Leif verlor sein Grinsen, als er die Brücke verließ und zu seinem Quartier ging. Mikes unerschütterlicher Glaube an den respektvollen Umgang unter den Spezies bewunderte Leif, er teilte ihn jedoch nicht. Sicher er selbst wäre froh, wenn er sich auf jeder Station oder jedem Außenposten bewegen könne, wie in Jorvik, Danzig, San Francisco oder Shi‘Kahr. Eine Welt ohne Waffen oder dem Gefühl, das Jemand dem anderen etwas neide, war ein friedlicher Gedanke und kannten wohl nur die Vulkanier in erster Näherung. Allerdings war es nicht die Realität. Leif hielt es für einen Fehler unbewaffnet auf die Raumstation zu gehen. Seine Nackenhaare sträubten sich bei dem Gedanken. Wenn dieser Harry Mudd von jemandem auf der Flucht war konnte es kaum unbedeutend sein. Mudd war ein zwar kein Schwerverbrecher, aber er war ein Philanthrop, ein Schlitzohr und wenn es ihm gelänge würde er sogar seine eigene Großmutter betrügen. Von dieser Seite musste man einfach Vorsicht walten lassen. Sein Schweigen war sicherlich nicht unbegründet.
Der Ingenieur, mit dem sich Leif das Quartier teilte hatte Dienst an der Treibstoffübernahme, daher fand er den kleinen Raum verlassen vor. Die Enge der Archer-Klasse erinnerte ihn immer an die Akademie, wobei dort jeder zumindest sein eigenes Bett hatte. Hier musste man sich eines teilen. Leif hatte sich seit langem daran gewöhnt, trotzdem war es nicht immer angenehm in dem Mief eines Anderen einzuschlafen. Sein Zimmergenosse war ein sehr reinlicher und pedantischer Mensch, der als Ingenieur viele Talente hatte. Der junge Mann fiel kaum auf und war stets einer der Freiwilligen, wenn es darum ging sich einem Außenteam anzuschließen. Daher gab es zwischen Leif und ihm selten Probleme. Leif hatte trotzdem für sie beide ein besonderes Arrangement getroffen. Unter dem Bett befand sich ein Stauraum, in dem man üblicherweise die Dinge verstauten, die nicht mehr in den schmalen Spind gingen. Stiefel, die Waschutensilien oder andere größere persönliche Dinge. Leif hatte einen Teil dieses Raumes requiriert, um einen zweiten Satz Laken und Decken unterzubringen. Dafür musste man seine persönlichen Sachen etwas reduzieren, allerdings bekam man so die Freiheit in seinen eigenen Laken zu schlafen. Sie hatten daher abgesprochen direkt nach dem Aufstehen die Laken wegzuräumen, was dazu führte, dass man das Bett sogar als Sofa nutze konnte.
Neben dem Bett und den beiden schmalen Schränken, bot der relativ niedrige Raum gerade noch Platz für einen kleinen Tisch, an dem man seine Schreibarbeiten erledigen konnte. Leif hatte ein Regal darüber installiert, das er sich mit seinem Zimmergenossen teilte, so dass der Tisch nie durch liegengebliebene Berichte belagert war.
Rasch zog er seinen Overall aus, den er stets zu tragen pflegte und warf ihn in den Recycler. Er hatte mehrere Ersatzanzüge synthetisiert, so dass er schnell wechseln konnte. In dem kleinen Spint, hing daher auch kaum mehr als seine Arbeitskleidung und eine Standard Uniform. Mehr Platz gab es nicht. In einem kleinen Fach, hatte er seine Zivilkleidung untergebracht. Er hatte den Beutel evakuiert und verschweißt. Es zischte, als er das Siegelbrach und Luft zwischen die Stoffe geriet. Das Hemd war blau und aus einer knitterfreien Synthetik. Die Jeans musste nur mehrfach aufgeschüttelt werden, so dass er seine Beine durchzwängen konnte. Als er den Kopf schloss bemerkte er, dass auch er zwei Zentimeter entlang der Hüfte zugelegt hatte.
„Na toll! Wenn Mike das sieht, will er mich bestimmt auf Diät setzen“, grollte er missgestimmt. Angefressen entrollte er den Gürtel der eine sehr auffällige Metallschnalle besaß und zog ihn durch die Schlaufen. Die Schnalle war versilbert und trug das eingravierte Emblem der U.S.S. Mullholland, einem Schiff auf dem er mal lange gedient hatte. Die Standardstiefel zog er über die Hosenbeine. Dann öffnete er ein kleines Fach für Wertgegenstände. Er entnahm einige Creditchips und ein Schweizer Taschenmesser, das ihm sein Großvater vermacht hatte. Es war alt und sah ramponiert aus. Seine beiden Klingen waren jedoch scharf und hatten ihm in so manchen Situationen gedient. Er steckte es in eine kleine Tasche der grauen Weste die er als Letztes dem Beutel entnahm und überstreifte. Auch die Weste hatte optisch schon bessere Tage gesehen. Auf dem Rücken war der Name einer alten Rock Band von Deneva gestrickt, deren Konzerte er in jungen Jahren eifrig besucht hatte, und auch heute noch Konzerte auf verschiedenen Föderationswelten gaben.
So ausstaffiert trat er in den Korridor und wandte sich zur Messe. T’Rey hatte den Raum kurz vor ihm betreten.
„Von mir aus kann es losgehen, XO", bemerkte Leif und deutete schließend auf Harry Mudd. "Wollen wir diesen Pferdedieb wirklich ohne Handschellen mitnehmen?“