So, endlich meine noch ausstehende Antwort, obwohl ich fürchte, dass sie nicht ganz strukturiert daherkommt und ich noch einiges vergessen habe

Zunächst hat mich Deine erneute „Warum nicht“ Einwendung etwas erstaunt. Denn ganz klar wird oft in die Vergangenheit gegriffen und Dinge daraus werden wieder aufgegriffen – aber sie werden dabei eigentlich immer der Epoche in die man sie holte angepasst. Besonders in der Malerei ist es immer wieder passiert das man auf alte Meister zurückgegriffen oder Referenzen an sie in eigene Bilder eingearbeitet hat, Werke 1:1 kopiert hat man aber nicht für die eigene Kunst (sondern höchstens zu Übungszwecken).
Der Unterschied liegt darin, dass Künstler zwar eventuell an früher anschließen, aber ihr eigenes Werk verfolgen. Es besteht ja (im Allgemeinen) kein Zwang, das eigene Tun vollständig in ein anderes zu integrieren.
Aber für eine Serie wie DSC wäre es in Bezug auf die optische Gestaltung im Grunde logischer, die Designer nicht mit eigentlichen Kunstmalern, sondern mit Restauratoren zu vergleichen, die nicht ihr Bild malen, sondern die Lücken in einem bestehenden zu schließen haben.
Gehen wir mal davon aus, wir sind mit Star Trek (auf-)gewachsen... haben die Geschichte dieses Universums, über TOS, TNG, DS9, VoY und die Kinofilme verfolgt. Später wurde uns noch eine Ergänzung, ein Blick in die Vergangenheit (ENT) nachgereicht. Insgesamt stehen wir aber in der Post-Nemesis Ära und blicken von da aus zurück. Das Problem ist nur, dies ist auch ein fiktiver Standpunkt – wir blicken von einem fiktiven Standpunkt aus, zurück auf einen anderen fiktiven Zeitraum.
Aber diese fiktive Bilder sind alles andere als beliebig.
Lass Dir von verschiedenen Menschen die Szenerie von "Downton Abbey" auf der einen Seite und von TOS oder TNG auf der anderen beschreiben. Sie werden ein ziemlich eindeutiges Bild zeichnen können, das von anderen, die mit den jeweiligen Serien vertraut sind, wiederzuerkennen ist.
Ich glaube hier gibt es einen grossen Unterschied, weil wir einen anderen Blick auf das Zeitgefüge der (fkitiven) Star Trek Welt haben.
Gehen wir mal davon aus, wir sind mit Star Trek (auf-)gewachsen... haben die Geschichte dieses Universums, über TOS, TNG, DS9, VoY und die Kinofilme verfolgt. Später wurde uns noch eine Ergänzung, ein Blick in die Vergangenheit (ENT) nachgereicht. Insgesamt stehen wir aber in der Post-Nemesis Ära und blicken von da aus zurück. Das Problem ist nur, dies ist auch ein fiktiver Standpunkt – wir blicken von einem fiktiven Standpunkt aus, zurück auf einen anderen fiktiven Zeitraum.
Bei Downton Abbey ist das anders. Wir blicken von heute, unserer Realität, in eine reale historische (aber teils fiktional dargestellte) Epoche zurück. Nur das ermöglicht dieses rückwärtsgewandte „Ach, so schön war es damals doch“ Seufzen und damit den Reiz der Serie. In gewisser Weise ist DA nicht viel anders als „Sissi“ - sie bedient in modernerer Form ähnliche Bedürfnisse.
Für Star Trek ergibt das keinen Sinn – wir leben nicht wirklich in einer Post Nemesis-Welt, daher ist es für uns auch nicht wirklich von Belang aus dieser zu entfliehen und eine fiktionale Vergangenheit, die irgendwann früher in dieser fiktiven Zeitlinie lag, zu verklären. Discovery ist eher ein Hybrid. Es verortet den Zuschauer schon im hier und jetzt (2018) und sagt zu ihm, „Du weißt, irgendwann in der Zukunft gibt es diese Legenden... die Enterprise, Kirk usw. Und wir zeigen Dir nun, wie der Weg dahin war, was vorher war.“
Eine Serie, der es nicht gelingt, die Zuschauer in ihre "Welt" zu "ziehen", also an keinerlei Gefühlen anzuknüpfen, hat auf einer gewissen Ebene versagt.
"DA" und "Sissi" einerseits, aber auch ST andererseits erschaffen für den Zuschauer ein klares Bild einer Zeit - einer Zeit, die weder in der einen Richtung noch in der anderen wirklich bekannt ist.
Wie sollen wir an die K&K-Monarchie denn bitte anders anknüpfen als über eine Fiktion? Niemand hier im Forum kennt das 19. Jahrhundert aus eigenem Erleben. Ein "Ach, war das schön damals" muss eine Illusion sein. Wir können auf nichts zurückgreifen, wenn wir "Downton Abbey" oder "Sissi" anschauen. Das heißt, dass wir uns eine Vergangenheit in erster Linie vorstellen, konstruieren und eventuell in Ermangelung echter Kenntnisse Ungereimtheiten oder Fehler (zum Beispiel Anachronismen) weniger schädlich als zuträglich sein können. Wenn der Kaiser und Sissi zum Beispiel inkognito auf einer Alm einkehren, darf die historische Grundlage oder Glaubwürdigkeit dafür angezweifelt werden, die (pseudo)"romantischen" Zuschauer aber frohlocken.
Für "DA" und "Sissi" drücken sich die Gefühle der Zuschauer (die nur im Präsens oder Präterium/Perfekt verhaftet sind) quasi im Plusquamperfekt aus, für TOS oder TNG dann halt im Futur II. Beides sind auf ihre Weise rückwärtsgewandte Gefühle auf fiktionaler Ebene.
Nachdem beide gezeigten Welten für den Betrachter nicht wirklich in dem Sinne echt sind, dass er auf etwas Eigenes rekurrieren kann, bedienen sich beide auch aus den gleichen emotionalen "Schubladen". Wir müssen dieses Bild, das uns gezeigt wird, glauben können - und dazu gehört auch, dass es nicht verkehrt wird.
Eventuell hat eine Serie wie TOS sogar Vorteile, weil hier nicht nur etwas Unbekanntes konstruiert oder nachgebildet, sondern mit wirklich Erfahrbarem amalgamiert wurde, was die emotionale Resonanz eher verstärkt als mindert. Man denke an die unaufgeregte Jazz-Musik, die bei manchen TOS-Etablissements im Hintergrund läuft, oder an die Mini-Röcke der weiblichen Crew-Mitglieder. Obwohl in einer fiktiven Zukunft verankert, werden solche zeittypischen Elemente bei manchen im Publikum - eben bei denjenigen, die die 60ger noch irgendwie erlebt haben - wohl wirklich eine sentimentale Verklärung auslösen - etwas, das so weder DA noch "Sissi" gelingen dürfte (und wenn doch dann eher aufgrund einer historischen Ungenauigkeit, die doch eigentlich eher irritieren müsste).
Damit ist eine bestimmte Zeit - die von TOS, an der sich DSC angeblich orientieren will - wie gerade schon angedeutet eben gerade nicht beliebig.
Nimm Odysseus einfach mal beim Wort. Laut dem Mythos ist er ein erfahrener und weiser König auf den sogar Agamemnon hört. Das heisst Odysseus ist wohl mit Sicherheit zwischen 30 und 40 Jahren... dann belagern sie Troja 10 Jahre, und dann treibt er 10 Jahre durch die Ägäis... wie alt ist er als er nach Hause kommt? Vermutlich an die 60 (ein hohes Alter für die Antike). Wie glaubwürdig sind also die letzten Abenteuer die er besteht? Hätte ein mittfünfziger der Früh-Antike so etwas noch bewältigt? Oder nimm Circe – sie verliebt sich in ihn... einen Mittfünfziger abgehalfterten Schiffbrüchigen der aus einem langen Krieg kommt? Sehr unwahrscheinlich, bei aller Attraktivität. Der Odyssee/Ilias Canon ist in sich... nicht so schlüssig. Entweder stimmen die Jahreszahlen nicht, oder die Abenteuer/Figuren sind zweifelhaft. Hast Du da jemals drüber nachgedacht? Hat es dich gestört? Vermutlich nicht. Der Mythos und die Figur in ihm funktioniert auch so.
"... nicht so schlüssig".
So darf man meiner Meinung nach eigentlich nicht an die Sache rangehen. Geschichten wie die "Odyssee", die "Ilias" oder zum Beispiel auch die "Metamorphosen" hatten für die Leute damals eine viel stärker identitätsstiftende, "konstituierende" Rolle. So toll ST auch sein mag, die erwähnten Epen sind dann doch noch ein ganz anderes Kaliber.
BTW, wenn wir davon anfangen: Ich habe null Probleme damit, mir vorzustellen, dass sich eine Frau - hier: Kirke - in einen Mittfünfziger verliebt. Ich habe eher Schwierigkeiten damit, mir vorzustellen, dass eine Frau - abermals, hier: Kirke - Menschen in Schweine verwandelt

In einem mythischen Star Trek aber verlieren Details an Bedeutung. Mythen bestehen aus einem groben Kern.
Bedient DSC denn diesen Kern?
Und auch wenn er unter eigenen Regeln steht: Auch der Mythos hat eine Zeitlichkeit, will sagen, auch der Mythos verfolgt intern eine chronologische Abfolge, die zu stören keinen Sinn ergibt.
Im Übrigen hätte DSC als Post-"Nemesis"-Serie grundsätzlich genauso einen ominösen (weil den Details enthobenen) Mythenkern Star Treks benutzen können.
Trends, vermute ich, würde niemand erwarten. Trends sie relativ bedeutungslos geworden, denn zu jedem Trend taucht sehr schnell eine Alternative oder ein Gegentrend auf. Zudem waren TOS und TNG allein deswegen „trendy“ weil sie ein Alleinstellungsmerkmal hatten. Das ist nun aber lange verloren und wird nie wieder kommen. Der Anspruch, wie Du es nennst „State of the art“ zu sein, oder gar wegweisend... ist gar nicht da.
Ich weiß nicht, ob Trends wirklich bedeutungslos geworden sind. Ich glaube, sie spielen noch eine ganz gewaltige Rolle, natürlich erst Recht in der Jugendkultur in Musik, Mode, Sozialverhalten. Nur ist die Frage, wie ein Trend entsteht und ob es eine Möglichkeit gibt, so einen "Erfolg" zu planen. Sich ein Alleinstellungsmerkmal zu suchen, wäre schon mal ein Ansatz, denn etwas, das "trendy" sein will oder kann, muss wahrnehmbar sein.
Wirklich jetzt?
Bei "Downton Abbey" schreibst Du, der Zuschauer wolle sich in diese Welt flüchten und bei einer Science Fiction-Serie soll diese Sehnsucht nicht vorhanden sein? Man kann sich in eine Vergangenheit hineinträumen, ebenso in eine Zukunft. Eine utopische Zukunft ist sogar eine viel bessere Projektionsfläche als eine Vergangenheit, deren Verklärung (oder war die "DA"-Zeit echt eine Epoche allgemeiner sozialer paradiesischer Zustände?) mehr Mühe bereitet. Wer heute "DA" unter diesem Gesichtspunkt anschaut, hat diese Zeit ebensowenig erlebt, wie ich das 24. Jahrhundert erleben werde. Woher kommt Deine Verwunderung, dass ich die utopische Anwandlungen von Weltraumabenteuern à la TNG faszinierend fand (und sicherlich auch immer noch finde)?
(Nimm das Beispiel Holodeck. Dein Beispielsatz für einen Ausspruch lautete "Das will ich auch!" Die Leute wollen heute schon unbedingt VR-Brillen, ich glaube, in den 80ern und 90ern ging vielen beim Anblick der Möglichkeiten des Holodecks "Das will ich auch!" durch den Kopf, denn ein Holodeck wäre sicherlich bessere Unterhaltung als DSC

)
Gerade Gina ist ein schönes Beispiel: Details sind auch Kanten, Verläufe... Farbbrechungen, Reflexe, Lichteinfall, Oberflächenstrukturen. Detailarm läuft nicht nur auf einige Technische Merkmale hinaus.
Okay, wenn Du sowas wie Sickelinien und Farbbrechungen bzw. Reflexe ("Everything has fresnel") als Detail wahrnimmst - was ich übrigens problemlos akezeptieren kann -, wird es schwierig, überhaupt etwas zu finden, was arm an Details wäre; die Original-"Enterprise" ist dann mit ihrer Deflektor-Einfassung oder ihrem Brückenaufbau oder ihrem Zusammenspiel aus Rundungen und Kanten (auch in der schlechten Original-Fernseh-Fassung) aus Blickwinkeln, wie wir auch die "Zumwalt" gemeinhin erleben (also nicht mit Nahaufnahmen), auch hübsch detailiert

Ich glaub eher sie sagen „Gebt uns was was halbwegs cool aussieht und womit wir nicht total abstinken.
Betonung auf "halbwegs"?

('Advocatus Diaboli'-Modus: Wie hätte man ein nicht cooles Designs entwerfen können?)
Du hast uns ja vor einiger Zeit ein paar Einblicke in die Arbeit einer Kreativabteilung gegeben. Danach kann ich mir fast vorstellen, wie die Designer dann, als der Produzent wieder aus der Tür raus war, zu einander gesagt haben: "Hmm, okay. So viel sonstige Arbeit. Hey, da war doch mal was... Wir nehmen einfach den McQuarrie-Entwurf, der damals durchgefallen ist, und klatschen zwei, drei Sachen dran!"
Ich verstehe, dass man eine neue Star Trek-Serie nicht nach ST-Fans hin ausrichtet, aber warum muss es gegen sie laufen? Die Reaktionen auf das Schiff nach dem ersten Teaser waren ziemlich einhellig.
Es mag deprimierend sein, die meisten Zuschauer suchen nicht nach Trends oder Anspruch – sondern nach etwas was sie eine freie Stunde unterhält.
Dem möchte ich nicht widersprechen. Nur stellt sich die Frage, wann der Moment kommt, wo es kippt: Wann geht das Gefühl, unterhalten zu werden, flöten? Wenn das Publikum als so tumb gelten darf, kann man ihm ja praktisch alles vorsetzen; dann wäre ein Raumschiff aus den 1960er Jahren nur die Spitze des Eisbergs.
Die TV Landschaft ist endlich im „Kosum- und Wegwerfzeitalter“ angekommen. Du siehst etwas, nimmst einige emotionale Huppelchen mit, und wirfst das dann weg und gehst weiter.
Die Jagd nach den bewegenden Momenten! Du hast das schön beschrieben, worauf die Serien heutzutage wert legen und mich damit vollkommen überzeugt

Sehr interessant!

Ich glaube auch, dass Du Recht hast, dass zugunsten dieses Ziels einiges, na, nicht geopfert wird, aber doch hintangestellt wird. Gut, damit wird die Frage, ob das Original-Modell aus TOS von früher nimmt oder eine neue Version, aber noch weniger bedeutend. Wenn schon die Geschichte, auf deren Rücken der emotionale Impact daherkommen muss, nicht viel Aufmerksamkeit erhält, warum sollte dann die Optik eine wichtige Rolle spielen?
Das es ein Prequel ist, bestimmt nicht zwangsläufig dessen Erscheinungsbild.
Das schreibst Du nur, weil Du scheinbar nicht der Meinung bist, eine fiktive Welt könne über ein bestimmtes Erscheinungsbild verfügen; siehe oben.
Es ging nie darum das es „schockieren“ würde. Du übertreibst, um Dein Argument zu halten. Ursprünglich war die Aussage, dass es „unpassend und störend“ wirken würde/könnte, und den Erzählfluss der Geschichte damit stört.
Ob man das jetzt mit "schockieren" überspitzt oder mit "unpassend und störend" klein zu reden versucht: Die Frage ist, ob es einen Faktor darstellt oder nicht.
Das ist für mich einer der wichtigsten Punkte: Warum legt man sich auf die Zeit vor TOS fest, wenn man es eigentlich absolut nicht möchte?!
Die Frage ist nicht unberechtigt... aber endgültig kann die wohl nur einer beantworten, der das Konzept vorgeschlagen hat. Ich würde als Erklärung hier wieder die Mythologie von Star Trek anführen – und offenbar sind die Macher der Meinung das die Ära Kirk/Spock ein wichtiger, wenn nicht sogar DER Teil der Mythologie von Star Trek ist – so dass jede Folgeshow, um ihren Erfolg zu steigern, sich möglichst in eine nahe Verbindung dazu setzt. Star Trek wird von den Machern offenbar nicht nur als ein Universum, ein Canon, Spezies wahrgenommen – sondern sehr spezifisch als die Enterprise, Kirk und Spock. Und das so essentiell das sie Spin Offs sicherheitshalber in deren greifbare „Nähe“ legen.
Stimmt, die Frage werden wir nicht beantworten können.
"Eine nahe Verbindung"... Wo spürt man die bei DSC? Namedropping?
(Mal abgesehen davon, dass der Mythos eine ganz eigene Sache ist. Jemand, der kein ST-Fan ist, wird den Mythos trotzdem kennen, zum Beispiel, wenn er "Kirk" oder "Spock" hört. Aber weder Kirk noch Spock sind in DSC "erfahrbar". Die Verbindung wäre Sarek, aber der ist schon wieder so tief im ST-Lexikon vergraben, dass ihn ein Nicht-Fan nie mit dem Mythos in Verbindung bringen würde, schlicht, weil er ihn nicht kennt. Ein ST-Fan auf der anderen Seite würde den Mythos auch im 25. Jahrhundert wahrnehmen können, zumindest dann, wenn er durch inhaltiche Bezüge hergestellt werden würde).
Wenn Du das original Modell meinst wie es aktuell (rekonstruiert) ist, absolut ja.
Ja cool, das sind wir ja einer Meinung. Genau meine Rede: Das ursprüngliche Design kann auch heute gezeigt werden.