Sehr interessante Betrachtungen, Will

Also die Erwartungshaltung, dass immer alles vorangegangene bis ins kleinste Detail geschaut und verarbeitet und integriert werden muss, hat zu so "Perlen" wie ENT geführt. Ja, ja, wir sind uns inzwischen alle einige, dass es nicht so schlecht war, wie anfangs alle dachten. Aber es ist auch nicht so gut, wie manche rückblickend reminiszieren.
Was mir in Bezug auf PIC und ENT aufgefallen ist: Bei keiner anderen Serie habe ich so oft den Vorspann angeschaut wie bei ENT. Der war damals ja allein schon wegen des Hintergrundliedes ein kleiner Skandal. aber für mich ging das auf, weil der Vorspann einfach super zu dem Aufbruchsgeist Star Treks passte. Bei PIC drücke ich immer umgehend auf "übersprungen", wenn der Vorspann kommt.
Aber das nur als kleine Anekdote.
Du hast natürlich Recht, dass es immer mit einer Erwartungshaltung zu tun hat und man sich auf die neue Idee einlassen muss. Bei ENT gelang mir das eigentlich schon, obwohl es mein Bild davon, wie die Föderation entstand und welche Rolle die Menschen dabei spielten, schon irgendwie auf den Kopf stellte. Ich glaube, es lag an der verfünftigen, wenn auch nicht sehr kreativen Erzählweise, dass ich die Serie anders angeschaut habe als es heute bei PIC der Fall ist.
Es gab, gibt und wird immer Brüche geben, wenn irgendetwas neu erfunden wird. Diejenigen, die am alten hingen, an der Art, werden durchs neue irritiert sein. Das gab es beim Bruch von TOS zu TNG, kulminierend in der Frage: Kirk oder Picard? Das gab es bei DS9 entlang einiger Unterschiede, das gab es bei Voyager und das gab es so sehr bei ENT, dass da erstmal Ende war.
Der Kulturschock von TOS auf TNG muss groß gewesen sein, das kann ich mir vorstellen. Ich würde aber auch schon beim Unterschied von TOS zu den TOS-Filmen ansetzen, denn da hatte sich in der Zwischenzeit auch schon viel getan und verändert, was den Fans einiges abverlangte, wenn es um die Wahrnehmung des ST-Univerisums ging.
Die Verbautheit des Canon hat dazu geführt, dass ein neues Schreiben ohne ein de facto Star Trek-Studium kaum mehr möglich wäre. Und angesichts auch vergangener interner Widersprüche, halte ich es auch nicht für die notwendigste Sache der Welt. Was euch und in geringerem Maße auch mich ja stören, ist doch nicht wirklich, dass dieses oder jene kleine Detail nicht mit diesem und jenem kleinen TNG-Detail übereinstimmt.
Dass der Canon so umfangreich geworden ist, stellt wirklich ein Problem dar, trotzdem denke ich, dass man einige der Schwierigkeiten gut umschiffen könnte, statt sie so offensiv anzugehen, wie es vor allem bei DSC, aber auch bei PIC der Fall war oder ist.
ICh denke, dass Du Recht hast, dass es gar nicht um Fehler und Widersprüche geht, sondern dass es bei der großen Linie hapert.
Und die Figuren sind bei PIC auch nicht, was mich an der Serie stört.
Joah, wobei ich zugeben muss, dass die Figuren für mich schon auch zur großen Linie gehören (können).
Ein Beispiel ist für mich Raffi: Ihre Story-Anlagen, die ganze Ausstrahlung, die Ausdrucksweise, die Art, wie Hurd sie spielt... Das ist eine Figur, die nicht wegen einer Zeitreise ins 21. Jahrhundert gehört, sondern die eigentlich durch und durch zum 21. Jahrhundert passt.
Für mich ist es vor allem das gedankenlose Abspielen von Ideen, die aber irgendwie nie Konsequenzen haben. In Staffel 1 funktionierte das noch einigermaßen: Picard hat's aus öffentlicher Sicht verbockt, die Gesellschaft hat keine Lust mehr auf Asylpolitik, Picard fliegt raus und der Raum des ehemaligen romulanischen Imperiums ist eine Katastrophe, was die Lebenssituation angeht. Das wurde dann aber fallen gelassen bzw. nicht weiter behandelt. Stattdessen waren die Reste der Romulaner:innen weiterhin so mächtig, dass sie Ende der Staffel eine Patt-Situation mit der Föderation erreichen konnten. Das passt für mich nicht zur ersten Hälfte der Staffel.
Für mich ist die Serie gar nicht so weit, als dass sie sich über so was wirklich Gedanken machen kann oder auch nur wollte. Eigentlich ist sie diesbezüglich in einer Findungsphase, die nur zu nicht viel führen kann, wenn wirklich nach der dritten Staffel Schluss ist.
"Das gedankenlose Abspielen von Ideen"... beim ersten Linien habe ich sofort in eine andere Richtung gedacht, denn das beschreibt mMn gut ein größeres Problem, das ich mit dieser zweiten PIC-Staffel habe: Ich habe das Gefühl, dass alles immer so mäandert, ohne dass klar würde, welcher der begonnen Punkte überhaupt wo hin führt. Klar, man kann jetzt sagen: "Wie im richtigen Leben", aber für eine Serie würde ich dennoch andere Maßstabe anlegen.
Ich finde es ausgesprochen schade, dass ich mir PIC ausschließlich aus Nostalgie und der Hoffnung, dass sie die Kurve noch mal kriegen, weiter ansehen werde. Aber im Großen und Ganzen bleibt es leider weit hinter seinem Potential zurück. Sehr, sehr schade.
Das verstehe ich gut.
Ich schaue PIC vor allem aus Neugierde und... weil ich es kann

Denn ich habe Amazon-Prime.
Ich weiß nicht wie das bei Dir oder anderen ist, vielleicht ist das auch ein Effekt, der bei vielen TOS-Fans auftrat, als sie dann TNG angeschaut haben, aber irgendwie bringe ich PIC nicht mit TNG in Verbindung. Dass man das als Zuschauer sagt, ist natürlich eigentlich ein Armutszeugnis für die Macher, aber na ja.