Vieles an der Folge war sehr versöhnlich und wertet damit auch die ganze Staffel auf.
Und so viel wurde in nicht einmal 50 Minuten untergebracht, dass man wirklich noch einmal mehr den Kopf schütteln muss, wenn man an die anderen Folgen der Staffel denkt.
Die Action am Anfang war tempo- und auch abwechslungsreich.
Hätte ich nicht im Vorfeld davon gehört, hätte ich auch den Trick mit Renée/Tallinn ganz interessant gefunden. Die ganze Idee ist zwar dumm (siehe später) und man muss sich schon fragen, wie Tallinns Maskerade einfach so funktionieren kann, aber na ja.
Es scheint so zu sein, dass sich Tallinn trotz aller Angst - am Anfang sehr gut von Brady gespielt! - innerlich schon lange darauf vorbereitet hat, sich zu opfern. Qs Worte über sie deuten auch darauf hin. Ob sie ihren eigenen Märtyrerkomplex hat? Es ist jedenfalls spannend, wie sie Picard sozusagen mit seinen eigenen Waffen schlägt, indem sie ihm mit der Kraft ihrer Argumente aufzeigt, dass es auch Dinge gibt, die sich seiner Kontrolle (zu) entziehen (haben).
Wie Picard seine Familiengeschichte aufarbeiten konnte, um Frieden damit zu schließen und nach vorne zu schauen, hat mir alles in allem ganz gut gefallen. Man hätte es ein bisschen prägnanter erzählen können und für manche zentralen Punkte - vor allem in dieser Folge - weniger salbungsvolle Worte wählen können - eben nach dem Motto "weniger ist mehr". Aber es war ein angemessener Aufhänger für eine Staffel.
Picards Abschied von Q war rührend. Aber ich bleibe bei der schon früher geäußerten Kritik, dass Figuren nicht immer sterben müssen. Aber wer weiß, es gibt ja noch so viele Möglichkeiten. Vielleicht entpuppt sich alles nur als ein Test durch das Kontuinuum, den Q nun bestanden hat.
Die Angelenheit bleibt aber doch etwas mysteriös, jedenfalls Aspekte von ihr. Ich frage mich zum Beispiel, warum Q am Anfang der Staffel so feindselig war. Womöglich lag es nicht an Picard, sondern an der eigenen Situation.
Außerdem bleibt als große Frage zurück, welche Entwicklungen auf Q beruhen und was der Dynamik der Zeitlinie zufiel.
Was die Zeitlinie anbelangt, müsste ich mir glaube ich noch weitere Gedanken machen.
In vielen Punken erfahren wir ja praktisch, dass alles so gekommen ist, wie es kommen sollte. Ich bleibe da ein bisschen skeptisch. Die Einschusslöcher in der Wand mögen das eine sein, die toten Soldaten in den Kellermauern aber das andere. Natürlich kann man auch hier darauf verweisen, dass das einfach so sein sollte, und falls jemand aus der Picard-Sippe (oder die Handwerker) auf sie stoßen sollten, sich einfach nur so gewundert haben wie die Polizisten, als Raffi und Seven aus dem Auto gebeamt wurden. Aber dann wird sehr viel plötzlich belanglos.
Dass Picard den Schlüssel zurück ins (sehr schlechte) Versteck legt, sehe ich eher als symbolischen Akt. Letztlich ist es ja eher Maurice Picard, der den Schlüssel im entscheidenden Moment dort hinterlegen wird. Und selbst wenn der Schlüssel unauffindbar wäre, hätte er Yvette einfach in einen anderen Raum weggesperrt - falls nicht sogar das ganze Wegsperren eher symbolisch aufzufassen ist.
Dass Rios in der Vergangenheit bleibt, war ja keine sooo große Überraschung. Aber irgendwie passt seine Erklärung. Vom ganzen Gehabe her wäre ich zudem der Meinung, dass auch Jurati und Raffi nicht ins 24. und 25. Jahrhundert gepasst haben, aber wie dem auch sei... Die Entscheidung von Rios ist schon irgendwie nachvollziehbar, auch wenn man neben seiner Liebe zu Teresa eben miteinbezieht, dass er sich im 21. Jahrhundert grundsätzlich wohl zu fühlen scheint. Dennoch braucht es dafür auch eine gewisse Abenteuerlust und, ganz ehrlich, auch Mut: Rios muss wissen, dass der Dritte Weltkrieg (hoffentlich nur in ST) praktisch unmittelbar bevorsteht. Das macht die Entscheidung für diese Ära doch brisant.
Ich weiß nicht, ob mir gefällt, dass Guinan von dem Schicksal der Familie berichtet. Ich weiß aber, dass mir die Umstände, wie Rios letztlich ums Leben kam, nicht gefallen.
Während ich Jurati nicht vermissen werde und Raffi (und Seven) nicht vermissen würde, finde ich es schade, dass Rios in der dritten Staffel nicht mehr dabei sein wird.
Das inhaltliche Highlight der Folge war für mich die Erklärung, warum Renées Mission so wichtig war. Dass der Organismus dabei helfen wird, das Klima der Erde zu retten, ist für mich glaubhaft genug und löst das Problem, dass Renées Leistung unabhängig vom Desaster des Dritten Weltkriegs Bestand haben muss.
Gleichzeitig ist das eine spannende Science-Fiction-Idee. Es mutet ja wie ein großes Risiko an, einfach einen außerirdischen Organismus in so einem Maßstab in das irdische Ökosystem zu bringen.
Die Effektsequenz mit dem Hinflug zur Startrampe am Anfang hat Lust auf mehr gemacht, und war für mich der beste Effekt der gesamten Staffel, auch wenn es wieder albern war, wie sehr die Distanzen im Sonnensystem dadurch bagatellisiert wurden. Aber wäre mehr Zeit gewesen, ich hätte wirklich gerne die Landung auf Europa und den Fund des Organismus gesehen.
Ein paar Gedanken zu Kore... Ich habe noch einmal über ihren Ärger auf Soong nachgedacht. Dass sie sauer ist und sein Handeln irgendwie verabscheut, kann man begreifen. Ich frage mich, ob diese Storyline aber auch nicht noch mehr hergegeben hätte. Soong ist der Bösewicht der Staffel, das scheint Kore auch zu spüren. Ansonsten verdankt sie ihm aber immerhin ihr Leben. Die Aufnahmen von Soong mit ihren Schwestern haben sie ja so schockiert, aber belegen sie nicht, dass er den anderen und auch ihr trotz allem mit Hingabe Vater war? Er hat sie erschaffen, ja, und es ging ihm augenscheinlich auch um diese technische Leistung. Aber war das allein so viel schlimmer als wenn Kore - um ein plattes Beispiel zu nennen - durch einen alkoholbedingten One-Night-Stand entstanden wäre? Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hätte es interessant gefunden, wenn eine tiefere Auseinandersetzung und vielleicht auch wieder eine Annäherung mit Soong stattgefunden hätte.
Mit Computern scheint Kore gut umgehen zu können und sie ist durch ihre Entstehung und ihr Schicksal sicherlich besonders. Aber rechtfertigt das schon die Einladung dazu, eine Reisende zu werden?
Da bin ich schon beim nächsten Thema. Wesley und die Reisenden. Natürlich ist es schön und lustig, Wes wiederzusehen, aber ich fand seinen Auftritt unmotiviert. Dass die Reisenden jetzt plötzlich mit den Wächtern unter einer Decke stecken und auf den korrekten Lauf des Universums aufpassen, gefällt mir nicht. Das ist so ein genereller Hang und fast schon ein Topos für Verschwörungstheoretiker: Versteckte Organisationen, die den Lauf von allem beeinflussen.
Der Reisende aus TNG machte mir einen ganz anderen, einen durchaus auch arroganten und etwas selbstsüchtigen Eindruck: Er bereist das All nicht aus altruistischen Gründen, sondern mehr, um die eigene Neugierde zu befriedigen. (Als Wesley in TNG "Journey's End" in den Konflikt eingreifen möchte, nimmt er ihn mit der Botschaft mit, dass sei deren Angelegenheit). Ein Konzept wie das des Reisenden muss man nun nicht wieder in einen Heldenmythos umdichten.
Obwohl ich eben noch sozusagen für eine Versöhnung zwischen Kore und Soong plädiert habe, wundere ich mich am Ende doch darüber, wie mit ihm verfahren wurde, gerade weil er der eher schlichte Bösewicht war. Also obwohl Soong skrupellos ist und ja wohl nicht nur Tallinn auf dem Gewissen hat, kommt er einfach so mit allem davon? Ich finde das seltsam und von der Aussage her unentschlossen: Er wird also weder geläutert noch bestraft. Doch hoffentlich nicht nur, damit er die Khan-Akte (auch eher unmotiviert) zücken kann?
Obwohl nach "Farewell" einiges mehr Sinn ergibt, bleiben ein paar Sachen melodramatisch unlogisch.
Nur mal so eine kleine, spontane Liste:
- Statt maskiert auf der Brücke zu erscheinen und das Raumschiff zu übernehmen und zu hoffen, dass es genügt, ein Piaf-Lied zu spielen - und wir haben ja erlebt, dass es eigentlich nicht genügt -, hätte sich Agnes zu erkennen geben sollen. Klar wären alle dann im ersten Moment schockiert gewesen, aber dann wären ihre Aussichten auf Erfolg eigentlich besser gewesen.
- Warum muss die Jurati-Borg-Königin in Rätseln sprechen, statt sich direkt an Tallinn zu wenden und zu sagen... "Schau mal, die Sache sieht so aus. Du musst Plätze mit Renée tauschen!"
- Warum muss Tallinn eigentlich Plätze mit Renée tauschen? Es hätte so viele andere Möglichkeiten gegeben. Da wären die eleganten Wege (Soong wegbeamen, seinen Körper eine Zeit lang übernehmen) und die unfeinen (wie Waffengewalt).
Alles in allem hat die "Farewell" mMn mehr erreicht, als im Vorfeld zu erwarten war. Viele Folgen der Staffel hatten die Erwartungshaltung allerdings auch so sehr gedrückt, dass ich nicht weiß, wie ich die Folge losgelöst bewerten würde.
Aber Stand jetzt hat sie von mir eine Zwei bekommen.
"Farewell" war spannend, abwechslungsreich, emotional (bis kitschig) und damit eindeutig eines der besseren Erlebnisse dieser zweiten Staffel von PIC!