Brücke
M’Rass folgte dem Andorianer in seinen Bereitschaftsraum und nahm Platz, als er sie dazu aufforderte. Möglichst knapp und allgemeinverständlich schilderte die Caitianerin, was Harling und sie unternommen hatten, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Einschließlich der Quantenalgorithmenanalyse. Auch ihre Theorien bezüglich der Datenmanipulation und Harlings Meinung behielt sie nicht für sich. „Jetzt warten wir auf das Ergebnis der Analyse, was aber noch ein paar Stunden dauern kann“, schloss sie. „Wahrscheinlich wird sie uns nicht weiter bringen – aber wenn wir die selbe Analyse auf der ESTRELLA durchführen und finden heraus, dass die Q-Bits verändert aus der Superposition geholt wurden, dann …“ Sie schluckte. „Dann kann ich mit dem Worten Ihres Wissenschaftsoffiziers nur fragen: Quo vadis, Sternenflotte? Und das nicht zum ersten Mal.“
Als Dheran sie intensiv und durchdringend ansah, mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck, setzte sie automatisch hinzu: „Als Leyton damals versucht hat, die Macht zu übernehmen, war ich Kadett im letzten Jahr und stand kurz vor meinen Abschlussprüfungen. Und ich …“ Sie stockte für einen Moment. „Ich hatte eine gute Freundin. Eine vereinigte Trill namens Kilari Kayn. Schon das erste Mal, als wir uns begegneten, wusste ich, dass uns etwas Besonderes verbindet, obwohl sie zwei Jahrgänge unter mir war. Es war beim Fahneneid, sie stand als eine der vier besten ihres Jahrgangs unter der Flagge, um den Eid zu sprechen. Trotzdem wirkte sie irgendwie verloren, als ob sie nicht wirklich zu den anderen gehörte. Vielleicht lag es daran, dass sie schon über zwanzig war … dass sie eine wissenschaftliche Karriere begonnen hatte, lange bevor sie zur Akademie kam … genau wie ich. Dann kamen die Red Squad.“ Dherans Blick schien sich bei diesen Worten, die M’Rass voller Verachtung ausspuckte, zu verdunkeln, nichtsdestotrotz erzählte sie weiter. „Sie wollten uns haben – uns beide. Aber ich hatte wohl Glück, dass ich so dickköpfige, paranoide Eigenbrötlerin bin, die um alles einen Bogen macht, was irgendwie nach verschworener Gemeinschaft riecht. Aber Kilari … sie redete eine Zeitlang, von nichts anderem: An welchen tollen Sonderprogrammen die Red Squad teilnehmen, was das für eine Ehre wäre und die Zukunft der Sternenflotte … Mir ging das ehrlich gesagt mächtig auf den Pelz und ich habe die Ohren umgeklappt, wenn sie sich nur an meinen Tisch setzte. Aber mit der Zeit wurde Kilari immer stiller, sie redete, ohne etwas zu sagen. Verdammt, hätte sie doch nur mit mir geredet, dann könnte sie vielleicht noch leben!“, platzte sie heraus, ohne auf Dheran zu achten. „Die Red Squad sollten das globale Energienetz auf der Erde lahmlegen, um die Sabotage dem Dominion unterzuschieben und sich dann als Retter des Planeten feiern zu lassen. Captain, ich verwette meinen Schwanz, dass jetzt etwas ganz Ähnliches im Korb rappelt! Kilari wollte damals nicht mitmachen, also wurde sie verhaftet und auf der LAKOTA in eine Zelle gesperrt. Dann gab es eine Havarie auf dem Schiff und Kilari …“ M’Rass war einen Moment unfähig, weiterzusprechen. „Sie starb. Und ich wollte nicht länger zu dem Verein gehören, der meine Freundin auf dem Gewissen hatte. Obwohl mir gesagt wurde, dass es ein Unfall war ... das war nicht mehr die Sternenflotte, für die ich mich verpflichtet hatte! Noch am selben Tag schmiss ich meine Sachen in den Koffer und buchte den nächstbesten Flug nach Cait. Die nächsten zwei Prüfungen rauschten vorbei und ich war nicht da. Es war mir auch so was von egal … aber eines Tages stand unerwartet ein Mann vor meiner Tür. Ein Mann in der Uniform der Sternenflotte mit den Rangabzeichen eines Commanders am Kragen. Zuerst fauchte ich ihn an, dass er sich verziehen soll und ich keinen scheinheiligen Militärseelsorger brauche. Doch dann erkannte ich etwas in seinen Augen … etwas Vertrautes. Noch bevor er seinen Namen nannte: Jerad Kayn. Kayn … das war der Name von Kilaris Symbioten – und ich verstand, dass ein Teil von Kilari weiterlebte. Wenigstens ihre Erinnerungen, ein blasses Abziehbild … Dann meinte Jerad, meine Freundin wäre sehr traurig und enttäuscht, wenn ich die Akademie einfach hinschmeißen würde, nach vier Jahren harter Arbeit. Er sagte außerdem, dass die Leytons dieser Welt am Ende keine Chance hätten, wenn genug Personen mit Gewissen und Courage die Stellung halten würden. Verändern oder bewahren kann man ein System nur von innen heraus … Das sagte er. Und er hat mich überzeugt. Im Namen von Kilari. Am nächsten Tag habe ich beim Akademieleiter gebuckelt und durfte wenigstens eine Prüfung, die ich geschwänzt hatte, wiederholen. Die andere war zum Glück nur Militärgeschichte.“ Das zählte auf der Akademie zu den Nebenfächern, aber M’Rass wusste, dass sie ohne das schmachvolle „F“ in diesem Fach als eine der drei besten ihres Jahrgangs abgeschlossen hätte.
Für einen Moment wandte sie sich ab. Verdammt, was war nur in sie gefahren? Sie hatte keineswegs vor gehabt, dem Captain der ICICLE einen so langen und vor allem persönlichen Vortrag zu halten. Wahrscheinlich, damit er ihren Hintergrund kannte und gar nicht erst auf die Idee kam, sie zu verdächtigen - so wie Harling. "Also, wenn sich herausstellt, dass eine Verschwörung innerhalb der Sternenflotte für den Unfall der ESTRELLA verantwortlich ist, werde ich trotzdem nicht meine Uniform an den Nagel hängen – aber das verdanken Sie allein Kilari“, schloss die Caitianerin steif. „Entschuldigen Sie, dass ich sie so lange von der Arbeit abgehalten habe, Captain."