
Beep-Beep.
Jasmine schaltete mit einer resignierenden Bewegung den Monitor vor sich aus und massierte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ihre Nasenwurzel, ehe sie sich umdrehte um ihr Padd auf der Ablage zu suchen, das sich diesen Augenblick ausgesucht hatte, um loszulärmen. In der Stille des Archäologie-Labors klang das Geräusch wie die Probe eines besonders enthusiastischen Synphonieorchesters –eine vielleicht nicht einmal unwillkommene, aber doch ziemlich radikale Störung, immerhin war Jasmine seit ihrem Eintreffen am Morgen alleine gewesen. Nur vor einer Stunde hatte sich die Eingangstür kurz für einen Crewman geöffnet, der sich im Raum geirrt und nach einer knappen Entschuldigung schnell wieder kehrtgemacht hatte. Ansonsten war niemand aufgekreuzt.
Nach McDougals Tot, dem Leiter des A&A-Bereichs, gab es allerdings auch nicht mehr viele, die es hätten tun können; ihr Fachbereich war an Bord schon vorher unterbesetzt gewesen. Nein, die einzigen, die ihr schweigend Gesellschaft leisteten, waren die summenden Computer und die verschiedenen Artefakte, die sich auf den Ablagen und in den Schränken stapelten –Figuren, Idole, Antike Etwasse. Und die afrikanischen Masken an der Wand, die sie aus breiten Augenschlitzen anfunkelten. Lachende, weinende, wütende Masken, mit vorgestülpten, wulstigen Lippen, einem vorwurfsvollem Stirnrunzeln, oder verzogenen Augenbrauen. Als McDougal sie stolz als einen Teil seiner privaten Sammlung vorgestellt hatte, war Jasmine fasziniert gewesen. Inzwischen fühlte sie sich unter den richtenden Blicken der Masken unwohl. Besonders die eine mit dem vor Wut verzerrten Gesichtsausdruck, bereitete ihr Unbehagen. Sie war zu leicht mit dem Gesicht eines Jem’Hadar zu verwechseln.
Aber vielleicht begann Jasmine jetzt auch einfach Gespenster zu sehen.
Es musste die Müdigkeit sein. Vor ihren Augen drehten sich gelbe Glühwürmchen, wenn sie die Lider schloss, und sie spürte eine ganz leichte Verspannung im Nacken; eindeutige Beweise dafür, dass sie zu lange gearbeitet hatte. Mehrere Stunden konzentriertes Sitzen am Computer waren nicht empfehlenswert, selbst für eine junge Frau wie sie. Auf der Suche nach dem Padd streifte ihr Blick kurz das Chronometer – Sechs Stunden war sie nun schon zugange. Nicht wenig, aber auch noch nicht so viel, dass die einprogrammierte Erinnerung an die Holodecksimulation hätte bereits lospiepen müssen. Bis dahin war noch etwas Zeit.
Was wollte man dann von ihr?
Beep-Beep.
Schließlich entdeckte sie das Padd auf der Spitze eines ganzen Stapels an Datenblöcken, griff danach und deaktivierte rasch das ohnehin viel zu laut eingestellte, akustische Signal. Dann las sie die soeben eingetroffene Nachricht: Vertreten sie mich auf der Brücke an der Wissenschaftlichen Konsole, ASAP – M’Rass.
Eine Furche bildete sich zwischen Jasmines Brauen. Sie hatte M’Rass schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen – seit der Nachbesprechung zur Mission auf Faras III nicht mehr, genaugenommen. Nicht, dass sie sich vorher oft über den Weg gelaufen wären. Irgendwie war immer etwas dazwischen gekommen – selbst für ihre Einweisung hatte M’Rass keine Zeit gehabt, und weil ihr Verhältnis in der kurzen Zeit, seit Jasmine an Bord war, auch sonst nicht viel Gelegenheit bekommen hatte, über die Professionelle Ebene hinwegzureifen, und der Lieutenant in ihrem Genesungsurlaub zweifellos mit eigenen Dämonen zu kämpfen gehabt hatte, hatte Jasmine sich nicht überwinden können, den Kontakt von sich aus zu suchen.
Nicht nachdem, was M’Rass mit McDougals Leiche angestellt hatte. Die Bilder suchten Jasmine immer noch heim. Sie war allerdings verblüfft gewesen, dass es heute Morgen keine Abteilungsbesprechung gegeben hatte, immerhin war M’Rass ebenfalls seit kurzem wieder im Dienst. Jetzt dämmerte Jasmine langsam, dass sich das Schiff wohl wieder auf Mission befand, eine Mission, für die M’Rass zweifellos hatte bereitstehen müssen. Jetzt war sie wohl wegbeordert worden, vielleicht zu einer Außenmission.
Und Jasmine sollte ihre Brückenstation übernehmen.
Nun, darin hatte sie wenigstens schon Erfahrung gesammelt.
Und die Störung kam ihr nicht einmal so unrecht. Die letzten beiden Stunden hätte sie sich im Grunde schenken können. Statt sie zu ordnen, hatte sie allem Anschein nach nur noch mehr Durcheinander in McDougals verworrene Artefakten-Bestandsliste hineingeschrieben, an dem sie aus Mangel an anderen Aufgaben seit dem frühen Morgen gearbeitet hatte, um sie zu ordnen. Viel gebracht hatte es nichts. Es wäre besser gewesen, die Liste von Anfang an neu aufzusetzen, am besten nach einem simpleren System.
Aber das musste warten.
Sie warf das Padd wieder auf den Stapel, schob den Stuhl unter den Tisch, und begab sich zur Tür. Auf dem Weg dorthin blieb sie nur noch einmal an der Scannereinheit in der Mitte im Raum stehen, um sich sowohl vom Arbeitsfortschritt zu überzeugen, als auch davon, dass alles ordnungsgemäß funktionierte. In der Mitte der Kammer – fast ein bisschen verloren wirkend, lag der kleine Anhänger, den Jasmine auf DS9 erstanden hatte, und der angeblich zur mythologischen Khalesi-Flotte gehörte.
Ja klar.
Es war wohl eher eine Fälschung, und vermutlich auch keine gute. Der Computer würde es sicher bald Schwarz auf Weiß bestätigen. Aber es war ein nettes Andenken – und noch wichtiger – eine sichere Art, die Geräte im Labor kennenzulernen, und richtig zu kalibrieren, ohne, dass sie Gefahr lief, in dem Prozess etwas wertvolles zu beschädigen.
Auf dem Bildschirm konnte sie sehen, dass der Computer die ersten gründlichen Analysen bereits abgeschlossen hatte; Form, Maße und Zusammensetzung waren eingehend untersucht. Das Material aus dem der Anhänger bestand, war nicht besonders ungewöhnlich, und auch nicht sehr wertvoll. Eine Legierung aus mindestens zwölf verschiedenen Elementen. Der Computer konnte keine verborgene Struktur feststellen. Noch im Prozess, war die Molekularanalyse, nach der man auch eine Datierung vornehmen konnte. Jasmine schätzte, dass der Computer damit noch ein paar Stunden beschäftigt sein würde.
Wir haben Zeit, dachte sie, und programmierte mit raschen Handgriffen einen dreifachen Analyse-Durchlauf ein. Schaden konnte es nicht. Sollte es Diskrepanzen geben, würden sie ihr nicht verborgen bleiben. Auf die Art konnte sie feststellen, ob die Geräte auch wirklich bis ins letzte Mikron hinein einwandfrei kalibriert waren. Als der Computer die Eingabe bestätigte, nickte Jasmine zufrieden. Sie warf noch einen letzten Blick auf die Scannereinheit, und eilte dann auf den Korridor hinaus und zum nächsten Turbolift.