Es hilft da auch nicht, sich nicht-heroische Todesarten auszudenken, um das ganze ins Lächerliche zu ziehen.
Das kann ich gar nicht. Wie zieht man etwas das sinnlos und zufällig ist, ins Lächerliche? Das ist schlichtweg nicht möglich. Um sich über etwas lächerlich zu machen bedarf dieses etwas entweder eines inhärenten Sinns oder zumindest einer gewissen Folgerichtigkeit (in Bezug auf Abfolge, Ursache, Wirkung, Ereignis). Jede dieser Todesarten ist genau das was ihr (angeblich) fordert und realistisch nennt. Das einzige wo ich zur Verdeutlichung übertrieben habe, ist die schiere Menge. Aber für sich genommen ist jedes dieser Ereignisse die zu Ende gedachte und lediglich aufgeschriebene Quintessenz Eurer Argumentation (Sinnlos.. zufällig).
Allgemein geht es aber um etwas anderes: Ergibt der Tod irgendeinen "Sinn"? Du stehst auf dem Standpunkt, die Fiktion müsse sich da nicht an den wirklichen Verhältnissen orientieren.
Nein, dies fasst meine Position nicht wirklich gut zusammen. Zum einen weil Du als erstes etwas unterstellst - nämlich das der Tod auch in der Realen Welt sinnlos und zufällig sei - also dies die Wirklichkeit darstelle. Je nach Glaubens- oder Philosophie System dem Du anhängst kann man bereits diese Aussage anzweifeln, was in eine metaphysische Diskussion über Sinn von Leben und Tod mündet. Ich glaube nicht das es Sinn hat das zu diskutieren.
Ich habe mich eher auf vier andere Aspekte gestützt; der Tod(!) einer Hauptfigur(2) in einer Geschichte und Serie(3), hier im speziellen Star Trek (4). Jeder einzelne dieser Punkte ist ein „Angriffspunkt“ - die Art des Todes, die Figur der dies geschieht, ob und wie es der erzählten Geschichte dient und wie sich das ganze dann überhaupt zu/in Star Trek verhält. Womöglich kann man als 5 Punkt noch die Wirkung auf den Zuschauer mit einbeziehen, wenn man das nicht unter die Dramaturgie von 3 packt. Nur dies halte ich (eigentlich) für halbwegs diskussionsfähig. Womöglich bin ich da selbst hie und da abgeschweift oder haben einen Haken geschlagen - aber im Grunde geht es darum, dachte ich.
Lustiger Weise hast Du aber gleichzeitig erst unlängst Lessing dafür kritisiert, dass er zugunsten einer Aussage auf die wahrscheinlichen Verhältnisse verzichtet;
Wann hast du den Nathan das letzte mal gelesen? Das Stück zerfällt ziemlich „dramatisch“ in zwei Teile. Lessing bringt seine Aussagen und die Schülern immer wieder eingehämmerte, beliebte „Ringparabel“ im ersten Teil unter, wo fast nur Nathan agiert. Der zweite Teil enthält dann eine Zuspitzung der Verhältnisse gewisser Figuren zueinander - die damit aufgelöst wird, das sich herausstellt sie sind entweder verliebt oder verwandt oder beides miteinander. Lessing löst hier die Zugespitzte Dramatik nicht etwa mit den Lehren oder der Weisheit auf, die er im ersten Teil angelegt hat - sondern mit einem „Deus ex machina“ Griff in die Verwandtschaftskiste. Das heißt der zweite Teil des Buches kommt in meinen Augen fast komplett ohne verwertbare Aussage aus, es sei denn Du würdest diese Aussage in ein „Tritt dem Typ der gerade an Dir vorbeiläufst nicht zwischen die Beine, denn es könnte der Bruder des Enkels Deines Großonkels, der verschollenen ist, sein.“ - was eine gewisse Absurdität darstellt.
Also um auf Deine Aussage zurückzukommen: Bei Lessings wird’s völlig unwahrscheinlich nachdem er seine zentralen Aussagen schon getroffen hat. Und in Bezug auf die Hamburgische Dramaturgie und besonders den Anspruch auf die "Katharsis" finde ich das Drama nahezu herätisch. Denn der Kathartische Effekt wird nicht nur die Leistung der Figuren und auch nicht durch eine im Drama selbst angelegte Lehre oder ähnliches herbeigeführt - sondern eben durch einen Deus Ex machina... was in meinen Augen den kathartischen Effekt nicht nur umgehend aufhebt, sondern auch nicht reproduzierbar und damit für den Zuschauer/Leser nicht als "Lehre" verwertbar macht.
Wäre Lessing ein Voyager Autor gewesen, wäre das einer jener Zweiteiler geworden - der im ersten Teil vielversprechendes Szenario samt einer gewissen Philosophie vorstellt, nur um dann im zweiten Teil drauf zu verzichten und wahllos für billige Effekte irgendwas zu klump zu schiessen.
Was fällt Dir so schwer daran, den anderen Standpunkt zu begreifen?
Um Bob Dylan zu zitieren; I don't believe you
1) Euer Standpunkt ergibt keinen Sinn
2) ich glaube nicht das ihr ihn tatsächlich vertretet
a) ich glaube schlichtweg nicht das, wenn Hauptfiguren an Krebs sterben, in der Shuttlebay einen banalen Unfall haben, auf einem fremden Planeten umgehend einem Erreger in der Luft erliegen, schlicht auf einer Aussenmission mangels Sauerstoff ersticken, einfach vom 08/15-Jem-Hadar Klon erschossen werden, weil diese mal zielen gelernt haben - ich glaube nicht das ihr so etwas in Folge sehen wollt. Zumal es davon dann wirklich noch die Steigerungsform gibt das es sogar noch banaler zugeht. Jemand verschluckt sich an einem Essen, jemand stirbt einfach im Bett oder hat einen Unfall in der Schalldusche... Ich glaube nicht das ihr Hauptfiguren auf diese Weise entsorgt sehen wollt. Schon weil da da eben keine „Geschichte“ dahinter steckt außer eben der Banalität des ganzen.
b) Selbst wenn ich gerade total daneben liege und ihr eine Serie wollt in der dies gang und gäbe ist... dann würdet ihr nicht Star Trek schauen. Ein Erwartung oder Forderung wie diese... im Kontext einer (ja leicht durchschaubaren) Serienkonzeption wie Star Trek zu erwarten, ist abwegig. Und das wisst ihr auch. Und wie dargestellt, wäre es euch so wichtig, würdet ihr andere Serien schauen. Zb „Band of Brothers“ das genau dieses Konzept; „Es herrscht ... Krieg … und "unnötige", "unwürdige", "unspektakuläre" Tode sind eben ein Teil davon“ umsetzt.
Ihr, oder zumindest Du, Max, weicht eine Eurer Hauptforderungen in Bezug auf Star Trek gnadenlos auf; nämlich das ihr etwas sehen wollt was eine (sogar noch positive) Aussage enthält. Das trifft auf die Serie, die Utopie als ganzes und auf einzelne Folgen zu. Und der Tod einer Hauptfigur ist innerhalb einer Serie ein gravierendes Ereignis. Wenn die einzige Aussage die damit einhergeht „dummer Zufall“ und/oder so Banal wie „der Tod kann alle treffen“ oder „stirbt halt mal jemand nebenbei“ oder gar „ist doch eh alles sinnlos“ dann... widersprecht ihr euren eigenen Erwartungen an die Serie, die Episode und die Figuren.
c) "unnötige", "unwürdige", "unspektakuläre" Tode sind gut... weil? Das ist, Verzeihung, eine Plattitüde und kein Argument. Jeder Tod ist unnötig. Und die meisten, selbst in Star Trek sind auch unspektakulär. Und das Unwürdig - zumindest soweit ich es benutzt habe, bezog sich auf den Tod einer Hauptfigur innerhalb eines Geschichten-Kontextes.. eines Konzeptes. Ich fand nicht den Tod unwürdig, sondern wie man mit der Figur insgesamt umgeht. Weil ihr nämlich...
d) … auch mit einer Behauptung arbeitet, die nicht zutrifft; nämlich die Star Trek Tode seien Heldenhaft oder Pathetisch. Es sterben (meiner Erinnerung nach) 6 Haupt-Figuren: Spock, Tasha, Kirk, Tasha schon wieder, Jadzia, Data.
* Tasha stirbt durch Armus eher... auch beiläufig. Der Böse demonstriert seine Macht.
* Kirk - dessen Tod ist zwar etwas dramatischer und auch ausführlicher aber hey... die Kurzfassung ist; „Er stirbt als er eine Fernbedienung holt und dabei von einer Eisenbrücke erschlagen wird“. Kirks Tod ist schon deswegen schwächer weil er das grosse Ziel, Deaktivierung der Waffe, nicht selbst erreicht, weil er nur Teil eines Teams ist und vor allem weil man die Auswirkungen (Rettung eines ganzen Planeten) nicht darstellt.
* Tashas zweiter Tod, als sie mit der Enterprise C in den Tod fliegt, wird nicht gezeigt und später sogar „aufgehoben“.
* Jadzia wurde schon dargestellt.
* Data.. hat einen kurzen Dialog bevor er seinen Phaser abfeuert.
Die wirklich einzige Figur der man einen pathetischen, breit ausgewalzten, sinnigen und emotionalen Tod/Sterbeszene bescheinigen könnte ist Spock.
Aber selbst wenn man der Meinung ist, die Szene wo Kirk oder Data stirbt wäre ähnlich gut oder episch und überhöht - was sie nicht wirklich sind - müsste man einräumen das alles dreies Kinofilme sind, welche an Dramaturgie und Erwartung noch ganz andere Ansprüche stellen als die Serie. Mit Eurer Argumentation „pathetisch, heldenhaft, sinnig, unglaubwürdig“ argumentiert ihr gegen etwas was in den Star Trek Serien mit den Hauptfiguren nie passiert ist UND selbst in den Filmen eigentlich nur einmal. Ihr erhebt die Ausnahme zu Regel, um gegen sie zu argumentieren.
e) die Aussage; „Es herrscht zu dieser Zeit Krieg“ - diese Aussage trifft auf TOS (Klingonen) zu, auf DS9 fast auf 5 Staffeln, und auf Voyager defacto auf alle Staffeln (da sich das Schiff in einem Dauerkonflikt mit den Kazon und später den Borg befindet). In Bezug auf die Star Trek Serien ist ein Kriegszustand also keine so große oder neue Ausnahme, die man mit dem Tod einer Hauptfigur untermauern müsse. Selbst wenn dem so wäre, wäre der Tod Jadzias an der Stelle, wo der Krieg erkennbar und beinahe gewonnen ist, dramaturgisch völlig deplatziert.
Entscheidender aber ist, dass sich keine der Star Trek Serien, selbst DS9, als Kriegs-Serie betrachtet hat. So gerät zB der Krieg in DS9 nach dem einleitenden 6-Teiler der 6 Staffel während der Staffel zu einer Art Hintergrundrauschen, das mal stärker und mal schwächer in (einige) Episoden durchdringt. Der Grossteil der Folgen der 6 Staffel sind aber keine Kriegsabenteuer. So dass auch die Argumentation, man müsse ein Figur opfern um zu veranschaulichen wie schlimm Krieg sei, an den Haaren herbeigezogen ist. Zumal besagte Figur eben gerade nicht durch eine Kriegshandlung stirbt, sondern durch einen defacto zeitlich und story-technisch völlig frei verorteten Fantasy Plot. Das ist in etwa so argumentiert als wolle man schwere Krebserkrankung durch Rauchen dadurch veranschaulichen das ein Raucher von einem Auto überfahren wird.
f) das - wenn der Tod von Nebenfiguren die in nur 1 Folge auftreten, einen emotionaleren Impact hat als der von einer Hauptfigur die man 6 Staffeln begleitet, das das eine dramaturgische Fehlleistung sondergleichen ist, hatte ich schon erwähnt.
g) und selbst wenn man all das, was meiner Meinung nach schwer zu bestreiten ist, ignoriert und sagt... „Na und?“
Dann bezweifle ich das ihr beide (namentliche V'ger und Du) ähnlich verfahren würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr eine Hauptfigur, welche ihr über 6-7 Jahre führt, zu der ihr jede Woche mal mehr oder weniger schreibt, und der ihr sogar regelmässig einzelne Episoden eurer FFs oder eigenen Serien (was es sogar besser trifft) widmet, also eine Figur die ihr entwickelt, geschaffen und langjährig geschrieben habt, auf ähnlich profane Weise aus der Story kickt. Nicht wenn sie in 150 Episoden auftritt und mehrere davon sogar als Hauptfigur bestreitet. Sorry, das würde ich niemals glauben. Es widerspricht all meinen Erfahrungen und allem was ich von Autoren kenne.
Ihr würdet das maximal unter einer sehr guten Einbindung in die Story tun, wenn es also von der Story her Sinn macht und darauf zu läuft UND/ODER ihr würdet es vermutlich allemal zumindest mit einem minimalen sinnstiftenden Akt unterlegen.
h) und die eigentliche Wahrheit spricht gar keiner aus: Jadzia wäre nämlich gar nicht gestorben, wenn nicht die Darstellerin hätte aussteigen wollen. Die Umsetzung dieses Ausstieges nun nachträglich als dramaturgische Glanzleistung oder hervorragende Ausnahme von einem (nicht existierenden) Heldenschema zu verbrämen ist sehr sehr schwach. Man kann es - wie wir hier - sicher machen und darüber reden. Aber Fakt ist halt einfach, der Ausstieg wurde einfalls- und lieblos umgesetzt. Sogar auf sehr ähnliche Einfallslose und aufgesetzt wirkende „Hau-Ruck“ Art wie der von Denise Crosby als Tasha Yar. Das ist einfach eine Schwäche der Autoren, die es nicht schaffen den Tod einer Figur sinnvoll in die Gesamtkonzeption einer Serie zu integrieren und (wie den Rest der Serie auch) mit einer Aussage für ie Gesamte Geschichte zu verbinden oder zumindest verwertbar zu machen.
i) Und so leid es mir tut mit dieser Offensichtlichkeit zu enden; „Alles (und insbesondere der Tod) ist zufällig und sinnlos“ ist nun mal keine Aussage. Schlichtweg weil sich diese Aussage selbst aufhebt
Und all das - wo ich eigentlich überzeugt bin das ihr das selber auch irgendwo wisst - bringt mich einfach zu der Annahme, dass ihr den Standpunkt den ihr hier argumentativ vertretet - nicht einmal selbst wirklich wollt, nicht in/als Serie sehen wollt und schon gar nicht selbst so umsetzen würdet, wie ihr ihn hier vertretet. Das kann ich mir momentan schlichtweg nicht vorstellen, sorry.