Weil Star Trek immer ein Kind seiner Zeit war.
Und die heutigen Zeiten sehen meienr Meinung nach nun mal nicht nach einer utopischen Zukunft aus.
Klar kann man gerade jetzt mal wieder etwas mehr Optimismus vertragen.
Und mal ganz direkt an die besonders kritischen Stimmen gefragt:
Was hätte die Serie anders machen sollen?
Eine wirklich spannende Frage.
Und eine schwierige! Jedenfalls wenn es im den inhaltlichen Aspekt geht. Sich um Data oder Androiden zu kümmern, war eigentlich keine schlechte Idee. Darüber hinaus wäre ja eigentlich alle möglich gewesen.
In Bezug auf die heutige Zeit...
Ich sehe das so wie Du: Unsere Zeit könnte gerade Optimismus gut vertragen. Und wenn man sich so umhört, bekommt man immer wieder mit, dass Picard für viele eine Art Vorbild war. Es ist nicht verkehrt, wenn eine Serie so eine Wirkung hat, und dann kann - vielleicht etwas pathetisch übertrieben ausgedrückt - sogar eine Gesellschaft davon profitieren, wenn eine positive Figur auf die Leute abfärbt.
Darüber hinaus frage ich mich auch, was aus der heutigen Zeit in PIC eigentlich aufgegriffen wurde.
Isolationismus wahrscheinlich schon, weil die Föderationsgesellschaft Romulanern und Synth so misstrauisch gegenübersteht. Insgesamt ist der Umgang untereinander rauer.
Als Spiegel für unsere Gesellschaft taugt das mMn nur begrenzt, weil es oberflächlich bleibt. Es zeigt sich, dass die Skepsis den Romulanern gegenüber angebracht zu sein scheint - nicht den Romulanern als Ganzes, aber die Geheimorganisationen waren so krass drauf, dass sie ihre eigenen Leute opfern und für den Tod tausender Föderationsbürger verantwortlich sind, obwohl gereade eine Rettungsoperation für Romulaner läuft. Die Snyth sind zu Beginn unglücklich in die Sache reingeraten und sind zuerst und später auch Marionetten, Soji kann erst im letzten Moment das Ruder rumreißen. Als Analogien für so etwas wie zum Beispiel die Flüchtlingsthematik bringt das nichts. Auch andere Themen oder Ansätze bleiben zu oberflächlich (Raffis Drogenthematik oder Agnes' Austicken), um irgendeine zeitrelevante Aussage zu haben. Sie werden auch nicht direkt gelöst, jedenfalls allerhöchtens nur bedingt nachvollziehbar.
Was für mich wirklich als Ausdruck davon übrigbleibt, dass PIC ein Kind unserer Zeit - vielmehr unserer Fernsehlandschaft! - darstellt, ist eher, die Ausdrucksweise der Figuren: Sehr flappsig, sehr geerdet, dreckig und mit Flüchen. Der Mehrwert erschließt sich mir nicht. Das ist weder cool noch innovativ, sondern nur ein Bruch mit dem bisherigen ST, ein Bruch, der einfach die Glaubwürdigkeit des Formats zerstört. Damit hat sich die Serie meiner Meinung nach ziemlich lächerlich gemacht, zum Beispiel auch, weil sie damit belegt, dass sie keine Vision einer Zukunft hat.
Was die Serie anders hätte machen sollen... Puh, selbst ganz subjektiv schwierig zu beantworten, denn immerhin ist man jetzt ja kaum noch unvoreingenommen.
Wenn ich Deine Frage so interpretieren soll, dass es bei dem Grundgerüst (Mars-Vorfall, Snyth, Romulaner, eventuell auch Ex-Borg) bleiben soll...
Ich hätte die Romulaner eher wie Spione (à la Narek + ein paar geheim operierende Schiffe) und weniger wie (Pseudo)Elite-Einsatztruppen (wie die Sack-über-den-Kopf-Stülper + Riesenflotten) auftreten lassen. Das wäre spannend gewesen und hätte mehr Raum für Charakterelemente gegeben, wenn sich die Figuren im Föderationsumfeld wirklich bewegen müssten, d.h. mit anderen echt interagieren hätten müssen, statt unter sich zu bleiben oder z.B. eindimensional Drohungen auszustoßen wie Oh und Narissa. Ich hätte versucht, die Föderation immer noch nett und friedlich, aber doch distanziert darzustellen: Die Romulaner wären (sozusagen allesamt) gerettet worden, hätten Kolonien bekommen, würde aber ansonsten links liegen gelassen oder aber wären sozusagen mit der Föderation befreundet (à la Laris und Zhaban, nur im großen Maßstab). Ich hätte aus dem Mars-Vorfall eine Art Entwicklungsstopp gemacht: Es gäbe immer noch Androiden, nur wären sie ein wenig rückständig. ST kennt nur Geräte und Apparate (à la Tricorder) oder überlegene Technikwesen (wie Data). Ich hätte es interessant gefunden, wenn man etwas dazwischen und wie sich die Leute dazu verhalten näher beleuchtet hätte. Die Story um Dahj und Soji hätte dabei, wenn sie eine Konstante der Staffel sein müsste, bleiben können, von mir aus auch, dass sie den Romulanern ein Dorn im Auge sind. Ich hätte es vielleicht weniger zu einer hyperdramatischen Mythosgeschichte mit Monsterwesen, die alles nicht künstliche Leben vernichten wollen, gemacht. Für mich hätte es gereicht, wenn die Romulaner in den überlegenen Androiden ein neues Machtmittel oder eine "kleinere" Bedrohung gesehen hätten. Die "Entborgifizierung" hätte an sich unter der gleichen Maßgabe auch bleiben dürfen. Eine Art abenteuerliche Reise zur Kolonie der überlegenen Androiden, wie sie letztlich auch irgendwie Teil der Staffel war, hätte ich damit auch integriert und noch verstärkt. Und die Möglichkeit des eigentlichen Abschieds von Data hätte es damit ja auch immer noch gegeben. Das ganze Umfeld wäre bei mir aber die Föderation und die Sternenflotte gewesen - ohne zerrüttete Biographien oder wenn nur mit einer, die damit aber angemessen behandelt wird, denn das war ja auch ein Punkt, in dem PIC eher versagt hat. Vielleicht hätte Picard gegen Skepsis und Widerstände angehen müssen, aber er hätte ein kleines Sternenflottenschiff bekommen, wenngleich auch nicht in der Funktion eines Captains.
Damit wären die groben Linien erhalten geblieben.
Wenn ich Deine Frage aber so interepretiere, dass Star Trek: Picard noch "ein völlig leeres Blatt" gewesen wäre...
Hmm. Picard als Botschafter wäre eine Möglichkeit gewesen, aber ich glaube fast, dass mir persönlich das ein wenig zu langweilig gewesen wäre: Picard war in TNG Diplomat, aber eben nicht nur.
Eine mutige Variante habe ich glaube ich hier irgendwo im Forum schon angedeutet: Was, wenn Picard unter dem Irumodischen Syndrom leidet und wir ihn die ganze Serie über auf Abenteuern zwischen Realität und Traumwelt begleiten? Dieses Changieren zwischen Ebenen wäre spannend und philosophisch und für alle beteiligten Charakter eine gute Bühne zur Entfaltung gewesen, wenn man es geschickt und langsam (statt sprunghaft) gestaltet und mit einer Reise durch die Föderation verbunden und damit relevante Geschichten generiert hätte.
Wie gesagt, das wäre die mutige Variante. Ich glaube aber, man hätte einen konservativeren Weg finden können, der trotzdem nicht TNG 1.0 gewesen wäre, nur müsste ich darüber dann noch länger nachdenken.
Ich glaube da schätzt du Narek falsch ein.
Schon die ganze Zeit schien er eine gewisse faszination für Soji zu hegen. Und in der letzten Folge bezeichnet er sich ja als "schwarzes Schaf" der Familie und der Zhat Vash. Ich denke daher nicht dass er persönlich davon überzeugt ist, dass die Androiden per se vernichtet werden müssen.
Viel mehr halte ich ihn für jemanden der es halt nur nicht geschhafft hat dem Druck seiner Bezugsgruppe zu widerstehen. Und ohne Narissa, die ihn ja in der Serie widerholt den Disruptor auf die brust gesetzt hat, kann er sich entfalten. Könnte interessant werden, wie er sich weiternetwickelt, sollte er in Staffel 2 auftauchen.
Mag sein, dass ich Narek anders oder falsch einschätze, aber das von ihm die entscheidenden Beweise kommen sollen, die die Föderation überzeugen, halte ich für nicht so glaubwürdig. Und bedenkt man, wie viel Zeit man sich am Ende am Lagerfeuer genommen hat, nur um eine Schauergeschichte zu erzählen, wobei davor schon anders ein Gefühl für dieselbe Bedrohung vermittelt wurde (Stichwort "Warnung"), hätte man in diesem Fall zumindest andeuten müssen, dass der entscheidende Hinweis, dass sogar Beweise von Narek geliefert wurden.
Wie viele Gefühle für Soji bei Narek im Spiel waren, ist noch ziemlich offen. Für PIC-Verhältnisse dürfte er wahrscheinlich so was wie ein Kybernetik-Experte unter den Romulanern gewesen sein (was aber auch nie wirklich zum Tragen kam).
In der Serie konnte er sich eigentlich noch nie freischwimmen: Dass seine Schwester tot ist, weiß er eigentlich noch nicht. Außerdem ist ihm ja auch klar, dass die romulanische Flotte auf dem Weg sein muss.
Ich bin nicht überzeugt davon, dass er in der ersten Staffel von den Zielen der Zhat Vash abrückt: Zuerst hätte er Soji getötet, dann verfolgt er die "La Sirena" zu Coppelius, dann dringt er in die Kolonie ein, um den Sender zu zerstören. Die Geschichte am Lagerfeuer erzählt er mit Leidenschaft. Das sind keine Verhaltensweisen von jemadem, der am Ende die Schlüsselbeweise zur Entlastung der Synth und zur Beschuldigung der eigenen Geheimgesellschaft liefert.
@ Kirk:
Mir gefällt Deine positive Interpretation der Serie. Wenn man sich vor allem auf das konzentriert, was PIC über Data selbst aussagt, war die erste Staffel nicht so verkehrt, finde ich.
Was ich etwas deplaziert fand, war die etwas überzogene zur Schaustellung von Gewalt. Da können die Macher noch so auf künstlerische Freiheit pochen, es zieht den gehobenen Anspruch den ST eigentlich zumeist hatte, doch etwas in Richtung mainstream. Aber das können wir schon seit J.J. Abrams verfolgen - Schade.
Das ist für mich eben auch der wichtige Punkt: Was war das künstlerische Plus, das "Stardust City Rag" dem Franchise brachte? Eben: Dieses Plus gab es nicht.
Man hätte noch zwei oder drei Episdoden mehr machen können, um den Figuren, auch den Antagonisten etwas mehr Tiefe zu verpassen. Räffi hätte es gebraucht. Seven, Hugh, Madox oder Soog ebenso. Selbst Jurati, obwohl mehr oder minder Hauptcharakter wurde auf ihre Mimik fast beschränkt. Das kann auf dauer nicht gut gehen. Auch fielen einige interessante Aspekte unter den Tisch, obwohl sie sehr interessant gewesen wäre zu vertiefen. hughs Prohejt der Rückgewinnung, die fenrisranger. Der verfall der romulanischen Gesellschaft, die Angt der Föderation. Was hat Soog getrieben, sich mit Kybernetik zu beschäftigen? War der Golem nicht für Data gedacht?
Dass so viel unbeantwortet blieb, ist wirklich irgendwie bedauerlich, wenngleich ich zugeben muss, dass die Serie bei mir auch gleichzeitig nicht die allergrößte Faszination für die Themen geweckt hat.
Raffi dürfte in der zweiten Staffel Zeit haben, sich zu entwickeln, aber ich weiß nicht, wie viel wir noch von Sojis Heimat zu sehen bekommen, denn das wirkt eher wie abgeschlossen, obwohl es eigentlich nicht der Fall sein dürfte.
Bleibt gesund! 
Dem kann ich mich nur anschließen!!!
@ Thunderchild:
Ja, ich finde auch, man darf eigentlich gar nicht drüber nachdenken, was alles möglich gewesen wäre! Für die Figuren und Geschichten, aber natürlich auch in Sachen Raumschiffe. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass gute Geschichten und gute Figuren keine Angst davor haben müssen, dass Designs ihnen die Schau stehlen.
Was ich zur Föderationsflotte noch anmerken wollte, irgendwie kommt mir das Design bekannt vor. In ähnlicher Form, ist mir das schon mal in STO über den Weg gelaufen.
Alle vergleichen das Schiff mit der "Avenger"-Klasse aus STO. Ich weiß nicht, ich dachte zuerst an John Eaves' "Archer"-Entwurf, nur dass der um Längen besser aussah.
Noch ein ganz anderer Punkt:
Ich lese oft, dass sich die Leute über den (natürlich aufgrund der verstrichenen Zeit) gealterten Data ärgern. Und oft wird der Haaransatz als falsch ins Feld geführt. Aber geht das nur mir so, dass Spiners Data in PIC so wirkt, als hätte er Unterbiss? Mir schien es immer extrem so, als würde Spiner den Unterkiefer merkwürdig nach vorne strecken. Das hat mich beim Zuschauen immer total irritiert...