... (bei jedem "TNG ist rosarot" werde ich zwar ein lautes Odo-"Harrumpf!" von mir geben und anschließend etwas unverständliches in meinen nichtvorhandenen Bart murmeln, aber das hält eh nicht lange an).
Da will ich mal was zu TNG und TOS allgemein schreiben... und keine Sorge, ganz so schlimm wird’s wohl nicht.
TNG ist die erste Star Trek Serie die ich gesehen habe und zwar recht zeitig, im Prinzip eigentlich seit ihrer Erstausstrahlung durch das ZDF. Die Serie an sich war damals ihrer Zeit voraus. Nicht nur das es eigentlich die einzige Sci Fi Serie war, nein, sie war auch von den Darstellern, dem Produktionsdesign und den Stories den meisten anderen populären Serien der Mit-Achziger (A-Team, MacGyver, Nightrider usw.) deutlich überlegen. Im Prinzip hat TNG neben Twin Peaks mit zu der Serien- und TV Revolution Ende der 80er geführt. Die Serie ist also ohne Zweifel ein Meilenstein.
Ich habe die meisten TNG Folgen dann auch viel zu viele Male gesehen und – so würde ich es für mich heute sagen – die Serie fast „leergeschaut“.
Mir TOS anzusehen – dazu habe ich mich erst entschieden nachdem ich einiges an TNG gesehen hatte. Ich bin an TOS eher sehr vorsichtig herangegangen, weil mir eigentlich klar war, dass … eine Serie aus den 60ern meine Sehgewohnheiten und Ansprüche nicht wirklich würde erreichen können. Ich hatte mir bereits also frühzeitig vorgenommen TOS „anders“ zu sehen und zu entdecken als TNG – einfach weil ich TOS sonst wohl kaum geschaut oder gut gefunden hätte.
Daher habe ich TOS fast immer unter drei oder vier Aspekten (und durch eine gewisse Filter-Brille geschaut). Zum einen habe ich mich immer auf die Figuren konzentriert – Kirk, Spock, McCoy – welche das eigentliche Kapital von TOS sind. Zum zweiten habe ich TOS Folgen immer als eine Art nostalgische Zeitreise in die 60er empfunden. Auch wenn ich heute TOS sehe schwingt diese Ebene immer ganz oben mit... TOS anzuschalten ist wie eine kleine Zeitmaschine zu betreiben. Und man kann oft schmunzeln was man darin sieht. Von den Storyinhalten habe ich das meiste von TOS nie so super ernst genommen oder versucht zu sehr in den TNG Canon zu pressen. Ich glaube, wenn man beides tut, kommt die Serie heute nicht mehr so gut weg.
Insofern habe ich beide Serien also immer unter sehr anderen Perspektiven geschaut. Weil ja mein Vorwurf an TNG mit der rosaroten Brille so eine kleine Welle ausgelöst hat – ich weiß nicht ob das beruhigt – aber ich habe zB TOS immer durch genau eine solche Brille gesehen. Meine Erwartungen an TNG waren ganz anders. Wenn ich zB von TOS 60er Nostalgie erwarte, kann diese Serie diesen Anspruch NIE verfehlen. Wenn ich von TNG aber gute Sci Fi Stories erwarte, dann kann die Folge mich sehr wohl enttäuschen. Da ich in TNG ganz anders rein gewachsen bin hat die Serie bei mir eine andere Fallhöhe. TOS war bereits zu entrückt und – ich habe da eine sichere Bergbesteigung vorgenommen, ohne Abstürze, die nicht passieren konnten. An TNG bin ich noch zu nah dran als das die Serie einen Nostalgiebonus haben könnte. Die Serie ist von einer Liebelei zu einem sehr guten Freund geworden mit dem man viel zu viel Zeit verbracht hat und den man auswendig kennt. Manchmal geht man sich dann auf die Nerven. Das heisst aber nicht das man sich nicht mehr mag.
Ein weiterer Punkt den ich mal andeutet ist womöglich auch noch sehr wichtig. Was uns heute kaum noch so bewusst zu sein scheint, ist, wie sich die Zeit um 1966 „angefühlt“ haben muss. Man muss sich Zb vor Augen halten; 1958 starten die Sowjets ihren Sputnik – die USA verlieren ihre bis dato sicher geglaubte technische Überlegenheit. 1961 wird Europa durch den Bau der Berliner Mauer endgültig in Blocksystem geteilt. 1962 geht in der Kuba Krise die Welt fast unter – der dritte Weltkrieg steht kurz bevor. 1963 wird Kennedy erschossen. Zwischen 1964 und 66 tritt der Vietnamkrieg in die heiße Phase ein... 1967 und 1968 kommt Woodstock und die Studentenbewegung.
Wenn man sich das überlegt ist das eine völlig wahnsinnige Kombination in der die Welt und Amerika lebt als TOS anläuft... und all diese Ereignisse sind damals frisch, präsent, allgegenwärtig.
Auch 1979 stecken die USA in einer schweren Rezession. Verbrechen, Umweltverschmutzung und Lebenstandard erreichen neue negativ Rekorde.. im Iran kommen die Mullahs an die Macht, die Sowjets überfallen Afghanistan. In den USA wird 1980 dann Ronald Reagan zum Präsidenten gewählt... Reagan beginnt den Rüstungswettlauf neu, kürzt staatliche Ausgaben und... schiebt erstaunlicherweise die Wirtschaft an. In den Folgenjahren bis hin zu 1983, 1984 und 1985 beginnt das dem heute viele als „Goldne Achziger“ nachtrauern. Nicht nur die Wirtschaft kommt in Gang – auch das Computerzeitalter kommt mehr und mehr an, durch MTV macht die Popkultur einen Sprung... generell entdeckt der „Pop“ seine Leichtigkeit. Nicht mehr Kennedy oder Nixon sind das Symbol eines Jahrzehnts – Madonna und Michael Jackson sind es. Während die Russen in Afghanistan verlieren, Tschernobyl einen Reaktorunfall bietet und Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika ankommt.... schliesst Reagan erstmals Rüstungsbegrenzungen und Abrüstungsverträge. Es ist für alle erkennbar das die kommunistischen System wirtschaftlich, wissenschaftlich und militärisch am Ende sind. Ein „kalter“ Sieg in gewisser Weise. 1989 fällt die Mauer.
In beiden Zeiten laufen Star Trek Serien. Und selbst wenn man nicht soweit geht die Zeiteinflüsse der auf die Konzeption beider Serien runterzubrechen... beiden Drehbüchern kann man es definitiv. Denn die verschiedenen Autoren stecken unweigerlich in ihren Zeiten drin. Der offenbar völlig Zerfall der aussen- und innenpolitischen Systeme in den 1960er... mit permanenter Kriegsdrohung und totaler Auslöschung... im Gegensatz zum Aufstieg aus der Asche in den 1980er.. mit einem riesigen Sieg (und moralischer Überlegenheit) in der Tasche. Während die Zukunft vielleicht ungewiss scheint.. aber enorm hoffnungsvoll. Ist es Zufall das der einzige Nichtamerikanische Captain ausgerechnet aus der Wohlstands und Überflussgesellschaft der Mittachtziger stammt? Waren die Amerikaner sich damals vielleicht ihrer selbst so sicher das sogar ein Franzose Capatin werden durfte? Die Zeit der Kämpfe schein zumindest zunächst vorrüber... und die frühen 80er haben das bestätigt.... schneller "Polizei" Einsatz in Kuweit... völliger Zerfall der Sowjetunion... man konnte sich "sicher" sein.
In meinen Augen sind einige der sehr optimistischen Drehbücher der Endachtzier und Anfang Neunziger ziemlich klar auf den Zeitgeist zurückzuführen... in meinen Augen ist es zur TNG Zeit viel einfacher positive Utopien zu schreiben oder zu vertreten, ja zu visionieren als zu TOS Zeiten.
TNG heute also eine Rosarote Brille vorzuwerfen hat auch ein wenig davon der Zeit damals vorzuwerfen das sie so gut war/wurde und die Menschen das spürten und spüren wollten. Was den „Vorwurf“ als solchen natürlich sofort ad absurdum führt.
TOS hat zu dem Zeitpunkt bereits den Mythos erreicht. Kirk und Spock sind bekannt, selbst dort wo man sie nie im TV gesehen hat. Die Enterprise ist Legende und Mythos der Popkultur geworden (so sehr das sogar Ronald Reagan die neue Star Trek Serie am Set besucht!). Und Mythen sind halt nicht (mehr) kritikfähig. Sie überleben selbst ein Desaster wie Star Trek V. Sich an so einem Mythos abzuarbeiten ist sinnlos, selbst wenn man mit schlechten Kulissen und grottigen TOS Drehbüchern danach wirft.
Die Star Trek Ikonographie – mit Kirk, Spock und Pille, ja auch Scotty – ist als Figurenkonstellation in der Geschichte angekommen. Drei Archetypen und ein Raumschiff. Auch etwas was Picard deutlich schwerer hat – Picard mehr Crew, er hat mehr Facetten, Stilbrüche und er differenziert. Mythen tun sowas nicht. Picard und die TNG Crew ist viel weniger Archetypisch. Das wirft am Ende viel bessere Stories ab – aber es wird die Figuren kaum auf den Olymp bringen, wo die alte Enterprise inzwischen mit ihren Ambrosia Triebwerken fröhlich um den Berg warped.
Wenn man TOS also heute ansieht, muss man sich auf den Mythos – das Schlichte, die damalige Zeit und diese Archetypen einlassen und sie akzeptieren. Dann kann man daran teilhaben. Wenn nicht wird einem die Serie nichts geben – sieht man sie „nur“ als TV.. mit Ansprüchen an Effekte, Kulissen, Storie – wird man oft bitter enttäuscht sein. Man sieht dann Theater dem kein Zauber eigen ist, weil man auch nicht danach gesucht hat.
TNG funktioniert da heute noch besser. Ist deswegen aber auch angreifbarer. Der Mythos der sich (ein wenig) um Picard und seine Mannen gebildet hat ist eher ein Hügelchen – kein Berg. Er stört die Sicht nicht und dominiert die Rezeption nicht. Das mag auch daran liegen das Picard nicht die Gnade eine frühen Serien-Todes hatte... er musste 178 Folgen durch den Reifen springen. Kirk hat demgegenüber 99 Folgen gespart.
Hier ist den alten Enterprise Crew etwas erspart geblieben was Mythen gar nicht allzu gut vertragen: Zu sichtbar zu sein. Zu aus-erklärt und zu genau beleuchtet zu werden. Je mehr man weiß, desto größer die Chance den Zauber zu verlieren. Und damit bin ich wieder oben. Ich habe eben keine 178 TNG Folgen gesehen – sondern alle sicher so oft das es wohl eher 1780 Folgen sind. Da fällt es leichter sich erstmal an die schlechten Dinge zu erinnern, um sich ne Weile in Ruhe zu lassen. Auch das wird der Serie aber weder ihren Verdienst als (damals) einmalige Sci Fi Serie, mit teils herausragenden Sci Fi Drehbüchern oder eben auch nur als Meilenstein der TV Geschichte nehmen. Ein oder zwei Vorwürfe halt inklusive. Aber davon bekommt Picard sicher auch keine grauen Haare... oh.. ups!
PS @ Max. die Anekdote zu Clint Eastwood, bevor ich es wieder vergesse. „In the line of fire“ spielt Clint Eastwood einen alternden Secret Service Ageneten der (Anfang der 90er) bereits seine 30 Dienstjahre auf dem Buckel hat. Er bekommt einen neuen, recht jungen Partner. Bei ihrem ersten Einsatz geht der fast drauf – aber Eastwood tut es mit einem „Firlefanz!“ ab. Später spricht ihn sein neuer Partner unter vier Augen drauf an... er meint wie alt er (Eastwood) denn überhaupt sein, denn kein Mensch würde noch das Wort „Firlefanz“ benutzen. Darauf erklärt Eastwood das er das wüsste und schade finde – und überhaupt in der neuen Zeit viel zu viel aus der Mode käme. Weswegen er pro Woche ein altes Wort, das niemand mehr benutzte, absichtlich öfter gebrauchen würde, um es am Leben zu halten. Die Passage ist für einen Actionfilm ziemlich amüsant... ich ich vermute Du kannst die Einstellung nachvollziehen. Zumindest erinnerst Du mich in der Hinsicht etwas an diesen Charakter