränke vorbeigebracht wurden. Und während er seinen Saté-Spieß in die Erdnusssoße tunkte – ein Rezept der indischen Prinzessin – hörte er, wie auf der Wiese zwei Stimmen überrascht anfingen, zu keuchen. Die des Prinzen Doktors und die der Prinzessin Jasmin. Aladdins Herz schlug schneller, als er den Spieß in die Soße sinken ließ und den Kopf hochriß, beinahe schon vermutend, dass beide Hochwohlgeborenen bewusstlos oder verletzt am Boden lagen. Aber stattdessen war der Prinz einen Schritt nach hinten gegangen, Jasmin hatte ihn angeblickt und sich dann über den Verwundeten gebeugt. Kurz tauschten sie einige Worte, dann brachten zwei Bedienstete den Verwundeten fort. Jasmin stand auf und blickte zu Aladdin herüber. Und er merkte, dass ihr Gesicht Sorgenumwölkt war.

Schnell lief er zu ihr, sie schlang ihn in die Arme, bettete ihr Gesicht an seinen Hals und keuchte entsetzt auf.
„Was ist, Jasmin?“, fragte er besorgt. Sie reagierte, in dem sie ihn küsste, dann sanft seine Arme entlang fuhr und ihn dann anblickte.
„Mechanikles – er ist auf dem Weg hierher.“
Aladdin schluckte. Mechanikles? Das war nicht gut.

TBC   
Kapitel 8.3   

Der Name „Mechanikles“ schien wie ein Damokles-Schwert in der Luft zu hängen.
„Vermutlich ist er so ein genau so listiger Gegner, wie es Aker in Ägypten ist.“, vermutete Papyrus leise für sich und trat neben seine Prinzessin. Diese schien ebenfalls denselben Gedanken gefasst zu haben und blickte ihn sorgenvoll an. Die Spuren ihres sanften, sonnigen Gemütes waren aus ihren ebenmäßigen Zügen gewichen und an ihre Stelle war bloße Sorge getreten. Der Fischer konnte es verstehen – wo waren sie da nur wieder reingeraten? Aber es war ja eigentlich immer so. Kaum, dass sie sich einigermaßen wohl fühlten und akklimatisiert hatten, passierte irgendwas, das sie wieder so sehr alarmierte, dass sie sich nicht entspannen konnten.
Sich räuspernd trat nun Theti nach vorne, neben Prinzessin Jasmin und blickte sie fragend an: „Wer ist dieser ‚Mechanikles’?“
Jasmin hielt inne, blickte ihre „Amtskollegin“ dann nachdenklich, aus großen, vor Sorge verdunkelten braunen Augen an und seufzte.
„Einer unserer Feinde“, erklärte sie, „Er ist davon besessen Agrabah zu erobern, Aladdin zu töten und seine Freunde ebenfalls zu bestrafen. Hauptsächlich verlässt er sich auf seine handwerklichen Kenntnisse und verwendet mechanische Gerätschaften. Als wir ihn das erste Mal getroffen haben, hatte er die sogenannte ‚Goldene Plage’ auf ein Dorf am Rand der Wüste losgelassen.“
„Ein anderes Mal hatte er versucht, die Wüste mit einem gigantischen, feuerspeienden Tausendfüßler in Glas zu verwandeln und Agrabah zu vernichten.“, ergänzte Aladdin.
Auch der Genie schien etwas anbringen zu wollen: „Mich hat er damals in eine Buddelflasche gesteckt.“
„Und dann war da noch die Sache mit den Psychosteinen, die mich ganz trunken vor Liebe in eine Zweibeinerin machten.“, krähte der Papagei, der sich in diesem Moment auf Jasmins Schulter niederließ, dabei das Wort „Zweibeinerin“ aber so betonte, als wäre es etwas Ekliges.
Jasmin blickte ihn finster an: „Auf alles und jeden neidisch zu sein, war auch nicht gerade das Wahre.“
Komisch. Diese Leute schienen tatsächlich eine lange Leidensgeschichte hinter sich zu haben – vielleicht auch mit weniger „Leidens“ und mehr „Geschichte“. Wenn Papyrus so daran dachte, was er für Schwierigkeiten mit dem Gott Seth, dem „Herrn von Omboss“ erlebt hatte und seinen Handlangern – allen voran natürlich der teuflisch-geniale Aker – … er selbst hatte…
Ein Lächeln legte sich auf die Lippen des Ägypters: „Wenn ich euch helfen kann, tu ich das gerne. Das Schwert des Horus kann ihn sicher vertreiben.“
Und dessen war er sich sogar sicher – schließlich hatte er mit diesem Schwert schon etliche Male gegen Seth gekämpft.

Aladdin legte nachdenklich den Kopf schief, wandte sich an Jasmin, die mit den Schultern zuckte und dann lächelte: „Jede Hilfe ist willkommen.“
„Sagtes Du ‚jede’?“, hörte er Prinz Doktor strahlen und sah, wie er sich die Ärmel hochkrempelte. Prinzessin Song schien von dem spontanen Hilfsausbruch ihres Mannes wenig begeistert, sie griff ihn am Ärmel und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Prinz erstarrte, kratzte sich nachdenklich am Kopf und blickte dann zu ihr: „Gutes Argument.“
Mit einem verschämt entschuldigenden Lächeln blickte er zu Jasmin, kratzte sich erneut verlegen am Kopf und sagte dann: „Erm. Ja, sorry, da… ich kann beim ersten Initiativangriff nicht dabei sein. Aber – wenn ihr mich später noch mitspielen lasst…“
„Natürlich, Prinz Doktor.“, erwiderte die hübsche Prinzessin mit einem sanften Lächeln, ehe sie sich an Aladdin wandte: „Kannst Du mit Teppich und Genie Sand holen?“
Sand? Natürlich, das war einfach – schließlich funktionierten Mechanikles „Spielsachen“ auf dem alten Prinzip des Aufzugmotors. Streute man Sand ins Getriebe, gab jenes binnen kürzester Zeit den Geist auf. Er spürte, wie sich ein Lächeln auf seinen Lippen bildete: „Habe ich Dir heute schon einmal gesagt, wie intelligent Du bist, meine Prinzessin?“
„Heute noch nicht.“, zwinkerte sie ihm neckisch zu.

Cal sah dem davonfliegenden „Straßenköter“ hinterher, wandte sich seiner XO zu und blickte sie verblüfft an: „Ich verstehe das nicht. Warum darf ich nicht mithelfen? Ich meine – wir kennen den modus operandi Mechanikles, wir wissen, wie seine Schwachstellen aussehen und wir haben eine kleine, niedliche Überraschung auf unserer Seite.“
Damit trat er auf sie zu und legte eine Hand auf die Stelle ihrer Hüfte, an der der Phaser steckte. Sie schaute ihn an, ihre Lippen verzogen sich zu einem ironischen Grinsen: „Irgendwie wusste ich, dass Du genau das vorhaben wirst. Und genau das geht nicht – du weißt doch: Oberste temporale Direktive. Ich muss dich nicht an die letzten Male erinnern, an denen du dich mit dieser Ordnung angelegt hast und das wir hauptsächlich deswegen hier sind?“
Mist. Da hatte seine hübsche XO mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber konnte er sich einfach so zurücklehnen und die anderen ihre Arbeit machen lassen? Zumal er doch jetzt die Identität eines Prinzen angenommen hatte? Und nicht nur irgeneines Prinzen, sondern auch noch des Prinz Doktors?
„Aus welchem Land kommst Du eigentlich?“, meldete sich in diesem Moment der Genie und der Captain blickte ihn verblüfft an: „Bitte?“
„Aus welchem Land du kommst. Ich kenne fast alle Prinzen der sieben Wüsten und dich kenne ich nicht.“
Damit verwandelte sich das magische Wesen in einen Typen, der in einer blechernen Rüstung steckte und ein futuristisches Visir trug. „Ich bin“, bellte er, „das Gesetz! Und ich will wissen, wer Du bist.“
Cal hob die Augenbrauen. Judge Dredd? Ernsthaft?
„Bekommst Du gerade Allmachtsfantasien?“, fragte der Kommandant, legte den Kopf schief und betrachtete den „Gesetzeshüter“ von oben bis unten. Dieser erwiderte seinen Blick – zumindest vermutete das der Captain – er konnte auch hinter dem Visir die Augen verdrehen, sie geschlossen halten oder Jasmin in den Ausschnitt starren – und murmelte ein leises „Ich wusste genau, dass er das sagt.“
Damit richtete der Genie seinen Finger auf Cal, der sich in diesem Moment in eine Schusswaffe verwandelte – der Finger, nicht Cal – was diesen zum Hart schlucken animierte – Cal, nicht den Finger.
Dann schaute der Judge Genie Dredd an und zuckte mit den Schultern: „Ich bin der Prinz von Fiktivistien.“
„Noch nie von gehört.“
„Liegt neben Imadeitupistan in einem der Randgebiete.“, log der Captain und seufzte leise.
Fiktivistien – Imadeitupistan…. , schoss es ihm durch den Kopf, Cal deine Kreativität lässt langsam sehr arg nach. Vielleicht solltest Du dich tatsächlich nicht mit diesen Problemen befassen, sondern dir eine schöne Auszeit gönnen. Überleg mal. Du und Agatha, am Strand, Du in ner Badehose, sie in weniger als wenig…“
Der Captain schüttelte den Kopf, als er plötzlich etwas hörte.
Es kam aus der Ferne und schien vom Wind über die weite Ebene getragen zu werden, die die Wüste darstellte.
Wieso hatte er gerade ein bestimmtes Bild vor Augen?


Im Hof des Penalty Stately Prison war es wieder einmal Zeit für die tägliche Leibesertüchtigung. Aus Sicht eines Sportlehrers wäre das Equipment sicherlich für Zirkeltraining und Cooper-Test geeignet und es wurde auch von einigen Insassen verwendet.
Einige spielten Basketball, andere sprangen Seil und wieder andere versuchten sich an Bankdrücken. Die Hauptattraktion waren jedoch die beiden Sträflinge, die sich ein Match im Armdrücken lieferten.
Sträfling Nummer 1 hörte auf den wenig fantasievollen Namen Peter Scott. Er war im Penalty State, weil er sich einiges hatte zu Schulden kommen lassen – und nichts von all dem viel unter „Geringfügigkeit.“. Was sein Gegenüber ausgefressen hatte, wusste Scott nicht – es war ihm auch eigentlich egal. Er wollte ihn nur besiegen. Und die Chancen, dass es ihm gelänge, standen recht gut. Sein Gegner hatte zwar Kraft und die braunen Augen verrieten auch eine gewisse Verbissenheit, aber er bezweifelte, dass gerade er es schaffen würde, ihn, Scott, zu schlagen.

Dann setzte das Geräusch ein.
Es erinnerte ihn an einen Düsenjet, so wie den, den er damals, im Vietnamkrieg geflogen hatte – oder an einen der Hubschrauber, den sein Kollege, Theodore Calvin einst geflogen hatte. Wann immer er hier rauskam, musste er sich mit seinen alten Kumpels von damals treffen und über die alten Zeiten quatschen. Besonders die Folterung durch Ivan hatte ihm damals zugesetzt und…

Was war das?
Die Haltung seines Gegenübers hatte sich arg geändert. Er wirkte nicht mehr nur noch verbissen, in seinen Augen tanzte eine Selbstgefälligkeit und die Realisierung, dass er nicht mehr lange hinter diesen Mauern sein würde.
Aber wie kam er darauf? Nur wegen des Geräusches?
Sein Gegner stieß einen Schrei aus und ehe Scott sichs versah, lag er auf dem Betonboden des Gefängnisses, während der Andere aufstand und einen Schritt auf die Mauer zutrat.

Das Geräusch war in der Zeit noch näher gekommen und über das inzwischen schon unerträgliche Heulen wurde nun das noch unerträglichere Heulen einer Alarmsirene hörbar. Zu diesem Moment wurde auch dem Dümmsten klar: Hier war ein Ausbruch im Gange.
Auf den Gefängnismauern brachten Polizisten ihre Gewehre in Stellung und Schüsse wurden hörbar. Doch man schoss nicht auf sie, die Gefangenen, man schoss auf das, was auch immer da von draußen auf das Gefängnis zurasen mochte.

Einer der Wächter trat an den Mann heran, gegen den er gerade noch gekämpft hatte und machte Anstalten, ihn in den Zellenblock lotsen zu wollen – doch mit den Worten „Du kleine Wanze“ verpasste der Typ dem Wächter einen Schlag, der ihn zu Boden gehen ließ, als plötzlich etwas gegen und dann durch die Wand krachte.

Scott glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Da kam eine gigantische Zugmaschine auf ihn zu, drehte und hielt nun auf den Typen zu, gegen den er gekämpft hatte. Erst nachdem der Spuk vorbei war und sie alle in ihren Zellen saßen, fragte er einen der Wärter, was das denn gewesen sei.
„Hast Du das nicht mitbekommen?“, fragte der Wärter und schaute ihn bedeutungsschwer an: „Garthe Knight ist aus dem Gefängnis entkommen.“



So oder so ähnlich stellte sich Cal diese Szene aus der für ihn legendären Knight Rider Folge „Goliath kehrt zurück“ vor. Die Sequenz hatte ihn damals in ihren Bann gezogen – nicht wegen der Kerle, aber dieses eine Bild, das er seit dem immer wieder versuchte, zu finden, hatte ihn fasziniert. Er war sicher, dass es diese kurze Szene gab, in der der Truck Goliath, der Garthe Knight aus dem Gefängnis befreien sollte, zuerst von einer staubigen Seitenstraße auf die Straße fuhr, die auf das Gefängnis zu führte.
Dessen war er sich sicher und darauf würde er Stein und Bein schwören.

Und so, wie damals, wie er schon wusste, dass dieser Punkt, der später Goliath werden sollte, Ärger bedeutete, wusste er, dass dieses Geräusch, das in der Luft lag, nicht gut war. Kurz blickte er sich um, eilte zur Palastmauer und versuchte, sie emporzukraxeln.
„Kann ich Ihnen helfen?“, sprach plötzlich eine vornehme Stimme – die Stimme des Genie – und Cal spürte, wie man ihn am Hemdkragen griff und auf der Mauer absetzte.
„Danke, genie.“, grinste der Kommandant und blickte dann in die Ferne.
Sein Grinsen verschwand, als er diesen grell blinkenden Lichtpunkt sah, der aus der Ferne in einer imaginären Linie gerade auf sie zuhielt.
„Goliath.“, murmelte Cal, ehe er sich im Geiste korrigierte, in den Palasthof blickte und die Hände zum Trichter formte.
„ER KOMMT!“, schrie er,  „MECHANIKLES KOMMT!“
Okay – eigentlich war es einfach. Er musste nur zwei Sachen erledigen. Erstens – er musste an seinen Phaser kommen und zweitens musste er hier herunter kommen.
Kurz blickte er sich um, als ihn die Realisation traf: Wie kam er hier herunter?
TBC   


CaptainCalvinCat

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Kapitel 8.4

Jasmin riss ihren Kopf hoch, als sie sie Stimme des Prinzen Doktor hörte. Mechanikles kam tatsächlich – und so, wie die Dinge lagen, so wie sie sich an die bisherigen Konfrontationen mit dem griechischen Erfinder erinnerte, würde es vermutlich alles andere als einfach werden.
Sie seufzte leise, ehe sie losrannte und versuchte, auf die Mauer zu kommen. Sie wusste, dass es da diese eine Rosenranke gab, die sie selbst gerne und oft hochgeklettert war. Hoffentlich hatte Razul sie nicht, in einem Anfall von Arbeitswut, entfernt.
Ihre Füße hämmerten auf den Boden, als sie ihr Tempo steigerte und dann sah sie zufrieden, dass die Ranke doch noch vorhanden war. Schnell und behende griff sie nach ihr und spannte ihre Muskeln an, um sich hoch zu ziehen. Dass Prinzessin Song und Prinzessin Theti ihrem Beispiel folgten, überraschte sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.  Binnen weniger Sekunden war sie auf der Anhöhe, balancierte die Mauer entlang, bis sie bei Prinz Doktor angelangt war und nickte ihm zu.
Interessanter weise schien er wenig überrascht.
Stattdessen lächelte er leise, zwinkerte und streckte dann seinen Arm aus, um in die Richtung zu zeigen, in der er glaubte, etwas gesehen zu haben.

Tatsächlich. Da, in der Ferne der Wüste, gleißte kurzzeitig etwas auf, wie ein Spiegel, der das Sonnenlicht reflektierte. Was auch immer sich der Wissenschaftler ausgedacht hatte, es war vermutlich – wie immer – metallisch. Sie blickte zu ihren beiden Kolleginnen und sah – zu ihrer Überraschung .- zwei sehr unterschiedliche Reaktionen.
Prinzessin Theti aus Theben: Sorge
Prinzessin River Agatha Song Silverbird aus Fiktivistien: kämpferische Ruhe.
Sie selbst merkte, wie eine Woge der Zuversicht ihr Bewusstsein traf. Sie konnten es schaffen – natürlich. Schließlich waren sie Prinzessinnen. Und sie wusste nicht, wie es bei ihren beiden Amtskolleginnen aussah, aber sie selbst hatte schon sehr früh darauf bestanden, zumindest grundlegende Kampfmanöver zu erlernen, um sich im Notfall zu verteidigen. Und entgegen der Befürchtung ihres Vaters hatte sie zwar das nötige Wissen erworben, war jedoch nicht weniger weiblich und vor allem weniger treusorgend geworden.
Wobei sie sich bei Prinzessin Song-Silverbird  sicher wahr, dass sie ebenfalls ein solches Training durchlaufen hatte. Prinz Doktor neben ihr räusperte sich und sie blickte ihn an: „Ja, mein Prinz?“
Die braunen Augen des royalen Mannes trafen sie und sie sah tatsächliche Sorge in ihnen. Sorge um sie, Sorge um den Palast, Sorge um seine Frau und Sorge um Agrabah. „Warten wir auf eine Extra-Einladung oder wollen wir die Bevölkerung gar nicht evakuieren?“
Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, legte ihm beide Hände auf je eine Schulter und zwinkerte ihm zu: „Keine Sorge, darum wird sich gekümmert.“
Und tatsächlich – kaum, das sie dies gesagt hatte, wurde die Luft von einem röhrenden Geräusch erfüllt, das seine Quelle keine 10 Meter hinter ihnen hatte.
Erschrocken wirbelte Prinz Doktor herum, verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe die Mauer heruntergefallen, wenn Jasmin und Theti nicht schnell reagiert und ihn festgehalten hätten.
„Woa!“, machte der Prinz und man konnte ihm ansehen, dass auf ihn genau der selbe Gemütszustand zutraf, wie auf die Prinzessinnen – er war zu Tode erschrocken.
„Ja, pass auf, Cal“, hörte Jasmin die Stimme der rothaarigen Prinzessin Song-Silverbird neben sich, die neben Panik und Sorge nun auch noch echte Wut zeigte: „Was meinst Du, was passiert wäre, wenn Du die Mauer heruntergesegelt wärest?“
„Vielleicht wär ich ja als Mauersegler wiedergeboren worden.“, schnappte der Mann und schaute die drei Prinzessinnen an.
Dankbarkeit stand in seinen Augen. „Uff.“, machte er und sagte dann ein Wort, das so ähnlich wie „Tendjubeerenmatsch“ klang. Tendjubeeren? Wie lange ist das her, seit sie diese kleinen, blauen Köstlichkeiten das letzte Mal gegessen hatte?
Nein – sie wollte sich gerade nicht daran erinnern, dass es Tendjubeeren, eine Delikatesse aus den sanften, grünen Hügeln, die sich an die Hochebene des siebten Wüstenreiches anschlossen, das letzte Mal gegeben hatte, kurz bevor ihre Mutter…
Sie spührte, wie Tränen in ihre Augen stiegen und wie sie den Kopf schütteln musste, um wieder zu Verstand zu kommen.
„Hast Du ja toll hingekriegt, Cal.“, zischte Prinzessin Song-Silverbird und man konnte die Verblüffung in Prinz Doktors Stimme wirklich hören: „Ja – ich hätte daran denken können, dass Englisch noch nicht die große Weltsprache ist.“
Dann spührte sie die im Vergleich zu ihren beinahe prankengleichen Hände des Prinzen auf ihren Oberarmen und als sie den Blick hob, sah sie wieder in seine braunen Augen, die zerknirscht dreinblickten: „Erm… ich weiß nicht, was ich gesagt habe, aber… es kommt nicht wieder vor. Ich wollte mich eigentlich bedanken, also ‚Danke vielmals’ sagen, aber irgendwie muss das wohl falsch rübergekommen sein.“
„Schon gut.“, hauchte Jasmin. Er konnte ja nicht wissen, was dieses Wort für sie bedeutete.
Erneut dröhnte ein Gongschlag und dieses Mal hielt sich der Prinz tatsächlich fest, ehe er verblüfft zu ihr blickte. „Was zum Henker ist das?“

Was auch immer Jasmin vorher durchgemacht haben musste – und Agatha erkannte subtiles Mimenspiel, wenn sie es sah – schien nun wieder von ihr abzufallen, denn sie wischte sich einmal mit dem Handrücken über die Augen, so als wolle sie Tränen wegwischen und lächelte dann mit kämpferischer Siegesgewissheit in ihre Richtung: „Das, Prinz Doktor, ist der Evakuierungsgong.“
Damit deutete sie auf die Stadt und Agatha konnte tatsächlich sehen, wie etliche Passanten ihre Güter stehen ließen und in die Häuser eilten.
Jetzt könnte man bösartig sein und festhalten, dass es vermutlich nichts bringen würde, aber es war besser, die Moral hoch zu halten.
Und dann war es der XO zum ersten Mal möglich, einen genaueren Blick auf das angreifende „Ding“ zu werfen. Zwar hörte sie förmlich die Sicherheitsaufzeichnung aus dem Transporterraum der neu-ausgerüsteten ENTERPRISE NCC 1701, in der Doktor Leonard „Pille“ McCoy seinen alten Freund Admiral James Tiberius Kirk fragte „Wieso wird eigentlich alles, was wir nicht kennen, als Ding bezeichnet“, könnte aber im Fall einer ähnlichen Frage keine andere Antwort geben, als sie der Admiral gegeben hatte: „So ist es halt.“
Wobei – hier war es anders. Das „Gefährt“, dessen Mechanikles sich bediente, war ein gigantischer Skorpion.

Wenn sich Cal jemals, seid er mit Agatha verheiratet war, gewünscht hatte, eine andere Frau neben sich zu haben, dann war es jetzt. Und wenn auch nur aus dem einfachen Grund, dass es Ran Sato wäre, die vermutlich gerade jetzt von ihrem Ur-ur-ur-ur-Opa erzählen würde – dem Geheimagenten. Er erinnerte sich, dass Ran ihm gerne die Geschichte erzählt hatte, wie einer ihrer Ahnen im Amerika der 1980er sein Geld als Spielwarendesigner verdiente. Aber im ehrenamtlichen Nebenberuf  war er Lastwagenfahrer – und nicht nur irgendein Lastwagenfahrer, er fuhr, laut Ran seinerzeit den berühmten Rhino, der eines der Fahrzeuge des Mobile Armored Strike Kommand war und zwischen den Einsätzen im M.A.S.K.-Hauptquartier „Boulder Hill“ geparkt war.
Nachdem in den 90ern die Organisation V.E.N.O.M (Vicious Evil Network of Mayhem) besiegt worden war (obwohl einige Quellen behaupteten, dass einige Teile dieses kriminellen Syndikates die Auflösung ihres Vereines überdauert hatten), wurde das Hauptquartier der M.A.S.K im Boulder Hill zur Touristenattraktion und seine Helden wurden weltweit bekannt.
Einer dieser Helden war Bruce Sato und er war Teil einer stolzen Ahnenreihe, die nicht nur die Kommunikationsoffizierin der ENTERPRISE NX-01, Hoshi Sato, hervorbrachte, sondern auch Miwako Sato, eine der besten Polizistinnen im Tokyoter Stadtteil Edogawa, damals, in den Zeiten nach der Jahrtausendwende.
Dieser Ahnenreihe entsprang auch Ran Sato und sie würde sich vermutlich mit den Worten „Skorpion? Das ist ne schlechte Gute-Nacht-Geschichte“ äußern.
Wenn Cal so darüber nachdachte, wäre das vermutlich der einzige Beitrag gewesen, den Agatha nicht von sich hätte geben können. So blickte er auf das in der Ferne aufragende Ungetüm und sagte diesen Satz mit äußerster Überzeugung.
Und als er ihn ausgesprochen hatte, bemerkte er, dass seine Mitkombatantinnen ihn ein wenig sparsam anblickten.
„Wieso ‚Gute-Nacht-Geschichte’?“, fragte Jasmin und blickte ihn an: „Wir haben helligten Tag.“

„Das ist unerheblich“, meldete sich in diesem Moment Prinzessin Theti. Und sie fand, dass sie Recht hatte. In den letzten Jahren, in denen sie sich an ihren Freund, den Fischer Papyrus angenähert hatte, waren sie beide in genug Katastrophen verstrickt gewesen. Sie wusste, dass es hier um mehr ging, als nur um merkwürdige Redewendungsanwendungen. Sie hatten ein dringendes Problem – ein großer, metallischer Skorpion näherte sich ihnen und sie mussten versuchen, ihn zu stoppen. Ob das „Schwert des Horus“ gegen diese mechanische Kreatur bestehen konnte? Sie wusste es nicht, sah aber, wie Papyrus sein Schwert griff und es in Stellung brachte.
Eigentlich sollte man es nicht für möglich halten – sie waren hier, um diplomatische Beziehungen einzugehen, eine Handelsroute festzulegen und nun waren sie hier – mal wieder in einen Kampf um einen Palast gefangen. Es war ja nicht das erste Mal, dass ihnen so etwas wiederfahren wäre, aber normalerweise geschah es im Reich der beiden Länder. Ob der Seth, der Herr von Omboss, den sie beide zu bekämpfen suchten, um Horus, den Falkengott zu befreien, seinen Einflussbereich selbst ins ferne Agrabah ausstreckte? Warum nicht, schließlich hatte er seine Jünger überall – sogar auf Kreta hatte es eine Begegnung gegeben.
Vielleicht war dieser Mechanikles ja ebenfalls ein Jünger Seths. Sie warf einen Blick zu Papyrus, der sie abwartend ansah.
Sanft schüttelte sie den Kopf. Noch nicht.

Und dann hörten sie alle das Geräusch.
Zuerst klang es wie eine Substanz, die man später als „Knäckebrot“ kennen würde, dann wurde es lauter und steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Rumpeln.
Jasmin war sich sicher, dass nicht nur ihr Gesichtsausdruck entsetzt war, als sie sahen, wie am Stadteingang ein Haus in sich zusammenfiel.
Sie merkte, wie ihr Herz schneller schlug und hoffte, dass Aladdin sich beeilte. Wenn der Metallskorpion sich weiter dem Palast näherte, würde er Chaos und Vernichtung über die Stadt bringen. Plötzlich hielt der Skorpion inne.

Würde man das Gefährt nun mit einem tatsächlichen Tier vergleichen, würde man sagen, dass die Kieferklauen unter großer Dampf- und Geräuschentwicklung auseinanderglitten und etwas aus ihm herausschoss. Dabei handelte es sich um einen kleinen Zylinder, etwa Zwei Meter in der Länge und einen Meter dreißig in der Breite messend. Das Ding feuerte seinerseits Dampf ab, um die Landung weicher zu machen und schlidderte bis ans Tor des Palastes.
Dann öffnete sich der Zylinder und eine Person entstieg ihm.
„Warum eine Ausflugskapsel, höre ich die Leute fragen. Darauf antworte ich: „Warum nicht?“, sagte sie, ehe sie ihre Tunika betrachtete.
„Oh, ich bin ja ganz verknittert.“
Dann stoppte die Person, warf einen Blick gen Himmel und nun konnte man die beeindruckende Halbglatze, die zur Seite gezwirbelten, langen Haare und das Monokel erkennen.

Cal warf einen kurzen Blick über die Mauer, zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und wandte sich an Agatha: „Das is also Mechanikles? Erinnert mich eher an einen deiner Vorfahren. Wie hieß er gleich? Der hatte auch eine ähnliche Frisur, ein Kabarett-Theater in Aschaffenburg und…“
Der Captain stockte, als er Jasmins Blick bemerkte. Oha, den kannte er. Vermutlich würde sie sich zu einer jugendlichen Dummheit hinreißen lassen. Als sie dann nach vorne trat, jeder Zoll ihres Körpers hochwohlgeborene Prinzessin und ihre Stimme erhob, war Cal verblüfft.
„Mechanikles! Als Tochter des Sultans und damit stellvertretende Gebieterin über die agrabahische Armee, befehle ich Dir, dich zurückzuziehen.“
Die Blicke des Captain und er XO trafen sich, sie nickten einander zu, stumme Anerkennung in den Augen. Das war wirklich eine gute Einlassung, ein  „Verzieh dich oder trag die Konsequenzen“, aber nicht explizit und trotzdem weniger im Disney-Style als Cal es vermutet hätte.
Doch die Rede der Prinzessin schien nun ihrerseits den Griechen nicht sonderlich zu beeindrucken.
„Interessant“, kam es von unten, nachdem er herzhaft und ausgiebig gegähnt hatte, „Ich mache dir einen Gegenvorschlag. Du begibst dich freiwillig in meine Gewalt, lässt dich von mir zu einem willenlosen Sklaven umbauen und tötest Aladdin und dann dich. Als Belohnung lass ich Agrabah in einem Stück.“
Erneut warfen sich Agatha und Cal einen Blick zu. Das klang nun überhaupt nicht mehr nach Disney. Dies schien auch Prinzessin Theti zu spüren, sie trat neben Jasmin und zog sie ein bißchen vom Mauervorsprung zurück, ehe sie einen Blick über selbigen warf.
„Unter der Order des Pharaos Mehrenre, dem Herrscher der beiden Länder, gebiete ich, Theti von Theben, Dir, von diesem Land abzulassen.“
Dann warfen sie und Jasmin Agatha einen Blick zu. Diese stockte, deutete auf sich, zuckte mit den Schultern und fügte sich in ihr Schicksal.
Sie trat an die Mauer: „Und mit der Macht des Landes von Fiktivistien gebe ich Dir die selbe Order.“
Unten lachte es höhnisch: „Ein Prinzessinnentreffen, wie niedlich. Backt ihr, kocht ihr und spielt Ihr Teeparty? Oder redet ihr darüber wie süüüüüüüüüüüüß doch der kleine Hofdiener ist und wie schön es mit Aladdin war?“
„Oh for crying out loud!“, kam es nun von Cal und er blickte den Erfinder an: “Es is ja eine Sache, dass Du Agrabah angreifst. Ich bin sicher, das steht in deinem Arbeitsvertrag. Es is auch verständlich, dass Du einen Groll gegen Al hast, aber wenn Du anfängst, das Disneyversum auseinander zu nehmen, dann is schluss mit Lustig!“
„Da kann ja jemand sprechen!“, grinste Mechanikles und Cal legte eine Hand auf die Hüfte, um nach dem Phaser zu tasten.
Dann stockte er und warf einen Blick zu Agatha: „Ähm, Schatz?“
„Vergiss es. Du hast Dich mit ihm angelegt, dann mach auch was dagegen.“, sagte sie knapp und Cal zuckte mit den Schultern: „Okay, warum nicht.“
Dann räusperte er sich: „Hör mal, Mechanikles. Was soll das eigentlich alles? Bist Du vertraglich zu Schandtaten verpflichtet? Oder hast Du heute einfach nur einen miesen Tag?“
„Wieso willst Du das wissen?“
„Nun, es gibt andere Möglichkeiten, die Du in Betracht ziehen könntest. Mach einen Gyrosstand auf, tanze Sirtaki, werde Philosoph oder kaufe griechische Staatsanleihen. In knapp – lass es mal 7012 Jahre sein – kann man die wirklich brauchen.“
Er stockte, als Agatha ihn anblickte: „Ernsthaft? Das is alles, was Du dir so ausdenken kannst? Stereotype und Staatsanleihen?“
Damit griff sie nach seinem Phaser und warf ihm die Waffe zu: „Hier, nimm das, da fährst Du besser mit.“
„Danke.“, grinste der Captain und schaute den Erfinder an: „Also – wie ist deine Antwort?“
„So!“, erwiderte Mechanikles und Cal merkte, wie ihn etwas mit voller Wucht traf. Er wurde von den Beinen gerissen, fiel von der Mauer und krachte auf den Boden – eingewickelt in ein Netz.
„Hat der mich gerade…“, setzte Cal an und stockte, als Jasmin, Theti und Agatha neben ihm landeten, ebenfalls eingewickelt wie die Rollbräten.
Der Captain blickte seine XO an: „Ich glaube, das war nicht sonderlich gut, oder?“
„Nein, nicht wirklich.“
Dann bebte der Boden.

TBC mit Kapitel 9


Kapitel 9 Einfach so?

Kapitel 9.1

Jasmin seufzte. Wenn es eine Situation war, die vollkommen stereotypisch war, dann war es diese. Sie lag – gefesselt – auf dem Boden, die Mordmaschine des wahnsinnigen Erfinders war auf dem Weg zu ihr und der Held ließ sich nirgends blicken. Dies alles waren Zutaten aus einem Klischee, das es noch gar nicht gab. Sie konnte ja nicht wissen, dass in Jahrtausenden die Menschen von einer „Damsel in Distress“-Situation sprechen würden. Aber auch sie erkannte, dass dies viel zu typisch war, um nicht bemerkt zu werden. Aber noch würde sie nicht aufgeben. Sie stemmte sich mit aller Macht gegen ihre Fesseln an, versuchte, sich zu befreien und wünschte sich in diesem Moment lange, scharf-gefeilte Fingernägel, mit denen sie die Seile vermutlich durchschneiden könnte. Theti neben ihr schien mehr Glück zu haben. Die hübsche Ägypterin brachte ihre Lippen vor eines der Seile und versuchte, es durchzubeißen.

Nach einigen Versuchen gelang dies sogar. Nun stemmte sie sich mit aller Kraft gegen die vorgeschädigten Fesseln und konnte sie nach einigen weitern Versuchen sogar sprengen. Jasmin blickte anerkennend zu ihr hinüber, was sie mit einem Nicken kommentierte. Dann eilte sie zum ihr entgegenkommenden Papyrus, wechselte einige Worte mit ihm, die Jasmin aufgrund der Entfernung und der fremden Sprache, die die Frau verwendete, nicht verstand. Doch Thetis Begleitung schien es verstanden zu haben, eilte mit enstschlossenem Gesichtsausdruck auf sie zu und – fand sich von Razul und seinen Wachen umstellt.
„Wohin willst Du, Jungchen?“, fragte der Hauptmann der Wachen.
Damit hatten die Wachmänner ihre Schwerter gezogen und hielten sie dem jungen Ägypter drohend vor die Nase.

„Razul!“
Dieser empörte Ausruf kam von Jasmin, die sich in diesem Moment aus der gefesselt-liegenden in die gefesselt-sitzende Position stemmte. Sie war sich sicher, dass ihre Augen vor Zorn funkelten, aber das ging nun wirklich nicht. Erstens gab es weitaus wichtigere und dringlichere Probleme, wie beispielsweise einen großen Skorpion, der durch die Stadt auf sie zu marschiert kam und auf seinem Weg alles verwüstete, was zu verwüsten war. Zweitens – was sollte die ägyptische Welt von ihnen denken, wenn sie erfahren würden, dass man einen ihrer Abgesandten mit einem Schwert bedroht hatte.
„Du lässt ihn jetzt sofort hier herüberkommen und uns mit seinem Schwert befreien!“, schimpfte sie. Dies schien Wirkung zu zeigen, als der stämmige Hauptmann der Wachen sein Schwert sinken ließ und beschämt zu Boden blickte.
Vielleicht war dies ein wenig zu extrem gewesen?
Jasmin veränderte ihre Stimmmodulation, so dass sie wieder wie die sanftmütige Prinzessin klang, die sie eigentlich war: „Razul, wir wissen, dass Du uns nur schützen willst. Aber es bringt nichts, wenn Du jeden angreifst, der sich uns nähert. Wenn Du dich nützlich machen willst, hindere Mechanikles daran, hier einzudringen. Ich weiß, dass Du das kannst.“
Es ist immer verblüffend, zu sehen, wie schnell Worte wirken können. Razul schien plötzlich weniger wie ein Schluck Wasser in der Kurve da zu stehen, vielmehr schien Kraft und Selbstvertrauen ihn zu durchströhmen. Er wandte sich an seine Mitstreiter.
„Los, dem zeigen wir es.“
Und mit gezogenen Schwertern eilten sie zum großen Massivholztor.
Lächelnd blickte Jasmin den dreien nach, als der Schatten Papyrus über ihr Gesicht fiel. Mit schnellen Hieben hatte der junge Fischer sie aus dem Netz befreit und machte sich dann daran, den anderen Beiden zu helfen. Und kaum, dass Prinz Doktor und Prinzessin Song befreit waren, eilten sie aufeinander zu, nahmen sich in die Arme und küssten sich inniglich.
Jasmin merkte, wie ihr Herz schmerzte. Es war ein süßer Schmerz, ein Gefühl, das sie am liebsten mit „Ach, wie niedlich!“ kommentiert hätte, ohne dabei dem „niedlich“ eine sarkastische Färbung zu geben. Es war tatsächlich „niedlich“, wie der Prinz und die Prinzessin einander umarmten und froh waren, dass sie in Sicherheit waren. Es erinnerte sie an sich und Aladdin.
Und wo sie gerade gedanklich bei ihm war, stellte sie sich die Frage „Wo beibt er?“
Dann hörte sie ein leises Rauschen und wirbelte herum, als sie von Prinz Doktor ein „Da!“ hörte.
Sie folgte seinem ausgestreckten Finger, der auf einen bestimmten, dunklen Punkt am Himmel deutete.
„Das ist ein Vogel.“, sagte sie und schüttelte den Kopf.

Cal grinste und Agatha sah das er grinste. Natürlich – Jasmin hatte ihm, ohne es zu wissen, eine perfekte Steilvorlage gegeben.
Ihr abschätziges „Das ist ein Vogel“ kommentierte Cal mit einem begeisterten „Es ist ein Flugzeug!“ und nun konnte Agatha nicht an sich halten und flüsterte ein „Das ist Superman“. Und während sie das tat, kam sie sich zwar unsäglich albern vor, aber irgendwie hatte sie Spaß. Es war eine besondere Art von Vergnügen, die in ihr pulste – sowas wie ein „Ich weiß, dass die Situation gerade komplett unlogisch ist, aber ich hab meinen Spaß!“. Ein bischen wie Rose in der Doctor Who Folge „Böser Wolf“, als sie sich plötzlich im Set von „Der Schwächste fliegt“ wiederfand auch nichts anderes tun konnte, als sinnlos und herzhaft zu giggeln. Die ganze Atmosphäre, der körnige Sand, den sie fühlte, der Geruch, der so schwer zu beschreiben war und der in der Luft hing, das alles sagte ihr, dass die Situation, so verrückt sie auch sein mochte, kein Traum, sondern Realität war. Sie befand sich in Agrahbah und obwohl sie mit diesem Fakt schon lange „to terms“ gekommen war, ihn also akzeptiert und verarbeitet hatte, war es einfach nur irre. Sie waren in einem Zeichentrickland und das, obwohl die Personen aus Fleisch und Blut bestanden und nicht gezeichnet wirkten.
Und dann sauste der Teppich im Tiefflug über sie hinweg.

Cal war gewillt, die Melodie des Batman-Films aus dem Jahr 1989 zu pfeiffen um die Stelle zu untermalen, an der der Batwing auf der 200-Jahr-Parade von Gotham aufgetaucht war, sich die Giftgas-versprühenden Ballons geschnappt und sie in der Ferne entsorgt hatte – nur um wiederzukehren und auf den Joker zuzufliegen. So war es auch hier. Der Captain war sich sicher, dass Aladdin im Tiefflug durch die Hauptstraße Agrabahs auf den Skorpion zufliegen würde, dann so knapp, dass kaum noch ein Blatt Papier zwischen Skorpionaussenhülle und Teppich passte, über den Skorpion gleiten und an einer besonders exponierten Stelle den Sandbeutel in den mechanischen Roboterskorpion fallen lassen würde. Dann würde er umdrehen und auf Mechanikles zufliegen, der ihn mit irgendeiner Art „Waffe“ abschießen würde.

Hoffentlich irrte er sich mit letzterem Plot.
Er nickte Papyrus und Agatha zu, eilte zum großen Tor, das von Razul und seinen Mannen bewacht wurde und schaute den Hauptmann an: „Gibt es irgendeine Möglichkeit, mir von der Situation ausserhalb der Mauern ein Bild zu machen?“
„Natürlich.“, sagte der Angesprochene, „Aber das würde bedeuten, dass Sie nach draußen müssten. Und das können wir momentan nicht zulassen.“
„Habt ihr keine Fenster?“
„Damit man einsteigen kann?“
Cal merkte, dass dies ein ziemlich gutes Argument war.
Was tun?

Aladdin grinste.
Dies würde relativ einfach werden, vielleicht gäbe es hier und da einige Komplikationen, aber eigentlich war er gut vorbereitet. Er flog in Bodenhöhe auf den großen, mechanischen Skorpion zu und hoffte, dass die großen Scheren ihn nicht erwischen würden. Aber selbst wenn – er hatte einige Asse in der Hinterhand. Gerade eben hatte er den Palast überflogen, erleichtert festgestellt, dass es Jasmin gut ging und war sich nun sicher, auch mit Mechanikles fertig werden zu können.
Würde er? Möglich wäre es auf jeden Fall, wobei man ihn nicht unterschätzen durfte. Gerade ob seines eher merkwürdigen Aussehens und seiner recht exzentrischen Lebenseinstellung, besonders was übertriebene Reinlichkeit anging, neigte man dazu, ihn als „nicht sonderlich gefährlich“ einzustufen. Das war aber ein Fehler. Der Mann war – das musste man ihm ohne weiteres lassen – ein mechanisches Genie und es würde Aladdin nicht überraschen, sollte der Name „Mechanikles“ ein einfacher Spitzname sein. Und Mechanikles hatte sich im Laufe ihrer Begegnungen als ein gefährlicher Gegner herausgestellt.
Im Zweifelsfall musste sich der junge Agrabahner eben auf seinen Intellekt und seine Straßenschläue verlassen.
Das Grinsen wich von Aladdins Gesichtszügen, als er zum zweiten Mal über den Skorpion flog und nach einer Stelle suchte, in die er seinen Sandbeutel werfen konnte, diese aber nicht fand.
Kurz warf er einen Blick zu Mechanikles, der immer noch vor den Toren des Palastes stand und schon eine Siegerpose angenommen hatte. Er wusste, dass dieser Skorpion nicht zu schlagen war.
Dann spannte sich von der Mauer des Palastes ein grellorange-roter Lichtstrahl zum Skorpion. Aladdin hatte dieses Wunder schon einmal gesehen – es kam aus dem merkwürdigen Ding, das Prinz Doktor sein Eigen nannte. Kurz traf der Strahl den Skorpion, dann war der Strahl erloschen, nur um wieder aufzuflammen, zu erlischen, erneut zu leuchten und wieder zu erlöschen.
Unter sich hörte er ein leises Geräusch, ein Klong , als ob ein…
Auf Aladdins Lippen legte sich ein Lächeln. Er blickte unter sich und sah, dass der Rücken des Skorpions ein veritables Loch aufwies.
Und vor dem Tor blickte Mechanikles ungläubig drein, stieß einen lauten Schrei aus, der verdächtig nach einem „NEIN!“ klang, dann ließ Aladdin den Sandbeutel in das Sinnere des Gefährtes fallen.
Es knirschte unschön – dann blieb der Skorpion stehen.
Teppich trug ihn zum Erfinder, er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte den Griechen mit einem amüsierten Blick: „Das Spiel ist aus, Mechanikles.“

Auf der Mauer des Palastes atmete Cal beruhigt aus. Wie er es nun geschafft hatte, tatsächlich auf diese Anhöhe zu kommen, warum mehr als nur ein Rätsel, aber er war rechtzeitig gekommen, um zu sehen wie Aladdins Plan offenbar einige Schwierigkeiten hatte.

Schnell blickte er nach unten, zu Agatha, die ihm zunickte, sich ebenfalls nach oben begab und dann ihren Tricorder zog. Es waren Momente wie diese, an denen er merkte, dass es seine Bestimmung war, mit dieser wunderschönen Rothaarigen zusammenzusein.
„Ich weiß was Du vorhast.“, murmelte sie, „und halte es für keine gute Idee.“
„Aber Du hilfst mir trotzdem?“
„Klar – was ist denn die Alternative? Agrabah draufgehen lassen? Nicht in einer Millionen Jahre.“
Damit legte sie sich neben ihn auf die Mauer und hielt ihren Blick auf den Tricorder gerichtet: „Der Skorpion ist aus normalem Metall gefertigt. Zwar reflektiert er das Sonnenlicht, aber wenn Du in einem präzisen Winkel schießt, dürfte der Strahl nicht zurückkommen.“
Cal zwinkerte ihr zu: „Präzise Winkel sind meine Spezialität.“
Damit griff er nach seinem Phaser und stellte ihn auf „Volle Stärke.“ Dies würde entweder den Skorpion komplett auflösen oder aber ein Loch in die Armierung fräsen.
Offenbar schien der Spruch mit den präzisen Winkeln Agatha nicht wirklich zu behagen, denn sie machte durch simples Augenrollen mehr als deutlich, dass sie der Meinung war, dass ihm ein bischen mehr Bescheidenheit besser zu Gesicht stünde.
Sie scannte.
„Am Besten triffst Du den Skorpion hier.“, sagte sie und hielt dem Captain den Tricorder unter die Nase. Cal grinste und entsicherte den Phaser. Nun musste er wirklich ruhig bleiben, hier war äußerste Präzision gefragt. Wenn er auch nur einen Millimeter von der Marke abwich, die er sich gedanklich gesetzt hatte, konnte das eventuell schwerwiegende Folgen haben. Der Captain atmete tief durch. Konnte er das schaffen?
Eigentlich hatte er bisher noch immer gut schießen können, aber… vielleicht war es gerade jetzt…
Er spürte, wie sein Atem immer schneller ging und wie die Hand, die den Phaser hielt, immer mehr ins Zittern geriet. Und dann fühlte er eine sanfte Berührung. Die wohlige Wärme, die von Agathas Hand ausging, breitete sich von seiner Schläfe aus, durchströhmte seinen Körper und ließ ihn noch einmal tief durchatmen. Dann zielte er und schoss.

Erleichtert musste er zugeben, dass die Treffer, die er dem Skorpion beigebracht hatte tatsächlich den zweit-gewünschten Effekt erzielt hatten und Aladdin eine Öffnung geschaffen hatten. Lieber wäre es ihm natürlich gewesen, wenn das Metallungetüm sich einfach aufgelöst hätte, aber – man konnte nicht alles haben. Und als Aladdin zu Mechanikles ging und das Spiel als beendet deklarierte, konnte sich Cal von seiner Position ein verwundertes „Na, dat ging aber schnell“ nicht verkneifen.

Es hätte gar nicht besser gehen können.
Mechanikles wurde von den Palastwachen abgeführt, der Skorpion stand vor der Stadt und wurde vermutlich in den nächsten Tagen von neugierigen Kindern als Spielplatz gute Verwendung finden. Wobei man vielleicht die sensiblen Teile wie eventuelle Waffensysteme vorher ausbauen sollte, so fand Jasmin. Aber an und für sich hätte es nicht besser gehen können. Oder irrte sie sich?
Irgendwas gefiel ihr nicht. Es war zu einfach. Vielleicht lag es daran, dass sie es gewöhnt war, dass Mechanikles auf Aladdins „Das Spiel ist aus“ eine clevere Antwort von sich gab und dann meistens verschwunden war und eigentlich hatte sie genau damit gerechnet. Vielleicht war es aber auch nur das Grinsen, das sie auf dem Gesicht des Griechen gesehen hatte, als man ihn an ihr vorbeigeführt hatte.
Das Spiel war nicht aus. Zumindest nicht mit Mechanikles.
Sie trat auf Aladdin zu, warf noch einmal einen nachdenklichen Blick auf den abgeführten Erfinder und lächelte ihm zu, um ihm dann in die Arme zu fallen.
Vielleicht war das Spiel nicht aus, aber es war auf jeden Fall pausiert.

Im Kerker des Palastes hatten Razul und seine Mannen den griechischen Erfinder an die Wand gefesselt. Er hatte keinen Widerstand geleistet, als sie seine Hände gehoben und dann mit schweren, eisernen Ketten an die Wand gebunden hatten, doch zu jeder Sekunde dieser Aktion war ein stilles, widerspenstiges Lächeln auf seinen Lippen zu sehen gewesen.
Kaum, dass die Wachen gegangen waren, ließ er seinen Kopf langsam gegen die Wand sinken, schloss die Augen und atmete tief durch.
Dann brach ein Lachen aus ihm empor.
Oh, diese niedlichen Bewohner Agrabahs – das Chaos würde noch sehr bald über sie hereinbrechen.

TBC

 

Kapitel 9.2

Cal hatte sich immer gefragt, was die Helden machten, nachdem der Bösewicht besiegt, das Monstrum tot oder die Prinzessin gerettet war. Was geschah mit den Charakteren, wenn der Abspann durchgelaufen war und der Film oder das Programm geendet hatte? Und allein an diesen Fragen merkt man, dass Realismus eine ziemlich öde Sache sein kann. Realistisch müsste man antworten: „Es passiert nicht mit den Charakteren, sie sind nicht real und sie werden es auch nie sein.“
Langweilig. Märchen hatten immer diesen schönen Satz „Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.“  Himmel, selbst Asterix hatte noch den Anstand und einen kleinen Gag am Lagerfeuer zu gönnen, mit einem am Baum festgebundenen Troubardix und irgendeiner Art von „Wrap up“. In so manchen Filmen sah man dies nicht. Das ist halt der Nachteil einer klassischen Drei-Akt-Struktur, in der die Meisten Filme erzählt sind und die lediglich drei Akte kennen: Einleitung – Hauptteil – Schluss. Und noch nicht mal der Schluss ist in manchen dramaturgischen Erzählweisen ein solcher. Der Höhepunkt einer Geschichte, die nach diesem Muster erzählt wird, ereignet sich meist auf den letzten paar Minuten, nur um dann in eine schnelle Auflösung zu münden. Irgendwann kam ein cleverer Kerl mal auf die Idee, dass Filme genau so gemacht werden mussten und auch bei der Walt Disney’schen Aladdin-Verfilmung konnte man dies bemerken. Wirklich kritisch wird die ganze Sache ja erst, wenn Jaffar seinen Zug macht, den Papageien Iago die Lampe stehelen lässt und sich dann mit der Kraft des Genies zum mächtigen Zauberer emporschwingt. In einer schlecht erzählten Geschichte könnte man quasi alles von dem Moment, an dem man die Charaktere aufeinander hat treffen lassen, bis zu dem Moment, an dem der Bösewicht seinen Zug macht rausstreichen, man würde plotmäßig nichts verpassen.

Das wird dem einen oder anderen Leser / der einen oder anderen Leserin dieser Fanfiction ebenfalls bekannt vorkommen.

Cal, der zu diesem Zeitpunkt allerdings in Agrabah sitzt und nicht vor dem Computer, um diese Zeilen zu schreiben, kommt gedanklich nur bis zu der Feststellung, dass man in einigen Geschichten einen Zeitpunkt herausstreichen könnte. Hier, in der aktuellen Situation, in der er sich befand, hatte er allerdings das große Glück, das zu erleben, was im Film vermutlich schon ein Fall für die Endcredits wäre – die Feier, nachdem der Bösewicht besiegt wurde.
Und der Sultan hatte sich nicht lumpen lassen.
Der Captain der DRAGONFLY warf einen Blick auf die aufgetischten Leckereien, fragte sich, was davon er zuerst essen sollte und fand sich im nächsten Moment mit einem goldenen Kelch in der Hand wieder. Eine rote Flüssigkeit wurde eingeschenkt. Die Captainsnase nahm ihre Arbeit auf, roch ein buntes Potpourri an Aromen, unter ihnen Kirsche, Cassis und Vanille, probierte und verzog das Gesicht. Wein. Und dann noch ein sehr herbes Getränk.
Also musste er sich wieder an die Speisen halten, denn er bezweifelte, dass es in dieser Zeit schon Cola gab und selbst wenn, wollte er seine Gastgeber nicht in irgendwelche Verlegenheiten bringen. Also stellte er den Kelch vorsichtig an die Seite und betrachtete die aufgefahrenen Speisen.
„Interessant, was die Küche alles so hergibt, hm, Gathy?“, fragte er. Keine Antwort.
Verblüfft hob der Captain den Kopf, wandte sich um und fand die atemberaubende Figur seiner Frau, die mit dem Kelch bewaffnet an einer der Säulen lehnte und auf die Stadt Agrabah blickte.
Er trat zu ihr, schaute erst sie und dann die Stadt an und stellte fest, dass es inzwischen dunkel geworfen war. Das Wrack des Skorpions wurde gerade demontiert, Späher waren ausgeritten, um weitere Bedrohungen auszukundschaften und …
Silbernes Mondlicht fiel auf Agathas bloßgelegten Bauch.
Eigentlich war es egal, was um sie herum passierte, oder?
Cal hob seinen Blick, sah in ihre verzaubernden, grünen Augen und stellte fest, dass sie nicht nur in die Ferne reichten, sondern der gesamte Gesichtsausdruck seiner Frau melancholisch wirkte.
„Schatz?“, fragte er und sie blinzelte, schien sich in die Realität zurückzufinden und blickte ihn verblüfft an. Ein unsicheres Lächeln erschien auf ihren Lippen: „Hey, wo kommst Du denn her?“
„Von da.“, sagte Cal und deutete auf den Tisch mit den Köstlichkeiten der sieben Wüsten, „Der Sultan hat einiges aufgefahren – das solltest Du sehen.“
Die XO  machte ein kurzes „Mhm“, ehe dem Captain ihren Kelch in die Hand drückte, auf den Balkon trat und sich auf die Brüstung stützte. Cal folgte ihr, tat ihr fast alles gleich (zugegeben, das mit dem Kelch wäre ein wenig sinnfrei) und schaute ebenfalls in die Ferne.
Stille legte sich über die Beiden.

Zum selben Zeitpunkt standen zwei weitere Personen auf einem anderen Balkon und blickten auf den metallischen Skorpion, der im Mondlicht schimmerte.
Jasmin hob den Blick, als sie das leise Schnurren Rajahs hörte, der aus ihrem Zimmer über den großen Balkon auf sie zu kam.
Mit einem sanften „Na?“ auf den Lippen ging sie vor ihr in die Knie, streichelte den Kopf der Tigerdame und wandte sich dann zu Aladdin um: „Mir gefällt das alles nicht. Es ist zu… zu einfach.“
Der angesprochene Held drehte sich um und schenkte ihr ein Lächeln: „Meine liebe Prinzessin – was soll noch kommen? Wenn Mechanikles’s Plan darin bestand, Agrabah mit einem metallischen Riesenskorpion zu verwüsten, dann haben wir ihn gestoppt.“
Schon war Jasmin wieder auf den Beinen, blickte ihren Geliebten und Ehemann an und breitete die Arme fragend aus: „Aber – hat er nicht immer wieder bewiesen, dass er nicht nur einen, sondern gleich mehrere Pläne hat, für den Fall, dass sein Hauptplan nicht funktioniert?“
Und sie konnte an Aladdins Mimik feststellen, dass er darüber tatsächlich nachgedacht hatte.
Aha! Also war die Sache nicht nur ihr zu einfach. Doch die Miene des Abenteurers erhellte sich nach ein paar Sekunden wieder: „Er ist im Gefängnis. Wir haben ihn dieses Mal wirklich gefangen nehmen können. Wie will er aus dieser Lage wieder herauskommen?“
Jasmin musste zugeben, dass dies eine ziemlich logische Begründung war. Wie sollte er aus einer gesicherten Zelle wieder ausbrechen können? Und doch – nach dem was Aladdin ihr erzählt hatte, gab es einen geheimen Gang, der es gestattete aus eben jener Zelle entkommen zu können. Zwar hatte man sofort die besten Steinmetze Agrabahs darauf angesetzt, eben jene Fluchtmöglichkeit zu beseitigen, aber sie war sich sicher, dass es, wo es einen Geheimgang gab, noch andere geben musste. Das war ein Gesetz der Serie.
„Jas…“, setzte Aladdin in diesem Moment an, wie immer, wenn er glaubte, dass sie beiden ungestört waren. Er kam auf sie zu, nahm ihre zierliche Hand in Seine und schenkte ihr erneut ein Lächeln: „Wenn es dich beruhigt, können wir nachher einen Blick in die Zelle werfen.“

Auch hier konnte die Prinzessin nicht anders, als einzusehen, dass dieser Argumentationsgang eine gewisse Logik beinhaltete. Und vielleicht – aber auch nur vielleicht – übertrieb sie. Allerdings, wenn sie überlegte, dass sie die Schurkengalerie, mit der sie es im Laufe ihrer Abenteuer oft genug zu tun bekomkmen hatten, ziemlich gut kannte und weiterhin in Betracht zog, dass ja nicht nur ein wahnsinniger, griechischer Erfinder, sondern eine Katzengöttin, ein schwachsinniger Dieb und der ein oder andere wahnsinnige Zauberer in jener Galerie zu finden waren – irgendwie bezweifelte sie, dass sie übertrieb.

Und nun waren ja auch noch neben den zwei königlichen Gesandten, die sich ohnehin angekündigt hatten, diese beiden anderen Hochwohlgeboren aufgetaucht. Das Chaos würde nicht lange auf sich warten lassen, dessen war sie sich einfach sicher – es war wie ein schwerer, schwarzer Klumpen, der in ihrem Bauch lag und dort rumorte.

Dennoch – vielleicht konnte sie sich doch entspannen? Vater hatte die Feier ihnen zu Ehren gegeben und es wäre eigentlich eine Schande, diese Feier zu verschmähen. Und vielleicht übertrieb sie es wirklich.
Zwar sträubte sich ihr kompletter Verstand und ihr kompletter Körper gegen die Vorstellung, dass Mechanikles tatsächlich sicher in Gewahrsam war, aber sie konnte sich nicht helfen. Später würde sie nachsehen gehen – jetzt musste sie auf der Feier anwesend sein und Präsenz zeigen.
„Aladdin?“, leitete sie ein und als der Mann sie anblickte, lächelte sie sanft: „Geh schon mal vor – ich muss mich eben umziehen und folge dann.“

Papyrus betrachtete die angerichteten Köstlichkeiten und fragte sich, wer – bei Horus – das alles essen sollte. Die Palastküche hatte tatsächlich sehr schöne Speisen aufgefahren und er fand es schade, dass sein Magen schon nach zwei Gängen mehr als nur genug hatte. Was ihn aber mehr beschäftigte, war das Ding vor den Toren der Stadt und er fragte sich, warum sie nun feierten – sie könnten sich auch um diesen Skorpion kümmern, ihn demontieren und damit für alle sicher machen. Und wenn er auch nur den Hauch eines Funkens Menschenkenntnis besaß, so sah er, dass Theti ähnliche Gedanken durch den Kopf huschten. Das war doch eigentlich verrückt. Welchen Sinn hatte es, jetzt schon zu feiern? In seinen Augen war dies verfrüht.
Theti ließ ihren Satéspieß sinken, blickte zu Papyrus und trat auf ihn zu: „Du machst Dir auch Gedanken, oder?“
„Ja – wenn das alles zutrifft, was uns über Mechanikles erzählt wurde, dann würde ich vermuten, dass er einen Plan hat, um hier herauszukommen.“
Die Prinzessin nickte. „Ich sag dir was, mein kleiner Fischer. Wir werden uns nach der Feier mal in den Kerker begeben, um zu überprüfen, ob Mechanikles noch da ist.“
„Das klingt nach einer guten Idee.“, mischte sich in diesem Moment die Stimme des Mannes ein, den man nur „Prinz Doktor“ nannte. Er nahm sich ebenfalls einen, der auf dem Tisch dargebotenen Satéspieße und zuckte mit den Schultern: „Ich weiß auch nicht. Irgendwie is in der Party der Wurm drin.“
Und dann blickte er Theti an: „Sagen Sie, Prinzessin…“
Er stockte, schien etwas formulieren zu wollen, schüttelte dann den Kopf und schaute die Beiden wieder an: „Nicht weiter wichtig. Genießt die Feier.“
Damit wandte er sich um und ging zu seiner Prinzessin.
Papyrus und Theti blickten ihm nach.
„Ein sehr merkwürdiger Mensch“, stellte die ägyptische Thronfolgerin fest.
Papyrus nickte.

Cal erreichte die grübelnde XO wieder, hielt ihr den Satéspieß hin und lächelte: „Ohne Erdnusssoße. Ich weiß, die magst Du nicht.“
Sie wandte sich ihm kurz zu, lächelte für den Bruchteil einer Sekunde, hauchte ein „Danke“, ehe sie den Spieß nahm und ins Fleisch biss. Dann starrte sie wieder in die Dunkelheit, die der Nachthimmel über Agrabah war.
Einige Sekunden hüllte die Nachtruhe sie in Schweigen. Agrabah schlief den Schlaf der Gerechten, das Wetter war toll – was konnte man nicht mögen?
Der Captain seufzte behaglich, trat neben seine Frau und bettete seinen Kopf auf ihre Schulter.
„Heimweh?“, fragte er dann und wandte seinen Blick wieder ihr zu. Ihre grünen Augen leuchteten im Mondenschein und eine einzige Träne kullerte über ihre Wange.
Sie lächelte kurz und freudlos, ehe sie den Kopf schüttelte: „Nein. Ich bin zu Hause. Ich bin auf der Erde. Es ist eher ein ‚Zeitenheimweh’.“
Der Captain schluckte hart, ließ seinen Blick dann wieder über die Stadt schweifen: „Das kenne ich. Ich möchte auch am Liebsten wieder im 24. Jahrhundert sein. Besser jetzt als gleich. Zumal mich interessieren würde, ob es Adama und Konsorten in unsere Gegenwart geschafft haben.“
Agatha Silverbirds Körper versteifte sich, dann wandte sie sich ihm zu: „Du weißt, dass dies eigentlich deine Schuld ist? Wenn Du nicht versucht hättest, die Menschen vor den Zylonen zu retten, wäre das alles gar nicht passiert.“
„Wollen wir ernsthaft, jetzt, hier, unter dem schönsten Mondenschein über diese Hilfsaktion reden? Du weißt, dass ich dazu stehe?“
Seine XO holte Luft, atmete einmal durch und schaute ihn dann an: „Ja, aber deine Taten haben Konsequenzen. Ich weiß nicht – begreifst Du das nicht?“
„Was hätte ich machen sollen? Ignorieren, dass die Zylonen die GALACTICA beinahe aus dem All gepustet hätten? Ignorieren, dass sie ansonsten gestorben wären?“
Kurz stieß Agatha die Luft aus, so, als ob sie abfällig schnauben würde, warf die Arme in die Luft und wandte sich dann wieder dem Panorama zu.
Der Captain betrachtete sie und machte keine Anstalten, wegzugehen.
Und er konnte sehen, dass sie genervt war, denn sie schloss die Augen, atmete noch einmal tief durch, als müsse sie sich beherrschen, nicht zu explodieren. Dann widmete sie ihm ihre gesamte Aufmerksamkeit.
„Ich kann verstehen, warum Du das getan hast – aber ich hoffe, Du verstehst, dass es falsch war. Oder besser – wenn schon nicht falsch, dann wenigstens riskant.“
„Riskant ist eine Menge.“, stellte der Kommandant fest, trat auf sie zu und blickte sie an: „Und ich werde nie aufhören, riskante Sachen zu tun. Dafür bin ich der Captain. Und für sowas habe ich meine genau so wunderschöne, wie unglaublich clevere, XO.“
Damit zwinkerte er ihr zu: „Ich hab dich nicht nur wegen deiner roten Haare zu meiner Stellvertreterin gemacht.“
„Nein“, sagte sie und dieses Mal war das Lachen, dass aus ihrer Kehle emporstieg, nicht freudlos, „Weil ich die eigentlich richtigere Wahl gewesen wäre.“
Das Grinsen auf Cals Lippen hatte eine Nuance von Spott: „Oh, wie Du bescheiden bist, mein Liebling.“
Damit nahm er sie in den Arm und küsste sie.
Sie erwiderte den Kuss und stockte, als sie merkte, dass er nach dem Satéspieß griff.
„Mistkerl.“, grinste sie, „hast Du es nur auf diese Hühnerbrust abgesehen?“
„Darauf“, zwinkerte Cal ihr zu, „Antworte ich lieber nicht – am Ende wird’s noch NC-17.“
Ihr amüsiertes „Dummkopf“ konterte er mit einem amüsierten Zwinkern, ehe er mit dem Kopf Richtung Tisch nickte: „Wollen wir dann jetzt zur Party gehen? Oder machen wir nachher unsere eigene Feier?“
„Wie war das mit dem NC-17?“, kicherte Agatha und nahm ihn dann bei der Hand, um ihn zurück in den Bankettsaal zu führen.
Aladdin trat auf sie zu, grinste und fragte: „Ärger im Paradies?“
„Das Paradies ist wieder da.“, erwiderte Cal und stockte, als die Tür aufging und Prinzessin Jasmin hereinkam.
„Al“, sagte er dann, „Ich glaube, das solltest Du dir ansehen.“

Der junge, ehemalige Dieb drehte sich um und erstarrte.Seine Frau war ja in ihrer normalen Kleidungswahl schon wunderschön, aber nun schien sie das alles noch überbieten zu wollen. Offenbar hatte sie magische Hilfe vom Genie gehabt, denn dieses Kleid war ihm bisher nicht aufgefallen. In der Hauptsache war es rot, lang und an den richtigen, strategisch nicht unbedingt wichtigen Stellen, durchsichtig. Es verfügte über einen Schleier, der momentan offenstand und Aladdin konnte von sich mit Sicherheit behaupten, noch nie etwas Schöneres gesehen zu haben. Irgendwie schien auch Prinz Doktor elektrisiert und Aladdin fragte sich, woran das liegen mochte.

Cal stubste seine XO an, die kurz einen Blick auf die Frau warf und dann ebenfalls erstarrte.
Trug sie wirklich…
Sie wandte sich an Cal: „Schatz, träum ich oder wach ich?“
Der Captain schaute seine Frau wie betäubt an, blickte dann wieder zu Jasmin und sein Blick verlor sich im schimmernden Diadem, das ihre lange, zur kunstvollen Lockenpracht gesteckte, Frisur an Ort und Stelle hielt.
„Nein“, hauchte er, „Das ist tatsächlich einer.“
Aber wie kam er dahin?
Der Captain wusste es nicht, er wusste nur, dass der blaue Edelstein, welcher als Blickfang im Diadem zu finden war, vermutlich unter Schmucksammlern keinen großen Wert erzielen würde – wohl aber unter Ingenieuren der Sternenflotte.
Es war ein Dilithium-Kristall.

TBC


CaptainCalvinCat

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Kapitel 9.3

Der Captain der DRAGONFLY betrachtete fasziniert, wie die blauen Reflexe, die der Dilithium-Kristall warf, über Haare und Haut der Prinzessin von Agrabah tanzten, ehe er verblüfft zu seiner XO blickte. Auch sie schien wie hypnotisiert von dem Widerschein zu sein und irgendwie überraschte es ihn nicht. Ein Gruß aus der Zukunft, hier in der Vergangenheit der Erde? Natürlich hatte es Dilithiumabbau auf der Erde gegeben – wie sonst hätte Zephrem Cochrane ansonsten zu seinem legendären Phönix-Flug aufbrechen können und Cal konnte sich schon vorstellen, dass der erste Kristall, der verwendet wurde, vorher ein eher unscheinbares Leben entweder als Schmuckstück oder aber im Schoß der Erde geführt hatte, aber hier in dieser Umgebung, dieser Disney-Fikation des Orients, die sich verblüffenderweise als relativ realistisch herausgestellt hatte, über einen Gegenstand zu stolpern, den sie vermutlich brauchen konnten, war etwas, das ihn mehr als nur überraschte.
Und wenn er ehrlich war – genau sowas konnte er jetzt brauchen.

Zumal er sich langsam, aber sicher fragte, wie er zu seinem Schiff kommen sollte. Bisher hatte es andere Prioritäten gegeben: Man hatte sich eine gewisse Identität aufbauen müssen, hatte zeigen müssen, wer man war, ohne zu zeigen, wer man war und man war – mehr oder weniger – gezwungen gewesen, mitzuspielen. Morgen allerdings, aber das hatte er Agatha erst später sagen wollen, wollte er sich auf den Weg in die lebensfeindliche Umgebung der Wüste machen, um die bruchgelandete DRAGONFLY zu finden. Zwar bezweifelte er, dass es leicht werden würde – andererseits war bekannterweise nichts, das sich lohnte, wirklich einfach.

Er trat auf die Prinzessin zu, schenkte ihr ein freundliches Lächeln, ehe er mit dem Kopf Richtung Kristall nickte.
„Das ist ein schönes Diadem, das sie da haben, Prinzessin.“, eröffnete er die Unterhaltung, was sie mit einem „Danke sehr“ beantwortete.
„Darf ich fragen, von wem Sie es haben?“
‚Neugierig sind wir so gar nicht.’, schoss es dem Captain durch den Kopf und er fragte sich, ob sie seine doch sehr intime Frage beantworten würde – doch dazu sollte es nicht kommen. Das laute Klatschen des Sulatns riss ihn in die Gegenwart zurück.

Es gab wenige Momente, in denen der Sultan tatsächlich „scheinen“ konnte, an denen er in der Lage war, zu zeigen, zu welchen wirklich großen Taten er fähig war. Jasmin selbst sah ihn als ihren Vater an, als jenen Mann, der ihr in all den Jahren als Freund, Mentor und Gegenspieler gleichermaßen gewesen war und den für den sie einfach unbändige töchterliche Liebe empfand. Der Gedanke, dass er eines Tages nicht mehr da wäre, um die Geschicke Agrabahs zu lenken oder um ihr Vater zu sein, machte sie immer wieder traurig. Und doch – es war eine Unabwendbarkeit. Noch war er allerdings der Sultan und die Momente, in denen er zeigen konnte, als welchem Holz er geschnitzt war, waren die, in denen er tatsächlich etwas zu tun bekam. Über das Königreich von Agrabah zu herrschen war etwas, das sich zwischenzeitlich sehr nach einem Prinzip ausnahm, das man heutzutage als „Stille-Post-Prinzip“ bezeichnen würde. So war die Palastwache eigentlich angewiesen gewesen, für Ordnung zu sorgen, was im Falle der Beziehung zwischen Aladdin und Razul seinerzeit zu sehr unschönen Szenen führte.

Hier konnte der Sultan jedoch zeigen, das er eigentlich ein guter Herrscher war. Er hob seine Stimme und begann dann, mit melodischer Stimme zu sprechen.
„Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Jasmin, mein lieber Schwiegersohn Aladdin. Zum zweihundersten Mal innerhalb von drei Jahren haben es mein Schwiegerson, seine Frau und ihre Freunde geschafft unsere schöne Stadt Agrabah vor Unheil zu bewahren. Dies ist ein besonderer Anlass, der nach einer weiteren Feier ruft. Ich danke euch, dass Ihr so zahlreich erschienen seid.“
Dann blickte er in die Runde, lächelte und deutete mit dem präzisen Timing eines Zeremonienmeisters auf die große Tür, durch die Aladdin seinerzeit auf dem Rücken des zu einem Elefanten transformierten Abu geritten war. Knarrend öffnete sie sich und gab den Blick auf mindestens ein gutes Dutzend Musikanten und Tänzerinnen und Tänzer frei.
Letztere hüpften mit anmutigen Schritten den Musikanten voran, die es sich nicht nehmen ließen, reißerische Rhythmen aus ihren Instrumenten klingen zu lassen.
„Die Festivitäten können hiermit beginnen.“, rief der Sultan und klatschte erneut in die Hände.

Seit wievielen Stunden sie nun auf den Beinen waren und ihre Körper den heißen Rhythmen überließen, die die Musikanten ihren Instrumenten entlockten, wusste der Captain nicht und es war ihm auch eigentlich egal. Entgegen seiner eher medioker-anmutenden Erfahrung im Nachtclub, die je nach Sichtweise erst stattfinden würde oder schon stattgefunden hatte, hatte er hier die Hände seiner XO gegriffen und sich den Klängen ergeben. Sie wirbelten einander übers Pakett, nahmen zwischendurch Blickkontakt zu den anderen Tänzerinnen und Tänzern auf, Cal sah das blaue Glitzern des Dilithiumkristalls und stellte in dem Moment, in dem Agatha sich an ihn schmiegte fest, dass es momentan egal war. Er ließ seine Hand über ihren Rücken gleiten, sah, wie sie erschlaffte und sich nach hinten sinken ließ, nur gehalten von seinen Armen – nach aussen hin mochte das wirklich unglaublich elegant und beinahe erotisch aussehen, Cal stellte nur fest, dass es faszinierend war, dass ein so leichter, stromlinienförmiger und zierlicher Körper dennoch eine gewisse Schwere aufweisen konnte, wenn er nur durch zehn Finger gehalten wurde, die an neuralgischen Punkten saßen und das Gewicht von 60 Kilo auf eine Fläche von ungefähr 15 x 22 Zentimetern  - also ungefähr der Größe eines Taschenkalenders – verteilt wurde.
Was war Cal froh, dass sie sich dann wieder nach vorne katapultierte und in seine Arme flog.
Andererseits war es ihm auch egal, denn wenn es Momente gab, die er genoß, dann waren es Momente wie solche.  Er lächelte, gab sich noch mehr Mühe, ließ ihren Luxuskörper noch einmal herumwirbeln und zog sie dann wieder zu sich, vollkommen verloren im Moment und vollkommen gebannt von ihren grünen, vor Leidenschaft funkelnden Augen.
Man sagte nicht umsonst, dass Tanzen der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens war – und selbst wenn der Spruch auch nur zu 10 Prozent zutreffen würde, war sich Cal bewusst, dass das Klischee verlangt hätte, dass danach mindestens eine Zigarette fällig gewesen wäre.
Das war aufgrund von drei Faktoren nicht der Fall. Erstens rauchte Cal nicht, zweitens rauchte Agatha nicht und drittens, selbst wenn, war sich der Sternenflottenoffizier nicht sicher, ob die Zigarette überhaupt schon erfunden war.

Und dann geschah es.
Der Raum verdunkelte sich komplett.
Nein, so kann man das nicht beschreiben.
Von der Tür des Bankettsaales schien – zunächst unbemerkt, wie Rauch, dann aber immer mehr sichtbar – Dunkelheit in den Raum zu tropfen.
Cal bemerkte sie, als sie, schlangengleich, an Agathas Fuß entlangglitt, was sie zu einem überraschten Keuchen animierte. Der Captain blickte seine XO überrascht an, die ihm zunickte und ihren Tricorder zog. Inzwischen verdichtete sich die Schwärze im Raum, was sowohl den Musikern, als auch den Tänzern, jegliche Lust am Fortfahren ihrer Profession und Darbietung nahm und dazu führte, das jeder im Raum die Schwärze gebannt beobachtete.
Der Captain fühlte, wie ein Schauer über seinen Rücken lief, aber nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben, wie sich jener Schauer dann aufbäumte und in sein Genick bohrte, nur um sich drei mal um seinen Kopf zu wickeln und dann von der Schwärze angesaugt zu werden.
Was war das denn?
Er erinnerte sich an einen Bericht, den er einmal gelesen hatte. Kirk. Die Totalität. War sie etwa in die Vergangenheit gereist und hatte…
Cal stockte, als er sah, wie die Schwärze zu einer perfekten Kugel wurde, die obsidian-schwarz schimmerte und vermutlich sogar so schwarz gewesen wäre, das man sich in ihr hätte spiegeln können. Diese Form hielt allerdings nur ein paar Sekunden an, ehe mit einem lauten, metallisch-kreischenden tsching   eine Art Enterhaken aus der Kugel in den Boden geschossen wurde und sich dort verankerte. Ein weiteres Tsching später war ein anderer Schwarzer-Kugel-Enterhaken in die Decke eingeschlagen und setzte sich dort fest.
Verblüfft warf der Captain einen Blick zu Agatha, die den Tricorder vor sich hielt und das Ding scannte. Dann ließ sie das Gerät sinken und schüttelte den Kopf. Agatha wusste anscheinend genau so wenig, was hier vor sich ging, wie alle anderen, die dem Geschehen wie gebannt und hypnotisiert folgten.
Dann stieß das Ding einen lauten, schrillen, ohrenbetäubenden und trommelfellzerreißenden Schrei aus, dem Stille folgte.

Jasmin nahm die Hände als Erste von den Ohren. Was auch immer das für ein Gegenstand war – sie war diesem Ding gegenüber zwigespalten. Einerseits bezweifelte sie, dass es wegen Mechanikles hier war. Dazu schien es zu wenig mechanisch, sondern wirkte auf eine gerade zu ekelerregende Art und Weise Organisch. Doch zu glauben, dass es sich bei der Gefangennahme des Griechen und dem Auftauchen dieses Gegenstandes um zwei Ereignisse handelte, die nichts miteinander zu tun hatten, erschien ihr ein wenig blauäugig. Zwar gab es Zufälle, aber diese beiden Gegebenheiten erschienen ihr dann doch zu un-zufällig, um nichts aufeinander bezogen zu sein.
Aber was war es? Irgendeine Waffe? Hatte der Grieche den Palast jetzt mit dieser schwarzen Kugel unter seine Kontrolle gebracht?
Wenn sie so darüber nachdachte, dass sie selbst einmal auf alles und jeden neidisch gewesen war, nur, weil einer von Mechanikles kleinen Käfern in ihr Haar gekrochen war und sie mit einem von El Fatal erbeuteten Psychosteinen unter seine Kontrolle gebracht hatte, konnte man die Fähigkeit des Wissenschaftlers und Erfinders, teuflische Waffen zu konstruieren, gar nicht genug betonen. Bestes Beispiel dafür war der Skorpion, der vor den Toren demontiert wurde.
Ob das Ding von dort gekommen war?
Ein lautes „Ihh, was ist das denn?“, das eine der Tänzerinnen von sich gab, erweckte ihre Aufmerksamkeit. Sie schaute zu ihr, folgte ihrem Blick und stellte fest, dass der ganze Boden inzwischen obsidianschwarz schimmerte. Was war das? Hatte diese Kugel den Boden manipuliert?`
„Ich kann mich nicht bewegen.“, stellte ein anderer Tänzer fest. Jasmin wandte sich um und sah, wie er versuchte, die Beine zu heben, aber vom Boden zurückgezogen wurde. Eine hauchdünne Schicht schwarzer Masse hielt ihn fest.
Sie wechselte einen besorgten Blick mit Aladdin und stellte fest, dass er sich verfluchte, gerade kein Schwert dabei zu haben.
Der in ihrer Nähe stehende Prinz Doktor versuchte ebenfalls, einen Schritt nach vorne zu machen, wurde aber vom Boden wieder in die normal stehende Position gezogen und murmelte ein „Das ist wie Kaugummi unter den Sohlen, nur tausendmal schlimmer“. Jasmin konnte dem nur zustimmen. Sie hatte von Harzen gehört, die genießbar waren und die man kauen konnte.
Und dann merkte sie, wie die Schwärze ihren Körper hochglitt. Erst einige Zentimeter, sodass ihre Füße im Boden zu stecken schienen, dann schleimte sie ihre durchtrainirten Beine empor, bis zur Hüfte. Kurz warf sei einen Blick rundherum und stellte fest, dass jeder im Saal in der Selben Zwickmühle steckte und dass diese Masse, was auch immer sie war, nicht sonderlich viel auf die Kunst zu geben schien, die ihre Lehrer ihr als „Physik“ vorgestellt hatten. Das gesamte Spektakel spielte sich im Saal ab, doch die Substanz floss nicht durch die großen Fenster nach draußen. Hier musste irgend ein Wille am Werk sein, irgendeine Magie, die den Schleim, die Substanz, die Schwärze, kontrollierte.
Prinz Doktor förderte den seltsamen Gegenstand zu Tage, mit dem er heute schon auf den Mann geschossen hatte, der sie vor dem Skorpion hatte warnen wollen und auf den Skorpion selbst. Erneut sandte das Ding einen Lichtstrahl aus, der die Schwarze Kugel in der Mitte traf. Die Energie, die in diesem Lichtstrahl steckte, wurde von der Kugel absorbiert und dann in die schwarze Masse gesandt, in der sie alle steckten. Jasmin spürte, wie sie von dem Licht im Bauch getroffen wurde, wie es sich ihre Muskeln hocharbeitete, ins Hirn vordrang und …

Aladdin spürte, wie er im Rücken getroffen wurde, wie sich irgendwas durch seinen Körper fras, Schmerzen verursachte und seine Sinne zu rauben drohte. Als der junge Mann aber sah, wie seine Frau schmerzerfüllt aufstöhnte, erst nach vorne sackte, um sich dann aufzubäumen und kurzzeitig nach hinten zu sinken, sodass ihr Zopf einen perfekten Bogen umschrieb, wurden Urkräfte in ihm wach. Mit einem lauten „JASMIN!“ machte er sich daran, aus der Masse herauszuspringen, doch anstatt, dass er dies schaffte, fiel er nach vorne in die Schwärze und…

Cal sah, wie die Energie, die er in die Kugel geschickt hatte, auf die Fläche umgeleitet wurde und auf ihn und alle anderen Gefangenen zuleckte. Die Tänzer und Musikanten schrien und erschlafften kurzzeitig, dann war die Energie bei ihm. Milisekunden, bevor sie ihn traf, wandte er seinen Blick zu Agatha, die ihm beruhigend zulächelte. Dann brandete die Energie gegen seine Neuronen – Schwärze folgte.

Genie wusste nicht, wie lange er sich daran gemacht hatte, die Demontage des Skorpions zu begleiten. Er wusste nur, dass seine halb-phänomenalen, fast kosmischen Kräfte dafür einfach gut geeignet waren. Und wenn man eine Arbeit erledigte, dann bitteschön mit Stil. Schnell hatte er sich, vor den Augen der Wachen, verwandelt, trug nun einen Bauarbeiterhelm, ein kariertes Hemd, eine blaue Latzhose und wandte sich an die Wachen: „Dann wollen wer ma, wa?“
Er liebte den Berliner Akzent, mochte es, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit einzusetzen, auch wenn Aladdin, Jasmin und auch Teppich nicht viel damit anzufangen wussten. Selbst Iago, seines Zeichens Papagei und weitgereist, war noch nicht zu diesem Flecken gekommen, den man später Deutschland nannte und hatte nie die berühmte „Berliner Schnauze“ hören dürfen – er selbst, der er mehr oder weniger ausserhalb von Raum und Zeit lebte, war da schon priviligierter gewesen.
Und wie er es liebte, mit Eden durch Raum und Zeit zu schweben. Aber das gehörte nicht hier her – auch nicht der Fakt, dass es ihn traurig machte, der einzige befreite Genie zu sein. Dafür, dass andere Flaschengeister weit weniger Glück hatten und von ihren Meisterinnen und Meistern nicht befreit worden waren – auch Eden war dies nicht vergönnt, wenngleich sie es mit ihrer jungen Meisterin eigentlich ganz gut getroffen hatte – konnten die Bewohner von Agrabah nichts.

Gut - bei Eden verstand er es. Sie konnte das junge Waisenmädchen Dhandi nicht einfach alleine lassen. Andere Flaschengeister hatten nicht soviel Glück und es verärgerte ihn und machte ihn traurig, dass nicht alle Menschen so verständnisvoll seiner Spezies gegenüber waren, wie Al.
Irgendwann würde er sich darum kümmern. Vielleicht müssten die Flaschengeister aus dem kollektiven Bewusstsein der Menschen verschwinden, vielleicht bestand die Möglichkeit, ein eigenes Kontinuum…
Aber das war ja Blödsinn.
Und es half nichts. Wenn Dhandi starb, wären er und Eden zwar zusammen, aber nur solange, wie niemand anderes die Flasche der schönen Flaschengeistin fand.
Manchmal gab es Tage, an denen er versucht war, die Bewohner von Agrabah ihrem Schicksal zu überlassen – aber nicht heute.
Lächelnd ließ er seine Magie spielen, zauberte einen großen Presslufthammer herbei und begann damit, den Metallskorpion, den Mechanikles gesandt hatte, zu traktieren. Dieser schien davon wenig begeistert zu sein.
„Hm, ein harter Gegner“, konstatierte der Flaschengeist, verwandelte seine Form und sagte: „Aber ich bin John Spartan. Ich bin der Demolition Man.“
Mit seine Magie beschwor er eine Pumpgun herauf – natürlich in der Genievariante, sprich lächerlich groß und blau – zielte auf den Skorpion und sagte, mit typisch, stallone-iger, schiefhängender Lippe: „Adrian!“
Dann schüttelte er den Kopf, verwandelte sich in ein Abbild von Arnold Schwarzenegger, sagte „ich meine natürlich“, ehe er in englisch-österreichischem Akzent ein „Asta la vista… baby“ von sich gab.
Er schoss – und auch dies schien den Skoropion wenig zu kümmern. Im Gegenteil. Die Magie des Flaschengeistes wurde von irgendetwas reflektiert, kam zu ihm zurück, wie ein großer Boxhandschuh, traf ihn und verwandelte ihn erneut – dieses Mal in Rocky, der gegen eine Wand taumelte und mit einem „Ich bin ausgezählt“ an ihr herabsank.
Wenn es nicht schon passiert ist,  merken die Leser an dieser Stelle, dass es einfacher ist, die visuellen Anspielungen, die der Genie zu bieten in der Lage ist, zeichnerisch darzustellen, als schriftlich festzuhalten. Aber das hat den Autor dieser Zeilen ja noch nie gestört.
Genau so wenig, wie der kleine Rückschlag den Genie störte, denn er war wieder auf den Beinen und begann, den Skorpion mit einem großen Vorschlaghammer zu bearbeiten.
So ging es den ganzen Abend.

Das laute Heulen, das seinen Ursprung im Palast hatte, schienen die Wachen besonders enervierend zu finden, die gingen in die Knie, pressten die Hände auf die Ohren und schrien. Genie hielt mitten in der Bewegung inne, der Hammer blieb genau über seinem Kopf stehen und ehe er Schaden anrichten konnte, verschwand er in einem Aufpuffen von Magie.
Fasziniert hob der Flaschengeist seinen Blick und sah, wie der Palast von Blitzen erhellt wurde.  „Da gucken wir doch lieber ma nach, wa?“, sprach er, immer noch im Berliner Duktus und hob ab, um auf den Palast zuzufliegen.
Kurz blickte er zu den Soldaten, die gerade wieder auf die Beine kamen und ihm zuwinkten.

Auf dem Balkon, der zum Thronsaal gehörte und der gerade zum Bankettsaal umgewandelt worden war, setzte nach ein Paar Sekunden Flug Genie auf, wobei er sich den Habitus von Iron Man zum Vorbild nahm – nur eben in Blau. Gut, Comic-Kenner würden jetzt sagen „Hey, passt doch, Tony ist doch meistens blau“ und würden sagen „Allegorie zur wirklich guten Story ‚Demon in the Bottle’?“. Hierzu könnte ich natürlich sagen „Ja, klar“, aber das wäre gelogen. Es ist einfach Genies Interpretation von Tony Stark. Mit langen, kraftvollen Schritten trat er auf die großen Fenster zu und stockte, als er sah, dass der komplette Raum bis zur Decke mit einem schwarzen „Schleim“ gefüllt war. Plötzlich veränderte sich etwas – als wollte eine geheimnisvolle Macht Genie einen Einblick gewähren, hellte sich der Schleim auf, die undurchdringliche Schwärze wich einer Klarheit, sodass er in den Saal spähen konnte. Dort standen Menschen, wie Insekten im Bernstein, eingefroren in der Zeit.
Genie schluckte, als er die vertrauten Formen Aladdins und Jasmins erkannte, die ebenfalls gefangen schienen.
Genie verwandelte die Iron-Man-Rüstung erneut, ließ sie in einen Hammer metamorphieren, den er mit großer Wucht gegen die Masse schnellen ließ – was keinen Effekt zu zeitigen schien.
Was war hier los?
Der Flaschengeist spähte erneut in die Masse. Keiner der Eingesperrten hatte sich bewegt, was bedeutete, dass sie entweder tatsächlich in der Zeit eingefroren waren – oder er aber nur noch ihre Leichen sehen konnte.
War Al tot?
Er wusste es nicht, er hoffte nur, dass es nicht so war und sank an der Masse herab, um den Kopf in die Hände zu stützen.
Was konnte er tun?
TBC

Kapitel 9.4
Der Dschinn wusste nicht, wie lange er schon da gesessen hatte und darüber nachsann, welche Schritte möglich wären. Wenn er ehrlich war, interessierten ihn solche Kleinigkeiten auch nicht, er war nur daran interessiert, seine Freunde aus diesem Gefängnis befreien zu können. Es war magisch – soviel war dem Flaschengeist klar und bewusst, aber er wusste nicht, wie er die Magie, die hier im Spiel war, am Besten umgehen konnte. Die Wachen, deren polternde Schritte er wahrnahm, würden vermutlich auch nichts ausrichten können, aber er kannte Razul. Er würde es versuchen wollen, würde vermutlich sogar einen „Mutigen Vorstoß“ machen, entweder das Schwert gegen die Masse führen oder versuchen, sie mit der Hand zu berühren. Er kannte den Mann, der als Hauptmann der Wachen verantwortlich war, einfach zu gut. Und er kannte die Magie zu gut. Gut genug, um zu wissen, dass diese Aktion kein willkürliches Aufflackern magischer Energie war, sondern ein wohl kalkulierter Angriff.
‚Erinnerst Du dich noch daran, als der schlimmste Angriff gegen deine Freunde durch einen Comedy-Effekt von Dir, in der Regel ein einfaches ‚in Puzzle-Teile zerspringen’ abgewendet wurde?’, schoss es ihm durch den Kopf und er musste lächeln. Klar erinnerte er sich daran – das war doch erst gerade eben passiert.

Genie seufzte. Was konnte er tun?
Diese Frage hatte er sich mindestens ein halbes Dutzend Mal gestellt und jetzt, wo die Wachen auftauchten und Position bezogen, wusste er, dass die Situation sich bald sehr unschön entwickeln würde.
„Was ist hier passiert?“, hörte er die Stimme des Hauptmannes der Wachen, Razul. Die Antwort, die ihm auf der Zunge lag – ein „Das würde ich auch gerne wissen“ – schluckte er herunter und beschränkte sich auf ein „Ein magischer Angriff, den ich nicht abwenden konnte.“. Das traf zumindest zu. Razul schien das ebenfalls zu denken, steckte das Schwert, das er gezogen hatte, wieder in die Schlaufe seiner Pluderhose und betrachtete den Genie mit einem Gesichtsausdruck , den dieser schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Es war wieder dieses „Frownen“, also das Verziehen des Gesichts, zu einer Miene des bloßen Mißtrauens. Genie konnte durchaus sehen, was im Kopf des Wachmannes vor sich ging, sah, dass Razul sich hauptsächlich zwei Sachen fragte und auf keine der beiden eine befriedigende Antwort wusste.
Frage 1) Wenn dieses Ding, das den Ballsaal umschließt, magisch ist, müsste dann Genie nicht zu einem Hauptverdächtigen werden?
Frage 2) Wenn dieses Ding, das den Ballsaal umschließt, magisch ist, müsste dann Genie nicht eigentlich helfen können?
Dem schloss sich die dritte Frage, ob man Genie überhaupt trauen konnte, an.
Kurz durchdachte Razul diese Fragen, kam dann zu dem für ihn absolut unbefriedigenden Ergebnis, dass er keine der Fragen beantworten konnte und auf sein Bauchgefühl angewiesen war.

Bei anderen Ermittlern mochte dies eine gute Nachricht sein, Razul hatte jedoch über den Zeitraum von knappen 3 Jahren herausgefunden, dass sein Bauchgefühl ihn zwischendurch ziemlich in die Irre führen konnte. Er seufzte. Was war nun die angemessene Wahl?
Konnte er…
Kurz stockte Razul – was überlegte er eigentlich? Wenn es darum ging, Sultanat und Sultan zu retten, war jedes Mittel recht. Er wandte sich an Genie, straffte seine Gestalt und blickte ihn ernst an. „Ich weiß nicht, ob ich Dir vertrauen kann, Flaschengeist.“, leitete er ein und betonte das Wort „Flaschengeist“, wie Genie fand, ziemlich unnötig-herablassend. Dann blickte er kurz zu Boden, schüttelte den Kopf und riss seinen Blick wieder hoch, sodass er dem Genie in die Augen blickte: „Du bist unser einziger Magier hier – und ich brauche einen guten Magier, um den Sultan zu befreien. Tu was du tun musst, ziehe hinzu, wen du hinzuziehen musst – ich gebe dir eine Woche und wenn der Sultan bis dahin nicht frei ist, probiere ich meinen eigenen Trick aus und der sieht vor, dass die Magie verschwindet, wenn der Genie tot ist.“

Der Flaschengeist schluckte. Das war eine vollkommen logische, nachvollziehbare Argumentation, die der Hauptmann der Wachen da hingelegt hatte und irgendwie konnte sich Genie ihr nicht entziehen. Er schaute zu Razul und nickte nur, ehe er sich auf den Weg machte, in der Zwischenwelt Fachliteratur zu wälzen.

Warten ist immer am Schlimmsten, wenn man dabei nur unproduktiv sein kann . Und einen Palast mit Leuten zu bewachen, von denen man nicht weiß, ob sie überhaupt noch leben oder schon tot sind, anstatt nach dem Schweinehund zu suchen, der die Leute im Palast in diese Situation gebracht hat, ist zwar mehr oder weniger nützlich, zehrt aber dennoch an den Nerven. Razul beobachtete, wie die Sonne langsam, unendlich langsam über den Horizont kroch. Er wünschte sich, in der Lage zu sein, etwas zu tun – und es war ihm, als hörte er die Stimme von Prinzessin Jasmin, die aufmunternd „Aber du tust doch etwas. Du passt auf uns auf“ gluckste. Es war ihm inzwischen klar, dass es sich hierbei einfach nur um eine Halluzination handelte, aber momentan war er über jedes Lob dankbar, auch wenn es nur eingebildet war.
Verdammt – was war geschehen? Er war doch nur kurz weg gewesen, hatte sich um seine Familie gekümmert und hatte den Arm um seine zierliche Frau gelegt, um ihr einen Kuss zu stehlen. Nicht einmal seine Untergebenen wussten, dass er Familie hatte – aber das war in Ordnung. Das Berufsleben und das Privatleben trennte er bevorzugterweise, so konnte es keine Komplikationen geben. Heute hatte er sich einmal ein paar Stunden gegönnt, um den Geburtstag seines ältesten Stammhalters zu feiern – und warum auch nicht? Der Skorpion war besiegt, der Erfinder saß im Gefängnis und die Feier war sowieso nicht für Seinesgleichen. Seine Stellvertreter würden ihn schon würdig bei der Wache vertreten – er hatte sie gut ausgebildet und hatte eigentlich bezweifelt, dass heute etwas passieren würde. Aber – so war es halt. Es hatte ihn nicht großartig verwundert.

Wenn nur nicht die Sonne so langsam wäre. Wenn er endlich von seinem Posten abrücken könnte und selbst investigativ werden. Aber nein – seine beiden Stellvertreter hatte er nach Hause geschickt, schließlich mussten sie die Spätschicht übernehmen – das bedeutete, dass er derjenige welche war. Er war derjenige, der auf dem Posten bleiben musste.

Das leise Klingeln hörte er dann, als es schon wieder weg war. Er fuhr herum und stockte, als er Genie sah, der ihn erschrocken anblickte.
„Ruhig Blut, Razul.“, sagte das magische Wesen und trat nun an das Magische Dings heran.
Die Waffe, die Razul gezogen hatte, blieb immer noch auf den Flaschengeist gerichtet, als dieser in die Knie ging und das – was immer es war – abklopfte.
Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich an den Hauptmann: „Razul, du kannst mich Köpfen, wenn Du willst, aber es ändert nichts an den Fakten. Alleine komme ich dagegen nicht an. Ich könnte noch zwei andere Zauberer herbeirufen, vielleicht können die ja helfen.“
„Du hast eine Woche Zeit.“, erläuterte Razul erneut, „Danach geht es dir schlecht.“
Und mit einem „Danke, sehr freundlich“ war der Genie verschwunden.
Und er blieb es – für eine ganze Stunde.

Dann erschien er wieder, kam aber nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein grüner Flaschengeist, der die Figur einer wunderschönen Frau hatte und die die Gelegenheit nutzte, sich umzusehen.
„Schön ist es hier.“, stellte sie fest.
Der Wächter seufzte. Noch mehr Dschinns? Das konnte noch lustig werden.

Raum und Zeit waren für Genie relativ. So nahm er zwar wahr, dass er für die Aussenwelt gerade einmal eine Stunde verschwunden war, aber er selbst hatte das Gefühl, als wäre er Tage unterwegs gewesen. Was er mehr oder weniger auch war. Eden zu finden, das war nicht schwer. Eden davon zu überzeugen, ihnen zu helfen, war auch kein großes Hinderniss gewesen. Mit ihr unterwegs zu sein, glich einem Traum und er war versucht, jede Millisekunde auszukosten, die er mit ihr verbrachte.
Edens wohlgeformte Beine nahmen Kontakt zum Boden auf, als sie kniete und ihr Ohr gegen das magische Feld presste. Sie blickte zu Genie empor, zuckte mit den Schultern, schüttelte mit dem Kopf und stand auf: „Frag mich etwas Leichteres. Ich glaube, es ist ein Chaos-Feld, aber ich bin mir nicht sicher. Vielleicht solltest Du einen weiteren Magier fragen.“
„hast Du wen im Auge?“; fragte der blaue Flaschengeist und sein grüner, weiblicher Gegenpart nickte: „Aber es wird dir nicht gefallen.“

Der junge Mann mit dem Turban blickte das magische Chaosfeld ungläubig an. Seine braunen Augen blitzten amüsiert auf, als er sich wieder umdrehte und sah, dass sich nichts geändert hatte. Diese tumben Gestalten, die sich der Sultan als „Wachen“ hielt, hatten ihre Schwerter immer noch auf ihn gerichtet.
Er wusste, dass es gerade jetzt unpraktisch wäre, einen entsprechenden Kommentar abzusondern, also räusperte er sich kurz und blickte zu Genie und Eden, die nebeneinander standen und sie sich an den großen Flaschengeist zu klammern schien.
„Da ist kein Durchkommen.“, erklärte er und hob seine Hände. Die linke, immer noch behandschuhte Hand legte sich auf eines der Schwerter und schob es zur Seite, dann trat er nach vorne, lächelte die Wachen an und sagte: „Wenn ihr mir die Schwerter nicht ganz so nahe ins Gesicht halten würdet, wäre ich euch sehr verbunden.“
Anschließend wandte er sich Genie zu: „So, ihr habt meine Meinung, jetzt will ich eure Gegenleistung haben. Ihr habt versprochen, dass ihr euch in meine Dienste stellt. Und ich habe genau die richtige Aufgabe für euch.“
Genie schien zu wachsen.
„Mogelrat!“, sagte er mit Schärfe und Empörung in der Stimme, „Du hast noch nicht einmal versucht, irgendetwas am magischen Feld zu machen.“
Der junge Zauberer lachte: „Ach? Meint Ihr im Ernst, dass, wenn ihr mit euren halb-phänomenalen, fast kosmischen Kräften gegen dieses Kraftfeld nicht ankommt, schaffe ich es?“
„Du bist ein Zauberer der schwarzen Magie!“, meldete sich nun Eden zu Wort, „Du verwendest Rituale, die wir aus ethischen Gründen nie anwenden würden.“
„Und das ist der Punkt, Herzchen.“, lachte der Magier, ehe er auf das Feld hinter sich deutete: „Dort ist viel mehr zu holen, als nur der Dienst zweier Genies an drei Tagen.“
„Und an was hast Du gedacht?“
Mogelrat wandte sich zu Razul um, hob beide Hände und lachte vergnügt: „Ein Geschäftsmann. Wie nett. Schön zu sehen, dass auch in einem so muskelbepackten Körper ein Rest von betriebswirtschaftlichem Sachverstand zu finden ist.“
Dann hob er beide Hände, ließ eine magische, grell-schimmernde Kugel erscheinen und begann, sie zu jonglieren: „Für mich ist es einfach. Ihr habt eine Nachfrage, ich habe ein Angebot. Ihr seid auf mich angewiesen, für mich dreht sich die Welt weiter, wenn Aladdin und seine Prinzessin mir nicht dauernd in die Quere kommen. Dass ich meinen ärgsten Rivalen aus diesem Schlamassel befreie, muss sich für mich lohnen und ihm wehtun.“
Damit wandte er sich an Genie: „Ich wünsche mir eure Dienstbarkeit – für einen längeren Zeitraum.“
„Und was heißt ‚länger’?“, knurrte Razul.
Das Lächeln auf Mogelrats Lippen wurde breiter: „Für immer.“

Razul atmete tief durch.
Er erinnerte sich daran, wie er als junger Frischling zur Wache kam und wie er auf den Schutz des Sultans vereidigt wurde. Dieser kam zuerst und wenn es einen Moment gab, an dem er erkannte, dass er – Razul – diese heilige Pflicht sträflich vernachlässigt hatte, dann war es der Moment, an dem dieses ganze Spektakel losgegangen war. Er durfte sich dieses Mal keine Pannen erlauben.
Er blickte zu den beiden Flaschengeistern, die einander schützend in die Arme nahmen und ihm zunickten.
Es war ein Verständnis über Stände, Rassen und die Logik der Magie hinweg.
Erneut atmete er durch, schloss seine Augen und widmete seine ganze Aufmerksamkeit wieder Mogelrat.
Und in diesen Augen sah er, dass Mogelrat wusste, was die Stunde geschlagen hatte. Der Magier wusste, dass er die Dienste Genies und Edens in Anspruch nehmen konnte und er wusste, dass ihm – Razul – keine verdammte Wahl blieb. Er musste dieses Geschäft abschließen.
„Na gut“, sagte er, streckte die Hand aus, um sie Mogelrat zu reichen, als ein ohrenbetäubend-lauter Knall ertönte. Sein Ursprung war der Ballsaal und wenn er den Gesichtsausdruck des jungen Magiers richtig interpretierte, dann hatte Mogelrat mit diesem Knall nichts zu tun.
Verblüfft blickten die Wachen einander an, wirbelten dann herum und eilten zum Ballsaal, gefolgt von Mogelrat, dem Flaschengeistpärchen und Razul.

Als sie auf der Terrasse ankamen, von der aus eine Treppe zum Balkon des Sultans führte, ertönte ein weiterer, noch lauterer Knall, was dazu führte, dass Razuls Ohren klingelten und er sich taub fühlte. Ob dieser Zustand sich bald ändern würde, wusste er nicht und momentan war es ihm auch egal. Was auch immer dort passierte, es passierte nicht ohne Grund. Razul beschleunigte seine Schritte, als die Erde erbebte – sicherlich ein neuer Knall – und er nun sehen – oder besser: fühlen -  konnte, wie etwas aus den großen, türfreien Bogen, die vom Balkon zum Thron- und Ballsaal führten, eruptierte. Luft?
Er war gerade auf Höhe des Eingangs angekommen, als erneut Luft aus dem Raum gestoßen wurde. Und dann war die Geräuschkulisse wieder hörbar. Das Klingeln in Razul Augen war fort und er hörte, wie die Menschen in Agrabahs Straßen panisch aufschrien und davon rannten. Und dann glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Das „Feld“ – was immer es war – war fort. Aber das war nicht das Überraschende. Das sah er erst, als er näher kam. Denn das der Sultan einen Blick zur Decke warf, war schon ungewöhnlich – dass jeder andere der Anwesenden ebenfalls nach oben blickte, das war schon überraschender.
Neugierig warf er einen Blick nach oben und stockte. An der Decke des Thronsaals schwebte eine nachtschwarze Gewitterwolke, die von Blitzen durchzogen wurde. Mit viel Fantasie konnte man die Blitze sogar als Adern und die Wolke als Hirn betrachten.
Was war hier los?
Er wusste es nicht, er wusste aber, dass er keine Zeit zu verlieren hatte.
Mit einem schnellen Griff hatte er sein Schwert in der Hand und brüllte „ALLE MANN RAUS!“
Und kaum, das er das getan hatte, hörte er das Singen eines gezogenen Schwertes, spürte, wie Metall gegen Metall krachte und sah, wie Funken flogen. Überrascht riss er die Augen auf, als er sah, wie der Mann, den er als „Prinz Papyrus“ in den Palast gelassen hatte, sein goldenes Schwert erneut zum Angriff hob und auf ihn zustürmte.
Die nächste Überraschung war, dass der junge Mann zwar relativ zierlich war – man konnte auch „schmächtig“ sagen, aber dafür einen verdammt harten Angriff führte.
„Razul!“; hörte er die Stimme Edens und sah, wie sie auf Papyrus zuflog, um ihn festzuhalten, „Sieh! Seine Augen!“
Tatsächlich.
Er wusste nicht, welche Augenfarbe Papyrus normalerweise hatte – aber rot waren sie definitiv nicht.

TBC

Kapitel 9.5

Genie staunte nicht schlecht, als die Gesetze dessen, was später als „Physik“ bekannt werden würde, plötzlich auf den Kopf gestellt zu sein schienen. Er mochte Papyrus – wobei er sich fragte, ob man bei einer Person, die man gerade erst ein paar Tage kannte, tatsächlich von „mögen“ sprechen konnte – aber er kannte sich mit dieser ominösen Kraft, die „Physik“ genannt wurde aus. Rein theoretisch sollte Papyrus nicht in der Lage sein, auch nur den Hauch einer Chance gegen Razul zu haben. Genau das war aber der Fall. Sehr zur Überraschung des Letztgenannteren. Und dann, als er dachte, das es gar nicht mehr komplizierter werden konnte, hörte er Edens entsetztes Aufkeuchen. Er wandte sich ihr zu und sah, wie sie auf den Thronsaal deutete. Und dann erkannte er, warum Eden entsetzt aufgekeucht hatte. Aladdin, Jasmin, Prinz Doktor, Prinzessin Theti und Prinzessin Song hatten im Palast Stellung bezogen, verschränkten die Arme vor der Brust und blickten die anrückenden Soldaten mit leuchtend roten Augen an.

   

Wollten sich diese lächerlichen Urzeitmenschen tatsächlich mit ihnen anlegen? Wie albern war das denn? Hatten sie, die Sternenflottenoffiziere nicht genug unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage waren, gegen die Wachen von Agrabah anzugehen? Sie sollten nur kommen, er würde es ihnen schon zeigen.
Cal zog seinen Phaser, stellte ihn auf volle Stärke und legte auf Razul an.
Der Fettklos sollte ja nicht auf die Idee kommen, seinem Kumpel Papyrus auch nur ein Haar zu krümmen. Wo käme Cal denn da hin, wenn er dies gestattete? Die erste, temporale Direktive konnte ihn doch mal gern haben. SG-1 hatte er nicht retten können – und zwar wegen dieser ersten, temporalen Direktive. Wenn er Sam davon nichts erzählt hätte, hätte sie eventuell ihr Glück annehmen können und nicht diesen Tod finden müssen, den er wirklich niemandem wünschte.
„Fettklops!“, rief der Captain und richtete den Phaser auf Razul, „Lass die Finger von Papyurs, sonst geht es dir schlecht, hast Du verstanden?“
Aber entweder war Razul genau so blöd und brettern, wie Cal ihn einschätzte oder aber er gab nicht viel auf Befehle Anderer.
Kurz warf er einen Blick zum Sultan und dann zu Jasmin: „Ist es mit Razuls Gehorsam eigentlich immer so wenig weit her?“
Die Prinzessin blickte ihn an, zuckte mit den Schultern und sagte dann: „Keine Ahnung. Ich finde ihn nur schlichtweg nervig. Wenn Du dich seiner entledigen willst – bitte sehr. Dann lässt er vielleicht meinen Aladdin in Ruhe.“
„Echt?“, fragte der Captain und Jasmin nickte: „Klar, mach ruhig.“
Doch Cal schoss noch nicht, wandte sich erst zu Agatha, die ihn anblickte und mit den Schultern zuckte: „Nach all dem, was er uns angetan hat – tu dir keinen Zwang an.“
„Großartig.“, grinste Cal, riss seine Waffe hoch und schoss.


Vertraglich gesehen ist ein Dschinn dazu verpflichtet, die Wünsche seines Meisters – drei an der Zahl – zu erfüllen. Es gibt drei große Ausnahmen – so ist ein Flaschengeist nicht in der Lage, jemanden zu töten, jemanden per Magie in den Meister / die Meisterin verliebt zu machen oder jemanden von den Toten wieder auferstehen zu lassen. Alles andere ist mit dem, was Genie als „halb-phänomenale, fast kosmische Kräfte“ bezeichnet, durchaus zu erreichen und zu stemmen. Flaschengeister haben aber auch die Möglichkeit, ihre Meister/Meisterinnen vor Ungemach zu schützen, sei es durch die katastrophalen Folgen eines Wunsches oder vor anderen Dingen. Bei einem „normalen“ Flaschengeist geht dies allerdings nur über das Mittel eines weiteren Wunsches – ein Flaschengeist, der allerdings, wie Genie „frei“ ist und keinem Meister dient,  ist es allerdings auch möglich, dass er beschützt, wen er/sie seines/ihres Schutzes als würdig erachtet.
Und Flaschengeister haben schneller Reflexe.
So sah der Genie zwar, dass Cal den Abzug betätigte, bewegte sich aber schneller als das Licht, und warf sich vor Razul.

Und hier sehen wir den Unterschied zwischen normaler Physiologie und Flaschengeistphysiologie. Der Phaser war auf „volle Stärke“ eingestellt – sprich „volle Pulle“, alles was drin ist. Bei einem Standardphaser des Typs II, wie ihn beispielsweise Riker und Troi bei sich führten und der in der Föderation intern auf den Namen „Kobrakopf“ getauft worden war, ist die höchste Einstellung Stufe 16 – oder auch „Explosive Auflösungseffekte“. Auf einen menschlichen Körper – wie den von Razul – hätte dies verheerende Auswirkungen. Da noch Kinder zulesen könnten -  zusehen klingt in diesem Zusammenhang einfach komisch – und ob des ominösen Bildungsauftrages, den der Autor dieser Fanfictionreihe schon einmal als Notausgang gewählt hatte, steht hier nun nicht, wie genau diese verheerenden Auswirkungen aussehen mögen. Das können sich die Leser erstens selbst denken und zweitens muss man auch nicht alles schreiben. Es sollte ausreichen, festzuhalten, dass es ein unschönes optisches Ergebnis gewesen wäre.

Bei Genies Physiologie funktionierte es allerdings anders. Kaum, dass der Flaschengeist getroffen wurde, leuchtete sein kompletter, massiger, blauer Körper, fluoriszierend blau auf, Feuerwerkskörper schienen in seinem Inneren zu explodieren, er verwandelte sich kurzzeitig in einen Springbrunnen, ehe er seinen Körper in die normale Form zurückzwang und steif, wie ein Brett, nach hinten weggkippte, nur um von Eden am Aufprallen gehindert zu werden.
Die Gesichtszüge des blauen Flaschengeistes unterlagen ebenfalls einer Metamorphose. Ob er normalerweise einfach nur ausdruckslos dreinblickte, nachdachte oder gar las – es war immer eine Aura des Frohsinns um ihn herum wahrnehmbar. Ein Auge lachte immer, ein Mundwinkel zuckte immer verräterisch – doch nun, in diesem Moment, war sein Gesichtsausdruck ernst und beinahe eine Maske. Edens schaute auf ihren Freund herab, schluckte und richtete dann ihren Blick auf den Captain.
Dieser blickte sie herausfordernd an: „ Was denn, She-Hulk? Trauerst Du um Fantomas? Ich bitte dich, er hat sich sein Ende effektiv selbst ausgesucht.“
Damit hob er den Phaser erneut, richtete ihn auf sie, die schöne Flaschengeistin und lächelte: Und wenn Du nicht genau so enden willst, verziehst Du dich besser dahin, wo du hergekommen bist.

Eden kochte.
Was bildete sich dieser kleine Mann ein? Genie – ihr Genie – war einer der mutigsten Dschinns gewesen, die sie je gesehen hatte. Er hatte sein Leben förmlich für Razul geopfert, damit dieser noch ein paar Sekunden gegen den besessenen Papyrus durchhalten konnte und auch wenn sie in den Augen dieses anderen Mannes sah, dass auch er unter dem Zauber von – was auch immer stand – er hatte ihren Freund erschossen.
Die Augen der Flaschengeistfrau verengten sich zu Schlitzen, sie metamorphierte ihren kurvenreichen Körper in einen Bogen, ihren Kopf in einen Pfeil, an dessen Spitze ein Boxhandschuh zu sehen war und schoss sich selbst auf den Mann ab.
Dieser schien – Millisekunden vorher – zu begreifen, was los war, schluckte einmal und sagte nur „Oh … shit. .“
Dann kollidierten sie. Sie traf ihn frontal, sein Kinn, holte ihn von den Beinen und krachte mit ihm in die nächste Wand. Dann war der Zauber vorbei und wenn jemand anderes dies beschreiben müsste, würde er folgendes sagen: „Zwei Bewusstlose – oder stark benommene  - Personen lehnten an einer Wand.“

Die Bewusstlosigkeit der Dschinnfrau hielt nicht allzulange an, sie kam zu sich, schüttelte den Kopf und rappelte sich dann hoch. Kurz blickte sie zu dem jungen Mann, der nun ebenfalls blinzelte und sie aus braunen, verwirrten Augen anblickte.
„Was ist denn jetzt los?“, murmelte er, stand auf, taumelte und hielt sich an der Wand fest.
Eden musterte ihn genauer. Das konnte immerhin alles Masche sein – ein Trick, sie in Sicherheit zu lullen.
Doch der Mann stand auf, blickte auf das Ding in seiner Hand und hob eine Augenbraue: „Wann hab ich denn geschossen?“
Dann schien er sie zu realisieren, blinzelte und fragte: „Und seit wann bist du grün… und weiblich?“
So langsam, aber sicher bezweifelte sie, dass dies ein Trick war, aber sicher war sie sich nicht.
Lächelnd erhob sich der Mann, hielt ihr die Hand hin und sagte: „Wenn Sie nicht Genie sind, dann muss ich mich wohl vorstellen. Ich bin Cap…“
Abrupt hielt er inne, als müsse er sich zusammenreißen, etwas anderes zu sagen und schüttelte den Kopf: „Ich meine Doktor. Prinz Doktor. Aber meine Freunde nennen mich Cal.“
„Nicht Cap?“
Prinz Doktor Cal schüttelte den Kopf: „Nein, der kommt erst später. Und auch wenn wir hier den „star sprangled man with a plan“ gut gebrauchen könnten – ich bin nur ein Prinz.“
Erneut stockte er und schien sich des Chaos um sich herum bewusst zu werden.
Eden blickte ihn verblüfft an, als er den Kopf schieflegte und fragte: „Was zum Henker ist hier eigentlich los?“

Razul fand, dass dies entweder ein schlechter Scherz war, oder definitiv eine magische Sache. Vermutlich würden er und Papyrus nie wirklich gute Freunde werden, aber er erkannte einen mutigen Kämpfer mit einem noblen Herzen, wenn er einen sah. Allein, dass er sich vermutlich im Alleingang gegen den Skorpion gestellt hätte, machte ihn mutig. Und Papyrus bewies, dass er diesen feinen Grad zwischen Mut und Torheit durchaus erkannte. So war es mutig, mit gezücktem Schwert den Palast zu verteidigen, aber es wäre töricht gewesen, zu glauben, dass er mit diesem Schwert und ohne genauen Plan einfach auf den Metallskorpion hätte zustürmen können. Nur – wenn er bedachte, dass er gerade jetzt von eben jenem „mutigen Kämpfer“ angegriffen und beinahe besiegt wurde, konnte er nicht anders, als dies für einen schlchten Scherz halten. Die Angriffe des Jungen kamen wie schnelle Blitze, er konnte sie kaum abwehren. Dazu wirbelte Papyrus auchnoch herum, griff zuerst von links, dann von rechts an, unternahm Anstalten seine Beine zu treffen oder seinen Kopf. Wer auch immer des Ägypters Schwertkampflehrer war, er, Razul, würde ihm später gratulieren müssen, einen so guten Kämpfer ausgebildet zu haben.
Allerdings konnte er dies nur machen, wenn er den Kampf überlebte – und er ahnte nicht, dass er um eine Haaresbreite daran vorbeischrammte, dies nicht zu tun.  Dies bemerkte er erst, als dieses laute Zischen zu hören war und der Flaschengeist vor ihm zu leuchten begann. Er wusste nicht, was mit Genie passierte, er merkte nur einen Stich in seinem Herzen. Und die Ursache dieses Schmerzes war nicht etwa darin zu suchen, dass Papyrus ein Schwert herumwirbelte, sondern mehr darin, dass der Hauptmann merkte, das Genie sich für ihn geopfert hatte.

Eigentlich war sich Razul über die Ehrenhaftigkeit des Flaschengeistes mehr als nur klar. Spätestens, seit sich Eden und Genie erboten hatten, für die Befreiung ihrer Freunde in die Dienste des schurkischen Mogelrat zu gehen, war ihm klar, dass der Dschinn ehrenhafte Motive hatte. Und dieser Flaschengeist wurde getroffen. Razul wusste nicht, ob er tot war oder nicht, sah aber, dass sich Eden schon um den Täter – Prinz Doktor, soso wieso überraschte ihn das nicht? – kümmerte. Das ließ ihm mehr Zeit, sich gegen Papyrus zu erwehren – doch gerade in diesem Moment erhellte ein weiteres, grelles Blitzen sein Sichtfeld und er sah, dass der Thebener – wie von einer Axt gefällt – einfach umfiel. Das ließ ihm Zeit, sich um den Sultan, die Prinzessin und Aladdin zu kümmern. Er wandte sich gerade um, da trat Theti neben ihren gefallenen Freund, nahm das Schwert und machte sich zum Angriff bereit – nur um wenige Sekunden später ebenfalls zu Boden zu fallen.

Gut, das war nun ein mehr oder weniger großer politischer Eklat, aber momentan war das einfach nicht seine Sorge. Die galt der Königsfamilie. Und als er auf Jasmin zutrat und sie sich in eine Kampfposition begab, sah er – wenn auch nur aus den Augenwinkeln, wie Prinz Doktor – dessen Augen nicht mehr rot glühten – neben seiner Frau auftauchte, ihr etwas ins Ohr flüsterte und den Körper, der plötzlich zusammensackte, als habe man ihm die Fäden durchgeschnitten, auffing. Dann stahl der Prinz seiner Prinzessin einen Kuss und richtete sich auf, um mit gezückter Waffe zu Aladdin zu schauen.

Cals Herz sank, als er Agathas Schultern umfasste, ihr „Alpha Prime“ ins Ohr flüsterte und sie auffing, als sie kollabierte. Er hatte eigentlich gehofft, diesen Trick nie anwenden zu müssen, aber innerlich dankte er Gina dafür, dass sie ihm den Trigger verraten hatte. Und er hatte ihn anfangs gar nicht wissen wollen. Aber nachdem sie ihn ebenfalls ausgeschaltet hatte, musste sie ihm wohl den Trigger – für solche Situationen – gegeben haben. Woher seine CMO allerdings wusste, dass er irgendwann einmal gegen Agatha kämpfen musste, überstieg mal wieder den Verstand des Kommandanten.
Kurz küsste er sie auf den Mund, murmelte ein „Ich hoffe, wenn Du wach bist, bist du wieder auf unserer Seite“ und zog dann seinen Phaser.
Ihn auf „Betäuben“ stellend, zuckte er mit den Schultern und lächelte dem Mann zu, der die Prinzessin geheiratet hatte. „Sorry, Al – wenn meine Theorie zutrifft, würde ein Nickerchen uns der Kontrolle von dem Ding da oben entziehen.“
Sprachs, deutete mit der Hand, mit der er den Phaser hielt, auf die Decke und die schwarze Wolke, ehe er auf Aladdin zielte.
Und dann feuerte er.
Ohne Waffe. Denn bevor Cal auch nur richtig hatte zielen können, war neben ihm ein Schemen aus sonnengebräunter Haut, blauem Stoff und schwarzen, langen Haaren aufgetaucht und hatte ihm mit einem gezielten Kick die Waffe aus der Hand getreten.
Dies schien der Captain erst zu bemerken, als er schon nicht mehr Herr seiner Pistole war. Verblüfft starrte er auf die leere Hand und dann auf Prinzessin Jasmin, die sich gerade, wie eine anmutige Kämpferin aus der gekauerten in die stehende Position begab und Kampfhaltung annahm. Oh – das Prinzesschen war sauer.
Und dies war für Cal Grund genug, sich unter dem nächsten Schlag wegzuducken – leider war er dadurch in einer Position, die es Jasmins Knie ermöglichte, des Captains Kinn zu treffen. Sternesehend ging er zu Boden und kam wieder zu sich, als die Prinzessin auf ihm hockte und mit zornesrot-leuchtenden Augen ihre zartfingrige Hand zur Faust geballt hatte und immer wieder gegen seine Nase führte.
„Du gehörst nicht mehr zu uns!“, kreischte sie furienartig, sie hörte auf, ihn zu schlagen, legte stattdessen ihre Hände um seinen Hals und drückte zu.
Punkte begannen am Rand von Cals Sichtfeld zu tanzen und er wusste, dass er einen Weg finden musste, von dort zu entkommen. Aber Frauen schlagen – das ging einfach nicht.
„Razul!“, hörte er die Stimme Edens, „bring dich in Sicherheit.“
Dann verwandelte sich die hübsche Flaschengeist-Lady in einen Doppeldecker – wer weiß, wo sie diesen Trick her hatte – und flog eine großzügige Runde über das ganze Schlachtfeld. Glitzernder Staub senkte sich.
Jasmin blickte den Captain an, die Verblüffung wirkte, in Kombination mit den roten Augen extrem amüsant und begann, zu gähnen, als die ersten Staubkörner auf ihren Körper fielen.
Sie schien zu merken, was los war, erhob sich und versuchte, zum Ausgang zu gelangen.
Cal warf einen Blick zu Agatha, stand auf, ging zu ihr, setzte sich neben sie und bettete ihren Kopf in seinen Schoß. Wenn auch nur 10 Prozent von dem, was er sich da zusammenspann, zutrafen, würde der Staub sie in Schlaf versetzen und dieses Gefühl der Wut – wo auch immer dies herkam – verbannen. Er veränderte seine Position, kuschelte sich an Agatha und ergab sich dem Schlaf.

Razul hatte rechtzeitig den Raum verlassen können, sah, wie Jasmin und Aladdin zuerst gähnten und dann kollabierten, wie der Sultan in seinen Thron sank und die Tänzerinnen und Tänzer, jeder Wut beraubt, zu Boden sanken um zu schlafen. Glitzernder Staub senkte sich über den Eingang, wie ein Schleier, der sich keine fünf Sekunden später öffnete, um Eden freizugeben. Sie wirkte wie eine Kriegsgöttin, wütend, schön, stark, so als wolle man sich einfach nicht mit ihr anlegen. Mit gemessenen, eleganten Schritten trat sie auf Razul zu, lächelte sanft und sagte: „Wartet ein paar Minuten. Dann könnt ihr sie aufwecken.“
Damit wandte sie sich ab und ging zu Genie, der immernoch reg- und leblos am Boden lag.

Mogelrat blickte aus einem Versteck auf die Szene und beschloss, dass dies ein idealer Zeitpunkt wäre, um das Weite zu suchen und zu finden. Langsam und lautlos drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit der Schatten.

Inzwischen hatte Eden den reglosen Flaschengeist erreicht. Erschüttert sank sie neben ihm in die Knie. War er tot? Hatte er in einem finalen, letzten, ultimativen Opfer für seine Überzeugungen und seine Freunde sein Leben gegeben?
„Bitte, sei am Leben.“, hauchte die schöne Flaschengeist-Frau und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Der Flaschengeist-Mann zeigte keine wie auch immer geartete Reaktion und Eden merkte, wie ihre großen Augen sich mit Tränen füllten.
„Bitte“, wiederholte sie, „bitte sei am Leben.“
Und dann presste sie ihm einen Kuss auf den Mund.
„Kontinuum.“, hörte sie die gehauchte Stimme ihres Freundes. Sie hob den Blick, fixierte ihn und sah, wie er langsam, aber sicher zu sich kam: „Bitte?“
„Kontinuum.“, wiederholte er und setzte sich auf: „Vielleicht sollten die Flaschengeister in ein Kontinuum wechseln, wo jeder seine Fähigkeiten frei entfalten kann.“
Nun rannen Edens Tränen vollkommen ungehemmt über ihre Wangen, sie lachte, sie weinte, sie schlang die Arme um ihren Geliebten und gab ihm einen Kuss: „Genie, manchmal erzählst Du einen ziemlichen Schwachsinn.“

Agatha Silverbirds Kopf drohte zu platzen, als sie die Augen öffnete – aber nur solange, wie sie damit kämpfte, nicht wieder in das eigene Traumreich abzudriften. Als sie die Augen endlich komplett geöffnet hatte, waren die Kopfschmerzen weg und es ging ihr wieder gut. Langsam richtete sie sich auf, sah, dass alle Teilnehmer der Party wie hingestreckt am Boden lagen und der Gedanke „Das muss ja eine höllische Party gewesen sein“ drängte sich ihr auf. Wenn da nicht diese Erinnerung wäre. Sie hatte Cal die Erlaubnis gegeben, Razul zu erschießen. Nicht nur sie, auch Jasmin hatte dies getan und sie fragte sich, was sie da gerade geritten hatte. Neben ihr stöhnte es und Agatha sah auf den Körper ihres Freundes herab, der gerade wieder zu sich kam und sie dann aus braunen Augen verwirrt anblickte: „Wir sind tatsächlich immer noch in Agrabah? Das ist kein Traum im Traum im Traum im Traum?“
Agatha schüttelte den Kopf: „Wir sind hier ja nicht bei Inception, sondern immer noch bei Aladdin. Und frag mich nicht, was uns da geritten hatte.“
Cal blickte nach oben, an die Decke, die immer noch von der unheilvoll pulsierenden Wolke dominiert wurde.
„Ich glaube“, sagte er und deutete auf das Ding, „das unser Kontrollverlust damit zu tun haben könnte.“
Und kaum, dass er diese Vermutung ausgesprochen hatte, schoss ein schwarzer Strahl von der Decke hinunter in die Kugel. Dann formte sich aus der Kugel etwas.
Cal schluckte. Er kannte diese atemberaubende Figur und besonders diesen Katzenkopf.
Agatha neben ihm legte den Kopf schief: „Ist das…“
„Nun, wenn schon Mechanikles real ist – warum sollte es dann nicht auch die Chaosgöttin sein?“
Dann wandte er sich zu dem Wesen: „Hallo, Mirage. Machst Du es dir hier bequem?“
Das Wesen lachte.

TBC


CaptainCalvinCat

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Kapitel 10  -   Mirage
Kapitel 10.1 
   


Als Aladdin wieder zu sich kam, stellte er zwei Dinge fest. Erstens, dieser unmenschliche Hass, der Besitz von ihm ergriffen und ihn dabei hatte zusehen lassen, wie Cal auf den Dschinn schoss, war verschwunden. Zweitens: Mirage war da.
Fast unwillkürlich ballte er seine Hand zur Faust. Es war also ihr teuflisches Werk gewesen, das sie alle hatte durchdrehen lassen?
Das sanfte „Ahh“ neben sich ließ ihn sich umdrehen. Jasmin kam gerade wieder zu sich, rappelte sich auf und der Prinz konnte nicht verhindern, festzuhalten, dass es vermutlich keine einzige Situation gab, in der sie nicht großartig aussah. Selbst als besessene Wahnsinnige hatte sie eine fabelhafte Figur gemacht und ob nun besessen oder nicht – Aladdin kam nicht umhin, dass sein Herz übervoll war.
Sie stand wieder aufrecht, stark und schön und sah ihn mit diesem vermutlich von ihr erfundenen Blick an. Er – Aladdin  - wusste nicht so recht, was dieser Blick eigentlich zu bedeuten hatte, merkte aber, dass sein Herz immer schneller pochte und als sie sich in Bewegung setzte und auf ihn zukam, war er schon da, nahm sie in die Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen.
„Was ist passiert, Aladdin?“, fragte die Prinzessin in ihrer unnachahmlich-sanften Stimme und der ehemalige Straßenjunge deutete auf die Gestalt der Katzengöttin hinter sich.
Er musste nur ein „Mirage“ seufzen – gut, eigentlich wollte er noch mehr sagen, aber da fiel ihm auf, das sie noch weiteren Besuch hatten. Ein Lächeln stahl sich über sein Gesicht, als er die hübsche Flaschengeistlady sah.
„Hey“, sagte er zu Jasmin und deutete auf Eden, „Schau mal wer da ist.“
Die Prinzessin wandte sich um, nickte Eden kurz zu, ehe sie sich wieder der Katzengöttin zuwandte und auf sie zu trat. In diesem Fall passt – obwohl es negativ klingt – das Wort „stapfen“ besser. Sie bohrte die Hacken förmlich in den Boden, als sie auf Mirage zukam.
Millimeter vor der felinen Frau blieb sie stehen, verengte die Augen zu Schlitzen und zischte: „Wie kannst Du es wagen? Agrabah hat Dir nie etwas getan. Wir sind ein friedliches Land… wie rechtfertigst Du diesen Angriff auf unser Hohheitsgebiet und das Herz dieses Landes, den Palast?“
Die hübsche Katzenfrau lachte höhnisch auf, legte eine Hand vor den Mund und lachte so heftig, dass ihr Bauch zuckte.
Dann fokussierte sie die Prinzessin mit ihren Katzenaugen: „Du hast ja wieder Temperament, Prinzessin.“
Jasmin merkte, wie irgendwas in ihr aussetzte – und fand sich festgehalten von Aladdin, Razul und Prinzessin Song wieder.
Dies kommentierte die Göttin mit einem süffisanten Lächeln, ehe sie sich umblickte, ihr Ziel fand und auf Prinz Doktor zuschwebte.
„Genau der Mann mit dem ich sprechen wollte.“, sagte sie und betrachtete den Prinzen von oben bis unten.

Cal wusste, dass Jill auf der Erde einige Katzen hielt. Die Tiere waren extrem niedlich, sehr anhänglich, schnurrten, wenn man sie nur schief anguckte und konnten so süß dreinblicken, dass man spontan einen Zuckerschock erleiden konnte. Er mochte diese verrückte Viererbande, wenngleich er mit diesem Geschnüffel nicht so ganz warm wurde. Auch dass Tony, Jills ältester Kater sich immer auf seinen Schoß setzte und sich dann auch durch gutes Zureden nicht aus der Ruhe bringen ließ, störte ihn. Und nun einer Katzenfrau gegenüber zu stehen… das war doch ein anderes Kaliber.
Kurz huschte ein Lächeln über seine Lippen, denn er konnte sich der Assoziation zum Anime-Trend des „Catgirl“ nicht erwehren, aber das Lächeln verschwand, als sie ihn mit diesen grünen Katzenaugen anblickte.
„Was gibt es zu grinsen?“, fragte sie.
Der Captain zuckte die Schultern: „Bessere Frage: Was gibt es zu bereden?“
Und schon hatte der Captain die Hand der Katzengöttin auf der Schulter: „Sie haben heute etwas vollbracht, das sie eigentlich noch gar nicht können sollten.“
Cal hob die Augenbrauen: „Wovon sprechen Sie? Vom kleinen Ein mal eins?“
Mirages Augen verengten sich weiter: „Versuchen Sie gerade, witzig zu sein?“
Der Ruf von Aladdin „Vorsicht, sie ist hinterhältig!“ wurde von Mirage mit einem Augenrollen, von Cal mit einem „Firma dankt!“ quittiert, dann verschränkte der Sternenflottenoffizier die Hände hinter dem Rücken: „Hören Sie, ich weiß gar nicht wovon Sie reden.“
Und er hoffte, dass auch die Anderen diese Story so zu bestätigen wussten.
Doch seine Hoffnung erlosch, als er das dünnlippige Lächeln der Katzenfrau sah und dann miterlebte, wie sie aus purer Luft eine Art „Fernseher“ entstehen ließ. Faszinierend, vielleicht sollte die Frau in die Flachbildschirmfabrikation gehen – denn der Monitor, den die feline, feminine Furie dort hatte entstehen lassen, war nicht einmal einen Mikrometer dick – so hatte Cal zumindest das Gefühl.
Dafür war er mit roten Flammen umrandet, was vielleicht gerade den Einsatz im Haus ein bischen verkomplizieren mochte.
Und dann erschien auf dem Bildschirm die Szene, die er selbst erlebt hatte – allerdings aus einem anderen Winkel.

Hier sah er aus der Luft, wie er den Phaser zog, mit Agatha den richtigen Winkel bestimmte und schoss.
Und wenn er bisher alles irgendwie erklären konnte, würde die Waffe nun wirklich schwer zu erklären sein.
„Darf ich Ihnen sagen, was besonders interessant ist, Prinz Doktor?“, fragte Mirage und Cal zuckte zusammen: „Woher kennen Sie meinen Namen?“
„Oh, ich kenn noch mehr.“, lächelte die Frau und trat ganz nah zu ihm, beugte sich vor um ihm ins Ohr zu flüstern: „Ich weiß wie Sie wirklich heißen – nicht wahr, Captain Calvin Cat?“
Der Captain schluckte, zuckte zurück und blickte die Katzengöttin wie betäubt an: „Wo… woher wissen Sie das?“
Das Lächeln der Frau wurde noch breiter: „Aber aber, wie werde ich denn gleich meine Quellen preisgeben.“
Und dann fuhr sie fort.

Jasmin wusste nicht, wovon die Beiden – also Prinz Doktor und Mirage – im Einzelnen sprachen, aber was sie ihm ins Ohr flüsterte, schien den Prinzen sehr zu entsetzen. Die Augen waren schreckensweit aufgerissen, er schien spontan erbleicht zu sein und blickte in ihre Richtung. Wobei er natürlich an ihr vorbei auf seine Frau, die Prinzessin Song, blickte, aber sie konnte die Panik, die in Doktors Herz pochte, förmlich spüren.
„Hast Du eine Ahnung, was sie gerade gesagt haben?“, fragte Aladdin und sie schaute zu ihrem Mann: „Nein. Aber es scheint alles Andere als erfreulich zu sein, wenn wir Prinz Doktors Gesichtsausdruck betrachten.“
„Du hast Recht.“
Aladdins Stimme war Zeugnis davon, dass ihm die Sache sehr unheimlich und unangenehm wurde. Und die Prinzessin konnte ihren Mann in diesem Punkt sehr gut verstehen – wenn Prinz Doktor, jemand, der mit einem merkwürdigen Gegenstand einen Lichtstrahl auf einen Skorpion abfeuern kann, von etwas so erschrocken ist, dass er spontan erbleicht, ist die Situation ernst.

Agatha merkte, wie ihr Herz pumpte. Sie war versucht, zu Cal zu rennen, ihm beizustehen, aber sie wusste, dass Mirage sie vermutlich in dem Moment, in dem sie sich in Bewegung setzte, entweder mit Magie fällen oder in einen Frosch oder so verwandeln würde. Und darauf, Fliegen zu verspeisen, hatte sie keine Lust. Auch konnte sie sich Jasmins Argumentationsgang nicht entziehen und ahnte, dass das hiesige Prinzenpaar sicherlich inzwischen das eine oder andere ahnte. Wenngleich nicht alles. Vermutlich würden die fortschrittlichen, technologischen Mittel, über die sie verfügten, als Magie abgetan – was auch nicht unbedingt besser war. Schon gar nicht, in einer Welt, in der Magie tatsächlich existierte. Gegen Mirage hatte sie nicht einmal den Hauch einer Chance.
Als die Katzengöttin dann einen Schritt zur Seite trat und Cal loseilte, um zu ihr zu kommen, merkte sie, wie ihr Herz noch schneller schlug. Hoffentlich konnte der Captain sie – also Agatha – rechtzeitig erreichen, bevor Mirage zuschlug. Und Cal eilte. Er flog – vor allem mehr als einmal auf dem mehr als glatten Boden auf die Nase. Es war eher ein schnelles Stolpern, denn ein behendes Eilen, aber er erreichte seine XO, die ihn festhielt und anblickte.
„Schatz, was ist denn los?“
Cals Brustkorb hob und senkte sich in rascher Frequenz, als er tief durchatmete: „Das – erzähl ich dir gleich.“
Damit schnappte er noch einmal Luft, blickte dann zu Mirage und schaute sie an: „Das kann einfach nicht ihr Ernst sein.“
„Doch doch“, kicherte die Katzengöttin, „Ich will diesen Palast und ich will das ganze Land drum herum. Mit allem. Mit Hunden, Katzen, Menschen, Flaschengeistern. Am Liebsten würde ich die Stadt selbst in einer Flasche verschwinden lassen.“
„Wir sind nicht Kandor!“, schrie Cal, ehe er merkte, was er getan hatte, stockte und bleich wurde.
Mirage grinste: „Einen Fehltritt lasse ich Ihnen, Prinz Doktor. Beim nächsten wird Ihr Land leiden.“
Agatha horchte auf.
Land? Welches Land? Fiktivistien?
Oder hatte die Verrückte etwa…
Sie blickte zu Cal, der ihren Blick zu spüren schien, den Kopf zu ihr drehte und langsam nickte. Und da merkte Agatha, dass das Sprichwort „Mir rutscht das Herz in die Hose“ durchaus eine zutreffende Analogie war. Verdammt. Hatte diese Verrückte die DRAGONFLY ?

TBC

 
Kapitel 10.2

Cal konnte eigentlich nicht glauben, was da gerade passierte. Hier war er, wurde von einer fiktiven Figur aus einer Zeichentrickserie erpresst – so würde sie, wenn er ihre Forderungen nicht erfüllte, sein Schiff zerstören, das irgendwo in der Wüste rund um Agrabah lag.
Der Captain konnte jetzt schon die sehr zweifelnden Gesichtsausdrücke seiner Vorgesetzten sehen, die sich entweder fragen würden, ob er sie zum Besten halten wollte oder ob er die nächsten Tage nicht doch lieber in der Geschlossenen von Haus Sonnenschein verbringen sollte.

Und wenn Cal ehrlich war – er wusste es auch nicht. So attraktiv der Gedanke, dies alles wirklich, tatsächlich und wahrhaftig zu erleben auch wahr, so lautstark und nörgelnd meldete sich eine kleine, innere Stimme mit den Worten „Hey, ich bins – dein Realismus. Du hast schon viel zu lange nicht mehr auf mich gehört“.
Und dann hielt er ja noch nicht mal mehr seine Klappe. Die Stimme in seinem Kopf begann zu zetern und zu salbadern.
„Glaubst Du im Ernst, dass Du in Argabah bist? Denkst Du wirklich, dass dies alles der Realität entspricht? Wäre es nicht weitaus realistischer, dass Du dir einfach nur einen Mords-Knockout eingefangen hast und irgendwo, auf irgendeiner Krankenstation vor dich hin träumst? Erzähl mir doch nix. So blöd kannst nicht mal Du sein, dass du das hier als real ansehen willst. Das ist alles ein Traum oder vielleicht sogar eine miese Fanfiction.“
Das Problem mit dieser kleinen Stimme war, dass sie sich absolut ungefragt einmischte und nicht einmal ansatzweise daran dachte, sich ein wenig zurückzuhalten.
„Und wo wir gerade dabei sind“, zeterte es für die anderen Leute unhörbar in Cals Kopf weiter, „glaubst Du tatsächlich, dass eine so heiße Rothaarige wie Agatha auf dich steht, weil Du so ein netter Kerl bist?“
Der Captain seufzte, tippte sich einmal sanft gegen die Stirn, murmelte ein „Jetzt halt deine Klappe.“, ehe er Luft holte und zu Mirage blickte.
„Genau“, hörte er die Stimme seiner Stimme, „Rede lieber mit dieser Zeichentrickgestalt.“
Schnell zischte Cal ein „Is gut jetz!“, schaute die Zauberin dann an und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
„Das sind sehr interessante Informationen, die Sie da haben wollen.“, sagte er und trat auf Mirage zu, „Ich nehme an, Sie haben auch Beweise für ihre Theorien?“
Jetzt galt es nur, genug Unverfrorenheit und Kaltschnäuzigkeit aufzubringen und alles, was Mirage sagte, als Null und Nichtig abzutun. Egal, wie real es sein mochte.
Doch die Katzengöttin schien diesen Plan durchaus im Vorfeld erkannt zu haben. Erneut lachte sie amüsiert: „Soso – Spielchen will er spielen?“
Sie schloss kurz die Augen, legte den Kopf schief, öffnete die Augen wieder und bohrte ihren Blick in die Augen des Captains: „Gut, ich bin einverstanden.“
„Einverstanden?“, echote Cal und schaute sie verdattert an: „Womit?“
„Wir werden ein kleines Spiel spielen.“, schnurrte die Katzengöttin, schnippte einmal mit den Fingern und verblasste dann, „Aber die Regeln müsst Ihr selbst herausfinden.“
Und schon war sie verschwunden.

Captain und XO warfen einander besorgte Blicke zu, dann wandte sich Cal an Aladdin. Wenn einer wusste, wie diese Katzenfrau wirklich tickte, dann war es doch wohl Aladdin, oder?
Also trat er auf den Prinzen zu und wollte gerade etwas sagen, als sich die beiden Agrabahnischen Würdenträger in spe zu ihm umdrehten und ihn besorgt ansahen.
Cal schluckte: „Könn… Könntet Ihr mir vielleicht sagen, worauf ich mich da gerade eingelassen habe?“
Der ehemalige Straßenjunge seufzte.
„Das weiß man bei Mirage nie so genau.“, sagte er, „Sie hat sich schon ein paar Spielchen einfallen lassen. Ich weiß leider auch nicht, was ihr heutiges Spiel sein könnte.“
Cal schaute ihn an und schluckte: „Das sind ja wunderbare Neuigkeiten.“
Damit drehte er sich um, trat auf den Balkon und blickte auf die Stadt unter sich.

Aladdin sah dem Prinzen hinterher, warf einen fragenden Blick zu dessen Prinzessin, die mit den Schultern zuckte. Dann schaute er zu Jasmin, die ihm aufmunternd zulächelte: „Ich glaube, es wird Zeit für ein Gespräch unter Männern, hm?“
Damit stubste sie ihn leicht, auffordernd an, zwinkerte ihm noch einmal zu und hauchte „Komm, zeig mir deine Magie, du starker Prinz.“, ehe ihr Blick zu den beiden Ägyptern glitt, die gerade wieder zu sich kamen. „Ich kümmere mich um die beiden.“, sagte sie dann, drehte sich noch einmal kurz zu Prinzessin Song um und deutete auf die Speisen, die immer noch aufgebahrt dastanden: „Nimm dir was. Die Satéspieße sind köstlich.“
Dann stockte sie, überlegte kurz und setzte ein „Vielleicht“ hinter ihren vorhergegangenen Satz. Dies schien Prinzessin Song zu amüsieren und sie nickte seiner Frau zu.
Aladdin sah, wie sich Jasmin erhob, an ihm vorbeiging und zu Papyrus und Theti trat. Nun erhob auch er sich, schritt auf den großen Balkon, auf dem Prinz Doktor ins Leere blickte.
Wenn er daran dachte, dass seine Frau selbst noch gesagt hatte, dass sie dem Frieden mißtraute – aber daran, dass Mirage angriff, hatte ja keiner denken können.
Vielleicht war ja genau das auch der Plan gewesen? Vielleicht arbeiteten Mechanikles und Morgana ja zusammen?
Aber wieso? Wo war die Logik?
Er hatte die Brüstung erreicht, beschloss, sich später darum zu kümmern. Jetzt galt es einen Prinzen aufzuheitern, der irgendwie so aussah, als ob er genau das brauchte.
Und im Gegensatz zu den anderen Prinzen, die Al im Laufe der Zeit kennengelernt hatte, war ihm dieser aus irgendeinem Grund sympathisch. Also lehnte er sich an die Balkonbrüstung, warf einen Blick auf die Stadt unter sich und drehte sich dann zu Prinz Doktor um.
Aber wie sollte man einen Dialog anfangen?
Kurz überlegte er, dann fiel sein Blick auf den anderen Balkon, den, auf dem er seinerzeit Jasmin den Hof gemacht hatte.
Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Flieg mit mir um die Welt.“, setzte er an.
Einige Sekunden geschah nichts und Aladdin merkte, wie seine Hoffnung sank.
Dann hörte er die Stimme des Doktors: „Bitte?“
Okay – die Dialogaufnahme war geglückt. Vielleicht konnte er den anderen Prinzen tatsächlich in ein Gespräch verwickeln. Die Hohe Kunst war, ihn jetzt nicht wieder zu verschrecken. Also sollte er zunächst mal mit allgemeinem Geplänkel anfangen.
„Ich hab nur laut gedacht.“, sagte Aladdin und blickte zu Doktor herüber: „Ich konnte nicht umher, einen Blick auf den anderen Balkon dort oben zu werfen.“
„Aha.“
Die Antwort Prinz Doktors „Einsilbig“ zu nennen ist eine Beleidigung dieses Wortes. Zumal „Aha“ sowieso zwei Silben hat. Der Held aus Tausend und einer Nacht merkte, dass er hier nicht weiterkam, ließ erneut einen Blick über die Stadt schweifen und schaute dann zu Doktor herüber. Vielleicht konnte er ihn ja tatsächlich irgendwie neugierig machen? Vielleicht war es möglich, eine Kommunikation aufzubauen?

Cal seufzte.
Er konnte Aladdin nicht sagen, was los war. Das wäre ein noch größerer Verstoß gegen die erste temporale Direktive, als er ihn sowieso schon durch seine Anwesenheit begangen hatte. Zugegeben, er hielt sich nicht wirklich an diese Vorschrift, schließlich gab es bei jeder Regel irgendeine Ausnahme, irgendein Schlupfloch und auch wenn Captain Kirk seinerzeit die erste Direktive (und damit bei ihrer Erweiterung auch die erste temporale Direktive) als eines der heiligsten Prinzipien der Föderation ansah, stellte sich die Frage, was man in dieser konkreten Situation tun sollte. Vielleicht wäre da „sich einfach begraben lassen“ der Weg der Föderation?  Und die Benutzung des Phasers war in einem „Setting“, das magische Wesen wie Flaschengeister, Zauberer und schwebende Aale hervorzubringen vermochte, auch nicht unbedingt etwas, das den Lauf der Geschichte verändern würde. Ausserdem hatte er seine Waffe beim zweiten Mal für einen guten Zweck eingesetzt.

Der Captain holte tief Luft und warf einen Blick über seine Schulter. Agatha lächelte ihm sanft und aufmunternd zu, ehe sie sich zu Jasmin, Theti und Papyrus begab und anscheinend versuchte, sich nützlich zu machen. Er konnte nicht verhindern, dass in seinen Mundwinkeln verräterisch zuckte und wenn er sich selbst ausserhalb seines Körpers sehen würde, so wäre er sich sicher, dass in seinen Augen die unabdingbare Liebe stand, die er Agatha gegenüber empfand. Da mochte eine Prinzessin Jasmin noch so schön sein – er würde sie sehen, registrieren, vielleicht Anziehung ihr gegenüber empfinden, bis zur Grenze des Gefühls, das der anglophile Mensch „crush“ nennt – aber am Ende des Tages tauchten in seinen Träumen immer wieder rote Haare, ein wunderschöner, flacher Bauch oder Agathas bezauberndes Lächeln auf.  Gut, hin und wieder hörte er Ginas aufregenden, italienischen Akzent, aber in 99,9 % der Fälle war es Agathas Gesicht, das ihn bis in den Schlaf verfolgte.
Und wenn Agatha lächelte, dann merkte er wie sein Herz schneller schlug, wie seine Synapsen immer schneller arbeiteten und dass sein Körper wie unter Strom war.
Schnell wandte er sich an Aladdin.
„Sorry, worüber sprachen wir gerade?“
Der Prinz aus Agrabah schaute ihn verwundert an, schüttelte den Kopf und lächelte: „Du bist unglaublich, weißt Du das?“
„Erzähl mir was Neues.“, konnte sich Cal ein Grinsen nicht verkneifen und nahm dann direkten Blickkontakt zu Aladdin auf. Ein kämpferisches Lächeln legte sich auf seine Lippen: „Also – wie treten wir Mirage in den Allerwertesten?“

Jasmin kniete am Boden, half Theti, sich aufzusetzen und schaute sie mit einem beruhigenden Blick an: „Na, wieder bei uns?“
„Ungh“, stöhnte die Prinzessin aus Theben und hielt sich den Hinterkopf, „Ich… daran werde ich mich, glaube ich, nie gewöhnen.“
„Was ist denn passiert?“
Die agrabahnische Prinzessin war sich sicher, dass man die Neugierde in ihrem Blick deutlich lesen konnte und eigentlich verdammte sie sich dafür – aber so war sie halt. Wann immer es etwas gab, das ihre Neugierde erweckte, musste sie nachschauen. So konnte sie die Wunder der Welt deutlich erkennen.
Theti schien ihr Wissensdurst entweder nichts auszumachen – oder sie hatte ihn geflissentlich ignoriert. Langsam und vorsichtig erhob sie sich, wandte sich dann zu Papyrus, der immer noch wie hingestreckt da lag und nickte dem goldenen Schwert zu, das neben ihr zu Boden gefallen war.
„Das Schwert des Horus“, erklärte sie, „Es ist nur für den bestimmt, der den Willen der Götter ausführt. Wenn sich jemand gegen die Götter richtet oder ein großes Unrecht begehen will, wird er den Zorn dieser Götter erfahren.“

Agatha konnte sich nicht helfen. Das war nun wirklich zu faszinierend. Wie konnte ein Schwert erkennen, ob eine Tat mit oder ohne Konsens der Götter erfolgte? Eigentlich wäre es für sie logisch, anzunehmen, dass es keine Götter gab. Sie hatte oft genug mit gottgleichen Wesen zu tun gehabt, die lediglich eine Weiterentwicklung des Modells „Humanoid“ waren. Aber hier stieß wissenschaftliches Gedankengut an seine Grenzen. Zwar hatte sie von Waffen gehört, die auf eine bestimmte Person geeicht waren und andere Lebewesen, die diese Waffen nutzen wollten, niederstreckten – und dies würde sich hier auch irgendwie logisch erklären lassen – aber die Person dann niederzustrecken, wenn sie eine Tat begehen will, die in diesem Fall objektiv schlecht war, das setzte eine gewisse lenkende Intelligenz voraus. Entweder war das Schwert doch weiterentwickelter als gedacht – eventuell durch einen Computer im Inneren gesteuert – oder aber es gab tatsächlich, zumindest zu diesem Zeitpunkt – eine Art kontrollierende Instanz, die im Zweifelsfall die Person, welche das Schwert in der Hand hielt, schockte.

Und während Jasmin nur ein „Ich verstehe“ von sich gab, musste sich Agatha auf die Lippe beißen, um nicht allzu neugierig nachzufragen. Schließlich konnte die Frage „Wie funktioniert das denn nun tatsächlich?“ ziemlich blasphemisch wirken. Das musste nun nicht wirklich sein. Also beschloss sie, zu schweigen und sich irgendwann, zu einem späteren Zeitpunkt damit auseinander zu setzen.

Papyrus merkte nur eines, als er erwachte  - sein Kopf schmerzte höllisch.
„Bei Horus“, murmelte er, „die Erfahrung, wie es sich anfühlt, durch die Götter und das ‚Schwert des Horus’ zu Fall gebracht zu werden, hätte ich auch nicht machen müssen.“
Damit öffnete er seine Augen, sah, wie Theti sich ebenfalls aufrappelte und wandte sich ihr zu: „Bist Du in Ordnung, Theti?“
Sie nickte, hielt sich den Hinterkopf, schloss die Augen und stöhnte schmerzvoll.
„Tut dir der Kopf weh?“, fragte er und er hatte das Gefühl, dass die Frage gar nicht überflüssiger hätte sein können. Die Antwort von ihr ein „Nur wenn ich lache“ war in diesem Zusammenhang verdammt deutlich.
Langsam kam er auf die Beine, richtete sich komplett auf und reichte Theti die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
Sie blickte ihn an, schenkte ihm ein kleines Lächeln und ein gehauchtes „Danke, mein kleiner Fischer“ – und er merkte, wie sein Herz schneller schlug. Dann blickte sich der „kleine Fischer“ um. Prinzessin Jasmin warf ihm einen fragenden Blick zu und er zuckte mit den Schultern. „Vermutlich waren wir von Seth besessen.“, mutmaßte er. Als der Name von Prinz Doktor fragend wiederholt wurde, blickte er den Mann an der Balkonbrüstung an.
„Entschuldigen Sie, sagten Sie gerade ‚Seth?’“ Damit hatte sich Prinz Doktor umgedreht und war auf ihn zugekommen, ihn nicht aus den Augen lassend.
„Setek? Seth?“, fragte er dann und blickte alarmiert zu seiner Gefährtin, die mit den Schultern zuckte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, was Papyrus nicht hören konnte. Dafür konnte er die Auswirkungen sehen. Prinz Doktor schien plötzlich ein wenig weniger angespannt zu sein, betrachtete ihn und die Prinzessin aber immer noch neugierig.
„Sagen Sie“, setzte er dann an, „treten eure Götter eigentlich physisch in Erscheinung?“
Gerade, als Theti Luft holte, um zu antworten, verpasste Prinzessin Song ihrem Prinzen einen Stoß in die Rippen, den sie mit einem gezischten „Kümmer Dich lieber erst einmal um eine Baustelle.“ untermalte.
Papyrus hatte keine Ahnung, was da zwischen den Beiden vorging, aber er hatte das Gefühl, dass die Frage dem Prinzen und der Prinzessin zwar wichtig schien, sie sie aber nicht zu diesem Zeitpunkt beantwortet wissen wollten. Zumindest war dies bei der Prinzessin so.
Jasmin richtete sich auch auf, schaute fragend zum Prinzen Doktor der zuerst Prinzessin Song, dann Theti und letzten Endes Jasmin anblickte: „Tut mir leid, aber wenn ich bei einer Sache nicht weiterkomme, muss ich mich halt einer anderen Baustelle widmen.“
Dann wandte er sich an Aladdin: „Du hast gesagt, dass man mit Mirage weder verhandeln noch koalieren kann. Das heißt – wann immer sie ein Spiel spielt, ist man entweder in ihrer Hand oder muss drei Züge im Vorraus denken?“
„Richtig“, nickte der angesprochene Mann und trat auf Doktor zu: „Ich erinnere mich nur daran, dass sie einmal Agrabah mit einem Schlafzauber belegt hatte und alle Einwohner mich und Jasmin töten wollten.“
Er stockte: „Und dann fiel Jasmin diesem Zauber auch noch anheim.“
Die Prinzessin von Agrabah schüttelte sich, schlang ihre Arme um ihren Bauch und ließ den Kopf sinken, als würde sie in diesem Moment diese schreckliche Erinnerung erneut durchleben. Dann hob sie den Blick wieder und schaute den Prinzen an: „Aber ja. Das ist doch eine Idee.“
Prinz Doktor schaute sie verdattert an: „Und was?“
„Das wirst Du gleich erfahren.“

TBC

Kapitel 10.3

Cal richtete seinen Blick auf die Prinzessin von Agrabah.
„Ich bin kein Freund dieses Shhhh – Spoilers -Geredes… auch wenn ich Prinz Doktor bin.“, sagte er und fragte sich, worauf die hübsche Prinzessin wohl hinauswollte. Dass er damit ein verwirrtes „Bitte?“ von Jasmin erntete, merkte er in dem Moment, als er eine perfekte River-Song-Immitation, komplett mit neckischem Unterton und leichtem Lächeln, hingelegt hatte. Er schluckte, lächelte in die Runde und kratzte sich dann nachdenklich am Kopf.
„Was ich damit…“, setzte Cal an, doch Agatha schnitt ihm das Wort an: „Was der Prinz damit meinen wollte, ist, dass er doch bittet, dass Du ein bischen präziser wirst, liebe Jasmin.“
Gott, es gab diese Momente, da liebte er sie noch mehr, als er es sowieso schon tat. Und während er darüber nachdachte, fiel ihm einer der ersten Flüge der USS DRAGONFLY ein.


Computerlogbuch der USS DRAGONFLY , Captain Cat. Sternzeit  52311.7. Dies ist die erste Mission der DRAGONFLY , einem Schiff, dessen Crew, und darauf lege ich größtmögliche Betonung,  tatsächlich so etwas wie ein „Recycling-Projekt“ ist. Ursprünglich hieß dieses Schiff U.S.S. Yorktown und war ein Schiff der Intrepid-Klasse. Gleich bei ihrem ersten Einsatz gegen das Dominion wurde sie schwer beschädigt und für „können wir vergessen“ eingestuft. Dies war das Schiff, auf das wir vom Projekt „Teen Squadron“ gewartet hatten. Unser Auftrag ist es, Botschafter Root nach Remus zu bringen. Root wird der Abgesandte der Föderation bei einer Friedenskonferenz mit den Romulanern sein. Allerdings werden keinerlei Probleme erwartet. Ich muss mich hier übrigens bei Admiral Angler dafür bedanken, dass wir die neue DRAGONFLY schon so früh einsetzen konnten. Der Dominion-Krieg ist gerade erst ein paar Stunden her und die Tinte unter dem Vertrag ist kaum trocken – aber wir dürfen mit der DRAGONFLY kühn dorthin gehen, wo noch nie ein zum Captain honoris causa beförderter Lieutenant Commander zuvor gewesen ist.

Calvin beendete seinen Logbucheintrag und starrte sinnierend zu einem Punkt irgendwo über Alexander Stranges Kopf, als plötzlich eine Lampe blinkte und Agatha Silverbird ihrem Freund und Captain den Ellbogen in die Seite rammte.
„Sir, wir werden gescannt.“, sagte sie.
Keuchend blieb Calvin keine andere Wahl als zu sagen:
„Lieutanant Worth, Analyse.“
Ethan erledigte seine Aufgabe so schnell, wie kompetent.
„Es ist eine zufällige Subraumfluktuation.“, berichtete er.
Calvin, der sich inzwischen von dem Stoß erholt hatte, sagte nur knapp: „Kurs konstant.“
Ethan gehorchte, als plötzlich Jill Menacer von ihrer Konsole aufblickte.
„Sir ?“ erhob sie ihre Stimme, „Wir werden gerufen.“
Calvin stand auf und versuchte eine heroische Pose einzunehmen. Es gelang ihm nicht. Also blieb er so stehen, wie er stand und zeigte auf Jill. Er befahl in einem geschäftsmäßigen Tonfall, den er auch nicht traf,: „Auf den Schirm.“
Das Bild, das öde Sterne zeigte, wechselte. Statt der Sterne sah man nun einen blutenden Romulaner. Er erhob seine leicht angekratzte Stimme und sagte röchelnd: „ Hier ist der romulanische Frachter „Khen’Sha“ unter Commander Mah’Pohl.
Wir sind in einem Ionensturm gefangen. Wir kommen hier nicht mehr raus und erbitten Hilfe. Ich wiederhole………“
Doch, aus zwei Gründen sollten Captain Cat und seine wackeren Mannen nicht in den Genuß kommen, diesem Hilferuf zum zweiten Mal zu lauschen. Der erste Grund war der, das der Ionensturm die Subraumantenne des Frachters beschädigte, jedenfalls glaubte man das, und der zweite Grund war, dass ich keine Wiederholungen schreibe. Sinnlose Rückblenden – das ja – aber keine Wiederholungen. Captain Cat rieb sich die Hände. Endlich etwas zu erledigen und endlich ein Grund um sich mit Agatha zu zoffen, die ja eh eine andere Meinung hatte als er sie vertrat.
„Äh, Ethan, wie lauten die Koordinaten der „Khen’Sha“ ?, fragte er, schon darauf lauernd, dass sich Agatha zu Wort meldete. Aus diesem Grund hatte er sie zu seinem ersten Offizier ernannt, da dieser eigentlich immer gegen die Meinung des Captains zu opponieren hatte, wenn es einen logischen Grund dazu gab. Und ein Captain ohne ersten Offizier würde Selbstgespräche anfangen, was wiederum das Hinzuziehen eines Counselors nachsichziehen würde. Kurz, ein Captain brauchte einen ersten Offizier und Agatha füllte diese Rolle gut aus. Sie nörgelte, wenn es was zu nörgeln gab, sie gab ihm Rückendeckung, falls es notwendig war, so stellte er es sich jedenfalls vor. Ob es sich tatsächlich irgendwann so abspielen würde, werde die Zukunft zeigen, beschloß Calvin.
Alexander Stranges Bericht schleuderte ihn aus seinen Gedanken.
„Die „Khen’Sha“ liegt beinahe 12 Lichtjahre von hier.“, sagte er.
Calvin musterte ihn verwirrt. Weswegen hatte Alex sich
gemeldet ? Da fiel es ihm wieder ein. Alex war sein Steuermann.
Calvin nickte und sagte, das man einen Kurs setzen solle und auf Maximum Warp zu gehen habe. Agatha protestierte mit einem überraschten „Captain !“, worauf Calvin mit dem knappen Satz „Sie haben Ihre Befehle.“, reagierte. Er ging in seinen Raum, wohlwissend, das Agatha ihm folgen und ihm diese paar Sekunden zur Hölle machen würde.

Kaum hatte sich Calvin gesetzt, betrat Agatha den Raum und stützte sich auf seine Tischplatte, um ihm direkt in die Augen zu sehen. „Captain, ich möchte gegen Deine Entscheidung protestieren.“, sagte sie. „Wir müssen Botschafter Root zeitplangemäß abliefern.“
„Ach, das wußte ich ja gar nicht.“, sagte er in gespielter Verblüffung. „Das ist mir ja total unbekannt.“
Agatha grinste, und Calvin ließ sich von dem Lächeln anstecken. Doch plötzlich wurde er wieder ernst und sagte: „Commander, wir sind in einer diplomatischen Mission. Der Botschafter wird sicher noch ein paar Minuten warten können, bis wir die „Khen’Sha“ evakuiert haben.“
Agatha hob wieder an, um zu protestieren, doch da setzte der Captain noch einen drauf: „ Wir sind Starfleet-Offiziere, es ist unsere Pflicht Leben zu retten.“
Das brachte Agatha richtig zur Weißglut und sie eruptierte: „Wieviel Leben stehen denn auf dem Spiel, wenn wir zu spät zu den Verhandlungen eintreffen, hä?“
Calvin, der sie gut kannte, und wußte, das diese Eruption eine unweigerliche Folge seiner eigenen Blödheit war, hatte er ihr doch genügend Zündstoff gegeben, blieb ruhig und sachlich.
„Wir fliegen zuerst zur „Khen’Sha.“, bestimmte er.
Agatha brachte wieder ihr schrilles „Captain“ zum Einsatz, doch Calvin reagierte kurz und knapp. „Weggetreten!“, sagte er.
Kaum hatte Agatha wütend Calvins Büro verlassen, grinste der Captain. Er wußte, das Agatha ihren Job nur zu gut machte. Und er hatte etwas Weitsicht um gewisse Unstimmigkeiten zwischen sich und Agatha nicht auf der Brücke auszutragen. Andererseits wußte er, das Agatha ihre täglichen Streitrationen dringend brauchte, um wieder einen Grund zu haben, ein Holodeck zu besuchen, und sich in Kampfsport zu versuchen. Calvin verdrängte die Gedanken und betrat ebenfalls, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen, die Brücke.

Auf der Brücke sitzend, hatte Calvin alles im Blick. Er wartete nur darauf, herauszufinden, wer den Frachter angegriffen hatte, zu dessen Rettung sie nun eilten. Dann drehte sich Alex von seinem Pult um und sagte: „Sir, wir erreichen nun die Koordinaten des Frachters.“
Calvin gab per Handzeichen den Befehl unter Warp zu gehen, doch dann stockte er. Er sah erst bunte Sterne, die sogenannten Warpsterne, dann jedoch sah er nur das All. Nichts. Kein Frachter. Calvin fühlte sich verschaukelt
„Wo ist die „Khen’sha“?“, fragte er, erhielt aber nur Achselzucken als Antwort. Dann schließlich meldete Agatha:
„Sir, ein großes Schiff kommt jetzt an.“
Calvin: „Was ?“
Agatha prüfte ihre Anzeigen, dann drehte sie sich zu Calvin um und sagte: „ Es ist ein Borg-Schiff.“
Es folgte eine betäubende Stille. Jeder verstummte und wendete seinen Blick zum großen Hauptschirm, wo das Borgschiff zu sehen war. Auf die Stille folgte Gegacker, wie in einem Hühnerstall.
Calvin stand auf und sagte zu Alex: „Alex, bring uns hier weg.“
Doch Alex sagte, er könne nicht. Calvin war verwirrt. Was war mit diesem Schiff los.
Dann meldete Ethan, dass sie sich in einem Traktorstrahl befänden.
Ehe Calvin einen Gegenbefehl geben konnte, flackerte etwas. Der Kommandant der DRAGONFLY glaubte, es wäre die Brückenbeleuchtung, doch dann manifestierten sich auf der Brücke zwei Gestalten. Maschinenmenschen. Eine Frau und ein Mann. Doch die beiden unterschiedlichen Gestalten, die unterschiedlichen Rassen zugehörig waren, starrten nur auf den Kommandanten und den Ersten Offizier. Agatha stand auf und hob die Hand zu ihrem Kommunikator. Doch plötzlich zischte es. Agatha hörte ein betäubendes Summen und dann verschwand die Anspannung aus ihrem Körper. Doch es war nicht nur die Anspannung, die aus den Zügen des ersten Offiziers der USS DRAGONFLY entwich. Es war auch die Kraft überhaupt etwas zu tun. Plötzlich verschwamm die komplette Umgebung.



Cal konnte nicht anders, als zu lächeln. Diese Erinnerung, so schrecklich sie in diesem Moment auch gewesen sein mochte und so wenig epicht er darauf war, sie zu wiederholen – sie zeigte ihm, warum er seine XO so liebte. Verdammt, sie hatte einfach recht. Und wenn das mal nicht so war, dann machte es auch nichts.

Und in diesem Moment merkte er, dass auch Jasmin lächelte – wenngleich es bei ihr eher ein sehr irritiertes Lächeln war.
„Erm – Prinz Doktor? Was ist? Warum grinsen Sie?“
Der Captain schüttelte den Kopf, fand sich in die Realität zurück und zuckte dann mit den Schultern, als sei nichts gewesen. „Mir geht’s gut, ganz ehrlich.“
Zwar blickte Jasmin ihn an, als würde sie ihm nicht das Geringste glauben, aber sie zuckte dann ebenfalls mit den Schultern, ehe sie ihren Blick intensivierte und von ihm zu Agatha und dann zu Aladdin schaute. Sie sagte nur ein Wort: „Phasir.“

Verdammt. Die Frau war auch wieder schlauer als Razul erlaubte. Natürlich. Phasir konnte die Lösung sein. Aladdin lächelte ihr zu und überlegte dann. Wie konnte er diesen alten, blinden Eremiten, der irgendwo unter der Stadt lebte, finden? Bis jetzt hatte er sich immer dann gezeigt, wenn er gebraucht würde. Zwar hoffte er, dass dies auch jetzt passierte, aber irgendwie wusste der Prinz, dass es dieses Mal nicht so einfach sein würde. Besonders dann nicht, wenn Mirage vorhatte, ein Spiel mit ihnen zu spielen. Bei der Sache mit den sie im Schlaf angreifenden Dorfbewohnern, hatte sich Phasir als anfällig für ihre Magie erwiesen.
Hoffentlich wurde er nicht von der bösen Königin des Chaos aufgehalten? Wobei – wenn er ehrlich war: Das würde ihn wenig überraschen.

Cal warf einen verblüfften Blick zu Agatha und trat zu ihr. Leise flüsterte er ihr ein „Hab ich gerade richtig gehört? Kvasir? Seit wann hatte Jasmin Kontakt zu den Asgard?“
Seine XO warf ihm einen Blick zu und er hatte das Gefühl, sich in ihren grasgrünen Augen zu verlieren, als er die Welle der Ironie merkte, die ihm entgegenschwappte. „Wasch Dir die Ohren“, flüsterte sie, „Sie hat deutlich ‚Phasir’ gesagt.“
Der Captain zuckte mit den Schultern und blickte Jasmin an: „Wer ist Phasir und wie finden wir ihn?“
„Das ist das Problem“, sagte nun Aladdin, „Wir wissen es nicht.“
Cal seufzte. „Das wird ja prima.“

TBC


 
Kapitel 10.4

Plötzlich änderte sich die Atmosphäre. Um genauer zu sein – der Himmel, gerade eben noch strahlend-blau, verdunkelte sich und aus der Ferne war ein Rumpeln hörbar, das zuerst zu leise war, um es überhaupt wahrnehmen zu können, sich dann aber multiplizierte und schließlich so laut wurde, dass Aladdin sich die Hände auf die Ohren pressen musste. Jasmin neben ihm ging in die Hocke, stöhnte auf, als würde ihr dieses Geräusch körperliche Schmerzen zufügen und ehe er sich versah, hatten auch seine Beine nachgegeben und er presste nicht nur seine Hände auf seine Ohren sondern sich auf den Boden.

Auch Agatha konnte sich diesem Gefühl nicht entziehen. Schmerzen rasten durch ihren Körper, es war, als wären sämtliche Nervenbahnen in Flammen stehend, als würden sämtliche Muskeln und Sehnen zerreißen und als würde ihr das Hirn aus Ohren und Nase heraustriefen. Gerade, in dem Moment, als sie den unmenschlichen Schrei gehört hatte, merkte sie, dass er ihrer Kehle entronnen war. In ihrem Kopf tauchte dieses eine Wort auf und machte sich immer präsenter: „ FLIEH!

Ihren Mitprinzen und Mitprinzessinen schien es nicht anders zu gehen, denn plötzlich – und dafür bewunderte Agatha ihn – schaffte es Aladdin in einem unglaublichen Akt der Stärke, aufzustehen, sich gegen diese Wogen der Schmerzen und des Kraches anzustemmen, Jasmin hochzuhelfen und mit ihr in den Palast zu taumeln. Und ehe sie realisierte, was geschah, hatte Cal sie auf seinen Armen gebettet und trug sie in Sicherheit. Verdammt , schoss es ihr durch den Kopf, Wenn dieser Krach mich schon an den Rand des Wahnsinns bringt, was wird denn dann erst mit ihm?
Sie wandte ihren Kopf ihm zu und stellte fest, dass Genie und Eden sich in Kopfhörer verwandelt hatten. Einer hatte sich über des Captains Ohren gestülpt, der andere schlüpfte gerade aus dem Palast, wo er zweifelsohne Aladdin vor dem Krach beschützt hatte und setzte sich nun auf die Ohren von Prinzessin Theti. Diese stemmte sich empor, griff die Hüfte ihres „kleinen Fischers“ und half ihm in die Stehende. Kaum, das Cal den Palast betreten hatte, lösten sich die grünen Eden-Kopfhörer, huschten zu Papyrus und nahmen Kontakt zu seinen Ohren auf. Mehr konnte die XO nicht sehen, da Cal sie schnell gegen die nächste Wand presste, sich vor sie und sie mit seinem Körper vor weiterem Lärm abschirmte. Dazu presste er seine Hände auf ihre Ohren, was sie damit erwiderte, mit ihren Händen die Captainsgehörgänge vor diesem Lärm zu beschützen. Kurz warf sie einen Blick zu einer anderen Wand, wo Aladdin und Jasmin sich auf selbe Weise gegen den Lärm zur Wehr setzten.
Und nun, wo der ohrenbetäubende Krach einem dumpfen Brummen im knapp-hörbaren Bereich gewichen war, konnte Agatha auch wieder klarer denken. Allem in allem stellte sich die Frage, was das für ein Krach war.
Also beugte sie sich vor, so dass ihr Mund an Cals Ohr angelangt war, lüftete kurz ihre Hände, sodass Cal wirklich nur sie hören konnte und fragte: „Weißt Du, was das ist?“
Schnell verschloss sie die Gehörgänge ihres Geliebten wieder, der sie anblickte. In seinen braunen Augen konnte sie erkennen, dass auch er keine Ahnung hatte, was das nun war, aber mehr als neugierig. Sie nickte ihm zu – doch sie fragte sich, wie sie sich wohl bewegen konnten, ohne erneut diesem Geräusch zum Opfer zu fallen.

Und in diesem Moment – man könnte fast meinen, dass das Geräusch das Drehbuch gelesen hätte – hörte es auf.
Aladdin und Jasmin warfen einander einen verblüfften Blick zu, schauten einander in die Augen und merkten, dass es ihnen eigentlich egal war, was um sie herum passierte. Die Hände von den Ohren nehmend, beugte er sich vor und stahl ihr einen Kuss. Sie lächelte.
„Kann es sein, dass Du mich gerettet hast?“, fragte sie, so unschuldig wie möglich.
Aladdin blickte kurz zu Boden, ehe er seinen Kopf hob und sie anblickte. „An… anscheinend.“, sagte er und gab sich Mühe, nicht allzu nervös zu klingen, obwohl sein Herz in diesem Moment so lautstark pochte, dass er sich sicher war, dass sie es ebenfalls hören würde. Er schaute sie an, holte Luft und setzte an: „Flieg mit mir um die Welt.“
Jasmins Augen weiteten sich, auch sie holte Luft und ließ ihre sanfte Stimme erklingen: „… sie gehört mir, ich weiß schon.“
Damit griff sie den Kopf ihres Mannes, zog ihn zu sich und küsste ihn lange und leidenschaftlich.
Die Stimmen des Prinzen Doktors und Prinzessin Song drangen an ihre Ohren, aber sie ignorierte sie.

„Die beiden sollten sich echt ein Zimmer nehmen.“, grinste Cal, als Agatha ihre Hände von seinen Ohren nahm und sich zu ihm umdrehte. „Schatz“, sagte sie, „Sie haben den ganzen, verdammten Palast.“
„Auch wieder wahr.“
Damit nickte der Captain in Richtung des offenstehenden Balkons, machte sich auf den Weg und hörte neben sich ein leises, doppeltes Klingeln. Kurz wandte er seinen Kopf in die Richtung des Geräusches und sah Genie und Eden, die ebenfalls neugierig um die Ecke lugten.
„Ich frag mich, was das für ein Krach war.“, wisperte der Flaschengeist, als wollte er die Leidenschaft, die gerade in Al und Jasmin emporkroch nicht stören.
Der Captain zuckte mit den Schultern. „Würde mich auch interessieren“, sagte er raunend, ebenfalls die Gefühle von Prinz und Prinzessin respektierend, „Wenngleich ich mich auch frage, weswegen unsere beiden Lovebirds da drüben“ – er deutete auf Aladdin und Jasmin – „nicht einfach in ein Zimmer gehen. Der Palast hat doch genug.“
„Vielleicht wollen sie auch einfach nur gleich zur Stelle sein?“, bot Eden flüsternd ihre Meinung an und stockte, als sie ein genervt-lustvolles Seufzen Jasmins hörte und dann den Satz „Ihr wisst schon, dass wir euch noch hören können?“
Cal hob den Kopf und wandte seinen Blick dem Liebespaar zu: „Wie schon gesagt – nehmt euch ein Zimmer.“
Die Prinzessin von Agrabah lächelte ihm zu, machte sich von Aladdin los, richtete ihre Garderobe und trat dann auf den Sternenflottencaptain und die beiden Flaschengeister zu.
„Was macht Ihr da eigentlich?“
Nun war es am Captain, etwas zu richten. Und zwar sich selbst in eine aufrecht stehende Position.
Er straffte seine Gestalt und blickte die Prinzessin an: „Nun, wir wollten eigentlich nur wissen, was das gerade für ein Krach…“
Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment geschahen zwei Dinge aufeinander. Erstens wurde ein genau so lauter, wie trommelfellzerreißender Knall hörbar, der Cal so erschreckte, dass er zweitens ein „YIKES!“ ausstieß und in Jasmins Arme sprang.
„Cal?“, hörte der Captain die Stimme seiner XO und machte sich von Jasmin los.
Dann blickte er zu Agatha und schluckte: „Hast… hast Du das auch gehört?“
Sie nickte: „Wenn Du deine neue Freundin loslässt und herkommst, dann zeige ich dir auch, was das war.“
Damit deutete sie auf den Balkon.
Cal drehte sich um und sah, dass die Balkonbrüstung in einer Art „Schatten“ lag, so als würde etwas die Sonne verdunkeln. Und dieser Schatten kroch immer weiter auf sie zu.
„ist das wieder der Obelisk?“, fragte Jasmin hinter ihm und eilte auf die Aussichtsplattform, gefolgt von Aladdin, Genie und Eden.

Dass Prinz Doktor seiner Frau plötzlich in die Arme gesprungen war, war etwas, worüber er mit dem Prinzen noch reden musste. Momentan schien es aber andere Probleme zu geben, denn wenn der Obelisk, der vor knapp 2 Jahren Agrabah schon einmal fast zum Verhängnis wurde, wieder von Mirage bemüht wurde, dann war es keine großartige Herausforderung. Man wusste ja, wie man diesem Ding entgegenwirken konnte. Doch, als sie auf dem Balkon standen und sich suchend umblickten, hörte er neben sich Jasmin hauchen: „Ich sehe den Obelisken nicht.“
Aladdin trat an die Brüstung und berührte sie: „Hm… sie ist noch da, sie verschwindet nicht – das ist nicht der Obelisk.“
„Ja“, meldete sich nun der Flaschengeist Genie zu Wort, „Aber was wirft einen so präzisen Schatten. Ich meine – schau mal – ganz Agrabah ist in Dunkelheit gehüllt.“
„In einem sehr quadratischen Schatten.“, stellte nun der Prinz Doktor neben ihm fest, ehe er nachdenklich einen Blick gen Sonne warf und sein Gesicht vor der Helligkeit abschirmte.
„Was wirft einen quadratischen Schatten?“, fragte nun Jasmin, was Genie dazu veranlasste, Eden anzustubsen. Sie nickte, verwandelte sich in eine große Taschenlampe und strahlte auf die Palastwand. Dann metamorphierte Genie in ein Quadrat und postierte sich vor der Taschenlampe. Er blickte zu Jasmin: „Ich würde vermuten, eine quadratische Fläche.“
„Oh nein.“, sagte der Prinz Doktor, „Kein Quadrat.“
Damit deutete er gen Sonne, von wo sich ein gigantisches Objekt abzeichnete, das aus der Sonne zu kommen schien und genau auf Agrabah zuhielt.
Prinz Doktor schluckte: „Ein Würfel – ich glaubs nicht.“

Das konnte doch echt nicht wahr sein.
Sah er das wirklich? Bildete er es sich nicht nur ein? Kam dort tatsächlich, aus der Richtung der untergehenden Sonne, ein Borgschiff? Was wollten die kybernetischen Cyborgs hier? Und automatisch traf ihn die Erinnerung, wie es damals, bei ihrer ersten Borg-Begegnung gewesen war:


Cal, der sich schon mit den schlimmsten Befürchtungen trug (seelenlos im All herumzugaukeln und Leuten ebenfalls die Seele auszusagen, kann man ja getrost als schlimm bezeichnen) wurde von Agatha auf eine Kleinigkeit hingewiesen, die er aber irgendwie auch selbst hätte feststellen können. „Sir, wir sind nicht festgebunden.“, sagte sie. Da fiel Cal tatsächlich auf, das sie nicht festgebunden waren. Probehalber trat er aus und tanzte in seinem Alkoven herum, dass es ihm schräge Blicke von Agatha und Scotty eintrug. Cal stellte sich lässig in den Alkoven und eine Idee formierte sich in seinem Kopf. Agatha schien sie ebenfalls zu haben, schlug vor, nach vorne zu stürmen, sich die Borg zu schnappen und………
Der Captain rannte los und wurde wieder von dem Paralysestrahl getroffen. Er erschlaffte.
 
Was dann geschah, wusste er nicht mehr, er kam erst wieder zu sich, als er im Alkoven stand und von einem Borg mit einem Waffenarm bedroht wurde.
„Ich nehme an, das soll heißen, dass ich mitkommen soll?“, fragte er und schluckte, als der Borg seine Waffe auf ihn richtete. Borg und Waffen – eigentlich waren Pistolen und ähnliches unnötig, schließlich waren Borg selbst beinahe sowas wie Waffen. Allerdings musste Cal dem Kollektiv zugestehen, dass es keine blöde Idee war – so konnten die Borg ein fliehendes Opfer betäuben und es später assimilieren. Ziemlich effizient.
Und da er keine Lust hatte, erneut bewusstlos zu werden, hob er gehorsam die Hände und setztes sich in Bewegung.
Kurz warf er einen Blick zu Scotty und Agatha, die ihm mit ihren Augen das selbe sagten: „Abhauen is ja okay – aber wir brauchen einen Plan.“

Sie marschierten einen klaustrophobisch engen Korridor entlang, eine Borg vor ihnen, eine hinter ihnen. Dann war Cal bei Alkoven 19 von 21 angelangt und wurde hineingeschubst. Aus der Wand fuhr urplötzlich ein Waffenarm. Cal erkannte den taktischen Vorteil. Gehorsam steckte er seinen Arm in den Waffenarm, riß sich dann jedoch aus dem Alkoven heraus. Er legte auf die beiden Drohnen an, die Agatha und Sebastian festhielten und feuerte. Die erste Drohne ging ohnmächtig zu Boden, die Zweite wurde auch getroffen, aber sie reagierte nicht. Doch, sie drehte sich um und sah Cal analysierend an. Das war für Scotty die Chance. Er schlug zu.
Am Kopf getroffen ruckte das Kinn der Drohne nach hinten, ihr Körper fiel mit einem lauten Knall auf das Gitter, das dieses Geschoss des Würfels von dem nächsten trennte.

Eine weitere Drohne näherte sich, was Agatha dazu nutzte, sich in eine Verteidigungsposition zu begeben und mit zwei, drei schnellen Karatetritten und – hieben den Borg aus seiner Laufbahn zu befördern.
„KLASSE!“, rief Cal und nickte Sebastian zu, ehe er merkte, dass der Arm, der in der Borgrüstung steckte, sich plötzlich, wie von einem eigenen Willen beseelt, bewegte.
Er richtete sich auf den Torso seines Chefingenieurs aus und nahm ihn ins Visir – respektive: würde ihn ins Visir nehmen, wenn er eines hätte.

Captain, XO und Chefingenieur erkannten, was die Stunde geschlagen hatte, dennoch konnte sich Cal den verzweifelten schrei „Ich kann es nicht kontrollieren“ nicht verkneifen, ein roter Strahlenblitz aus dem Waffenarm schoss. Dieser hüllte den Chefingenieur in einen Kokon aus lähmender Energie ein, das dazu führte, dass er sang-, klang- und wortlos in sich zusammensackte.

Dann positionierte sich der Arm neu, nahm die Brust seiner XO ins Visier und feuerte. Diese duckte sich unter dem Blitz hinweg, ging in die Hocke und katapultierte sich mit voller Wucht gegen den Captain. Der fiel zu Boden, doch der Arm richtete sich wieder auf Agatha aus.


„Du, Cal, das tut mir leid.“, hauchte die XO und Cal blickte sie verblüfft an: „Was tut dir leid?“
„Das.“, sagte sie und trat mit voller Wucht nach dem Arm. Dieser wurde zur Seite gerissen. Cal knirschte mit den Zähnen, als er das Knirschen hörte und irgendwie vermutete er, dass das Kugelgelenk aus seiner Pfanne gesprungen war.

Als dann Funken sprühten, blickte der Captain überrascht auf den Arm und stellte fest, das ein kleiner, viereckiges Mikrochipchen von dem dafür vorgesehenen Steckplatz getrennt worden war. Der Arm machte noch einmal Anstalten, etwas zu tun, erschlaffte dann aber, was Cal erneut ein schmerzhaftes Stöhnen entlockte.
Agatha beugte sich über ihn, küsste ihn auf die Nase und hauchte ein „Entschuldigung, Sweetie.“, ehe sie ihm etwas ins Ohr flüsterte.

Der Captain hatte keine Ahnung, was sie gesagt hatte, aber er merkte, dass die Schmerzen, die sich explosionsartig in seinem Arm bemerkbar machten, in den Hintergrund traten. Er blickte hoch, lächelte Agatha an und merkte, als sie sein Lächeln erwiderte, das sein Herz schneller schlug. 
Hier konnte ihm nichts passieren, er war mit Agatha zusammen, die…

Gerade in diesem Moment von einem Borg am Kragen gepackt und mühelos vom Captain gepflückt wurde.
Moment, so ging das aber nun wirklich nicht.
Cal richtete sich auf und bewegte den Waffenarm auf den Borg zu. Zugegeben, eine Art dumpfes Pochen in seiner Schulter erinnerte ihn daran, dass er eine Verwundung hatte, die sich Gina mal ansehen sollte, aber momentan gab es wichtigere Dinge.
Der Borg blickte ihn an, Cal zwinkerte ihm zu und sagte etwas, das er selber nicht ganz verstand: „Provoziere niemals einen hypnotisierten Captain.“


Es war schon großartig, was Erinnerungen zu leisten in der Lage waren. Allein diese Situation erinnerte ihn daran, dass sie vermutlich alles zu schaffen in der Lage waren, wenn sie nur zusammenblieben. Ob nun Cal, Agatha und Sebastian, Cal, Agatha und Gina oder Cal, Agatha und Ziva – oder Cal, Agatha, Jasmin, Aladdin, Theti, Papyurs, Razul, Genie und Eden – wenn sie alle zusammenblieben, konnte man es schaffen. Da konnte man auch eine Borg-Invasion zurückschlagen, die etliche Jahrtausende zu früh stattfand.

Das grünliche Schimmern neben ihm schreckte ihn in diesem Moment nicht mehr und er merkte, wie sein Körper auf Automatik umschaltete und sich von Lebensrettenden Reflexen leiten ließ. Er wirbelte herum, schlug dem Borg mit voller Wucht auf die Nase, trat ihm dann gegen den Solar-Plexus, schlug noch einmal gegen den Kehlkopf, wirbelte erneut um die eigene Achse und trat zu. Das kybernetische Wesen taumelte gegen die Brüstung und fiel hinunter in die Tiefe.
„Sehr gut“, grinste Cal, wirbelte herum um sich gegen den nächsten Borg zu werfen.
Irgendwann hörte er ein „AIIIEEEE!“ von Jasmin, wirbelte herum und sah, wie sie von einem Borg gepackt und assimiliert wurde. Kaum, dass die Röhrchen ihren anmutigen Hals, zwei Vampirbissen gleich, punktiert hatten, ließ der Borg von ihr ab und sie fiel, wie von einem Magneten angezogen, zu Boden.
„NEIN!“; schrie der Captain und wirbelte herum, als er hinter sich einen Schatten sah. Seine Kinnlade klappte herunter.
„Ich glaub, ich spinne.“

Tatsächlich, da kam Razul auf ihn zu, das Schwert erhoben, das beide Augen durch Okkularimplantate ersetzt, die ihn wirken ließen, als trüge er entweder eine extrem unmodische Brille oder Insektenaugen, aus dem Ohr ragte eines der Dinger, die Cal bei den Borg schon oft gesehen hatte, die er aber als relativ zwecklos erachtete – ein roter Laserpointer.
„Widerstand ist zwecklos!“, dröhnte die Razul-Drohne und schlug zu. Cal warf sich zur Seite, rollte sich über den Boden und kam vor Agatha zum Stehen.
„Uff“, keuchte er, richtete sich auf und deutete auf Razul: „Wir müssen hier…“
Weiter kam er nicht, denn als er sich umdrehte, sah er dass auch seine Freundin inzwischen im anderen Team mitspielte. Ihre grünen, hypnotischen Augen waren erloschen, starrten ihn blicklos an, die freiliegende Haut war einfach nur grau, respektive ziemliche fleckig und alles in allem hatte Cal das Gefühl, dass ihm gleich übel wurde.
„NEIN!“, schrie er erneut, als die Borg-Frau ihn packte …

TBC


CaptainCalvinCat

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Kapitel 10.5

Der Griff, mit dem die Agatha-Borg seinen Kragen festhielt, war schraubstöckern. Cal merkte, wie sein Herz schneller pumpte, wie sämtliche Überlebensinstinkte in seinem Körper aktiviert wurden und konnte förmlich das Rauschen hören, mit dem das Adrenallin durch seinen Körper schoss. Was konnte er tun?
Die sanfte Stimme seiner XO hatte der Captain noch nie gleichzeitig so ruhig, bestimmend und gleichzeitig unheimlich erlebt, wie in diesem Moment, als sie den Erkennungssatz der Borg sprach: „Wir sind die Borg – sie werden assimiliert werden. Widerstand ist zwecklos.“
„Widerstand ist zwecklos? Na, das wollen wir doch mal sehen.“, schoss es Cal durch den Kopf, als er all seine Kraft anstrengte, um sich von Agatha zu befreien. Schnell stieß er seine Hände gegen die Schultern der XO und sie damit zu Boden. Gleichzeitig taumelte er einen Schritt zurück, atmete erleichtert durch.

Sie würden ihn nicht assimilieren. Es reichte schon, dass sie es auf dem Borgschiff versucht – und später, bei der Sache in Ret’tang auch beinahe geschafft – hatten.
Eine Art Gänsehaut kroch über seinen Körper, als er daran dachte, wie er damals assimiliert worden war und die schuldige Person auch noch seine XO, Commander Agatha Silverbird, gewesen war. Andererseits: Dies fiel unter die Kategorie „PP – Persönliches Pech“. Er hätte auf die entsprechenden Ärzte hören sollen, die nach einer De-Assimilation Agathas immer noch nicht Entwarnung gegeben hatten.

Alles in allem war es eine sehr unangenehme Erfahrung gewesen und Cal konnte sich wirklich Schöneres vorstellen, als ausgerechnet diesen Teil der Ret’Tang-Mission zu wiederholen. Lieber würde er…

Seien Gedanken kamen ins Stocken, als er hinter sich einen Körper spürte, der schnell seine Arme um ihn schlang. Kurz wandte er seinen Kopf… verdammt. Irgendwie war es ihm ja zu dem Zeitpunkt klar gewesen, was die Stunde geschlagen hatte, als er gezwungen war, mit anzusehen, wie Prinzessin Jasmin zur Drohne wurde. Und diese Drohnenprinzessin hielt ihn nun fest. Was konnte er tun? Vielleicht konnte man mit ihr ja noch diskutieren?

„Prinzessin“, brachte er hervor, „ich schlage eigentlich keine Frauen – wenn Sie mich loslassen würden, wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
Ihre Antwort ein „Sie werden assimiliert werden“, genau so leidenschaftslos gesprochen, wie es Agatha schon getan hatte, brachte ihn dazu, zu seufzen.
„Also gut“, murmelte er, „Aber sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.“
Damit ballte er seine Hand zur Faust und stieß den Ellbogen in die Magengrube der ehemaligen Prinzessin. Diese ließ ihn los, taumelte nach hinten und hielt sich den Bauch.
Hatte sie doch Schmerzen? War eventuell noch etwas zu retten?
Er ging auf sie zu, vor ihr in die Knie und blickte sie an: „Prinzessin, sind Sie da?“
„Prinz Dok…tor.“, keuchte die Frau, hob ihren Blick und Cal sah, dass ihre Augen wieder eine gewisse Lebendigkeit hatten. Ein Lächeln legte sich auf des Captains Lippen. „Sie sind noch irgendwo da drinnen?“, fragte er und seufzte innerlich. Einen ähnlichen Dialog hatte er doch irgendwo schon mal gehört?
„Prinz Doktor“, sagte die Prinzessin erneut, dieses mal mit fester Stimme und einem Blick, der sich tief in seine Seele bohrte: „Prinz Dok…“
Weiter kam sie nicht, schien irgendetwas zu bemerken, zu sehen, denn ihr Blick veränderte sich. Sie wirkte gehetzt: „Prinz Doktor, es ist nötig, dass Sie mir jetzt ganz genau zuhören. Sie sind…“
Jasmin brach ab, ihr Kopf sackte kraftlos auf ihre Brust.
Verdammt. Was wollte sie ihm sagen? Was war er?
Die letzte Rettung der Stadt? Der neue Prinz? Ein riesiger Vollidiot? Alles drei?
Der Kopf der Prinzessin ruckte hoch, ihre Augen waren wieder seelenlos und sie fauchte: „ Widerstand ist zwecklos.
Mit einem lauten „WHOA!“ ließ sich der Captain nach hinten fallen, rollte sich auf den Bauch und rappelte sich hoch, um loszurennen – doch vor ihm stand Papryus, das Schwert des Horus erhoben und ihn aus ausdruckslosen Augen anstarrend.
Das war ja noch schlimmer als in jedem Horrorfilm mit Zombies!
Wobei – strenggenommen – gab es eine bessere Beschreibung für einen Borg? Konnte man einem Nicht-Starfleetler besser erklären, was ein Borg ist? Schließlich waren beide seelenlose Automaten, die ihren Dienst apathisch versahen. Und eventuell konnte man sogar über die Definition des Wortes „Untot“ spekulieren.

Kurz blickte er zu Agatha, die sich das ganze Geschehen – für eine Drohne, die ihn assimilieren wollte, viel zu ruhig – betrachtete. Sie verschränkte sogar die Arme vor der Brust und dies verlieh ihrer Gestalt ein mehr oder weniger gelangweiltes Aussehen.
Zugegeben, das war eine ziemlich unübliche Borgpose, aber allein schon der Fakt, dass einige Borg seit einigen Jahren Waffen hatten, war ein unübersehbares Zeichen für den Wandel der Zeit im Kollektiv.

Cal betrachtete Papyrus kurz und zuckte mit den Schultern: „Tut mir leid, Papyrus von Borg – aber ich will nicht assimiliert werden.“
Damit verpasste er dem jungen Mann einen Schlag gegen das Kinn, der ihn leblos zu Boden gehen ließ. Der Gedanke „Irgendwie ist das zu einfach“ schoss dem Captain durch den Kopf, aber ein nicht gerade geringer Teil seines Selbst wollte sich in diesem Moment mit solchen essentiellen Fragen nicht beschäftigen – er wollte einfach nur weg. Und wenn er es geschafft hatte, die DRAGONFLY zu finden, würde er auch Agatha heilen können.
Er würde sie hier zurücklassen müssen, um sie wiederzufinden – und er würde sie wiederfinden und heilen – und wenn es das Letzte war, das er im Leben tat. Dazu musste er nur eines schaffen – nicht assimiliert werden.

Kurz blickte er sich um, sah, dass Jasmin wieder bedrohlich nah an ihn herangetreten war. Er wirbelte herum, erkannte, dass hinter ihr die Aladdin-Drohne aufgetaucht war und trat in Aktion. Nach vorne preschend, schubste er die ehemalige Prinzessin gegen ihren ehemaligen Mann, zog dann den Phaser und stellte ihn auf „Lähmen.“
„Entschuldigung.“, keuchte er, „Ich wäre gerne euer Freund.“
Damit drückte der Captain ab. Jasmin und Aladdin leuchteten rot auf, gaben einen Seufzer von sich – eventuell Erleichterung? – und kollabierten. Jasmins Oberkörper kam auf Aladdins Bauch zum liegen und eigentlich sahen die Beiden aus, als haben sie sich nach einem Picknick einfach nur zum Verdauungsschläfchen hingelegt.

Doch der Schuss schien die anderen Borg nun wirklich wütend gemacht zu haben. Schnell stellte der Captain seinen Phaser auf „Volle Stärke“, richtete ihn auf die Person, die ihn gerade angreifen wollte.  Leider war dies Agatha, die versuchte, ihn erneut zu greifen. Der Captain wich aus, richtete seinen Phaser erneut aus… Cals Phaser fauchte zornig auf, als sich der heiße, orange-roter Strahl direkt in den Boden vor seiner XO bohrte und eine Staubwolke entstehen ließ. 1„Vergib mir, Gathy-Chan.“, hauchte er, „ich bin bald wieder da. Kämpf solange gegen die Programmierung – ich weiß, du kannst es.“
Damit wirbelte er herum und eilte los, die Treppe zum Palastgarten herunter.

Es war faszinierend, wieviele Borg auf dem Schiff gewesen waren – denn der Garten war voll von ihnen. Zwar schoss dem Captain die Frage durch den Kopf, ob dies alles nun mal wieder ein Verstoß gegen die Temporale Erste Direktive war oder ob die Borg tatsächlich schon einmal vor langer Zeit eine Invasion der Erde versucht hatten – aber es war ihm momentan egal. Genauso wie sein komplettes Training, denn er wusste zwar, dass die Borg nur dann angriffen, wenn sie jemanden als Bedrohung erachteten, aber momentan war ihm auch dies egal. Diese Mistkerle hatten nicht nur einen Eingriff in die Geschichte vorgenommen, sie hatten Leute assimiliert, die er zwar noch nicht so lange kannte, die ihm aber sympathisch waren, die er – im Fall von Jasmin – sogar sehr süß fand – und die er – im Fall von Agatha – mehr liebte als sein eigenes Leben. Diese Leute musste er zurücklassen – und dafür sollte kein Borg zahlen? Kein Stück. Seine Hand glitt wieder zum Phaser, er stellte ihn auf „starke Betäubung“ – vielleicht konnte man diesen Drohnen ja noch helfen - , nahm Ziel und wunderte sich nicht, dass schon die erste Drohne auf ihn zielte und feuerte.
„Netter Schuss.“, kommentierte er die Versuche, ihn zu treffen und schoss.

Die kinetische Wucht des Einschlages riss den Torso nach hinten und die an ihm angebrachten Extremitäten, sowie der Kopf, folgten. Damit hatte er die komplette Aufmerksamkeit der Drohnen, die sofort ihr Feuer auf ihn eröffneten. Cal warf sich in Deckung und schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte er das alles ein wenig zu wenig durchdacht. Irgendwie konnte er sich nicht helfen und stellte fest: „So ähnlich musste sich Aladdin gefühlt haben, als Mirage die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht hatte.“
Sofort durchzuckte eine Idee ihn wie eine elektrische Entladung. Vielleicht – vielleicht war es ja Mirage, die die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht hatte? Vielleicht hatte Mirage die Kontrolle über das Borg-Kollektiv?  War dies möglich? Er hatte bei Mirage keine Implantate gesehen, keine Schläuche, die sich über ihren Körper gezogen hätten, keine Anzeichen, dass sie eine Borg – oder vielleicht gar eine Borg-Königin – wäre. Oder war es ein Zufall, dass die Kyberwesen ausgerechnet jetzt hier auftauchten? Irgendwie konnte der Captain sich das nicht so ganz vorstellen und…

Das laute Dröhnen eines Antriebs, dicht über ihm, ließ ihn zusammenzucken. Er hob den Kopf – direkt über sich sah er Genie schweben – in der Gestalt eines Borgwürfels - , ebenfalls assimiliert, ebenfalls auf der Suche nach ihm.
„Widerstand ist zwecklos“, bellte der Flaschengeist und doch klang er weniger befehlend, weniger mechanisch, sondern eher besorgt. Verflucht, was war hier los?
Die auftauchende Eden hatte sich ebenfalls in ein Borgschiff verwandelt – eine Sphäre, die auf ihn zuflog und ebenfalls das Borgmotto rezitierte.
„Hier sind eindeutig zu viele Borg in der Geschichte“, murmelte der Captain, rappelte sich aus seiner Deckung und eilte los, eine neue zu finden – begleitet vom Geräusch der Borg-Waffen, die sich entluden. Vor und hinter ihm spritzte die Bausubstanz des Palastes auf, ausgelöst von Treffern aus Waffen, die sich in den Palast bohrten.
Cal merkte, wie sein Herz immer schneller schlug. Schaffte er es, rechtzeitig Deckung zu finden? Mehr oder weniger bezweifelte er es, da er über sich schon wieder den nunmehr sphärenartigen Schatten von Eden sah. Verdammt.
Seine Füße hämmerten auf den Boden, er versuchte, so schnell wie möglich fortzukommen, eilte über die Kieselsteine auf einen Busch zu, ging in die Knie und schlidderte in Deckung. Momentan war das Adrenallin noch da und bewahrte ihn davor, sofort Schmerzen zu empfinden, aber er war sich sicher, das dies bald der Fall sein würde. Besonders, wenn er sich die aufgeschrammten Oberarme ansah. Langsam, aber sicher, wurde eine kleine Stimme in seinem Kopf immer lauter.
„War es das?“, hörte er sich fragen, gefolgt von einem „Sollte es das schon gewesen sein?“ Kurzzeitig stahl sich sogar der Satz „Ich bin doch noch soooo jung.“ in seine Gedanken – oder, wie man zur Zeit der (aus Cals Sicht) letzten Jahrtausendwende (1999/2000) , sagte: „Seine Denke.“
Einer der größten Kabarettisten des Landes, das der britische Captain immer zu portraitieren suchte, erzählte da gerne die Anekdote, das man ihm mal gesagt habe „Da haben Sie eine andere Denke als ich“ – worauf hin dieser konterte: „Da habe ich aber eine Staune.“
In Cals „Denke“ erschien also kurz der Satz „Ich bin doch noch sooo jung“ wurde aber alsbald von einem, beinahe schon pseudo-buddhistisch-zen-ig angehauchten „Aber du hast verdammt viel erlebt“ abgelöst. Und das stimmte nun wirklich. Er hatte nicht nur in seiner Zeitlinie, sondern auch noch im 20. und 21. Jahrhundert Freunde gefunden und nun offenbar noch irgendwann mehrere Jahrtausende vor Christi Geburt. Eigentlich hatte er es gar nicht so schlecht getroffen. Im Gegenteil. Und könnte der Fanfictionautor die Story mit einer Melodie unterlegen, so würde er jetzt den Song einspielen, den meine Leser vermutlich kennen und vermutlich sogar wissen, wie er heißt. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, er beginnt mit einem Gitarrensolo und dann damit, dass jemand „WOOOHOOOOO!“ schreit. Und dieses „WOOOHOOO!“-Liede würde jetzt gespielt werden, denn um Cals Lippen tauchte ein Grinsen auf. Er richtete sich auf, zog seinen Phaser, bereit, falls man auf ihn schoss, zurückschießen zu können und sprintete los – auf die Mauer zu, die Unberufene davon abhalten sollte, aus Agrabah in den Palast zu kommen. Oder – in seinem Fall – aus dem Palast zu entfliehen. Eine der Borg-Palast-Wachen schien seinen Plan zu erahnen, eilte ihm entgegen, mit erhobenem Schwert. Schnell riss der Captain seinen Phaser hoch und feuerte. Die Wache leuchtete kurz rot auf und kollabierte.
Eigentlich müsste er jetzt fliehen können, eilte weiter und zuckte zusammen, als direkt neben ihm Erde sengendheiß hochspritzte und wirbelte herum. Der Captain riss seine Arme – sein Gesicht schützend – hoch und wirbelte dann in die Schussrichtung. Er musste kein Genie sein – weder ein Flaschengeist, noch ein besonders cleverer Kopf – um zu wissen, von wo der Schuss kam. Tatsächlich. Agatha Silverbird stand immer noch auf dem Balkon, ihre Augen blicklos auf ihn gerichtet – ebenso der Phaser.
„Ergeben Sie sich Captain.“, sagte sie sanft, aber unheimlich-mechanisch und starrte ihn an, „Wenn Sie sich ergeben, werde ich eine schmerzlose Assimilation garantieren.“
‚Na, das wollen wir doch erstmal sehen’, schoss es dem Captain durch den Kopf, als er sämtliche Optionen durchspielte. Es sah relativ grimm aus - und damit meinte Cal nicht „märchenhaft“.

To be continued

Kapitel 10.6

Er konnte versuchen, Agatha und seine anderen neugewonnenen Freunde mit einem gezielten Schuss auf „Starke Betäubung / Fächerstrahl“ schlafen zu schicken. Dies funktionierte allerdings nur, wenn sie alle an einer präzisen Position Platz nahmen, was vermutlich nicht wirklich klappen würde. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Phaser auf volle Stärke zu stellen und jeden Borg zu erschießen, der ihm zu nahe kam. Wenn gar nichts mehr ging, konnte er auch entweder den Phaser verwenden, um sich selbst zu erschießen – in diesem Falle tat es eigentlich ein Schuss auf „Betäubung“, direkt gegen die Schläfe, wie er aus einem Bericht von Doktor Leonard McCoy wusste, den dieser während der Gorkon-Angelegenheit angefertigt hatte. Sein Phaser bot auch die Möglichkeit, auf „Überladung“ gestellt zu werden und dann als Granate entweder große Verwüstung in den Feindesreihen zu verursachen oder aber zum „Abtritt mit einem großen Knall“. Aber alles, was in irgendeiner Art und Weise den Tod entweder der Eigenen oder anderer Personen nach sich zog, war in Cals Regelwerk nicht unbedingt hoch angesehen.  Und wieder traf ihn ein unvorbereitetes Flashback – damals hatten sie sich zum zweiten oder dritten Mal mit einer Rasse namens „Scribe-De-Ianer“ angelegt.

  Es war eigentlich eine Routinemission gewesen, ein paar Siedler sollten
von Ceti Gamma evakuiert werden, doch dann, aus dem Nichts, erschien dieses
gewaltige Schiff.
Die Crew wusste, wer der Aggressor war, schließlich war man sich im Laufe
der Zeit des Öfteren über den Weg gelaufen..
Die Scribe-de-ianer.
Ob sie nun per Zufall in dieser Region des Weltalls unterwegs waren, oder ob
sie absichtlich dort gewartet hatten – keiner vermochte es zu sagen.

Das erste Kräftemessen hatte sehr schnell stattgefunden.
Lichtpunkte, Laserwaffensysteme waren von dem beängstigend großen
Scrib-schiff auf das Schiff unter dem Kommando Cals gesandt
worden und eingeschlagen.
Die Brücke hatte gebebt – Funken waren aus verschiedenen Konsolen gestoben.
„Das Schiff ist nicht sonderlich sicher gebaut.“, hatte sich Cal gedacht,
und den Schlagabtausch durch den Befehl „Alle Waffensysteme, Feuer Frei!“
erwidert.
Der taktische Offizier, der DRAGONFLY , Lieutenant Commander  Jill Menacer,  führte den
Befehl aus.
 Sie war groß, blond, durchtrainiert, was eben von Vorteil ist, wenn man
eventuell die Crew vor überraschend hineinbeamenden Gegnern schützen muss.
Ihr Finger war  zur Konsole geglitten, sie hatte  zwei Knöpfe, den einen für
die Phaser, den anderen für die Quantum-Torpedos, betätigt, dann hatte es
einen mörderischen Ruck, der Agatha Silverbird, Cals ersten Offizier, fast
zu Boden gerissen hätte, wenn Cal nicht schnell ihr Handgelenk gegriffen und
sie festgehalten hätte, gegeben und die DRAGONFLY war frei gewesen.
„Alex, volle Wende, und dann Warp 9.“, hatte sich Cal an seinen
Navigationsoffizier gewandt, doch dieser war nur knapp angebunden gewesen
und hatte mit dem Kopf geschüttelt: „Das geht nicht.“
„Warum nicht?“
“Unser Warpantrieb ist beschädigt worden. Das einzige, was ich die
anbieten kann, ist voller Low-speed.“
Cal hatte mit den Augen gerollt: „Was auch immer, Hauptsache, wir kommen von
den Scribs weg, oder?!“
„Volle Wende, voller Impuls.“,  hatte Alex  gesagt und die DRAGONFLY
hatte den Befehlen des Navigators gehorcht.


Die Schadensinventur war sehr schnell gelaufen.
Der Captain warf einen Blick auf den Palm-PC, auf dem der Statusbericht des
Schiffes abgerufen wurde.
Er seufzte.
„Das Schiff ist schwer beschädigt.“, sagte Sebastian, richtete sich zu
seiner stattlichen Größe von ungefähr 2 Metern auf,  ging zum Monitor des
Besprechungsraumes, in dem sie zur Zeit saßen, und aktivierte ihn.
Ein schematischer Grundriss der DRAGONFLY erschien darauf,  ein, für
uneingeweihte heilloses durcheinander aus Drähten, Korridoren, Zimmern,
Leitungen und was sonst noch alles zu sehen war.
Cal hob eine Augenbraue und besah sich das Gebilde auf dem Monitor.
„Und, was sagt uns das jetzt?“
Sebastian deutete auf die diversen roten Punkte, die auf dem Bildschirm zu
sehen waren.
„Wir haben Hüllenbrüche, Austritt von Antriebsplasma und – als ob das nicht
schlimm genug wäre, einen Ausfall der Lebenserhaltungssysteme in den
Gästequartieren. Zum Glück ist aber niemand dort.“
Der Captain nickte und wandte sich dann, mitsamt seines Stuhls, zur
medizinischen Leitung, Gina Intrupper um.
„Und, wie siehts bei Dir aus?“
Gina räusperte sich, stand dann auf, strich ihren Doktorenkittel glatt und
ging schließlich ebenfalls nach vorne.
„Medizinisch gesehen haben wir Glück gehabt.“, sagte sie. Die verrußte
Kleidung, die sie trug verriet jedoch, das das ja nicht so ganz der Wahrheit
entsprach, doch sie fuhr fort, „Keine schweren Verletzungen, ein Wunder, bei
dem Höllenritt, den die Scribs und da wieder durchmachen haben lassen.“
Nun schaltete sich Jill ein: „Sag mal, Cal, wie lange wollen wir das
Spielchen noch treiben?“
Cal runzelte die Stirn: „Lieutenant?“
“Naja.“, zuckte sie mit den Schultern, „die Scribe-de-ianer drängen uns
immer mehr in die Defensive. Wir müssen bald etwas tun.“
Der Captain lächelte: „Gute Idee, nur was sollen wir tun, Jill?“
„Kurz bevor wir den Auftrag zur Evakuierung von Ceti Gamma bekommen haben,
haben wir doch diesen Planeten entdeckt, der, so sagte zumindest unsere
Intel, einen nicht unwichtigen Faktor in der scribe-de-ianischen Ökonomie
stellt. Dort wird ein Mineral abgebaut, mit dem die Scribs ihre Schiffe
betreiben. Wir könnten dort hingehen und das Mineral entweder selbst
abbauen, oder aber es unbrauchbar machen.“
Cal runzelte die Stirn: „Wie stellst du dir das vor?“
“Eine MAG 5-Atombombe.“, sagte Jill, ohne zu zögern.
Die Kinnlade des Captains war damit beschäftigt, nach Erdöl zu graben, eher
er sich wieder unter Kontrolle hatte.
„W... Was war das gerade?“, fragte er.
Jill nickte: „Du hast mich genau verstanden.“
„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann schlägst du vor, eine Atombombe
auf dem Planeten zu zünden und somit das Mineral zu verstrahlen?“
„Ja.“
„Aber ist das a) überhaupt möglich und b) nicht viel zu viel Overkill?“
Die schöne Offizierin nickte: „Es ist eine Menge Overkill, da gebe ich dir recht. Aber, es ist auch unsere einzige Chance - es stellt das dar, was wir endlich brauchen. Einen Sieg.“
Cal wiegte nachdenklich den Kopf, bevor er sich an seine taktische Offizierin wendete: „Haben wir keine anderen Optionen?“
„Ich weiß nicht, was du dir erhoffst, Cal?“
„Na, vielleicht etwas, was weniger nach ‘taktischer Großangriff’ klingt? Etwas, ich weiß auch nicht, was ‘eine Nummer kleiner’ ist.“, sagte der Captain und schaute zu Agatha.
Diese sah ihn an, nickte.
Die Tatsache, das man plante, dieses Mineral zu verstrahlen, also eine Atombombe zu zünden undl sogar anderen Lebensformen zu schaden, ob sie es verdient hatten, oder nicht, wobei die Frage, ob sie es verdient hatten sowieso eher eine Definitionsfrage war, denn alles anderes, das alles ließ ihren Atem schneller gehen und sie hatte das Gefühl, auf ihrer Brust parke eine Dampfwalze. Es gefiel ihr nicht.
Und Cal konnte dies sehen.
Er schüttelte den Kopf: „Die Idee mit dem Abbauen gefällt mir wesentlich besser. Wir könnten unseren eigenen Antrieb damit sicherlich verbessern.“


Natürlich gefiel dem Captain die Idee mit dem Abbauen besser – zumindest solange, bis sie am Planeten abgekommen waren und sich plötzlich einem gigantischen Scrib-Schiff gegenübersahen, das sie rief.


Die Stimme war dunkel, verzerrt und zeugte dennoch von einer gewissen
Resthöflichkeit,  so höflich wie man sein konnte, wenn sein Schiff unter
Beschuss geraten war.
„Oberst Cat.“
Cal kam von der taktischen Konsole zu seinem Kommandosessel herunter: „Te’
Exwe – ich heiße ‚Captain Cat’, aber so pingelig wollen wir ja nicht sein, nicht wahr?“
Es klang tatsächlich ein bisschen erfreut, ihn zu sehen.
„Was tun Sie in dieser Gegend?“, fragte er Starfleetoffizier.
„Das selbe könnte ich Sie fragen.“, war die gleichmütige Antwort des Mannes,
den man auf der Erde nur noch ‚die wandelnde Tagesdecke’ nannte.
Er trug ein langfallendes Gewand, das nicht nur die Hände, sondern auch das
Gesicht komplett verdeckte.
Aus welchem Grund er das tat, war niemandem ersichtlich, vermutlich noch
nicht mal seinen eigenen Leuten.
Te’exwe Ynos Ni’lopo war jedoch jemand, der zwar äußerlich der
Lächerlichkeit preisgegeben war, aber er innerlich und darüber hinaus sowohl
offiziell, als auch inoffiziell, die Fäden in der Hand hatte. Er war, so
erinnerte sich Cal, der eine Videodokumentation über ihn gesehen hatte, der
Botschafter des Planeten Scribe-de, aber gleichzeitig auch ein bedeutender
Anführer. Er hatte Carte Blanche im Universum und wo immer Te’exwe Ni’lopo
den Befehl „Spring“ gab, war die Klischeeantwort die Gegenfrage „Wie hoch?“.
Der Scribe-de-ianer war eine beeindruckende Erscheinung, bedingt durch sein
Gewand, das ihm einen mysteriösen und unheimlichen Aspekt verlieh.

Cal ließ sich auf seinem Sessel nieder und schaute Te’exwe an: „Wir sind nur
auf der Durchreise hier.“
‚Meine Güte, ich kann auch lügen, ohne rot zu werden.’, dachte sich der
Captain.
Te’exwe lehnte sich in seiner Sitzmöglichkeit zurück: „Und sie reisen durch,
indem sie das Feuer auf uns eröffnen?“
Eine Spur Ironie in der Höflichkeit.
„Er ist angesäuert.“, dachte sich Cal, „Wundert mich gar nicht, ging mir vor
ein paar Tagen genau so.“
Der Oberst erhob sich wieder und machte sich mit langsamen, bedächtigen
Schritten auf den Weg zu Jill.


Damals war es ihnen gelungen, ohne großes Blutvergießen aus der Sache rauszukommen. Und der Captain hoffte, dass es hier ebenfalls gelingen würde.
„Ergeben Sie sich“, echote seine XO, die Borg, und Cal stellte fest, dass dies nur halb so sehr nach Seven of Nine, der blonden Ex-Borg, klang, wie er im ersten Moment gedacht hatte.
Der Captain räusperte sich: „Sie versprechen mir eine schmerzlose Assimilation?“
Kurz schien die Borg zu überlegen, dann nickte sie.
Auch in Cals Hirn ratterten die Räder. Leben? Tod? Leben? Tod?
„Here goes nothing.“, murmelte Cal, stellte seinen Phaser auf “lähmen”, richtete ihn auf Agatha, murmelte ein „Vergib mir, mein Liebling“ – er hatte keine Zeit, er musste weg, musste seine Geliebte vor den Borg retten -  , schoss… und seufzte, als der Phaser nicht feuerte.
Kurz warf er einen Blick auf die Ladungsanzeige – wer immer erzählte, dass Phaser unendlich Energie hatten, log ganz einfach. Wo sollte sie auch herkommen? Und wäre es dann nicht einfacher, die Energiequelle, die einem Phaser zu Grunde läge, in einem Raumschiff als Antrieb zu verwenden?
Aber nein – auch Phaser konnten sich komplett entladen und so war es auch bei der Waffe, die Cal auf seine XO gerichtet hatte. Er rollte mit den Augen, warf das Ding zu Boden, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ging in die Knie.
Der Phaserstrahl, der herangesaust kam, traf ihn und fegte seine Gedanken bei Seite.

Noch eine Lüge. Phaserbetäubungen sollen angeblich komplett risikofrei sein.
Wenn es einen gab, der wusste, dass dies eine fette Lüge war, dann war es Cal, denn als er die Augen öffnete, hätte er sie am liebsten wieder geschlossen. Sein Kopf drohte zu explodieren, als er sich aufrichtete und die ganze Borg-Bagage vor sich sah. Allesamt Leute, die er eigentlich mochte und im Spezialfall Agatha sogar liebte.
Verdammt. Es war tatsächlich aus. Sein Phaser war leer, die Möglichkeiten extrem eingeschränkt und so seufzte er, stand auf und schaute Agatha an.
„Versprichst Du mir, dass es schnell geht? Ich möchte nicht meine letzten Sekunden als Cal damit verbringen, noch mehr als Bangebuchse rumzulaufen, als ich es normalerweise tue.“
„Dieses Versprechen kann gegeben werden.“, ratterte Agatha. Der Captain zuckte mit den Schultern, trat auf die XO zu und nahm sie in die Arme.
„Dann mach.“, seufzte er und schloss die Augen.

To be continued

 
Kapitel 11 – Rück- und Ausblicke

Kapitel 11.1.



Ihre sanften Lippen berührten die seinigen.
Okay, das war definitiv einmal eine andere Art und Weise der Assimilation, das konnte der Captain nicht abstreiten Als sie ihn losließ, sank er zu Boden, hörte, wie die Nanosonden durch seinen Körper eilten, spürte, wie die ersten Implantate entstanden, warete darauf, dass einer dieser sinnlosen Laserpointer aus seiner Schläfe brechen würde und…

Von einer Sekunde auf die Andere war Captain Calvin Cat nicht mehr. Seine Haut verfärbte sich, wurde grau, seine Augen starrten blicklos geradeaus und seine Haltung wurde mehr und mehr mechanisch, als er sich aufrichtete. Wenn es noch einen Cal gegeben hätte, hätte er vermutlich festgehalten „Irgendwie fühlt sich das gleichermaßen erschreckend und cool an.“ – doch es gab ihn nicht mehr.

Die Beobachterin merkte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann. Gerade eben war sie noch rechtzeitig angekommen, um zu sehen, wie sich Cal ergab und stellte erschrocken fest, dass Agatha eine Borg war. Als der Captain sich freiwillig von seiner XO assimilieren ließ, war das etwas, was sie gleichermaßen als „extrem blödsinnig“ und „extrem rührend“ ansah. Es erinnerte sie in Grundzügen an die Folge „Amys Entscheidung“, die sie im Zuge des Doctor-Who-Marathons gesehen hatte, als…

Hinter sich hörte sie lauthalses Protestieren, fuhr herum und wich einer Razul-Drohne aus, die starr-gerade-aus-igen Blickes den kleinen Sultan von Agrabah vor sich her schob.
„Ja… Ja… Jasmin?!“, brachte er entsetzt hervor. Doch die Prinzessinnendrohne starrte ihn nur unverwandt an: „Diese Einheit hört nicht mehr auf den Namen Jasmin, Prinzessin von Agrabah. Ihre neue Benennung ist One of Seven. Das Kollektiv wird um zwei weitere Einheiten wachsen. Namensumstellung komplett. Die neue Benennung dieser Einheit ist One of Nine.“
Die Beobachterin konnte sehen, wie im Kopf des Sultans einige Räder anfingen, sich zu drehen. Dann schaute er die Prinzessin – One of Ten – an: „Nein. Du bist meine Tochter. Du bist Prinzessin Jasmin von Agrabah. Das ist deine Benennung. Das ist deine Bestimmung.“
One schien kurz zu überlegen, als wäre noch etwas von Jasmin in ihr, sie trat auf den Sultan zu und ging vor ihm in die Knie. Und als sie sprach, merkte die Beobachterin, wie ihr Herz vor Freude hüpfte.
„Vater.“
Das war ein gutes Zeichen – wenn die Prinzessin wieder zu sich finden würde, konnte man eventuell auch die Anderen retten.
Der kleine Sultan blickte sie an: „Jasmin? Bist Du das?“
Sanft lächelnd nickte die Frau und nicht nur die Beobachterin musste zugeben, dass dies gleichermaßen schön, wie verstörend, aussah.
„Vater – ich bin beides. Ich bin Jasmin und One of Nine.“, sagte sie und schaffte es damit, die Hoffnung mit nur drei einfachen Worten („Ich bin beides“) zu nichte zu machen. Doch irgendwie hatte die Beobachterin die Gewissheit, dass dies nicht der einzige „Mindfuck“ war, der hier vor sich ging.
Tatsächlich hatte sie sich nicht mit der mechanischen Art und Weise der Borg vorgestellt, sondern sprach mit der leidenschaftlichen, sanften Stimme Prinzessin Jasmins, so, als habe kurzzeitig ein Kampf um die Vorherrschaft des Körpers stattgefunden und Jasmin wäre so stark gewesen, dass die Borg in ihr sich dazu hinreißen ließ, die Persönlichkeit nicht zu unterdrücken, sondern sich mit ihr zu vermischen.
Irgendwie erinnerte sie das ganze sehr an Ilia aus „Star Trek – The Motion Picture“ oder an Locutus aus der Doppelfolge „Best of both Worlds“ von Star Trek – The next generation“.
Der Sultan riss die Augen auf und stammelte entsetzt ein „WAS?“ als Jasmin ihm ihre feingliedrigen Finger auf die Lippen legte und ihn anlächelte: „Es ist großartig. Ich habe das Wissen von Millionen von Lebewesen in meinem Kopf. Ich bin – alles. Ich bin der Anfang und das Ende.“
Irgendwie gefiel der Betrachterin der Szenerie der Ausgang eben selbiger absolut nicht.
Sie kannte diese Worte, sie hatte sie schon einmal gehört, als sie Star Trek – First contact zusammen mit…
„Sie wird die Borg-Königin.“, hauchte die Zuschauerin und presste sich die Hände auf den Mund, als der Sultan seine Tochter anblickte und den Kopf schüttelte: „Nein, Du bist…“
Weiter sollte er nicht kommen, denn die Theti-Drohne war hinter ihm aufgetaucht und hatte ihm die Assimilationsröhrchen in den Nacken gestoßen.
Der Sultan gab einen erstickten Schrei von sich, sackte dann, wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, in sich zusammen, nur um von Jasmin – One of Nine – mit einem erschrockenen „NEIN!“ aufgefangen zu werden. Sanft fuhr sie über den Kopf des Monarchen: „Entspann Dich, Vater. Es … es wird alles wieder gut.“
Der Sultan nickte, keuchte ein „Ich liebe Dich, Jasmin“ und schloss die Augen.
One of Nine erhob sich majästetisch, blickte die ehemalige Prinzessin der Beiden Länder an und zischte ein „Das hat noch ein Nachspiel“ ehe ein Zucken durch ihren Körper lief. Sie atmete tief durch, schloss die Augen, öffnete sie, als sich hinter ihr der ehemalige Sultan aufrichtete.
„Neue Person zum Kollektiv hinzugefügt.“, sagte One of Nine – plötzlich wieder wie eine Borg und nicht wie eine Prinzessin – „Neue Bennenung: One of Ten.“

Die Augen waren das Schlimmste.
So stellte die Betrachterin fest, als sie sich umblickte, scheinbar ohne das man von ihr Notiz nahm. Das beruhigte sie, so konnte sie versuchen, Pläne zu schmieden und hier herauszukommen. Doch plötzlich änderte sich alles.

Die Cat- und die Agatha-Drohne hoben plötzlich ihren Blick und starrten sie an – und die Beobachterin kam nicht umhin, in den Augen von Cal und Agatha „Erkennen“ sehen zu können. Verdammt – sie erkannten sie. 
„Ihre Benennung ist Ziva David.“, identifizierte 9 of 10 (Cal) sie und trat auf sie zu. 8 of 10 (Agatha) folgte ihm, betrachtete die hübsche Israeli mit jener wissenschaftlichen Neugierde, die man allem Neuen entgegenbringt und sprach, in gleichem monotonen Duktus, wie ihn Cal verwendete: „Ihre Anwesenheit hier ist unlogisch. Sie sind noch gar nicht geboren. Nennen Sie ihre Intentionen.“
Die Jasmin-Drohne drehte sich zu ihr um, starrte sie unverwandt an und intonierte ebenfalls: „Nennen Sie Ihre Intentionen.“
„Nennen Sie ihre Intentionen“, kam es auch von Aladdin, Razul, dem Genie, Eden und dem Sultan.
Ziva wollte gerade antworten, mit der wohl offensichtlichsten und verständlichsten Antwort („Ich habe keine Ahnung, wie ich hier her gekommen bin!“), als sie eine harte Berührung ihrer Schulter spürte und merkte, wie sie jemand zu sich umdrehte.
Die ehemals blauen Augen Tony DiNozzos starrten sie an.
„Du wirst assimiliert werden.“, sagte er mit der gleichen Monotonie, die den Borg eigen war, „Widerstand ist…“


„AUA!“
Die Stimme Tonys war von einem Moment auf den anderen nicht mehr monoton, stattdessen sehr laut und sehr vorwurfsvoll. Er hielt sich die Nase und wischte sich Blut ab, das von seiner Lippe tropfte. „Das ist das letzte Mal, dass ich dich so wecke.“, sagte er und schaute Ziva David verblüfft und mit einer minimalen Beimengung von Vorwurf an.
Die Israeli blinzelte und fand sich in die Realität zurück. Sie erinnerte sich daran, zusammen mit Tony, Gibbs, McGee und Daniel in das Flugzeug – die Privatmaschine, die Tonys Dad ihnen hatte verschaffen können -  gestiegen zu sein, das sie von Washington direkt nach Dubai bringen sollte. Kurz, nachdem die Maschine gestartet war, hatte ihr Kopf Kontakt mit dem wirklich bequemen Kopfteil des Sitzes aufgenommen und sie hatte sich entspannt. Es galt einen Tag zu überbrücken und vermutlich würde auf den ersten paar Stunden nicht viel passieren. Sie würden im silbern-metallern-glitzernden Vogel majestätisch über den Ozean fliegen und da war eigentlich nichts Spannendes zu sehen. Und da sie sowieso nicht wirklich gut geschlafen hatte – in einem der Arbeitsdrehstühle, die der NCIS seinen Mitarbeitern spendiert, zu schlafen ist nicht wirklich bequem – hatte sie einiges an Nachholbedarf. Besonders, wenn sie bei der Ankunft nicht am Jetlag erlahmen wollte.

Also hatte sie sich zurückgelehnt und ihre Gedanken schweifen lassen.
Sie hatten sich nach einigen Unterhaltungen schlussendlich geeinigt, doch zu den Koordinaten zu fliegen, schließlich hatte Captain Cat selbst via Nachricht um Bergung gebeten und dies hatte sogar Leon Vance überzeugt.
Leon Vance – der selbst Starfleetcaptain war.

Sie erinnerte sich daran, wie diese Enthüllung sie seinerzeit überraschend getroffen hatte.

„Er ist was?“, fragte Ziva David eine amüsiert dreinblickende Agatha Silverbird, „Unser Chef arbeitet eigentlich für…“
„Die Sternenflotte.“, grinste die junge Rothaarige und zuckte mit den Schultern, „Ist nicht so, dass wir uns das groß ausgesucht hätten, aber… seinerzeit haben gewisse temporale Schwierigkeiten die Einsetzung von Sternenflottenpersonal in diversen Zeitebenen notwendig gemacht.“
Damit schaute sie entschuldigend zu Gibbs. „Es tut mir leid, wenn wir Ihnen das nicht eher sagen konnten, aber… es gibt da sowas, das sich temporale Erste Direktive nennt. Nur gegen die verstößt er hier“, sie nickte in Richtung Cal, „Ja mit großer Vorliebe.“
„Hey, ich hab den temporalen kalten Krieg nicht angezettelt. Und ich bin sicher, auch die Xindi, die Florida angegriffen haben… angreifen werden… angegriffen haben werden worden wollen sein.“
Sofort richteten sich fünf Augenpare auf ihn und in allen war sowas wie Verwirrung zu erkennen.
Sich nachdenklich am Kopf kratzend, räusperte sich der Sternenflottenoffizier und grinste verlegen: „Versucht Ihr mal die korrekten Tempi zu bilden, wenn ihr von etwas sprecht, das aus eurer Sichtweise schon ein alter Hut ist, für andere aber noch Zukunftsmusik.“
Vance schaute ihn an: „Was meinen Sie, Captain, wofür es sowas wie die Temporale erste Direktive gibt. Da wird nicht nur die Zeitlinie gewahrt, auch so schöne Sachen wie die Sprache…“
Tony räusperte sich und schaute Cal abwartend an: „Du sagtest doch, du hättest eine ungefähre Ahnung, was Traceless uns sagen wollte?“
Der Captain nickte: „Stimmt. Also…“
Damit schaute er in die Runde und nahm erneut den Zettel hervor, den Traceless ihm offenbar zugesteckt hatte.
Er räusperte sich und las vor: „Tataaa – ihr werdet es nicht glauben. Richtig – ich geb euch Hinweise.Aber sie werden nicht leicht sein, chancenlos wäret ihr allerdings ohne sie.
Es erfordert eine gewisse Kombinationsgabe. Lauscht meinen Instruktionen. Er, der hier Chaos stiftet, wird euch genannt. Sucht in der Stadt nach meinen Zeichen.  Seht mich auf der Straße. Tipp: Wir beginnen links.“
Dann legte er den Zettel wieder hin und schaute erneut in die Runde.
„Zum einen handelt es sich hierbei wieder einmal um einen Ac… Acro… Agatha, wie heißt das Ding?“
Die hübsche Rothaarige seufzte: „Acrosstic, Schatz. Arcrosstic. Hierbei wird die Kernaussage in den ersten Buchstaben einer jeweiligen Zeile getroffen. Es ist eine Visitenkarte des Maskenträgers. Unterstreichen wir die ersten Buchstaben einer jeweiligen Zeile, kommen wir auf den Namen ‚Traceless.’. Das ist seine Signatur.“
„Moment mal.“, sagte in diesem Moment McGee, „Ich habe eine ähnliche Botschaft auf meinem Computer gefunden. Das war … das war kurz bevor wir angegriffen wurden und Petty Officer McConnaugh starb.“
Entsetzt riss Agatha den Kopf hoch: „Laura ist tot?“
„Jetzt sagen Sie bloß, die kennen Sie auch.“, murmelte Tony leise und Cal schaute ihn an: „Klar. Sie ist doch die Nummer zwei unseres anderen Top-Agenten hier. Eben jenes verstorbenen Captain Thaddeus Stone.“
Ja, da war durchaus sowas wie Verblüffung in Zivas Augen zu sehen: „Captain Stone ist ebenfalls ein Sternenflotten-Offizier?“
„Klar, was meinen Sie, mit wem Captain Vance dauernd in Kontakt stand?“, grinste Cal und schaute sie an: „Ach übrigens, bevor Sie sich Sorgen – nein, Sie und Ihre Familie kommen aus dieser Zeit. Ihr Vater ist kein Offizier der Sternenflotte.“
Ziva war sich nicht ganz sicher, wie sie darauf reagieren sollte. Es hätte ja auch eigentlich keinen Unterschied gemacht, welchen Rang Eli nun in der Realität – oder was man so euphemistisch „Realität“ nannte – bekleidete. Wichtig war doch nur, wie er sich ihr gegenüber verhalten hatte und da war es doch schon ein wenig grenzwertig.
Kurz suchte sie Blickkontakt zu Tony, fand ihn und fragte sich, wie es nun weitergehen sollte. Wer würde sich noch als Agent aus dem 24. Jahrhundert herausstellen? Der Präsident? Oder war der gelbe Sportwagen, der regelmäßig vor ihrer Haustür stand, in Wirklichkeit ein ausserirdischer Kampfroboter?


Sie fragte sich das ehrlich gesagt immer noch und blickte Tony an, der sich vorwurfsvoll die Lippe hielt.
„Entschuldigung“, sagte sie und lächelte, „Ich hatte einen sehr lebhaften Albtraum.“
In Tonys Augen blitzte Amüsement durch, so als habe sie…
Okay, hatte sie irgendwas im Traum gesagt?
Verblüfft blickte sie zu DiNozzo, der ihr nur ein Lächeln schenkte und sich dann zu ihr neigte: „Keine Sorge, ich sage es nicht weiter.“
„Moment“, blickte sie Tony an, „Was…“
Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment schlug irgendetwas hart gegen den Flugzeugboden – vermutlich der Asphaltboden des Flughafens Dubai.
Das „Fasten seatbelt“-Zeichen erlosch, der Halbitaliener schnallte sich ab und stand auf.
„Moment!“, machte Ziva, schnallte sich ebenfalls ab und folgte ihrem Partner, ein „Tony, bleib hier!“ zischend.
Es gab diese Momente, da kam sie sich bei ihm vor, als wäre sie die Mutter und er ein kleines, neugieriges, vorlautes Kind, das einfach nur seinen eigenen Kopf durchsetzen wollte.
Die erste Amtshandlung, die Tony DiNozzo vollführte, als er aus dem Flughafengebäude auf den Gehsteig der Wendeschleifenstraße, die das Gelände mit dem Rest von Dubai-City verband, trat, war, seine Sonnenbrille aus der Jacke zu fördern.
Die würde er hier brauchen, so hatte er das Gefühl.
Neben ihm kam Ziva zum Stehen, in ihrem Top und den kurzen Khaki-Hosen, die für dieses Wetter wie gemacht schienen, legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete genießerisch seufzend durch.
Dann drehte sie den Kopf zu ihm, die Augen immer noch geschlossen, ehe sie sie öffnete und ihn anschaute: „Du siehst aus, als würde es Dir hier nicht gefallen.“
Das war eine Feststellung, keine Frage.
Tony zuckte mit den Schultern: „Gibt mir ein paar Minuten – ich muss mich erst einmal akklimatisieren.“
„Tu das und dann geht es zum Hotel.“, erklang die Stimme von Gibbs hinter ihm und der Senior Special Agent Anthony DiNozzo Junior zog in Erwartung eines „Headslaps“ den Kopf leicht ein.
Doch die Kopfnuss kam nicht. Stattdessen ließ der Chefermittler neben ihm den großen Koffer sinken, den er mit sich schleppte.
Tony fragte sich, was Gibbs mit ins Land gebracht hatte. Wenn er daran dachte, was sein Chef in der Freizeit tat, so vermutete er entweder einen Satz Messer, Feilen und Sägen zur Anfertigung komplizierter Holzarbeiten – oder ein Scharfschützengewehr für den Notfall.
Letzteres war aber, ob der Natur der Mission, die beinahe schon „Undercover“ zu nennen war, relativ unrealistisch. Ein echter „Undercover Agent“ brachte kein Scharfschützengewehr mit ins Land – vermutlich würde er unter Annahme einer anderen Identität eines direkt vor Ort kaufen.
Plötzlich erstarrte der Senior Special Agent und merkte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief.
„Brrr“, machte er und Ziva blickte ihn an.
Die Verblüffung in ihrer Stimme war beinahe hörbar, als sie fragte: „Ist Dir kalt, Di…“
Sie brach ab – vermutlich wegen des strengen Blicks, den Gibbs ihr zuwarf und den er – Tony – beinahe durch sich hindurchrasen spüren konnte.
„Schatz.“, beendete die hübsche Israeli.
Um die Lippen des Halbitalieners legte sich ein Lächeln.
Stimmt – sie waren ja alle mehr oder minder undercover hier und Gibbs hatte ihnen eingeschärft, solange es ging auf die Nennung ihrer wirklichen Identität zu verzichten. Das war kurz, bevor sie den NCIS verlassen hatten. So hatte Tony einen geschlagenen Tag Zeit, sich irgendwelche Decknamen zu überlegen, die er annehmen könnte.

Während sie über dem Kölner Luftraum geschwebt waren, um dort zu landen und nachzutanken – leider nur ein kurzer Zwischenstopp, keine Zeit um die Innenstädte von Köln oder Düsseldorf zu bewundern, was er eigentlich schon immer zusammen mit Ziva tun wollte – hatte er seine Auswahl auf fünf Decknamen eingegrenzt.
Sollte er als reicher Industrietycoon „Charles Carmichael“ auftreten? Ziva hatte ihm von der Serie „Chuck“ erzählt und dass der Protagonist „Charles ‚Chuck’ Bartkovski“ genau diesen Decknamen gerne verwendete.  Vermutlich nicht, das wäre zu auffällig. Der Name „James Bond“ verbot sich schon aus praktischen Gründen, wenngleich er gerne im Hotel die „Mein Name ist Bond – Jamesch Bond“-Masche abgezogen hätte, komplett mit dem zum Zischlaut gewordenen S, das sein Lieblings-Bond, Sean Connery, verwendete.
Auch Rory Williams erschien ihm nicht unbedingt passend., ebenso wenig wie Al Hadin, das wäre nämlich schon sehr auffällig. So blieben am Schluss die beiden Namen „Ludovic Cruchot“ und „David Day“ übrig. Wie ein Ludovic sah Tony einfach nicht aus, also hatte auch dieser französische Polizist, kongenial dargestellt durch den viel zu früh verstorbenen Komiker Louis De Funes seine Dienstzeit als Deckname beendet, ehe er sie überhaupt angefangen hatte. Also blieb nur „David Day“ übrig, was den unschätzbaren Vorteil einer sehr einfachen Signatur, nämlich „DD“ hatte.

Also beugte er sich zu Ziva herunter, gab ihr einen Kuss auf die Wange und flüsterte: „Mein Deckname ist David Day – wie ist deiner?“
Sie lächelte und wisperte: „Amelia. Und wieso hast du gerade so gezittert?“
„Ich weiß es nicht.“, sagte der Halbitaliener, holte tief Luft und schaute sie dann an: „Aber ich glaube, dass wir beobachtet werden.“

TBC


 

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