"Der Käfig" führt die Figur des Captain Pike ganz anders ein als "Die Spitze des Eisbergs" Kirk - anders, und eigentlich auch modern genug, jedenfalls für meinen Geschmack. Es ist fast unmöglich, bei Null zu beginnen, aber "Der Käfig" macht das schon geschickt, weil er nach einem, joah, missglückten Abenteuer einsetzt, wodurch Pike geneigt ist, alles in Frage zu stellen und das, was jetzt kommt (oder auch noch gekommen wäre) gut einleitet, als begänne nun für alle etwas Neues.
Daraus folgt für mich, dass man selbst die Sechziger in diesem Punkt nicht unterschätzen muss.
Das "The Cage" doch noch eher wie ein Pilotfilm, oder was wir heute darunter verstehen, daher kommt, ist in meinen Augen grossteils der Tatsache geschuldet das es der erste grössere Versuch einer derartigen Sci Fi Serie darstellte im TV, und deswegen naturgemäss davon ausgegangen wurde, es bestünde für dieses Setting "Erklärungsbedarf".
Diesen Ansatz hat man dann ja auch schnell verworfen, als dem Studio "The Cage" zu Kopflastig wurde und es ihn ablehnte und zu einer simplen (Standardlaufzeit!) Action-Episode umgeschwenkte. Das sind zwei Kontrapunkte die ziemlich auseinander liegen, aber beide jeweils unter dem Druck einer bestimmten, besonderen Situation entstanden sind.
Würde man "Spitze des Eisberges" nun eine eher simple Handlung, mangelnde Figuren-tiefe und Actionlastigkeit attestieren - wäre das als Einzelwertung für EINE Episode nicht verkehrt. Würde aber gerade in Bezug auf DIESE Episode ein verzerrtes Bild darstellen, wenn man die Studioentscheidungen nach "The Cage" ausblendet.
Das lässt sich sogar an McCoy ziemlich gut zeigen. In "The Cage" gab es die Figur es moralischen Ratgebers/Arztes noch, der Pike berät - ein Gegengewicht zu dem grüblerischen, zweifelnden Captain. Nur: Dieser von Zweifeln geplagte Captain gefiel den Studio gar nicht. Die wollten eher einen zupackenden Actioner. UND zusätzlich waren ausgerechnet die Gespräche zwischen Pike und seinem Doc auch noch Szenen die eben den Pilot verlangsamten. Etwas was dem Studio ebenfalls missfiel. Und zu guterletzt: mochte das Studio auch Spock nicht.
Was sollte Roddenberry nun machen? Spock wollte er unbedingt halten - zwei Figuren durchzudrücken im 2. Pilotfilm hätte er vermutlich nicht geschafft. Zudem änderte sich der Charakters des Captains und sogar die Art der Pilotfolge hin zu Action: Für den Arzt war also gar kein Ansatzpunkt oder Platz mehr.
Die Figur des Arztes wurde somit gestrichen - was aufgrund der Verhältnisse weder an den Autoren noch Roddenberry lag - sondern dem Studio - innerhalb der geänderten Episodenlogik/Dramaturgie aber absolut folgerichtig war. Kann man "Spitze des Eisberges" nun ankreiden das McCoy fehlt? Irgendwie nicht. Betrachtet man die Serie im Rückblick ist es schade das er nicht dabei war. Aber von der Episode her... war das verständlich und wohl sogar ohne Alternative.
Vergleicht man nun "Spitze des Eisberges" mit zb "Caretaker" - dann hat man nicht nur das offensichtliche Problem, dass "Caretaker" die doppelte Laufzeit hat - sondern ganz speziell sogar das viele Sachen die in "Spitze des Eisberges" die Episode bestimmen - gar nicht in dieser Episode selber liegen.
Ein anderes Beispiel wäre für mich "Bonanza". Klar, auch hier erleben wir alles andere als eine große Exposition, aber es gibt eine Szene ("Feast thine eyes on a sight that approacheth Heaven itself"), die auch wie eine Ankunft präsentiert wird und dem Zuschauer hier kurz, aber prägnant etwas vorstellt - hier halt weniger die Personen, sondern die "Ponderosa", etwas, was man in ähnlicher Form auch mit der "Enterprise" hätte machen können und scheinbar auch für frühere Verhältnisse nicht unerhört gewesen wäre.
Ich denke schon. Bonanza in seinem Western-Setting war jedem Amerikaner vertraut. Ein Raumschiff... wohl eher nicht. Es war vermutlich nicht mal klar ob das Schiff eine so zentrale Bedeutung wie eine "Heimat" einnimmt, so dass es überhaupt einer Vorstellung bedarf.
Erinnert man sich der Herkunft von Star Trek aus dem Motiv des "Waggon Trail" gen Westen, mutet es sogar eher absurd an den "Planwagen" vorzustellen. Wie schon geschrieben - das war bei den ersten Gehversuchen von "The Cage" oder "Eisberg" gar nicht absehbar wo der Fokus liegen würde.
Mit unserer heutigen Perspektive zu sagen, "Ja Mensch, ihr habt da ein tolles Schiff, wo bleibt der Rundgang?" geht an den zwei Episoden doch irgendwie vorbei.
Als in TNG dann klar war, das eben das Schiff wirklich ein zentraler Bestandteil einer solchen Serie ist - hat man den Rundgang ja auch bekommen, im TNG Pilot wurde sehr viel vom Schiff gezeigt. Basierend eben auf den Erfahrungswert seit TOS, welchen Stellenwert - welche Rolle - das Schiff besitzt.
Daher; könnte man TOS das ankreiden? Eher nein. Könnte man es TNG ankreiden, hätte es da nicht stattgefunden? Ja. Zwei Pilotepisoden, zwei Wertmassstäbe und daher schwer miteinander vergleichbar.
Ein letzter Punkt: Ich meine mich zu erinnern, dass Du bei vielen Filmen und Folgen den Aspekt, wie gut sie gealtert ist, schon irgendwie miteinbeziehst, wenn es darum geht, ob Du besagte Filem oder Folgen heute noch gerne siehst oder sogar gut findest. Es ist natürlich immer so, dass man etwas vor dem jeweils geltenden zeitlichen Hintergrund sieht. Deswegen bin ich auch ziemlich davon überzeugt, dass Serien, die in puncto Dramatugie und Figurenbeschaffenheit bzw. Figurenbeziehungen heute als das non plus ultra gelten, in ein paar Jahren ganz anders gesehen werden.
Ich denke schon, dass man die Folgen so nehmen sollte, wie sie einfach vorliegen, dabei aber weder, joah, zu viel "entschuldigen", noch zu viel zu verlangen sollte.
Ich würde sagen: Ja und Nein. Natürlich kann man das "altern" mit veranschlagen und bei einer Wertung berücksichtigen. Das geht aber in einigen Aspekten nicht. Wie geschrieben hat "Eisberg" eine eher simple Action-Story... nichts besonders, Durchschnitt. Müsste man eigentlich kritisch sehen, aber genau das hat damals das Studio durchgedrückt. Der Spielraum da was anderes zu machen war... enorm begrenzt.
Dasselbe Spiel wiederholt sich im TNG Piloten. Roddenberry der noch Rechte drauf hatte, aber zunehmend alterte... wollte unbedingt eine Story mit "Gott" durchdrücken. Das Studio gar nicht, und DC Fontana kam aus der "Farpoint Station" Ecke. Man traf sich schließlich mit einem Kompromiss in der Mitte, Roddenberry schrieb eine Rahmenhandlung mit Gott (=Q) und darin wurde die "normale" Handlung um Farpoint Station, die DCD Fontana wohl schrieb, eingebettet.
Nimmt man die Story so wie sie ist, müsste man zumindest dran rumkritteln, dass schon wieder ein allmächtiges Superwesen, den Start einer neuen Serie einleitet. Ist damals nicht mehr innovativ und Storytechnisch auch nicht so dolle. Bedenkt man aber den Druck der von Seiten Roddenberrys kam seine Ideen durchzusetzen... versteht man plötzlich warum es diese Story wurde, und das den Umständen entsprechend eigentlich was ganz gelungenes draus wurde.
Oder um mal den DS9 Piloten zu nehmen: DS9 hatte von Beginn an das Konzept in den ersten 8 Folgen jeweils pro Episode eine Hauptfigur zu charakterisieren. Das heisst das im Pilotfilm, ausser von Sisko, die Darstellung aller anderen Hauptpersonen eher dünn ist - das ist ein bewusstes Konzept was später ausgeglichen werde sollte. Nehme ich den Pilot so wie er ist - müsste ich ihm das ankreiden. Sehe ich ihn im Kontext, eher weniger.
Werte ich die Episode so wie sie da steht - na ja. Beziehe ich den Kontext mit ein - oft deutlich besser.
Eine der Grundregeln für (gerechte) Wertungen und Vergleiche ist eigentlich, dass man nur Dinge Vergleichen kann die auch vergleichbar sind. Klingt ziemlich selbstverständlich - ist es aber nicht. Und gerade bei den Star Trek Piloten waren viele Situationen, Umstände, Konzepte - neu oder besonders - und sind daher eben nicht einfach zu miteinander aufzurechnen, finde ich.