*Entstaubt*

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Deck 2 – Jeffriesröhre zum Plasmalabor
Die engen Wartungstunnel der Jeffries-Röhre AA23 waren mit dem Medkit nicht gerade leicht zu durchqueren. Dr. Madison hatte trotz ihrer schlanken Statur sichtlich Mühe, voranzukommen. Die Ärztin stammte von einer Welt, wo das ganze Jahr hindurch tropische Temperaturen herrschten – doch in diesem klaustrophobischen Tunnel war es selbst für ihren Geschmack unangenehm warm. Schweißperlen rannen über ihre Stirn, mit einem entnervten Seufzen strich sie sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie schleuderte ihre Tasche ein paar Meter vorwärts, robbte hinterher, dann wiederholte sie das Ganze. Na bitte, das ging doch schon viel besser – und vor allem schneller!
Plötzlich drang ein kaum vernehmbares Schreien, Gurgeln und Röcheln zu ihren Ohren durch. Augenblicklich legte sie an Tempo zu. Dort oben wartete ein Patient, der dringend ihre Hilfe brauchte!
Wieder ein Schrei, dann ein paar mühsam herausgepresste Worte: „Hört mich jemand? Ich bin eingeklemmt! Hier brennt es! Ahhhrg …“
Das klang wie … Amelie überlegte einen Moment … McDougal! Ein Crewman aus der Wissenschaftsabteilung.
Plötzlich krachte es und sie warf sich instinktiv zu Boden. Irgendwo in den Metallgedärmen des leidenden Schiffes platzte eine weitere Leitung. Glühend heiße Splitter flogen über die Ärztin hinweg. In der Nähe des Einstiegs hatte sich wohl ein Plasmafeuer durch die Wand gefressen. Der Weg zurück war versperrt. Amelie schluckte. Sie fühlte sich matt und schwindelig, doch sie durfte das verletzte Crewmitglied – McDougal? – nicht im Stich lassen.
Ein dumpfes Klopfen wies ihr den Weg.
Als sie endlich zum nächsten Knotenpunkt gelangt war, kletterte sie zügig die Leiter nach Deck 2 hoch. Das Medkit behinderte sie beim Klettern sogar noch stärker. Verdammt, sie hätte einen Rucksack nehmen sollen! Ihr Ex hatte einmal behauptet, sie hätte eine frauentypisch-unpraktische Affinität zu Taschen. Womöglich hatte er damit nicht ganz Unrecht.
„Hilfe! Ich bin im Wissenschaftslabor 2. Ich bin eingeklemmt! Es .... Ahhhrg ...“
Das Physiklabor! Ein kalter Schauer lief Amelie trotz der Hitze über den Rücken. Wenn es dort brannte, konnte bei einer Explosion die halbe Sektion hochgehen!
Amelie kroch um die nächste Ecke, dort müsste sich eine Zugangsluke befinden. Allerdings kannte sie die genaue Lage des Brandherdes nicht, daher konnte es passieren, dass ihr beim Öffnen der Luke die Plasmaflammen entgegenschlugen und sie bei lebendigem Leib einäscherten. Jedenfalls, solange die Notfallkraftfelder nicht arbeiteten.
Das Schott war bereits so heiß, dass Amelie das Metall kaum berühren konnte. Sie fühlte Panik aufsteigen, ihr Gewissen als Ärztin siegte jedoch und sie stemmte die Luke auf. Ihr polterte ihr eine ganze Lawine vom Herzen, als sie nicht gleich in ein flammendes Inferno stolperte. Mithilfe ihres Tricorders versuchte sie, den verletzten Mann zu lokalisieren, aber die Interferenzen der Plasmafeuer machten eine genaue Bestimmung nahezu unmöglich. Also blieb ihr nichts weiter übrig, als sich auf ihr Gehör zu verlassen, das zum Glück – wie bei allen vulkanoiden Spezies – überdurchschnittlich fein und scharf war.
Als Dr. Madison zu wissen glaubte, woher die Schreie kamen, erstarben sie auch schon wieder. Mit dem Tempo eines Leichtathleten bei der Endausscheidung der Föderationsolympiade sprintete die Ärztin los. Hoffentlich kam sie nicht zu spät!
Doch selbst wenn sie dem Verletzten helfen konnte – wohin mit ihm? Im Grunde blieben Amelie nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie schleppte den Mann – der vermutlich doppel so groß und so schwer war, wie sie selbst – in die Jeffries-Röhre oder sie suchte einen anderen Ausgang aus dem brennenden Labor. Wie auch immer … sie und ihr Patient saßen vermutlich in der Falle.
Deck 2 – Plasmalabor
Beißender Qualm versperrte ihr die Sicht, als Dr. Madison das Plasmalabor betrat. Die Rauchschwaden waren hier ungleich dichter. Aus drei zerborstenen Konsolen züngelten grünliche Flammen, es stank nach Chemie und verbranntem Fleisch.
Amelie hustete und würgte.
„Crewman, wo sind Sie?“, brachte sie mühsam heraus.
„Hier drüben!“, krächzte der Mann.
Amelie kämpfte sich durch den Qualm. Weil sie kaum etwas sehen konnte, stolperte sie über herumliegende Trümmer, stürzte, fluchte – und stellte mit Schrecken fest, dass sie beinahe auf ein brennendes Stück Deckenverkleidung gefallen wäre. Über ihr klaffte ein monströser Riss und lediglich ein angekipptes Regal hielt den Rest der Decke davon ab, ebenfalls herunterzukrachen. Die Ärztin schauderte. Ihr blieb nicht viel Zeit, um dem Verletzten zu helfen.
Durch einen Schleier von Qualm erkannte sie endlich den halb bewusstlosen McDougal. Ein schweres Trümmerteil hielt seinen Brustkorb an den Boden gepresst, seine Uniform war an mehreren Stellen verkohlt, die Arme von Brandblasen übersät.
Doch als er das hübsche Gesicht der Bordärztin erblickte, gelang ihm dennoch ein schwaches Lächeln. „Mann, bin ich froh, Sie zu sehen, Doc!“ Er hustete und rang nach Atem, bevor er weitersprechen konnte. „Die Konsole hat mich eingeklemmt. Können Sie das verfluchte Ding anheben?“
„Ich versuche es“, erwiderte Amelie und setzte ihre gesamte Muskelkraft ein.
Zur gleichen Zeit war es Taren und Ynarea gelungen, durch eine andere Jeffriesröhre in das brennende Labor einzudringen. Das erste, was sie sahen, als sich der Rauch etwas lichtete, was Dr. Madison, die sich erfolglos damit abmühte, eine Konsole vom Brustkorb eines verletzten Offiziers zu wuchten.
„Wir helfen Ihnen, Doc!“, rief Taren der Ärztin krächzend zu.
„Danke“, hauchte Amelie sichtlich abgekämpft.
Gemeinsam schafften es der Andorianer und die Trill, die Konsole soweit anzuheben, dass Amelie den Verletzten darunter hervor ziehen konnte.
Während die Ärztin McDougal versorgte, sahen sie Taren und Ynarea mit einem schiefen Lächeln an. Ihre Haare waren verschwitzt, die Gesichter rußverschmiert.
„Jetzt, da der arme Kerl gerettet ist, sollten wir uns schnellstens um das Plasmafeuer kümmern“, meinte die junge Trill. „Wenn unsere Kesselflicker auf die Idee kommen, hier die Notentlüftung einzuschalten, dürfte die Luft hier ziemlich knapp werden.“
Taren nickte zustimmend und deutete auf das Wandpanel hinter sich. „Dort haben wir zwei Plasmalöscher.“
„Fein, unser Gott ist doch ein vollkommener Armleuchter“, meinte die Trill.
„Nur ein 98-prozentiger“, gab der Andorianer trocken zurück.
Mit einem Stirnrunzeln beobachtete er, wie Ynarea mehrmals erfolglos die Düse ihres Feuerlöschers betätigte.
„Mist! Dieses Ding muss von den Pakleds stammen!“, fluchte sie.
„Frauen und Technik“, scherzte Taren, wofür er sich einen vernichtenden Blich von Yni einfing. „Die Hitze des Plasmafeuers wird einfach dafür gesorgt haben, dass die Düse sich verzogen hat. Kein Wunder, dass dein Gerät nicht brauchbar ist“, fügte er hinzu.
Probehalber aktivierte Taren seinen eigenen Löscher. Dieser funktionierte einwandfrei.
Im gleichen Augenblick flog am anderen Ende des Ganges eine weitere Plasmaleitung in die Luft und lies die Decke des Korridors einstürzen. Trümmerteile versperrten Taren und Yni den Rückweg.
Ynarea stemmte die Fäuste in die Hüften und funkelte Taren, der ungerührt den Strahl auf das Feuer richtete, zornig an. „Hey, dir zeige ich, was Frauen drauf haben!“
Mit diesen Worten nahm sie kurz Anlauf und schleuderte ihren unbrauchbaren Feuerlöscher in Richtung des Brandherdes. Taren schaute sie verwirrt an, während sie ihren Phaser zückte, entsicherte und blitzschnell die nötigen Einstellungen vornahm.
„Alle Mann in Deckung!“, verkündete sie lautstark und richtete ihre Waffe auf den Löscher. Ein Tastendruck sorgte für einen rotglühenden Strahl, der auf die rote Flasche am Boden zuschoss und diese augenblicklich verdampfte. Das darin enthaltene Löschgas entwich, hüllte das grün lodernde Feuer ein und brachte es zum ersticken. Taren der noch immer mit dem dünnen Strahl aus seiner Düse löschte, fielen vor Staunen fast die Fühler ab, während Yni lässig ihren Phaser hochwarf, ihn am Griff wieder auffing, so tat, als würde sie den Qualm wie bei einem alten Revolver wegpusten und ihn geschickt, wie ein Westernheld wieder im Holster verstaute. „Da kannst du mal sehen. Ich schieße schneller als mein Schatten, mein Bester. Und du? Bist du bald fertig?“
Ein wenig ratlos blickte der Andorianer auf sein Löschgerät und drückte es schließlich Yni in die Hand.
"Noch so ein Spruch, und Sie werden das Schiff allein aufräumen, Lieutenant“, neckte er sie. „Und zwar das GESAMTE Schiff.“ Seine Antennen bewegten sich schnell zur Seite und wieder nach oben.
Yni, die diese Bewegung zu deuten wusste, grinste unbekümmert.
Zeitgleich krachte es draußen vor dem Schott, und ein Teil des Rahmens flog durch den Raum. Der Andorianer konnte Yni gerade noch an den Schultern zur Seite zerren. Das faustgroße Trümmerstück verfehlte ihre rechte Schläfe nur um zwei Fingerbreit.
Während die Trill den Andorianer noch erschrocken anstarrte, meinte dieser mit schiefem grinsen: „Ich wollte vermeiden, dass deine Frisur in Unordnung gerät.“
Yni überspielte ihren Schrecken, indem sie Taren einen kumpelhaften Schlag vor die Brust versetzte. „Was geht dich meine Frisur an? Kommst du nicht auf die Idee, dass ich einen neune Trend setzen wollte?“
Augenblicklich nahm Cer´Zydar seine Hände fort. Ynarea wusste nicht recht, warum – aber irgendwie hätte sie ihm dafür am liebsten noch einen Schlag versetzt.
Ein Teil von ihr wünschte sich, weiterhin so festgehalten zu werden. Sie war immer die Starke und musste auch immer die Starke sein. Es fiel ihr schwer, sich auch einmal beschützen und halten, geschweige denn fallen zu lassen. Deswegen waren alle ihre Beziehungen gescheitert. Sie musste immer die die Kontrolle behalten, womit die meisten Männer nicht klar kamen. Aber Taren? Sie hatte nie daran gedacht, mit ihm eine Beziehung einzugehen. Sie waren Freunde und jetzt war definitiv kein guter Zeitpunkt für romantische Gefühle!
Tarens nächste Worte lenkten ihre Gedanken wieder auf die naheliegenden Probleme: „Durch das Schott kommen wir nicht zurück“, brummte er und richtete seinen Blick hinauf zur Öffnung in der Decke. Dann fragte er mit einem schiefen Lächeln: „Vielleicht willst du mir gleich beweisen, wie gut ihr Frauen klettern könnt?“
Ynarea wollte mit einer ebenso süffisanten Bemerkung kontern, die sich Doktor Madison dazwischen drängte. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, was einen breiten Streifen von Dreck auf ihrer Stirn hinterließ, und fragte müde: „Kann mir mal jemand erklären, weshalb das halbe Schiff in Flammen steht?“
„Ein Plasmareaktor, der unerwartet in die Luft fliegt, kann leider diese Wirkung entfalten“, konterte der Andorianer spitz.
Amelie verdrehte die Augen. Sie hatte gerade McDougals gebrochene Rippen gerichtet, zwei weitere Verletzte von der Schippe des Todes geholt und war nicht in der Stimmung für andorianischen Humor. „Das ist mir klar. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob Sie mehr Informationen haben, als ich. Bislang habe ich keinerlei Meldungen bekommen, weil anscheinend die schiffsweite Kommunikation ausgefallen ist.“
„Tut mit Leid, Doc, wir tappen genauso im Dunkeln“, erklärte Yni bedauernd.
„Manchmal im wahrsten Sinne des Wortes“, fügte Taren mit Blick auf die flackende Beleuchtung hinzu.
„Verstehe“, murmelte die Ärztin. „Wie dem auch sei … ich muss nun drei Verletzte in die Krankenstation schaffen. McDougal wird es schaffen, aber die anderen beiden sind in ziemlich kritischem Zustand …“
Mehr musste Amelie nicht sagen. „Wir helfen Ihnen selbstverständlich“, erklärte Taren ernst.
Deck 20-23 - Hauptmaschinenraum
Nachdem Harris und Oestrow den Maschinenraum verlassen hatte, wandte sich Cully an seine Stellvertreterin: „Lieutenant Kreutzer, kommen Sie bitte mit in den Fusionsreaktorraum. Das sollte jetzt erstmal unsere Hauptpriorität sein, damit wir wenigstens Impuls haben.“
Astrid nickte und folgte ihm. Das Intercomm unterbrach ihn auf dem Weg. „Katic an McPherson …“, erklang die freundliche aber besorgte Stimme des Ersten Offiziers.
Gar nicht erfreut über die plötzliche Unterbrechung antwortete Cully: „Ja, Commander, was gibt es?“ Und wieso meldete sich Katic anstelle des Captains?
Ein mulmiges Gefühl rumorte in Cullys Magen.
Erleichtert, dass der Chefingenieur noch am Leben war, sprach Lejla weiter: „Wie ist Ihr Status, wann können wir mit Energie in den Impulstriebwerken rechnen?“
„Kreutzer und ich sind schon fleißig dabei, aber nach der ersten Analyse würde ich frühestens in einer bis anderthalb Stunden damit rechnen“, antwortete Cully resigniert.
„Wir haben keine anderthalb Stunden!“, konterte Lejla angespannt. „Das Schiff steckt in einem Asteroidenfeld, wir drehen uns um die eigene Achse und treiben dabei immer tiefen hinein! Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir den nächsten größeren Brocken rammen – und dann gnade uns Q! Also, bringen Sie irgendwas Triebwerkähnliches zum Laufen, ich nehme auch die Manöverdüsen. Hauptsache, wir kommen hier raus!“
„Berichten Sie dem Captain, dass wir hier arbeiten wie die Bienchen und alles tun, was in unserer Macht steht. Aber zaubern können wir nicht“, gab McPherson leicht gereizt zurück.
Am anderen Ende der Verbindung entstand eine unheilvolle Pause, erfüllt von statischem Rauschen. Der Chefingenieur fürchtete bereits, er hätte den Kontakt zu Katic verloren.
„Der Captain ist tot“, entgegnete die Frau mit flacher Stimme.
Cully wusste nicht, was er sagen sollte. Stechende Kopfschmerzen malträtierten ihn, als ob ein Regen von spitzen Eiszapfen auf sein Gehirn niederprasselte. Er hatte den Captain erst eine Woche gekannt, doch der Mann schien ein fähiger Kommandant und ein anständiger Mensch zu sein.
„Dass … bedauere ich sehr“, erklärte McPherson aufrichtig, als die Kopfschmerzen ein wenig nachließen.
„Ich ebenfalls“, erwiderte Lejla bedrückt.
Cully zog es vor, zum Dienstlichen zurückzukehren. „Die Manövriertriebwerke dürften auf jeden Fall funktionieren, sobald wir einen der vier Fusionsreaktoren auf halber Kraft laufen haben. Geben Sie uns zehn Minuten dafür. Impulsantrieb, Sensoren und Subraumkommunikation dauern allerdings länger.“
„OK, damit wäre uns schon mal geholfen, danke.“ Mit diesen Worten beendete Lejla die Kommunikation wieder.
Erst jetzt wurde sich McPherson der beiden Kadetten bewusst, sich gegenseitig unschlüssige Blicke zuwarfen und auf Befehle warteten, während um sie herum die Hektik tobte. „Was stehen Sie hier im Weg wie die Kartoffelsäcke?“, blaffte er sie an. „Wenn Sie sich nützlich machen wollen, dann kommen sie mit und behalten Sie die Energieanzeige des Fusionsreaktors im Auge. Das kriegen Sie doch hin, oder?“
Gral, der vor Zorn rot anlief, knurrte in einer Tonlage, die nur Hohl verstehen konnte: „Warum sagt er uns nicht gleich, was wir tun sollen, dieser …“ Es folgte eine Schimpftirade auf Tellaritisch und Hohl nickte mit grimmiger Miene. Wäre Cully ein Tellarit, würden sie ihm unverblümt ins Gesicht sagen, was sie von seiner herablassenden Art hielten. Dass er ein vorgesetzter Offizier war, spielte dabei keine Rolle. Durch einen genüsslichen Streit hätten sie ihm sogar ihren Respekt erwiesen.
Nur leider war der Chefingenieur kein Tellarit, dachten Gral und Hohl. Zum ersten Mal waren sich die beiden Erzfeinde vollkommen einig.
„Wir schaffen das schon, Commander“, stieß Gral zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Cully ahnte, was in den Kadetten vorging. Als Ensign hatte er sich sein Quartier mit einem Tellariten geteilt, damals waren fast täglich die Fetzten geflogen. Als McPherson befördert wurde und ein Einzelquartier bekam, klopfte ihm Norg – so hieß sein Zimmergenosse – kameradschaftlich auf die Schulter und bedauerte lautstark, dass er auszog: „Mit dir kann man so schön streiten, Cully, ist fast wie zu Hause.“
Der Chefingenier kehrte gedanklich in die Gegenwart zurück, als das Warnsignal seines Computers ertönte: „Achtung! Gammastrahlungswerte 0.1 Micron über Normal.“
Cully stöhnte auf. „Ja, und? Wozu haben wir eine Krankenstation! Computer: Deaktiviere Sicherheitsprotokoll für den Fusionsreaktorraum, Autorisierung McPherson-Alpha-3-7-Omega-6-9-4-3-Grün.“
„Autorisierung angenommen. Sicherheitsprotokolle ausgeschaltet. Maglocks reaktiviert, Sie dürfen eintreten.“
McPherson drückte die Türen auseinander und eine dünne Plasmawolke entwich in den Fusionsreaktorraumraum. Astrid, Gral und Hohl folgten ihm auf dem Fuß.
Nach einem intensiven, kritischen Blick auf die Anzeigen des Reaktors schien Cully beruhigt. „Sie bekommen das Baby auch ohne mich zum Laufen“, sagte er zu seiner Stellvertreterin. „Mit Hilfe unserer tüchtigen Kadetten …“ Er deutete auf Gral und Hohl. „Haben Sie bald alle Reaktoren wieder in Betrieb. Sagen Sie dem Capt…“ Er stockte einen Moment und schluckte. „Ich meine, sagen Sie Commander Katic Bescheid, sobald die Manövriertriebwerke wieder zu gebrauchen sind. Ich versuche derweil, auf die Brücke zu kommen. Dort muss es ja noch schlimmer aussehen, als hier!“
Astrid nickte. „Die Reaktoren werden laufen, bevor Sie die OPS von Weitem sehen, Commander“, versicherte sie.
„Prima“, meinte Cully und verschwand in der nächsten Jeffriesröhre.
Jeffriesröhren
„Mist!“, fluchte Harris, als er zusammen mit Oestrow den Hauptzugang zur Shuttlerampe erreicht hatte. Der Zugang ließ sich nämlich nicht öffnen. „Ich schwöre Ihnen, ich fliege nie wieder in ein Asteroidenfeld – NIE WIEDER! Wenn wir das nächste Mal so was Irrsinniges planen, wüsste ich gerne vorher Bescheid, damit ich rechtzeitig meinen Urlaub einreichen kann!“
Oestrow schmunzelte verstohlen. „Ich denke ich kann Ihnen helfen, Commander“, versuchte er den aufgebrachten Sicherheitsoffizier zu beschwichtigen. Schließlich war er der designierte Werkmeister der ESTRELLA und die Shuttles waren quasi seine Babys.
Richard atmete tief durch. „Ihre Hilfe ist mehr als willkommen, Lieutenant!“
„Der Hüllenbruch hat die Notversiegelung des Hangars ausgelöst“, erklärte der junge Ingenieur und zog sich seine Atemmaske über. „Wenn Sie mich vorbei lassen, gibt es eine Möglichkeit das System zu überbrücken. Shuttlekapsel 4 sollte startbereit sein.“
„Ich glaube nicht, dass wir so lange die Luft anhalten können, um zur Shuttlekapsel zu gelangen“, erwiderte Harris voller Zweifel, da er annehmen musste, dass auf der anderen Seite des Schotts Vakuum herrschte. „Ich habe nämlich keine Atemmaske dabei. Erschwerend kommt hinzu, dass die Subraumsender der Kapsel nicht die nötige Leistung haben, um einen Notruf abzusetzen.“ Er dachte kurz nach: „Haben wir etwas Größeres im Reparaturhangar zu stehen? Es muss nicht fliegen können. Aber das Commsystem sollte funktionieren.“
Oestrow nickte: „Die Werft ist abgeschottet und steht unter Druck. Wir können durch den Zugang auf Deck 26 gehen. Meine Jungs räumen dort gerade auf. Wir haben ein Transportshuttle in der Wartung, da werden allerdings die Energiesysteme ausgetauscht. Aber Bei Shuttle 2, dessen Impulstriebwerke überprüft werden sollen, müsste die Kommunikationsanlage einwandfrei funktionieren. Trotzdem … um einen Notruf senden zu können, muss das Shuttle zumindest den Hangar verlassen. Da die externen Sender des Schiffes nicht funktionieren, wirkt gerade die Werft wie ein faradayscher Käfig auf die Subraumsignale. Damit soll bei einer Störung der Shuttle-Funksysteme verhindert werden, dass irritierende Signale aus dem Schiff nach Außen dringen … Allerdings genügt es wohl, wenn wir das Shuttle mit dem Lift auf das Landedeck verfrachten.“
„Guter Vorschlag“, meinte der Sicherheitschef. „Ich hoffe, Sie haben Recht und es gibt tatsächlich Luft im Wartungshangar.“ Mit einem halben Lächeln wandte er sich an den jungen Ingenieur. „Fahren Sie den Lift hoch? Dann steige ich in das Shuttle und versuche, das Signal abzusetzen.“
„Aye, Sir“, erwiderte Oestrow und begab sich zur Kontrollstation.
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