Autor Thema: Dimensional Prophecy of Zohar Redux the Novelization Layer 02: Hedgehogs Dilemma  (Gelesen 3517 mal)

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SSJKamui

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Wie bei der ersten Episode geht es auch mit dem Anfang der zweiten Episode weiter:

(In der Geschichte wird die Welt, in der die Protagonisten leben, auch genauer vorgestellt.

Die Alptraumszene ist inspiriert durch einige Versatzstücke eigener Alpträume, die Theorie der Psychoanalyse und einigen Szenen des Salvador Dali Films "Ein andalusischer Hund". (Es wird also "ins Auge gehen". ;) ) Der Traum ist eher metaphorisch zu verstehen und soll Leser zu eigener Deutung animieren.)

Mitten in der Nacht:
Der Konferenzraum des Carl Friedrich Gauß Instituts war fast leer. Es standen nur einige Servicegynoide im Raum, die einige Daten bearbeiteten. Die Roboter sahen absolut identisch aus und besaßen alle rote Haare, die zu einem Zopf zusammengebunden waren.

Eine Servicegynoide saß vor einem Laptop und blickte auf den Bildschirm, der von einer kleinen Hilfslampe angestrahlt wurde, die über den PC geschoben wurde und an einem kleinen Standfuß hing, welcher sich links vom PC befand.

Gleichzeitig trug sie ein Headset und sprach so über Funk mit einer Einsatzgruppe:
„Vorfall im Shintama Industriegebiet registriert. Strahlung gemessen. Unklar, ob Caine involviert, oder nicht. Es besteht die Möglichkeit, dass Ökoterroristen involviert sind. Mögliche Verdächtige sind Gruppierungen der Arkan – thasima Sekte.  Unklar ist, ob Plutonium gestohlen wurde.
Roger. Alles ist verzeichnet, und ein Einsatzteam ist zum Tatort entstand worden. “

In der Shintama Fabrik C52-72:
Die Fabrik war ein riesiges Gelände mit vielen Rohrleitungen und Kühlbecken.  In der Mitte des Gebiets und an dessen Rändern standen mehrere riesige Türme.  Fünf Highways führten in zu dem mittleren Turm. Die Bildschirmanzeigen an den Highways waren momentan abgeschaltet. Auf den Highways fuhren mehrere schwarze Panzerfahrzeuge der Einsatzkräfte und in der Luft patrouillierten einige Drohnen und schwarze Helikopter.

Auf einem der Highways parkten 2 Einsatzwagen. Einige Einsatzkräfte standen vor den Wagen und unterhielten sich. Ein Offizier stand auf einer ausklappbaren Treppe des Einsatzwagens und gab den Einsatzkräften an anderen Teilen des Geländes über Funk Anweisungen.

Am Boden suchten einige Einsatzkräfte mit Strahlenschutzanzügen und Gasmasken das Gelände ab.
Eine Gruppe von ihnen ging durch einen kleinen Gang neben einigen Rohrleitungen. Von weitem sahen sie eine mysteriöse Gestalt mit Kutte. Die Kutte verdeckte seine rechte Gesichtshälfte fast vollkommen.

Die Haut der mysteriösen Gestalt war extrem grau und brüchig. Sie sah fast aus, wie die Haut einer sieben Wochen alten Leiche. Das Gesicht wirkte auch wie eine dünne Lederschicht, die man über einen kahlen Schädel genäht hatte. Über seinem linken, unheimlich rot glühenden Auge, hingen lange, schwarze Nägel durch seine Augenhöhle. Sie sahen fast wie überlange, schwarze Wimpern aus.
Eine unheimliche, geisterhafte Gestalt.

Was war das für eine Kreatur? Ein Außerirdischer? Ein Mensch mit Maske? Ein Untoter? Ein Dämon? Gab es so etwas überhaupt?

Niemand konnte es genau erkennen, was diese Kreatur wirklich war.

Die Ermittler befahlen ihm, stehen zu bleiben, aber er hörte nicht auf sie und ging einfach weiter.
Selbst durch die Tatsache, dass ein schwer bewaffneter Apache Hubschrauber seine Scheinwerfer auf ihn gerichtet hatte, ließ er sich nicht beunruhigen.

Die Gestalt lief einfach weiter und durchschritt die Nebelschwaden am Boden des Areals. Die Schritte seiner metallischen Stiefel waren im gesamten Areal deutlich zu hören.
Warum hatte er keine Angst? Warum lief er nicht weg, vor diesem riesigen Aufgebot?
Brauchte er keine Angst zu haben?
Wusste er, dass er mächtiger war, als das Aufgebot?
War er überhaupt aufzuhalten?

Nach etwa zehn Minuten konnte er nicht mehr weiter, denn er stand vor einem Metallzaun. Sowohl vor ihm, als auch hinter ihm befanden sich große Becken mit Giftmüll, die bläulich leuchteten. Über den Becken schwebten dicke, blau leuchtende Nebelschwaden.

Die Gestalt stellte sich einfach vor den Zaun und drehte sich um, in Richtung der Ermittler, die sich auf der anderen Seite des Beckens postierten und ihre Gewehre anlegten. Sein rotes Auge leuchtete unheimlich.

Was hatte er vor? Worauf wartete er?

Die Kreatur bewegte sich nicht und blieb einfach seelenruhig stehen.

Die Ermittler bewegten ihre Gewehre so, wie es ihnen von den elektronischen Zielhilfen an den TFT Bildschirmen ihrer Schießprügel mitgeteilt wurde. Der Apache bewegte sich so tief, dass man von Weitem den Helm des Piloten mit kybernetischer Zielunterstützung sehen konnte, und richtete seine Waffen auf den Fremden aus.

Alle warteten auf eine Reaktion des Fremden, doch diese kam nicht. Die Lage war mehr als angespannt, was man jedem anmerken konnte.

Der Kommandant der Einheit rief:
„Ergeben sie sich auf der Stelle, oder wir werden schießen.“

Der Fremde reagierte nicht.

Der Kommandant rief noch 3 weitere Male, aber immer passierte gar nichts.

Wieso ließ sich dieses Wesen dadurch nicht im Geringsten einschüchtern und verzog keine Miene?

Nach etwa 9 Minuten befahl der Kommandant seinen Leuten, auf den Fremden zu schießen. Der Fremde wurde scheinbar von den meisten Railguns getroffen und stürzte zuerst nach Hinten, bevor er in das Giftmüllbecken fiel und versank.

Eine Blutlache trieb an die Oberfläche der Flüssigkeit.

Hatten die Sicherheitsleute den Fremden wirklich getötet? Wo kam er überhaupt her und was wollte er eigentlich?
 

20 Minuten später:
Die Sekowan Avenue war hell erleuchtet, aber so gut wie niemand war auf der Straße.
Im Schaufenster eines Geschäfts standen einige TV Geräte. Diese zeigten unter Anderem Professor Szabo und die Vorsitzende eines chinesischen Megakonzerns im Interview, einige aus mehreren Ringen bestehende Raumschiffe und Präsident Herodes bei seiner Landung auf dem Flughafen Yakushima. Sein Flugzeug und die Gangway erinnerten mehr an die Technologie der Spaceshuttles, als an planetare Passagiermaschinen, hatte aber auch Ähnlichkeiten zu Flugzeugen des Typs Concorde, wie sie im 20. Jahrhundert von Air France verwendet wurden.

Nach kurzer Zeit erschien der Fremde mit der Kapuze in der Straße. Man dachte zwar, er sei erschossen wurden, aber irgendwie hatte er den schweren Beschuss überlebt, wenn auch schwer verletzt.

Er ging langsam schlurfend über die Straße. Fast mit jedem Schritt hinterließ er eine große Pfütze Blut auf der Straße. Sein Gang war mehr als schwerfällig.

Normalerweise hätten Spezialkräfte den ganzen Sektor abgeriegelt und jedes Haus einzeln nach ihm durchkämmt, aber in diesem Fall dachte man, der Verdächtige sei schon getötet und der Fall damit abgeschlossen.

Nachdem der Fremde bis zum TV Geschäft gegangen war, blieb er urplötzlich stehen und schrie laut auf. Er schrie:
„Ich brauche Gewebe. Ich brauche Gewebe.

Ich will Fleisch. “

Seine Stimme hörte sich unnormal, krächzend an.


Einige Stunden später:
Karala sah eine riesige, Wüste, die scheinbar kein Ende nahm und vor dem Sternenfirmament schwebte.  Es gab keine Grenzen, kein Ziel und kein Ursprung. Die Wüste war eine endlose Leere, ohne Sinn und Vernunft.

Schatten oder Wärme existierten scheinbar nicht.

Karala lief langsam durch die endlose Wüste. Sie trug keine Kleidung oder Schmuck, sondern war vollkommen Nackt. Sie wusste nicht, wieso, und seit wann.

Tod. Angst. Sinnlosigkeit.

Nach einer Weile blieb sie stehen und streckte ihre Hände nach vorne. Auf einmal war auf ihren Händen ein brauner, schleimiger, stinkender Klumpen, der optisch an eine Wurst erinnerte. Am einigen Stellen war der Klumpen brüchig.
Auf dem Klumpen liefen viele Ameisen und Spinnen.

Es war ein ekelhafter Anblick und ein noch widerwärtiger Geruch. Deshalb schmiss Karala den Klumpen schnell auf den Boden. Obwohl sie sich dem Klumpen entledigt hatte, blieben Reste der bizarren Masse auf ihren Händen zurück, als braune Flecken.

Ekel. Scham.

Am Firmament erschien ein Mond, der gerade von einem riesigen Asteroiden getroffen wurde, wie von einem Speer, der in einen toten Körper eindringen wollte.

Kurze Zeit nachdem Karala die braune Masse von sich geworfen hatte, bekam sie einen extremen, drückenden Schmerz an ihrem linken Auge, wie ein Dampfhammer. Es fühlte sich auch so an, als ob ihr Auge ein Luftballon wäre, der unaufhaltsam mit Wasser gefüllt würde und immer mehr anschwoll.

Sie hielt ihre Hände vor dieses Auge und krümmte sich, auf Grund des unausstehlichen Schmerzes. Sie schrie um Hilfe. Rief jeden, Hilal, Madoka und ihre toten Eltern. Aber niemand reagierte auf ihre verzweifelten Schmerzensschreie. Niemand konnte sie schreien hören.

Nach kurzer Zeit rinn eine  Flüssigkeit von ihren Augen über ihr Gesicht. Es waren aber nicht wie sonst Tränen. Nein, sie war rot. Es war ihr Blut. Ihre Augen bluteten immer stärker und sie konnte ihre inneren Wunden nicht unter Kontrolle bringen, egal, wie sehr sie sich es auch wünschte.

Da passierte es, aus dem Auge kam ein Insekt hervor. Diese Kreatur, die aussah, wie ein Silberfisch, kam aus ihrem tiefsten Inneren und brach hervor.

Dabei nahm diese Kreatur Karala die Sicht auf die Umgebung, die Welt, die Wahrheit und die Realität.
Sie versuchte es zu greifen, aber sie konnte seinen Austritt aus ihrem Körper nicht stoppen. Es verletzte sie und sie war machtlos dagegen. Es war unmöglich, das Ding zu unterdrücken.

Angst. Verzweiflung.

Nach kurzer Zeit wollte Karala dies aber auch nicht. Stattdessen errötete sie leicht, kniff ihre Augen zusammen (jedenfalls in dem Ausmaß, in dem dies noch möglich war), beugte ihren Kopf nach hinten, und begann lustvoll aufzustöhnen.

Ihr Stöhnen wurde immer lauter. Bis es so schien, als konnte das gesamte Universum sie hören.
Sie wirkte mehr wie ein Tier, als ein Mensch.

Der Wurm schwebte in der Luft und hing ebenfalls noch zu über der Hälfte in ihrem Körper. Der Kopf des Wurms drehte sich in der Luft zu karalas Gesicht und näherte sich ihr. Im Hintergrund hörte man einen Geigerzähler, der immer lauter wurde, je näher das Insekt ihrem Gesicht kam.

Als das Insekt ihr ganz nah an ihr war, spuckte er eine grüne Flüssigkeit. Diese lief von ihrem Gesicht nach unten und zog dabei schleimige Fäden.

Sie war angeekelt von dem kalten Schleim, der von ihrem Gesicht tropfte und übel roch. Sie fühlte, ihr Körper war durch den Schleim verdreckt, beschmutzt, verseucht. Und sie konnte nichts gegen diese Verseuchung unternehmen, die an ihr klebte.

Der Silberfisch sah aus, als würde er gerade Karala auslachen und man hörte in der ganzen Umgebung ein schallendes Gelächter, was sich zum Fürchten anhörte. Als ob das Insekt zu Frieden Karala ihre Demütigung noch einmal vor Augen führen wollte.

Scham. Verseuchung. Hilflosigkeit.

Karala lag mittlerweile auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Sie atmete nur noch laut aus und sabberte aus dem Mund. In ihrem noch intakten Auge konnte man eine Spiegelung einer weiteren Frau sehen, die exakt so aussah, wie Karala.

Karala guckte nach vorne und sah, wie eine Gestalt sich schnell näherte. Diese Gestalt war ebenfalls nackt, sah so aus wie Karala und ritt auf einem brennenden Pferdeskelett. Dadurch war dieses in gewisser Weise andere Ich in der geometrischen Position über Karala.  Ebenfalls trug dies zweite Ich bei sich eine Fahne.

Es hatte sich auf die Fahne geschrieben: „Ich muss ein gutes Kind sein, ich muss Gutes tun. Pflicht ist wichtiger als Glück.“

Das zweite Ich ritt über Karala und brachte das Pferdeskelett dazu, mit voller Kraft auf Karalas linke Brust zu treten. Karala schrie auf und fing an zu weinen, aber dieses Über Ich brachte sein Pferd dazu, sie immer weiter zu treten.

Nach dem siebten Tritt hörte Karala, wie einige ihrer Rippen durch die Wucht der Tritte brachen. Ihre Atmung wurde immer schwächer und mühseliger. Sie fühlte, als ob einige Splitter ihrer Rippen sich in ihr Herz gebohrt hätten und es von Innen töten würden.

Auf einmal begann die andere Karala zu schreien. Zuerst hatte sie karalas Stimme, aber ihre Stimme wurde immer mehr zu der ihres Vaters.

Sie schrie:
„Wieso warst du nicht brav, so wie ich es dir gesagt habe?
Warum kannst du nicht normal sein, wie andere Mädchen?
Anstatt, dass du dich mit anderen Leuten triffst, wie es normal und deine gottverdammte Pflicht wäre, vergräbst du dich in eine eigene Welt und beschäftigst dich nur mit Computern.
Warum musst du mich beschämen, indem sich deine Lehrer immer bei uns über dein Verhalten beschweren mussten?
Wieso kannst du nicht einmal deine Pflicht tun und dich der Masse anpassen, um zur Abwechslung einmal nicht negativ aufzufallen?
Wann fängst du endlich mal an, auch einmal auf andere Menschen zu hören, anstatt immer nur deinen Kopf durchsetzen zu wollen?
Geb keine Widerworte.
Schau endlich andere Menschen an.
Hör auf, vor Allem davon zu laufen.

Kapiere endlich, ich muss dich kontrollieren und kann dich nicht dir selbst überlassen. Du bist zu wild, dumm, triebhaft und unbeherrscht.

Es ist weniger schlimm, eine Rose zu brechen, als zuzulassen, dass sie von der Naturgewalt verweht und entblättert wird. “

In diesem Moment holte das brennende Pferd aus und trat Karala so fest es konnte zwischen die Beine.


Karala wachte daraufhin in ihrem neuen Zimmer auf. Alles war nur ein Traum. Nichts Schlimmes war passiert.
Ein seltsamer Traum.

 Sie befand sich in ihrer typischen Einschlafposition, ganz am linken Rand ihrer Futonmatratze und halb aus dem Bett hängend, mit dem Körper nach rechts gedreht. Das war seltsam, aber sie konnte immer nur in dieser eigentlich etwas unbequemen (und, obwohl ihr Bett wie alle Betten ein gesundheitsförderndes, mit Glycerin gefülltes Wasserbett war, teilweise auch gesundheitsschädlichen) Position schlafen. Dies war früher sogar noch extremer, weshalb sie bis zu dem Tag, als ihre Eltern verstorben waren, bei ihren Eltern zusammen in einem Bett geschlafen hatte. Dies war sogar im Teenageralter der Fall, als andere Mädchen ein eigenes Zimmer wollten. Karala wehrte sich sogar emotional gegen die Versuche ihrer Eltern, sie „endlich aus dem Bett zu werfen“.

Dass Karala zur rechten Seite gedreht war, lag wahrscheinlich daran, dass ihr Vater früher rechts von ihr geschlafen hatte.

Karala spürte den Sonnenstrahl, der durch das Fenster in den stockdusteren Raum kam. Bevor Karala richtig wach war, richtete sie wegen dem Alptraum panisch ihre Hände auf und schrie laut.

Nach etwa drei Sekunden bemerkte sie aber, dass alles nur ein Traum war. Sie öffnete ihre Augen und sah im Fenster die glänzende Skyline der Stadt. All die Glasbauten, auf deren Dächern hängende Gärten installiert wurden. Durch das gleißende Licht konnte Karala nicht viele Details erkennen, aber es war ein majestätischer Anblick, der jedem, der die großen Städte nicht alltäglich kannte, Ehrfurcht gebieten konnte. Die Stadt war fast ein Weltwunder der modernen Zivilisation und trotzdem keine reine Technik, sondern eine Kreuzung aus Technologie und Biologie.

Der Begriff Cyborg wäre im weitesten Sinne eine passende Beschreibung.

Karala schaute wahllos durch den Raum, erblickte ihr Poster eines alten Amiga Computers und ihren Wecker mit Zeitanzeige für 5 Zeitzonen und der aktuellen Zeit auf anderen Planeten wie Mars, Saturn und Merkur, genauso wie ihren Desktop PC, der in der anderen Ecke des Raums stand. Über dem Wecker, der in der Wand eingelassen war, befand sich ein Bildschirm eines Videotelephons, der aber momentan abgeschaltet war und in einer dunklen, blauen Farbe leuchtete. Als Bildschirmschoner waren einige Atomkerne auf dem Bildschirm zu sehen.

Karala sah auf die Decke und sagte zu sich selbst: „Seltsam. Ich bin schon einige Wochen hier, aber irgendwie kommt mir das alles immer noch so extrem Fremd und unwirtlich vor. Die unbekannten Wände. Die fremde Decke, der fremde Boden.

Die Dunkelheit macht mir angst.  Sie raubt mir den Schlaf.

Aber gleichzeitig macht mir das Licht der Stadt auch Angst.

Beides sind Form und Leere. Aber die Form ist das Leere, das Leere ist die Form. Eine Eins existiert nur, wenn auch die Null existiert. Beides ist eine Ausprägung des Selben. Untrennbar und gleich unheimlich.

Ist mir klar, wo ich bin?

Weiß ich, was ich bin?

Weiß ich, was ich will?“

Vor ihrem Bett wartete schon Hilals Roboterbutler, der durch den Schrei alarmiert wurde. Der Roboterbutler sagte in einer mechanischen Stimme: „Masterin Karala, laut meinen Daten erlebten sie schätzungsweise einen Alptraum. Soll ich Ihnen aus der Küche ein leichtes Beruhigungsmittel holen oder möchten sie mit einem Traumdeuter über das Internet Kontakt aufnehmen.“

Karala sah den fahrenden Roboter verärgert an und rief genervt: „Nein. Nein. Nein. Ich will nichts von Alledem. Verlass einfach mein Zimmer. Ich hasse es, wenn komische Gestalten mein Zimmer betreten. Selbst, wenn es nur Maschinen sind. Außerdem will ich mich jetzt umziehen, und da stört es mich gewaltig, wenn ein mit dem Internet verbundenes Gerät zu guckt.

Am Ende landet das Bild von meinem nackten Körper noch bei diesem komischen CHTHONIC Programm unseres Geheimdienstes …. und diesen entsetzlichen Anblick wollen wir unseren Antiterrorkämpfern doch nicht zumuten. Deshalb, geh mir aus der Sonne.“

Trotz dieser aggressiven Ansprache verschwand der Roboter, wie Befohlen. Das lag alles am 2. Robotergesetz, was er ohne Widerworte befolgen musste. Als das Ding endlich aus dem Raum war, zog sich Karala schnell um. Sie zog sich ihre neue Schuluniform an, die ihr Hilal schon in den Schrank gehangen hatte. (Und ihr am Morgen von der Automatik des Schranks auch direkt passend hervorgeholt wurde.) Der schwarze Blazer mit den roten Streifen und der Schottenrock wirkten zusammen mit den kniehohen, schwarzen Stiefeln, relativ modisch (und dank seiner Computertechnologie und Solarzellen auch relativ modern), jedenfalls für einen solchen „Gegenstand der Unterdrückung“, der seinen Träger auch in der Schule mit Near Field Communication Chips und Anderem überwachte.
An zwei Stellen brach Karala mit der Schuluniformierung. Sie trug, wie es vom Carl Friedrich Gauß Institut vorgeschrieben war, ein Armband mit dem Logo des Instituts, was natürlich nicht zur Schuluniform gehörte. Das Logo war eine Gravur einer Eule.

Ausserdem trug sie eine spezielle Uhr, die ihr das Institut gab. Diese Uhr besaß einen eingebauten Kompass und Detektoren für WLAN Signale, Abhörwanzen, elektrische Spannungen etc. Daneben besaß die Uhr noch einen kleinen Nahdistanzhochenergielaser und einen aktivierbaren Störsender. Auf der Uhr selbst war ebenfalls das Eulensymbol zu sehen.

Nachdem Karala sich angezogen hatte, ging sie hinaus und sah nach Hilal. Hilal war letzte Nacht von einem Einsatz erst spät nach Hause gekommen und war deshalb noch dabei, in ihrem Zimmer zu schlafen. Kisaria saß auch in ihrem kleinen “Kabuff“ und redete wirres Zeug.

Deshalb ging Karala erstmal wieder in ihr Zimmer und spielte an ihrer Konsole.


Nach 2 Stunden wachte auch Hilal auf. Sie ging langsam durch ihr Apartment. Von Weitem hörte sie seltsame Stimmen, die seltsame Sätze schrien. Diese Sätze waren z.B. „I guess I should be thankfull“ und “DO A BARRELL ROLL”. Sie fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Nach kurzer Zeit erkannte sie es. Karala war schon wach und spielte so ein komisches Weltraumspiel mit Hasen, Fröschen, blauen Falken etc. als Spielfiguren.

Nach kurzer Zeit rief sie: „Karala, ich mach mal eben Frühstück. Roll deshalb nicht zu viele Fässer.“

Zuerst hörte Karala nichts, wegen dem Krach von ihrem Videospiel, aber nach dem dritten Rufen reagierte sie und fragte: „Was gibt es denn?“

Hilal antwortete Sarkastisch: „Na was wohl? Eine feine Mischung aus Geschmacksverstärkern, Konservierungsmitteln und genmanipuliertem Gemüse. Das alles gewürzt mit chemisch behandelten Sägespänen und Analogkäse. Also der typische Fraß, den uns die Konzerne billig zusammenschustern.“

Hilal ging in die Küche und bereitete schnell das Essen aus in computerkontrollierten Agrartürmen gezüchtetem Reis und Gemüse zu. Im Gegensatz zu dem, was sie Karala scherzhaft zurief, war das Essen abgesehen von gewissen Genmanipulationen durchaus natürlich, aus biologischem Anbau. Der einzige Unterschied zu vergangenen Zeiten war, aus Angst vor der zunehmenden Radioaktivität in der Atmosphäre war das Essen in einer künstlichen, computerkontrollierten Biosphäre gezogen und von Robotern geerntet worden.

Nach etwa einer halben Stunde war Hilal mit der Zubereitung des Essens fertig.

Wie jedes Mal nahm Hilal ihr Frühstück im Wohnzimmer zu sich. Dies änderte sich durch Karalas Anwesenheit nicht. Neue Portionen wurden vom Roboterbutler bei Bedarf aus der Küche geholt. Der große, stereoskopische Flat Screen lief momentan und zeigte die Weltnachrichten von CNN. (Das war auch ein Habitus von Karala, dass sie unbedingt jeden Tag die Nachrichten sehen musste. Dies war allerdings auch durchaus ein vernünftiges Interesse und nicht nur ein sinnloses Ritual.) Momentan zeigte CNN Bilder von einem Bernal Raumhabitat im Orbit des Jupiters. Darunter lief ein Ticker, der von dem Vorfall in der letzten Nacht berichtete.

Vom großen Fenster des Wohnzimmers aus konnte man hier ebenfalls die Glitzerstadt am Firmament erkennen.

Neben den Reisschüsseln lagen auf dem Esstisch auch die allmorgendlichen Pillenrationen zur Gesundheitsfürsorge. Die Weltregierung hatte ein Programm gestartet, sodass jedem Bürger auf Basis seines Genprofils prophylaktische Medikamente zur Verfügung gestellt wurden. Dies verbesserte die Gesundheitslage sehr stark und sparte so Geld im Gesundheitssystem.

(War alles, was man Dachte, Tat, und Sagte, in der Pille, die man heute zu sich genommen hatte?)

Karala war beim Essen, wie sonst auch, eher in sich gekehrt, verschlossen und ruhig. Hilal fragte sie langsam:

„Karala Chan, heute ist doch dein erster Tag an der Shao Yong Gakuen Oberschule. Wie fühlst du dich dabei?“
Karala überlegte lange und antwortete: „Verdammt. Das hat mein Vater auch immer gefragt.  Ehrlichgesagt, ich hasse diese Frage wirklich. Zum Einen wusste ich darauf nie wirklich eine Antwort. Außerdem haben sich meine Eltern nur für meine Schulleistungen interessiert. Dabei war Schule an sich immer furchtbar …“

Hilal wusste jetzt nicht, was da wirklich vorgefallen war. Seitdem China mit den USA in gewisser Weise zusammen als neuer Superstaat die Welt regierten, war dieses Ideal der „Tiger Mütter“, also Eltern, die ihre Kinder zu Höchstleistungen in der Schule antrieben, auf Kosten ihrer persönlichen Entwicklung, zwar extrem weit verbreitet, aber Hilal wusste ebenfalls, Karala hatte ähnlich wie Madoka auch ein Talent, Menschen mit Technologiefakten zuzulabern. Ihre Eltern hatten möglicherweise einfach das nach einigen Jahren nicht mehr ertragen, und um nicht mehr so genervt zu werden, haben sie das Thema lieber auf die Schule gelenkt. Karala hat diese Reaktion ihrer Eltern aber möglicherweise damals ihrerseits in den falschen Hals gekriegt.

Nach kurzer Zeit sprach sie, um Karala wenigstens etwas aufzuheitern:
„Denk doch mal so. Du bist gleichzeitig auch die ganze Zeit  bei Madoka. Das ist doch auch was Schönes. Je, nach dem , wie man es sieht, auch etwas Plus-Schönes.“

Karala sagte traurig: „Ja, aber es ist trotzdem immer noch Schule.“

Hilal verstand sehr gut, was Karala dachte. Für Menschen wie Karala oder Madoka sind Schulen einfach kein „artgerechter Ort“. Und das waren sie auch zu keiner Zeit.

Obwohl beide zwar überdurchschnittlich intelligente Frauen waren, brauchten beide eine Möglichkeit, sich Frei und Ungestört zu entfalten und frei zu denken, in einer Weise, wie sie es keine Schule je erlauben konnte. Trotz umfangreicher sozialer Reformen stimmte Max Stirners Beschreibung der Schule, als Ort „wo der Mut der Kinder gebrochen wird zur Demut vor Moral und Staatshörigkeit“, leider immer noch. Das war von der staatlichen Frühkonditionierung im Kindergartenalter, bis zu den Privatschulen der höheren Stufen feststellbar. (Obwohl die Schulen des Schulsystems mittlerweile in der Hand der Megakonzerne waren und nicht mehr dem Staat zugehörten und schon ab der Grundschule den Kindern ein höheres Maß an Selbstständigkeit beim Lernen zutraute, als früher, was auch an der Entwicklung von fortschrittlichen Lernprogrammen lag.)

Leute mit unkonventionellem Denken wie Madoka und Karala bekamen dies leider oft deutlich von Lehrern zu Spüren, die versuchten, gegen die Schüler eine unnatürliche Homogenität zu erzwingen. Hilal dachte aber, dies ist ein typisches Denken der Menschheit. Wahrscheinlich wurde der Mensch, der das Feuer erfunden hat, dafür von seinen Kollegen sogar bei lebendigem Leib verbrannt. Jeder unkonventionelle Denker, der eine neue Straße betrat, musste sich immer gegen die ängstliche Gesellschaft ihrer Zeit behaupten. Das war die traurige Wahrheit.

Nach kurzer Zeit sagte Karala: „Eigentlich würde ich auch lieber bei Ihnen bleiben, Hilal Sama. Bitte lassen sie mich nicht allein.“

Dies war eigentlich untypisch von Karala, dass sie so etwas sagte. Sie war eigentlich eher abweisend gegenüber anderen Menschen. Ohne es zu wollen sogar gegenüber ihren eigenen Eltern. Selbst als Karala eigentlich in gewisser Weise einen Elektrakomplex durchlebte, hielt sie, ohne es zu wollen oder zu merken, ihren Vater auf Distanz. Zu Hilal hatte sie aber extremes Vertrauen gefasst. Sie dachte, Hilal und Madoka hätten sie aus ihrer eigenen Finsternis gerettet und wenn sie die beiden verlieren würde, wäre sie wieder verdammt. Deshalb hatte sie große Verlustängste.
Wie bei anderen auch, entwickelte Karala eine familiäre Beziehung zu dem Institut und seinen Mitarbeitern.

Das Institut war Mutter. Das Institut war Vater.

Hilal war sich dieser Tatsache bewusst und versuchte ihr ihre Ängste und Selbstzweifel etwas zu nehmen. Zum Wohle der großen Familie.

Hilal sagte deshalb: „Karala. Es wird wahrscheinlich nicht so schlimm. Und außerdem, du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde auf dich achten.“

Karala antwortete sarkastisch: „Hab ich doch nicht verdient.“

Dies erwiderte Hilal: „Das hast du verdient. Egal, was du für Probleme hast. Egal, was du für Fehler machst. Du kannst immer zu mir kommen.“

Daraufhin antwortete Karala: „Danke. Irgendwie muss ich sagen, Sie sind deutlich netter zu mir, als es meine Eltern je waren. Sie machen zwar manchmal eigenartige Scherze, die ich nicht ganz kapiere, aber Sie erwarten kein Verstellen von mir. Es ist wirklich mehr als Angenehm, bei Ihnen zu sein.“

Hilal wusste nicht wirklich, was sie darauf antworten sollte. Sie dachte auch, dass Karala sie mit solchen Aussagen in unguter Weise Mental zur Ersatzmutter machen würde. Und sie glaubte nicht, dieser Rolle in diesem Kontext Gerecht werden zu können.

Deshalb schaute sie etwas verloren durch den Raum. Nach kurzer Zeit sah sie auf dem CNN Stream und dem Hinweis „Taste drücken, um mehr zu erfahren“ die Uhrzeit. Als sie die Uhrzeit sah, sagte sie hastig zu Karala:
„Tut mir leid, aber ich muss jetzt zur Arbeit. Du weißt ja. We must go again, even in thunder, lightning and in rain.
Der Spruch des Instituts hat durchaus seine Bewandtnis. Und du musst jetzt auch los, zur Schule. Da es nur wenig Zeit ist, nimmst du am Besten den Motorroller, den dir das Institut zur Verfügung gestellt hatte.“

Die Aussage hinterließ bei Karala doch ein gewisses Maß an Verwunderung. Deshalb fragte sie langsam: „Was für ein Roller? Hilal, ich habe Ihnen doch erzählt, ich bin absolut furchtbar in sportlichen Dingen, hab keinen Gleichgewichtssinn und kann deshalb nicht mal richtig Fahrradfahren. Und dann ein Roller?“

Hilal entgegnete ruhig: „Keine Angst. Die Maschine ist Computergesteuert, wenn man es aktiviert. Um Stabilisierung und Fahrt kümmern sich der Computer und ein Netz aus GPS Satelliten. Du musst einfach nur da sitzen. Selbst schwerst Körperbehinderte kommen mit diesen Geräten zurecht. Das wirst du also folglich auch schaffen.
Und vielleicht wird der Schulalltag ja gar nicht so schlimm, wie du denkst. Du machst dir wahrscheinlich zu viele Sorgen. Und das ist schlecht. Wie der Professor sagte und man dir auch im psychologischen Training am Institut beizubringen versuchte, Angst ist die Mörderin des Geistes und der Vernunft. Vielleicht wird dein Schultag nicht Doppelplus-Gut, aber wenigstens angenehm. Und wer weiß. Vielleicht findest du in der Schule ja sogar einen netten Typen.“

Nach kurzer Zeit stand Karala auf und ging richtung Ausgang. Hilal rief ihr hinterher: „Bis nachher.“

Nach einer Bedenkzeit antwortete Karala: „Gut. Dann. Auf Wiedersehen.“


Nach etwa 5 Minuten verließ Karala den Plattenbau. Das Licht von Draußen war so stark, dass die Straße fast schon weiß aussah. Ein Blick nach Oben, auf die Drohnen am Himmel konnte wegen dem Licht schon nach kurzer Zeit übelste Kopfschmerzen verursachen. Karala ging langsam, um nirgendwo gegenzustoßen, denn sie konnte kaum sehen, bei dem extremen Licht.

Das Wetter war Ideal für die Solarkollektoren auf den Dächern, aber unschön für Menschen.
Schemenhaft erkannte sie, vor dem benachbarten Plattenbau standen 3 Leute und beobachteten sie. Es waren 2 Personen im Nadelstreifenanzug, die eine Art Fernglasbrille trugen. Die beiden waren scheinbar Servicegynoide des Instituts und gehörten zum Sicherheitsdienst. Der Dritte war ein Mensch, der eine Militäruniform mit schwarzem Mantel und roter Militärmütze trug. Die Schulterteile der Mäntel waren im selben Rot, wie die Uniformen.  An den Prismasymbolen am Kragen erkannte man, er war ein Teil des CHTHONIC Programms. Die 3 waren scheinbar die persönlichen Bodyguards für Karala. Oder die „Anstandsdamen“, die verhindern sollten, dass Karala für die Regierung zum Problem wird.

« Letzte Änderung: 10.09.13, 22:28 by SSJKamui »

Alexander_Maclean

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Mhm

An sich eine spannende stelle.

aber gerade der Kontakt der einsatzgruppe mit dem wesen liest sich naja "trocken".

Du lässt den Leser das Ganze von außen betrachten. Und da bekomme ich als Leser keinen bezug dazu. da sist als würd eich einen einsatzbericht lesen.

Ich verdeutliche es mal.

du schreibst

Zitat
Auf einem der Highways parkten 2 Einsatzwagen. Einige Einsatzkräfte standen vor den Wagen und unterhielten sich. Ein Offizier stand auf einer ausklappbaren Treppe des Einsatzwagens und gab den Einsatzkräften an anderen Teilen des Geländes über Funk Anweisungen.

Am Boden suchten einige Einsatzkräfte mit Strahlenschutzanzügen und Gasmasken das Gelände ab.
Eine Gruppe von ihnen ging durch einen kleinen Gang neben einigen Rohrleitungen. Von weitem sahen sie eine mysteriöse Gestalt mit Kutte. Die Kutte verdeckte seine rechte Gesichtshälfte fast vollkommen.

Ich würde schreiben (und entschuldige die amerikansichen namen mit japansichen kenne ich mich absolut nicht aus)

Zitat
Mike trat aus dem Einsatzfahrzeug auf den Highway und beobachtete, wie sich das Betateam aus ihren Fahrzeug begab. Wie so oft unterhielten sich die Leute um die Nervosität vor einen Einsatz zu beherrschen. Mike, als Neuling stand etwas abseits und beobachtete seinen Vorgesetzten, wie er auf der kleine Treppe des Einsatzfahrzeuges stehend Anweisungen in sein Funkgerät sprach. Offenbar gab es noch andere Einsatzteams in dem Gelände.

Dann kam der Befehl zu abrücken. Mike ging mit seinen Kollegen duch eien schmalen Gang und wischte dabei immer das Sichtfeld seiner Gasmakse sauber, die zu seien Strahlenschutz anzug gehörte. Denn es tropfte immer Wasser von den Rohrleitungen herunbter. Plötzlich hob Stan der Teamleiter die Rechte Faust, das Komamndo zum Halten. Denn der Lichtkegel der Lampe an seiner Waffe erfasste eine mysteriöse Gestalt. Die Mitgleider des Einsatzteam ssahen sich verwirrt an. das war keiner ihrer Kollegen, Auch Mike konnte nicht sagen wer das war, denn die Kutte die dieses Wesen trug, verbarg sein gesicht.

selbe Infos anders verpackt.

sobald deine helden wieder im Spiel ist klappt das ja auch.
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Danke für den Kommentar. Ich hatte schon das Gefühl, hier ist ein Problem mit dem Anfang, aber ich kam irgendwie nicht darauf, was es war.

Für die fertige PDF wird das natürlich überarbeitet.

Alexander_Maclean

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Mir passiert das selber mehr als genug. Gerade wenn "nur" nebenfiguren beteiligt sind.

wobei das seit dem Eröffnen des RPGs besser geht. Da ist man ja auch quasi "gezwungen" aus der Sicht der eigen figur zu schreiben.
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Der nächste Teil:

Karala fuhr durch das Shintama Industriegebiet, an der Fabrik C52-72 vorbei, in Richtung des Gewerbegebiets.
Nach etwa fünf Minuten kam sie zu einer Brücke, die über einen Kanal führte. Quer über den Kanal führten mehrere Highways und Monorailbahnen und an den Seiten des Kanals standen riesige Hochhäuser. Am Himmel flogen gerade mehrere, große, weiße Passagiermaschinen, deren Gestalt sich in den großen Glasfassaden der Hochhäuser spiegelte.
Karala sah, momentan herrschte das volle Leben in diesem Ort, von automatischen Frachtbooten, die durch Roboter und menschliche Arbeiter entladen wurden, über kleine Touristenboote, Passanten an den Geschäftspromenaden, Stockendem Verkehr auf den Highways, bis hin zu kleinen Kindern, die am Rand des Kanals ins Wasser stiegen. In den Fenstern konnte man viele Menschen sehen, die in ihren Büros am Arbeiten waren.
Obwohl im Wasser auch einiger Müll und Schrott trieb, störten sich die Menschen daran nicht.

Es war das übliche kreative Chaos der Megacities des aktuellen Jahrhunderts. Die Wirtschaft pulsierte im schnellen Takt und die Menschen wurden von diesem Metabolismus mitgerissen.

Nichts erinnerte mehr daran, dass die Stadt vor Kurzem noch am nuklearen Abgrund schwebte. Die Menschen schienen das zu verdrängen und weiter zu arbeiten, nach dem Prinzip „schaffe, schaffe, Häusle baue“.

Es war ein gutes Zeichen, dass das Leben weiter ging, egal was für kosmische Bedrohungen auf die Menschheit in der Dunkelheit des Alls warteten. Es beruhigte, dass es möglich war, auch nach der beinahe Katastrophe normal weiterzuleben und nicht in Trauer versinken musste.

Wie diese soziale Kraft, welche dazu führte, dass die Menschheit sich im Angesicht der Caine zu einer Weltregierung vereinigte und ihre eigenen Kriege und Konflikte erst mal ruhen ließ.

Doch wie lange würde dies anhalten?

Vielleicht war dies aber auch nur ein psychologischer Trick des menschlichen Geistes. Ein Abwehrmechanismus gegen die Angst und Gefahren, welche den Geist bedrohen. Ein Weg des menschlichen Willens zur Macht, sich die Niederlage vom Leib zu Halten.

Durch die demonstrative Rückkehr zum Alltag, trotz der Bedrohungen durch Terror und nukleare Gefahren, war möglicherweise ein Symbol für den Verstand. Eine Demonstration, dass man sich nicht von der Bedrohung einschüchtern ließ und einfach weiter lebte. Und dadurch, dass man weiter leben konnte, erschienen die Bedrohungen für den Verstand direkt viel kleiner, als sie eigentlich waren.

Durch die Fortsetzung seiner Arbeit und seiner Natur konnte die Menschheit die Kräfte, die ihre Existenz mit einem Schlag auslöschen konnten, zumindest ein wenig verspotten.

Vielleicht war ja nur so ein weiterleben des einzelnen Menschen in der feindlichen Umwelt möglich.

Karala war fasziniert von diesem erhabenen Anblick des Kanals, aber sie sah ihn vornehmlich als System, was aus kleinsten, verschiedenen Elementen zusammengesetzt war, und doch ein logisches Gesamtbild ergab.

Die kleinsten Bewegungen der totalen Maschine der Zeit, die ineinander griffen und sich wie in einem Tanz zu einem Prozess ergänzten, hatten eine fast hypnotische Wirkung. Eine Symphonie aus Licht, Stahl und Bewegung, koordiniert von einem riesigen Computernetzwerk, das alles überblickte, wie ein Dirigent ein Orchestra koordinierte.

Trotzdem fuhr Karala, nachdem sie das Schauspiel lang genug betrachtet hatte, weiter.

Sie kam zu einem Gerüst, was zu einer Betonplattform führte. Da sie ihren Roller nicht die Treppe hinauffahren konnte, stellte sie ihn vorher ab, schloss ihn fest, und lief dann nach Oben. Überall am Gerüst und an den Wänden der Betonplattform hingen Kabel, Bildschirme und Werbeplakate.

Die Bildschirme zeigten gerade elektronische Werbeplakate zur Präsidentschaftswahl in vier Monaten. Die Plakate zeigten den Amtsinhaber Herodes.

Herodes war eine bucklige, glatzköpfige Gestalt mit Bart und langem Mantel, die teilweise fast wie ein Untoter oder ein Gespenst wirkte.

Obwohl ihre Eltern das aktive Wahlrecht für wichtig hielten, obwohl es erst mit Absolvierung eines dreimonatigen freiwilligen Sozialen Dienstes an den einzelnen, volljährigen Bürger verliehen wurde, man sich es also verdienen musste, hielt Karala nicht viel von Politik und Wahlen.

Sie dachte, das Ganze würde doch eh nur auf den Abbau von Bürgerrechten zur Terrorabwehr hinauslaufen, egal wer gerade an der Macht ist. Außerdem könnte keine Regierung das Glück des Einzelnen hervorbringen, egal wie utopisch sie eingestellt ist.

Karala ging langsam durch die Seitenstraße. Sie sah von Weitem schon das Gelände ihrer Schule und die vielen Pflanzen und blühenden Bäume auf dem Schulhofgelände, obwohl der Schulhof von einem Zaun aus Bambus begrenzt war. Er wirkte wie ein angenehmer, naturverbundener Ort, wo sich die Schüler wirklich entspannen konnten. Wie ein urzeitlicher Dschungel oder ein neuer Garten Eden.

(Das schien also doch kein so unangenehmer Ort zu werden, diese Schule.)

Das zeigte sehr gut den Mentalitätswandel in der Bildungspolitik im Vergleich zu den Schulhöfen früherer Jahrhunderte, die häufig mehr mit einem Kriegsgebiet gemeinsam hatten, als mit einem schönen Ort.
Neben dem Schulhof befand sich ein kleines Wasserbecken.

Karala konnte das Schulgebäude nicht so gut sehen, weil es von den Bäumen des Schulhofs verdeckt wurde. Sie sah aber, dass die Schule neben einem Hauptblock auch aus einigen rechteckigen Blöcken bestand, die auf Stelzen über dem Hauptteil des Gebäudes standen. Ein solcher Block stand auch auf einem anderen Block. Auf manchen Dächern des Schulgebäudes standen weitere Gärten. Auf einigen Dächern standen ebenfalls Solarzellen, welche die Schule mit Energie versorgten. Am rechten Rand des Gebäudes stand auf Stelzen eine Plattform, die als Sportplatz fungierte. Einige Schüler liefen dort gerade einen Rundenlauf. Andere führten Übungen auf dicken, blauen Matten in der Mitte der Plattform aus.

Die Schule war Teil eines großen Platzes, der von Bürogebäuden und Parkhäusern begrenzt war. Überall im Gebiet befanden sich eigenartige Graffiti wie „Wer ist Caine?“ oder "2525, wenn der Mensch dann noch überlebt". Diese beiden Sprüche wiederholten sich auf mindestens 40 Graffiti. Ähnliche Garffiti waren in der ganzen Stadt verteilt, als ob irgendjemand damit eine wichtige Botschaft mitteilen wollte, die aber keiner verstehen konnte.

Karala ging einmal um den Platz herum, zum Eingang der Schule.  Als sie ankam war sie ziemlich aus der Puste. Bei der aktuellen Sommerhitze war sie froh, dass sich ihre Schuluniform automatisch klimatisierte.

Vor der Schule parkten einige Elektrofahrzeuge und Wasserstoffautos des Lehrpersonals. Einige hatten ihre Solarkollektoren ausgefahren, um das gute Wetter energetisch nutzen zu können. 

Schon am Eingang saßen einige Schülerinnen und spielten mit ihren Laptops. Die Laptops waren über Kabel mit den Solarzellen ihrer Schulunformen verbunden. Manche von ihnen trugen auch VR Datenbrillen und hatten deshalb die Bildschirme ihrer Laptops ganz ausgeschaltet.
Einige andere Schüler standen an den Säulen vor dem Eingang und rauchten unerlaubt Zigaretten.

Karala schaute schnell auf ihr Handy, um nachzusehen, dass sie jetzt Philosophie hatte und ihr Klassenraum der Raum 101 war. Weil sie nicht wusste, wo dieser lag, und sie keine Pläne lesen konnte, aktivierte sie mit einem Sprachkommando das Leitsystem der Schule, was ihr über bewegliche optische Signale am Boden den Weg zeigte.

Der Korridor, an den der Raum 101 lag, war fast komplett finster, weil die Lampen defekt waren. An den Wänden funktionierten die Touchscreens aber noch, weshalb dort einige Schüler aktuelle Noten von Klassenarbeiten abrufen konnten. Wie es schon im zwanzigsten Jahrhundert häufig in Japan üblich war, wurden mittlerweile in allen Schulen weltweit Klassenarbeitsnoten aller Schüler in einer einzigen Tabelle dargestellt, die für alle einsehbar waren. Die Digitalisierung hatte dies mittlerweile nur so verstärkt, dass die Noten von mehr Orten aus abrufbar waren.

Vor dem Raum 101 standen schon Karalas Klassenkameradinnen Shiyo Tsukiwa und Tsukiko Oda. Shiyo war Blond und trug zwei Zöpfe und Tsukiko trug lange, schwarze Haare.

Shiyo sagte zu Tsukiko: „Schon wieder sind die Familien von 2 unserer Klassenkameraden weggezogen.“

Tsukiko erwiderte: „Kein Wunder. Der letzte Angriff wurde zwar von der Regierung glimpflich gelöst, aber die Strahlenbelastung in der Atmosphäre und im Grundwasser ist trotzdem auf einem ungesunden Level.

Das war sie zwar schon seit Jahren, weshalb in unseren Schuluniformen auch Geiger Zähler integriert sind und wir bei manchen Regenfällen nicht nach draußen dürfen. Wir haben es noch gut, aber bei kleinen Kindern kann das schon übel sein. Ich kann verstehen, warum so viele wegziehen.

Manche Leute meinen zwar, die Off World Colonies auf dem Mars, auf Asteroiden, oder im Orbit des Jupiter wären die richtige Lösung, aber die Caine können uns sogar bis dorthin verfolgen, weshalb ein Exodus erst Sinn macht, wenn die Caine unsere Erde vollständig verseucht haben.

Wenn man sich anguckt, der ganze Müll und die Umweltverschmutzung. Viele Gebiete unserer Welt werden langsam zu Wüsten. Selbst einst blühende Städte. Vielleicht braucht die Erde nicht nur Erholung von den Caine, sondern in Wahrheit von uns Menschen selbst, sodass sie zu ihrem natürlichen Zustand zurückkehren und sich von dem, was wir ihr angetan haben, erholen kann. Vielleicht sollten wir Menschen endlich unseren Horizont erweitern und zu den Sternen reisen, egal, was für Schrecken uns dort erwarten könnten.

Auch in der Verseuchung unserer Lebensbereiche sind die Caine ein bizarres Zerrbild von uns Menschen selbst.

Ich zweifle auch, ob wir diese Krise der Caine lösen werden.

Obwohl unsere Regierung auch aus einem Wissenschaftsrat besteht, der eine hohe Entscheidungsbefugnis besitzt, und das passive Wahlrecht an eine spezielle Ausbildung und Gesinnungsprüfung gekoppelt ist, kann man ihr nicht trauen. Das sind hauptsächlich Neocons, die keinen Wert auf Bürgerrechte geben.“

Shiyo erwiderte skeptisch: „Ich glaube ja, vieles über die Caine ist nur eine Lüge der Regierung, um unsere Angst ausnutzen zu können, um einen Überwachungsstaat zu etablieren.

Apropos, ist Madoka nicht eigentlich bei der Regierung? Ich meinte, sie hätte irgendwas in der Richtung gesagt.

Sie ist doch bei diesem einen wissenschaftlichen Institut, was von diesem Mathematiker geleitet wird, den man den Raben nennt, weil er daran arbeitet, der Menschheit die Katastrophen er Caine vorauszusagen.

Die Arbeit des Instituts ist ein Schlüssel unseres Überlebens und ich weiß, viele Nebenprodukte der Arbeit wurden in den letzten Jahren von Megakonzernen als große Innovationen der Computertechnik verkauft.
Müssen deren Mitglieder wirklich dieses Psychotraining durchlaufen, was ihnen beibringt, andere Menschen unterbewusst zu manipulieren, sodass die alles tun, was man ihnen sagt, so wie es diese Weblogs erzählen?“

Tsukiko wiegelte ungläubig ab: „Shiyo, glaube bitte nicht jeden paranoiden Quatsch von durch geknallten Netizens. Das ist vollkommener Schwachsinn. Schau dir Madoka an. Die ist das glatte Gegenteil von einer Person, die andere psychisch manipulieren kann. Die ist zwar eine arrogante Streberin, aber sonst ist sie vollkommen Harmlos.“
« Letzte Änderung: 10.07.13, 23:50 by SSJKamui »

Alexander_Maclean

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Kann e sein dass du am schluss Madoka und Karala vertauscht hast.

Oder habe ich einen Hänger?
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Ich hatte hier keinen Vertauscht. Den Begriff "arrogante Streberin" hatte ich eigentlich bei Madoka in Episode 1 verwendet. (Das kam beim Gespräch zwischen Hilal und Madoka vor, als die zum Einsatzort kurz vor dem Ende fahren. )

Ich habe nur beschrieben, dass Karala auch eher an Technologie interessiert ist, als an Menschen und genau so wie Madoka andere Leute mit technischen Details zuquatscht.

(Das war ja in der ersten Folge beschrieben, dass die beiden sich sehr ähnlich sind, nur das Karala mehr emotionale/psychische Probleme entwickelt hatte als Madoka, die es viel rationaler sehen kann.)
« Letzte Änderung: 10.07.13, 23:43 by SSJKamui »

Alexander_Maclean

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Dann hatte ich den Hänger.

Danke für die Klarstellung.
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Kein Problem.

Der nächste Teil:

Shiyo schaute sich langsam um und sah, wie Karala und Madoka näher kamen. Sie grüßte Madoka: „Hi, du kommst gerade rechtzeitig für die tägliche Morgenansprache der Regierung.“

Karala hörte dies, verstand dies aber nicht wirklich. Was sollte diese ominöse Morgenansprache darstellen? Deshalb fragte sie nach.

Shiyo war verwundert und fragte ungläubig: „Du kennst das nicht? Wo hast du denn bisher gelebt? Außerhalb des Sonnensystems?

Das wurde doch vor 4 Jahren per Gesetz beschlossen. In jeder Regierungseinrichtung, jeder Schule, jeder Firma und jedem Raumschiff, bei denen die Menschen nicht gerade im Kälteschlaf sind, muss am Morgen, vor Beginn der ersten Schicht, gemeinsam eine Gedenkminute für die Opfer des Konflikts mit den Caine einlegen. Dabei wird auch eine vorbereitete Botschaft der Regierung betrachtet werden.
 
Also in Wahrheit, unsere tägliche Dosis Regierungspropaganda. Langweilig wie die Hölle. Aber keine Angst. Es wird heute noch besser. Wir haben heute Geschichte und da werden wir wahrscheinlich wieder das CAVE Automatic Virtual Environment der Schule benutzen.“

Genau in diesem Moment wichen Karalas Befürchtungen einer gewissen Begeisterung. Es war halt eben moderne Technik und Karala war bereit, selbst so etwas wie Schule zu ertragen, wenn sie dafür moderne Computertechnologie nutzen konnte.

Sie rief relativ laut und schrill: „Ihr redet von dem CAVE System, was alle Wände eines Raums, sowie die Decke und den Boden zu 3D Bildschirmen macht, weshalb man das Gefühl hat, wirklich in der VR Simulation zu stehen? Hammer.“

Ihre Begeisterung war ihr deutlich anzusehen.

Shiyo erklärte: „Ja, das Ding ist wirklich cool. Die haben nicht nur einen einzigen Raum zum CAVE gemacht, sondern eine ganze Etage in den obersten Geschossen unseres Gebäudes. Das ist mehr als beeindruckend. Manchmal wird das Gerät auch für den Sportunterricht benutzt.“



Nach etwa 2 Minuten kam der Philosophielehrer, Jacques Vincent Dubois in den Korridor. Er strich sich kurz mit einer Hand durch seine roten Haare, rückte sich danach seinen Zopf zurecht und schob mit der anderen Hand seine Brille in die richtige Position.

Danach erklärte er: „Entschuldigung, meine Damen und Herren. Bin etwas spät. Hab mir eben noch am Automaten ein Snickers gezogen. “

Durch seine Sprechweise und Prosodie war zu erkennen, er stammte nicht aus Japan, sondern eigentlich aus Frankreich.



Danach öffnete er den Klassenraum mit Hilfe seines RFID Rings und die Schüler gingen in den Klassenraum, für die Morgenansprache. Die Tür öffnete sich mit einem Klacken und wurde dann mechanisch in die Wand gezogen.

Der Klassenraum war relativ groß und hell, was auch an den riesigen Fenstern des Klassenraums im Bauhaus Stil lag, und hatte dadurch eine angenehme, saubere Atmosphäre, obwohl er relativ kühl und technisch wirkte. Dies war aber scheinbar mittlerweile als Fortschrittlich etabliert.

Auf den Fensterbänken standen mehrere Modelle von Raumschiffen, wie der mit einem Orion Antrieb bestückten SKD Klasse.

An jedem Sitzplatz der Schüler waren Desktop Computer in die weißen, einbeinigen Tische integriert. Die Stühle sahen auch relativ modern aus und verfügten genau wie die Tische über ein einzelnes Standbein am linken Rand, was höhenverstellbar war. Die Tafel war eine elektronische Tafel auf Touchscreen Basis und die Lehrmaterialien wurden über eine Standleitung von den Servern von Firmen und Universitäten aus in die Schule transferiert.

Es gab keine Schulbücher oder Hefte mehr in der Schule, da alles elektronisch erledigt wurde. Entweder am
Arbeitsplatz des Schülers, in Laboren, oder am persönlichen Laptop oder Datenbrille des Schülers. Schulen halfen dabei, dass sich Schüler einen persönlichen Laptop und VR Ausrüstung finanzieren konnten.

Ein kurzer Blick durch die Klasse zeigte schnell, die Schülerschaft war sprichwörtlich ein "bunter Haufen", was auch an der Inklusionspolitik der Regierung lag, nach der normale Schüler, Behinderte und Schüler, dessen Gene verändert wurden, zusammen unterrichtet wurden. 

(Weil auf Grund der Caine Angriffe immer weniger Kinder geboren werden konnten und neurologische Störungen extrem verbreitet waren, wurden alle Verbote der genetischen Veränderung menschlichen Erbguts fallen gelassen. Dies nutzten auch viele Eltern auf, um sich auf diesem Wege privat ein "Wunderkind" heranzüchten zu lassen. 

Wegen des Bevölkerungsrückgangs wurden gleichzeitig Regelungen für Abtreibungen deutlich verschärft und es wurde eine große Geldmenge in Forschungen zu Technologien, um Embryonen komplett in künstlichen Gebärmuttern reifen lassen zu können, investiert.)

An der Decke befanden sich mehrere Überwachungskameras, woran sich die Schüler aber gewohnt hatten.
Herr Dubois wies Karala als neuer Schülerin schnell einen Platz zu.



Zwei Stunden später:

Herr Dubois hielt seinen Unterricht. Er zeigte ein Video von Städten des zwanzigsten Jahrhunderts.
Er erklärte langsam: „…  deshalb konnte sich nach dem Angriff der Caine die Menschheit zur Weltregierung Leviathan vereinigen und Kriege gehörten endgültig der Vergangenheit an. Die Idee des ewigen Friedens aus dem Zeitalter der europäischen Aufklärung wurde zu mehr als einem schönen Traum von Idealisten.

Durch die Konfrontation mit der absoluten Angst konnte die Menschheit sich verbessern und gereinigt einen Neubeginn frei von vielen alten Verfehlungen durchführen.“

Eine Schülerin unterbrach den Lehrer und fragte skeptisch: „Aber, Herr Dubois Sama, viele Kolonien auf Mars und Mond wünschen sich mittlerweile die Unabhängigkeit von der Erde als eigene Staaten.“

Dubois konterte: „Ich kenne diese Separationsbewegungen, aber ich halte dies für grob fahrlässig. Viele mögen die Regierung für eine von Lobbyisten verseuchte Bürokratie halten, die sogar die Form von Gurken oder Glühbirnen reguliert. Aber wir sollten dabei nicht die historische Leistung von Katharina Sokolov und anderen unserer Staatsgründer vergessen. Bis vor wenigen Jahrzehnten standen die Regionen der Erde, die jetzt Partner sind, noch teilweise im Kriegszustand. Es gibt jetzt überall offene Grenzen und wir können überall mit der gleichen Währung bezahlen.

Ohne die jetzige Gemeinschaft hätten wir niemals die großen wirtschaftlichen Krisen überwinden können.
Wir konnten die Armut fast überwinden. Die Gesundheitsversorgung ist auf einem besseren Stand als jemals zuvor.

Alle Menschen wurden Brüder, die für ein besseres Morgen arbeiten. “

Karala interessierte sich nicht wirklich für die angeblichen Vorteile der neuen Politik. Sie glaubte eh nicht daran.

Shiyo fühlte sich dadurch sogar provoziert und als sie drangenommen wurde, antwortete sie Dubois:
„Seien Sie doch mal ehrlich. Diese Vorteile sind doch eh nur für die oberen Zehntausend. Die neue Politik ist doch nur eine Möglichkeit für Banker und Megakonzerne, sich die Taschen ordentlich vollzustopfen. Der einfache Bürger hat davon doch rein gar nichts. Und außerdem wird er als Krönung des Ganzen im Namen des Krieges gegen den Terror noch von unserer Regierung seiner Bürgerrechte beraubt.

Whistleblower, die das aufdecken, werden zum Dank von uns noch über den halben Erdball gejagt und müssen in irgendwelchen dubiosen Republiken auf Raumstationen Asyl suchen, um vor den Häschern unserer Regierung zu fliehen.“

Jacques Dubois versuchte sie zu korrigieren und ihre Aussagen wieder „gerade zu rücken“. Dazu erklärte er:
„Shiyo, es ist nicht so extrem, wie du es beschreibst. Von der jüngeren Schwester eines Mannes, der als Staatsfeind in Hong Kong von den Sicherheitskräften der Regierung gestellt wurde, war so eine Einstellung zwar zu erwarten, aber du hast trotzdem nicht recht.

Unsere Gesellschaft ist eine Verbesserung für Reich wie Arm. Und es ist die Pflicht eines Jeden, sich für die Verbesserung der Situation der Menschheit einzusetzen.
 
Deshalb ist es beispielsweise auch so, dass niemand politischen Einfluss ausüben kann, der seinen humanitären Einsatz für die Gesellschaft nicht nachweislich demonstriert. Ebenfalls wird jede politische Entscheidung von einem Rat der klügsten Wissenschaftler der Menschheit und von Hochleistungssupercomputern überprüft, bevor sie in Kraft treten kann.

Die gewählte Regierung und der Wissenschaftsrat teilen sich die Macht und überprüfen sich gegenseitig, um Gefahren zu vermeiden und sich gemeinsam zu einer demokratischen Technokratie zu ergänzen.

Die Wissenschaftler im Rat, auch Planer genannt, und die Manager, also die gewählten Politiker, führen ihre Aufgaben nach bestem Gewissen aus und fallen die Entscheidungen, die am vernünftigsten und deshalb in den meisten Fällen auch alternativlos sind. Das ist auch gut so, denn wir dürfen uns angesichts des Terrorismus und anderer Krisen kein Zögern erlauben, sondern müssen tun, was richtig ist.

Was würden zum Beispiel Camden oder Madrid zu einer zögerlichen Handlung wie deiner sagen? Gar nichts Mädchen! Sie können auch gar nichts sagen, da sie von den Caine schon dem Erdboden gleich gemacht wurden. Und um sowas zu verhindern muss der Einzelne auch mal auf einige Teile seiner Privatsphäre verzichten, damit wir diesen Terroristen endlich gewachsen sind. Auch sonst muss unser Staat vieles durchsetzen, was dem einfachen Volk nicht schmeckt, aber notwendig ist. Nicht nur in der inneren Sicherheit, sondern auch in der Wirtschaft und Finanzpolitik.

Durch unsere Verfassung gleiten wir trotzdem nicht in einen Unrechtsstaat ab, sondern haben eine effiziente Regierung, die das Leben unserer Bürger sichtbar verbessert. Wahrscheinlich haben wir sogar die effizienteste Regierung und die effizienteste Wirtschaft in der gesamten Menschheitsgeschichte.

Die guten Auswirkungen der effizienten Wirtschaft merkt man ständig im Alltag. Bald haben wir den Wohlstand für Alle erreicht und schon heute kann sich jeder so viele Snickers leisten, wie er will.“

Shiyo konnte man sehr stark ansehen, dass sie ihrem Lehrer kein einziges Wort glaubte und das Ganze eher für einen Versuch der Indoktrination hielt. Ihr Gesichtsausdruck wirkte so, als ob sie unausgesprochen sagte "von Dir lass ich mir doch nichts Erzählen". Dies war aber mehr als verständlich, wenn man wusste, was die CHTHONIC Einheit mit ihrem älteren Bruder angestellt hatte. Sowas konnten noch so viele Vorträge über das neue Zeitalter nicht wett machen.

In dem Zusammenhang konnte einem Jacques fast leid tun, weil er auch nur seine Arbeit erledigte und den Schülern das alles erklären sollte, wie toll die Pan Atlantopazifische Konföderation doch sei. Und dieser jemand, der nur seine Arbeit nach bestem Gewissen ausführte, wurde konfrontiert mit einer Schülerin, deren Familie zu den Opfern der schönen, neuen Weltordnung gehörte, und die auch nicht im Geringsten bereit war, den "schönen Schein" zu wahren, sondern ihre Meinung einfach frei raus posaunte.

(Im Gegensatz zu Karala war Shiyo aber ein fröhlicher, ausgelassener Mensch ohne starke geistige und emotionale Probleme. Sie lebte ihr Leben und wurde Glücklich. Die Regierung hasste sie aber trotzdem aus tiefstem Herzen und schrieb ein erfolgreiches netzpolitisches Blog über das Verhalten der Regierung.)

Shiyo war aber im Allgemeinen eine eher aufmüpfige Schülerin, die sich traute, ihren Lehrern unangenehme Fragen zu stellen und sie auch öffentlich zu kritisieren. Das kannten ihre Lehrer aber schon von ihr, weshalb dies nichts Neues war.

Karala grübelte gerade über das, was sie von ihrem Lehrer hörte nach. Aber sie hatte kein Problem mit den inhaltlichen Aussagen. Stattdessen gab es ein nebensächliches, aber doch relativ auffälliges Element bei den Erklärungen des Lehrers, was sie extrem verwundert hatte.

Karala war etwas verwundert und fragte sich, warum ihr Philosophielehrer andauernd das Wort „Snickers“ verwendete. Gab es etwa irgendeinen dubiosen Werbevertrag mit dieser Firma und dem Lehrer?

Tsukiko erkannte, worüber ihre Sitznachbarin Karala gerade am nachdenken war und was sie an ihrem Philsophielehrer verwunderte. Sie erklärte ihr leise: „Hey Neue. Du wunderst dich bestimmt, aber das ist normal. Unser Lehrer hat so einen komischen Fetisch und erwähnt Snickers deshalb ständig. Selbst zu den unmöglichsten Situationen.  Wir kennen das schon.
Ignorier das einfach. Das ist einfach nur seltsam.“

Der Unterricht ging wie zu erwarten weiter. Man konnte sehen, die meisten Schüler passten nicht richtig auf, sondern spielten nur irgendwelche Spiele im Internet oder guckten heimlich illegal gedownloadete Filme. (Und das, obwohl der Unterricht sehr stark als operante Konditionierung aufgebaut war, um die Schüler zum Lernen zu bewegen. Dies bedeutete, dass nicht nur jede positive Handlung des Schülers, sondern auch viele kleine Handlungen, die zu erwarteten Handlungen des Schülers führen konnten, belohnt wurden.)

Karala und Madoka unterhielten sich während des Unterrichts heimlich mit Hilfe der Zeichensprache, die man ihnen im Institut beigebracht hatte, damit sie unentdeckt Botschaften austauschen konnten. Es war zwar nicht in diesem Sinn gedacht, aber das störte die beiden nicht wirklich.

Obwohl alles wie ein normaler, glücklicher Schulalltag schien, war die düstere Stimmung und Angst angesichts der Caine doch allgegenwärtig und nicht zu verleugnen.



Während dessen in einer kleinen Seitenstraße, nicht weit von der Schule entfernt:
Die Seitenstraße war relativ eng und von riesigen Gebäuden umgeben.  Deshalb war es in ihr relativ Dunkel, trotz des Sonnenscheins.  An den Wändend er Gebäude verliefen viele Rohre.
In etwa der Mitte der Straße lag ein Fahrrad in einer Blutlache. Am Fahrrad selbst klebten ebenfalls einige Blutflecken.

Was war passiert? Wo war der Besitzer des Fahrrads?

Nach kurzer Zeit erschienen zwei Ermittler des Carl Friedrich Gauß Instituts in der Seitenstraße. Sie streiften sich ihre Handschuhe zurecht, fotografierten den Tatort, nahmen Blutspuren und luden dann das Fahrrad in einen Van, der in einer benachbarten Straße parkte.

Dann erklärte einer der Beiden, was hier wohl vorgefallen ist: „Unsere Ermittler hatten doch recht, scheinbar war der Verdächtige doch nicht bei der Fabrikanlage erschossen worden. Leider wissen wir aber immer noch nicht, ob es eine neue Art von Caine, oder etwas ganz Anderes war.“

So bewies der Vorfall, die Gefahr war noch nicht gebannt. Aber was geschah hier eigentlich? Waren es wirklich die Caine, oder nur ein wahnsinniger Psychopath?



Als die erste große Pause an fing gingen alle Schüler auf den Schulhof, aber Karala blieb zuerst einfach sitzen und starrte auf den Wolkenhimmel. Ihre Augen wirkten Leer und Weit.

Madoka sah dies. Als sie auf die Shao Yong Gakuen kam, hatte sie sich ähnlich verhalten und außerdem mochte sie den Schulhof nicht besonders. Deshalb wollte sie auch bei Karala bleiben.

Jacques beobachtete die Beiden. Er wusste, dass Madoka eigentlich nicht gerne auf den Schulhof ging, wegen dem Lärm, den die anderen Schüler machten, und dem allgemeinen Chaos dort. Deshalb war er das schon gewohnt. Er hatte auch etwas Verständnis dafür, aber er musste die beiden rausschicken. So waren die Regeln.

Deshalb ging er zu Karala und Madoka und erklärte: „Es tut mir ja leid, aber für euch gelten dieselben Regeln. Ihr müsst, wie alle Anderen auch auf den Schulhof. Ihr könntet zwar auch in die Bibliothek oder die Mensa gehen, jedenfalls normalerweise, aber beide sind momentan wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. “

Karala ignorierte das zuerst und Madoka antwortete ihm mit einem leicht traurigen Unterton in der Stimme: „Irgendwie ist der Schulhof nichts weiter als ein Käfig, in den der Souverän einige Wölfe einsperrt …“

Daraufhin antwortete Dubois leicht ironisch:
„Na ja. Wenn ihr aus dem Fenster sieht, merkt ihr, es ist zumindest ein Freigehege. Und es ist eigentlich ein schöner, entspannender Garten.

Trotzdem muss ich euch jetzt bitten, den Raum zu verlassen.“



Die beiden folgten der Order und gingen auf den Schulhof. Karala sah, an den Worten von Dubois war was dran. Der Schulhof war ein großer, schöner Garten. Die Pflanzen hatte sie ja schon vom Weiten gesehen. Aber der Schulhof beinhaltete auch einige kleine Teiche, auf denen Seerosen wuchsen. Sie konnte auch einige Fischschwärme in den Teichen erkennen.

In den Bäumen waren viele zwitschernde, bunte Vögel.  Karala konnte auch die Laute einiger Insekten und Frösche hören.

Alles in Allem war es ein beeindruckender Anblick der Natur. Wirklich wie ein Paradies aus der Vorzeit.

Karala ging durch den Hof, an einigen Schülern vorbei, die an seinem Eingang an den Säulen standen und rauchten. Sie ignorierte jeden anderen Schüler, setzte sich unter einen großen Baum und nahm ihren Laptop aus ihrer Tasche, um weiter am RSR Algorithmus arbeiten zu können. Während ihrer Arbeit schaute sie auf niemand Anderen, sondern war vollkommen in sich gekehrt.

Unbemerkt von ihr wurde sie dabei von Shiyo und Tsukiko beobachtet. Tsukiko fragte Shiyo:
„Was hälst du eigentlich von der Neuen? Eigentlich wissen wir ja so gut wie gar nichts über sie. Sie geht aber Kontakten mit anderen Schülern aus dem Weg, arbeitet die ganze Zeit nur für sich allein und spricht nur sehr wenig mit Mitschülern. Meistens tut sie das nur, wenn sie irgendwas von uns will. Irgendwie scheint sie nicht der umgängliche Typ zu sein, oder? Jedenfalls wirkt sie auf mich wie ein zutiefst von Einsamkeit durchtränktes Mädchen, was Probleme damit hat, neue Freundschaften zu schließen.“

Shiyo überlegte kurz und antwortete dann: „Wahrscheinlich das bekannte Dilemma der Stachelschweine.“

Tsukiko fragte ungläubig: „Was soll Zoologie mit ihr zu tun haben?“

Shiyo erklärte: „Das ist nur eine Metapher. Du kennst ja den alten Witz, wie machen Stachelschweine miteinander Liebe? Die Antwort ist klar. Vorsichtig. Verdammt vorsichtig.

Dieser Witz erklärt eigentlich die Hauptthese des Stachelschweindilemmas. Es geht metaphorisch davon aus, dass Igel und Stachelschweine einander nicht zu nah kommen können, weil sie sich sonst gegenseitig wegen ihren Stacheln Verletzungen zufügen. Die Beziehungen zwischen Menschen können ähnlich wie diese metaphorischen Stachelschweine aufgefasst werden.

Je näher sich Menschen kommen, desto mehr können sie sich weh tun.  Das andere Menschen eine potenzielle Schmerzquelle für uns sind, ist auch sehr einleuchtend, angesichts unserer Natur.

Ein berühmter französischer marquis und Aufklärungsphilosoph hat geschrieben, das Ziel, Anderes nicht nur zu verletzen, sondern sogar zu vernichten, sei eines der Grundgesetze unserer Natur. Ausserdem sind wir Menschen in einem ewigen Kampf um das Überleben des Tauglichsten von der Evolution geformt worden. Im Kampf um Rohstoffe, Nahrung, Lebensraum und Fortpflanzungsmöglichkeiten ist jeder andere Mensch ein potenzieller Konkurrent, gegen den man sich durchsetzen muss.  Unsere ganze Kultur und Sittsamkeit kann unser biologisches Programm zwar überdecken, aber nie komplett ausradieren.

Abgesehen von unserem Destrudo können aber natürlich auch reine Missverständnisse dazu führen, dass wir uns verletzen, ohne es zu wollen oder es überhaupt zu merken.

Diese Überlegungen verdeutlichen schnell, dass andere Menschen potenzielle Gefahren sind und der Kontakt mit Ihnen große Schmerzen bedeuten kann.

Aber das alleine sein, ohne soziale Kontakte, ohne andere Menschen, kann auch Schmerzen.  Also folglich, der Mensch kann nicht ohne Andere leben. Mit Anderen leben geht aber auch nicht wirklich.

Dieser Zwiespalt ist grundlegend für das menschliche Leben, aber jeder Mensch setzt andere Prioritäten, soziale Nähe oder Sicherheit vor möglichen Verletzungen.

Karala scheint mir eher der Typ zu sein, der sicher gehen will, nicht zu viele Verletzungen zu riskieren, selbst wenn er dadurch große Einsamkeit erleben muss. Zu Madoka scheint sie aber irgendwie Vertrauen gewonnen zu haben. Zu ihr lässt sie ihre Barrieren weitaus stärker fallen, als zu uns. Vielleicht gehört sie ja zum selben Verein, wie Madoka. Vielleicht kann durch die Vertrautheit das Dilemma vermieden werden.“

     Warum sind die Menschen meistens zu blind, um zu merken, wie sie sich gegenseitig verletzen?

Irgendwie erinnerte die Beschreibung Shiyos der Theorie des Stachelschweindilemmas beide frappierend an die radioaktiven Emissionen der Caine Aliens, die dafür sorgten, dass wenn man ihnen zu nahe kam, sich starke Verletzungen zuziehen konnte.

Shiyo erklärte noch einige Nebensächlichkeiten zum Stachelschweindilemma.

Tsukiko unterbrach auf einmal Shiyo: "Oder aber, seltsame Personen ziehen sich irgendwie an.

Ach ja, hast du gesehen, was für ein Programm die dort gerade auf ihrem Laptop benutzt? Ich hab das schonmal gesehen. Das ist ein mathematisches Programm für Industrie und Wissenschaft. Eigentlich können das nur Großkonzerne bestellen und es kostet im Komplettpaket über 3 Millionen."

Da wurde Shiyo hellhörig. Sie war mehr als überrascht und konnte kaum glauben, was ihr von Tsukiko gerade erzählt wurde. Und schlagartig wurde für sie aus der unscheinbaren Karala die interessanteste Person auf dem Schulhof. Sie fragte sich, wie das möglich war, dass ausgerechnet sie an so ein Programm kommen konnte. Karala wirkte ja nicht unbedingt wie jemand aus einer reichen Familie und ein Programm für mathematische Algorithmen, was in so einer Preisspanne lag, war normalerweise kein Interesse von Mädchen in ihrem Alter.

Sie konnte zwar auch irgendwo auf fragwürdigem Weg eine Raubkopie bekomen haben, aber war das wirklich möglich, dass sich eine wie die für solche Programme interessierte? Und woher hatte sie dieses Programm?

Shiyo war klar, sie sollte Karala unbedingt näher kennen lernen. Eine Freundschaft mit ihr schien nämlich immens nützlich zu sein. Und wenn es nur um die Verbesserung ihrer Mathematiknote ging. Und sie glaubte, sie hatte schon den "passenden Köder" parat, um mit Karala in Kontakt kommen zu können.

« Letzte Änderung: 21.09.13, 11:08 by SSJKamui »

Alexander_Maclean

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Interessanter sehr gesellschaftkritischer Teil.

schön, dass du auch aktuelle Themen mit einbindest.

mich hätte dennoch die Morgenansprache interessiert. quasi als kontrast zu der kritischen Meinung von Shiyo. damit hättest dua uch die Möglichkeit Dubois als neutraler Position einzusetzen.
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Danke für das Lob.

Interessanter sehr gesellschaftkritischer Teil.

schön, dass du auch aktuelle Themen mit einbindest.

Danke. Das hatte ich schon lange so geplant, weil ich zum Einen so eine ähnliche Bemerkung in einem Ratgeber von Autoren gelesen hatte, dass man, um ein glaubwürdigeres Feeling zu erzeugen, neben dem ganzen Sci Fi Zeugs wie Aliens, Roboter, Gentechnik oder die Zukunft berechnende Algorithmen, auch gewisse Anspielungen auf die aktuelle Alltagsrealität machen sollte. (Da diese Sci Fi Technologien den Leser immer etwas von der Handlung entfremden sollte man laut der Meinung dieses Ratgebers diesem Effekt durch solche realen Anspielungen ein wenig entgegenwirken.)

Nachdem ich mir vor einiger Zeit wieder mal die Battlestar Galactica Remake Serie angeguckt hatte, gewann ich den Eindruck, dass man es dort ziemlich ähnlich gemacht hatte. (und ich auch deshalb ein großes Interesse an dieser Serie hatte.)

Ich war zwar zuerst unsicher, weil meine Story eigentlich vom Genre her eine paranoide Fiktion ist, und dort politische Themen meistens vermieden werden sollten, zu Gunsten der Betrachtung des Geisteszustands der Protagonisten. (Mit einigen Ausnahmen wie den Werken von George Orwell.) Außerdem wollte ich selbst ursprünglich eigentlich diesem Bereich stark aus dem Weg gehen und solche Themen nur minimal einsetzen. Ich hatte dann aber überlegt, dieses Gefühl der "nähe der Welt", um es mal so zu formulieren, wäre es Wert, doch ein bisschen Politik unterzubringen.

Dies war nämlich ein Element, was mich bei vieler psychologisch orientierter Science Fiction störte. Beispielsweise hätte ich mich bei Neon Genesis Evangelion gefreut, wenn die Politik der "neuen Weltordnung" ein wenig mehr thematisiert worden wäre, abgesehen von älteren Herren, die sich darüber aufregen, dass man den Staatshaushalt dank der Militärausgaben nicht mehr in Griff hat.

(Außerdem hatte mich ein Admin einer US Seite mich explizit für die Anspielungen der ersten Episode auf den "War on Terror" gelobt, weshalb mir die Entscheidung etwas leichter gefallen war.)

Zudem kann so das Setting allgemein näher erleutert werden.

Diesen kritischen Ton hatte ich deshalb überlegt, weil ich auf der einen Seite durch Gespräche mit Max die Idee bekam, auch ein paar utopische Elemente in die Story zu integrieren, ich es aber nicht so eindeutig positiv haben wollte, sondern eher ambivalent. Deshalb wollte ich in der Geschichte mindestens an einer Stelle einen Streit über die neue Politik integrieren. Ich dachte, so wäre es eher möglich, dass sich die Leser eine eigene Meinung bilden können.

(Und manche Themen lagen da auch auf der Hand. Beispielsweise die "Wohlstandsschere", weil dies ja auch ein klassisches Thema des Cyberpunk ist.)

Es ist auch bei mir eine gewisse Tradition, nach der ersten Folge, die sich hauptsächlich um Charaktere und Action dreht, in Episode 2 die Welt etwas genauer vorzustellen.

mich hätte dennoch die Morgenansprache interessiert. quasi als kontrast zu der kritischen Meinung von Shiyo. damit hättest dua uch die Möglichkeit Dubois als neutraler Position einzusetzen.

Stimmt. Das wäre wirklich eigentlich gut gewesen. Einmal kam Dubois wirklich etwas zu engstirnig rüber, und zum Anderen wäre dies wirklich eine mehr als interessante Szene gewesen. (Ich werde mal überlegen, wie ich so eine Szene noch in die PDF Version integrieren kann. Danke für den Hinweis.)

Dubois war ja wirklich nicht so "antagonistisch" geplant, wie er am Ende leider wurde. Auf ihn wird in späteren Szenen nämlich nochmal genauer eingegangen.

Ach ja, die Klassenraumnummer 101, falls du es nicht bemerkt hast, ist natürlich ein kleiner, böser Scherz. Das ist nämlich eine Anspielung auf den Raum 101 in 1984 gewesen, auch bekannt als der "Torture Room" im Liebesministerium. ;)

SSJKamui

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Der nächste Teil:

Während dessen redeten auch andere Schüler über "die Neue", Karala.

Kotori Homura sagte zu der Schülerin, die neben ihr stand: "Wer ist eigentlich die neue, komische Gestalt?"

Yukiko antwortete: "Du meinst Karala, oder wie auch immer sie heißt? Ehrlichgesagt, ich mag sie nicht. Die benimmt sich irgendwie wie eine Gestörte, spricht nicht mit uns und beschäftigt sich nur mit ihren Computer. Die ist wahrscheinlich eine genau so beknackte Tusse wie Madoka.Oh Gott. Du weißt ja noch, was sie letzte Woche getan hat, diese dumme Ratte Madoka."

Kotori erwiderte: "Oh ja, das ging ja gar nicht. Unsere Gruppe hat bei dieser Klassenarbeit in Geschichte geschummelt. Zur Sicherheit hatten wir Madoka eingeweiht, damit sie nicht wieder in Panik gerät, wenn wir uns hinter ihrem Rücken Sachen austauschen. Aber was war passiert? Herr Dubois hatte einen Verdacht und befragte Madoka, ob sie was gesehen hatte. Und was machte diese Verräterinn? Die hat natürlich alles rausposaunt, was wir ihr erzählt hatten. Deshalb mussten wir die ganze letzte Woche nachsitzen. Dumme Schlampe."

Die beiden wussten  nicht, Madoka konnte unter Druck nicht gut schweigen oder lügen. Und Dubois hatte sie durch geschickte Fragestellung in Panik versetzt, weshalb sie sich verplappert hatte. Sie kapierte auch nicht, was sie damit bei ihren Klassenkameradinnen anrichtete und tat auch relativ Freundlich, was diese aber als Verlogenheit missverstanden. Unbeabsichtigt verletzte sie andere Leute, die sich dafür revanchierten, was Madoka auch wiederum nicht verstand. Eine Aussprache hätte den Konflikt wahrscheinlich schnell gelöst, aber keiner der Beteiligten konnte einsehen, dass eine ebensolche Aussprache nötig wäre.


Nach etwa 3 Minuten war die Pause zu Ende und die Schüler gingen wieder in ihre Klassen. (Dies verhinderte kurzfristig, dass Shiyo mit Karala sprechen konnte.) Der Gang zum Klassenraum war immernoch fast stockfinster. In diesem Gang aber strahlte ein helles Licht schräg durch die linke Fensterreihe auf den Boden, weshalb das Fenstergitter lange Schatten auf den Boden warf. Der ganze Ganz wirkte extrem unheimlich, aber auch sehr einsam.

Momentan stand Dubois am Fenster und aß, wie zu erwarten, ein Snickers. Es herrschte eine Totenstille im Gang.

Man hörte nur die leisen Kaugeräusche von Jacques. Nichts passierte.

Ein kalter Wind strömte durch den Korridor. Eine Eiseskälte, die in die Illusion von Wärme eindring und diese Illusion mit Gewalt niederriss. Ein kalter Schlag, der jeden aus seinen schönen Illusionen und Tagträumen riss, und die Kälte der Wirklichkeit offenbarte.

Als ob irgendwas passieren würde, nein, passieren müsste. Etwas Schreckliches.

Es passierte aber nichts.

Nach einigen Sekunden aber hörte Dubois, wie etwas großes mit Wucht zu Boden stürzte. Er wusste nicht, was es war, aber das Geräusch stammte aus dem Klo. Deshalb ging er nachsehen. Er öffnete langsam die Tür. Die Tür schob sich unter einem üblen, quietschenden Geräusch auf, was bei Menschen schlimme Ohrenschmerzen verursachen konnte. Mit jedem Zentimeter, den die Tür weiter aufging, offenbarte sich das schreckliche Bild im Toilettenraum.

Nach kurzer Zeit konnte Dubois sehen, was passierte, denn auf dem Boden lag die Leiche einer Schülerin in einer großen Pfütze von Blut. So, wie es aussah, wurde ihr Kopf abgeschlagen und Teile ihrer Eingeweide lagen auf dem Boden.

Dubois wusste nicht, wer es gewesen war, denn der Täter war nirgendwo zu sehen. Am Boden lag ein Gitter eines Luftschachtes, was vermuten ließ, dass der Täter wohl so aus dem Raum entkam. Wahrscheinlich hatte er Dubois bemerkt und war getürmt.

Aber wer würde so etwas tun?

Als unerwartet der Geigerzähler anging, den Dubois in der Tasche trug, dachte Dubois direkt an die Caine. Aber auf der anderen Seite gab es niemals Berichte über humanoide Caine. Was war hier dann passiert? Was war hier los?

Dubois dachte nach. In ihm kamen Erinnerungen an die Zeit vor 17 Jahren, als er noch studierte.


Es war ein kalter Herbstmorgen. Dubois stand in einer hellen Allee. Ständig wurden Blätter von den Bäumen geweht. Von Weitem sah Dubois einen großen Friedhof. Am anderen Ende der Allee stand eine Frau mit pfahler Haut und langem, schwarzen Haar. Sie trug eine Brille und ziemlich zerfetzte Kleidung. An ihrem gesamten Körper krabbelten Spinnen und Ameisen. Die Haut der Frau hatte einige Risse, Blutgerinsel und Schleimspuren.

Von der Frau ging ein beißender Geruch von Fäulnis, Verwesung und Tod aus. Fast, als wäre sie kein Mensch, sondern eine Art Wiedergänger, der eigentlich tod sein müsste, aber unter den Lebenden weilte. 

Ihre Augen waren ein schrecklicher, blutiger Anblick und es wirkte so, als krabbelten Maden auf den Glaskörpern ihrer Augen. 

Die meisten Leute würden vor dieser Frau reissaus nehmen. Dubois aber stand nur da und beobachtete, wie ihre Haare sich im Wind bewegten.

Nach einer Weile begann die Frau zu weinen. Sie rief mit einem schluchzenden Unterton:

"Jacques, was sollte dies, gestern Nacht? Ich dachte, ich könnte dir vertrauen! Du warst der einzige Mensch, dem ich vertraut hatte. Du hast meine endlose Einsamkeit durchbrochen. Ansonsten hatte ich nichts, außer meinen Insektenfreunden. Und jetzt war das passiert. Warum nur? Warum musstest du mir das antun? Und jetzt tut mir jeder deiner Blicke unglaublich weh."

Dubois musste sich erstmal fassen. Er versuchte zu erklären: "Tut mir leid Sarah, aber es geht nicht. Es geht einfach nicht. Ich weiß auch, dass es nicht gut ist, aber ich muss dich verlassen. Ich ertrage das nicht mehr, wie Du dich verrändert hattest. Das hat mir den Schreck meines Lebens bereitet. Und du wirst wahrscheinlich einen Mann finden, der besser zu Dir passt."


Der Flashback hörte schnell wieder auf. Dubois war verwirrt. Wieso erinnerte er sich angesichts der Leiche an diese Situation von Damals? Angesichts seiner Überlegung von humanoiden Caine? Das hatte doch nichts miteinander zu tun. Dies glaubte er zumindest, obwohl er Zweifel daran hatte.

Dubois meldete den Leichenfund der Schuldirektion und diese beschloss, die Leiche im Keller zu verstecken und den Vorfall unter den Teppich zu kehren. Jedenfalls vorrübergehend. Die Schulleitung glaubte nämlich, der Leichenfund könnte den Ruf der Schule ruinieren. Deshalb ging der Unterricht auch normal weiter.Keiner wurde informiert. Es wurde so gut unter den Teppich gekehrt, wie es in einem Überwachungsstaat möglich war.

Etwa 2 Stunden später hatten Karala, Madoka, Shiyo und Tsukiko Sportunterricht. Es war Schwimmunterricht angesagt und die Klasse war deshalb im "kleinen Pool" der Schule im Untergeschoss versammelt. Trotz der Bezeichnung "kleiner Pool" war das Becken durchaus sehr groß.  Die meisten von Ihnen waren im Wasser, aber einige Schüler, die nicht schwimmen konnten, waren gerade ausserhalb des Beckens. (Es gab da verschiedene Gründe wie Beinverletzungen bis hin zu Nebensymptomen tiefgreifender Entwicklungsstörungen oder einfach, dass betreffende Schüler es nie gelernt hatten.) Weil die Nichtschwimmer später vom Lehrer auch für kleinere Übungen in einen nichtschwimmer Bereich geschickt werden konnten, hatten sie auch ihre Badeanzüge an. Unter denen, die momentan nicht aktiv teilnahmen, waren Shiyo und Karala. Madoka konnte schwimmen, weil ihre Implantate sie dabei unterstützten, und war deshalb im Wasser. Eigentlich wollte sie bei Karala bleiben, aber die Lehrer hatten das nicht erlaubt und sie ins Wasser geschickt.

Für Karala und Shiyo war das zwar unangenehm, auf der Bank sitzen zu müssen, aber Shiyo dachte auch, dies wäre endlich die Möglichkeit, mit Karala zu sprechen.

Sie rückte deshalb langsam an Karala ran. Karala bemerkte es aber und rückte weiter weg. Deshalb versuchte Shiyo, wieder näher an Karala zu rücken, aber Karala rückte jedes mal weiter weg. Nach ein paar Malen rief Shiyo:

"Karala, wieso versuchst du immer, vor mir abzuhauen? Ich tu Dir nichts. Ich will nur mit Dir reden. Also warte mal."

Karala atmete laut auf und antwortete danach: "OK. Wenn es so sein soll, bleibe ich. Ich kann ja eh nichts Anderes machen. Was willst du?"

Shiyo war etwas verwundert über die leicht abweisende Art, mit der Karala mit Ihr sprach, erklärte ihr aber: "Ähm, Wir, also Ich und Tsukiko, ähm, wir haben gesehen, du hast sehr teure Software auf dem Laptop. Wie kamst du daran? Hast du die irgendwo raubkopiert?"

Karala antwortete schüchtern: "Tut mir leid, aber das ist Regierungsgeheimnis. Ich kann nichts sagen."

Shiyo war mit der Antwort zwar unzufrieden, aber zumindest erklärte dies etwas, wo die Programme her kamen. Deshalb ging sie jetzt über zu "Phase 2" ihres Vorhabens. Dazu erklärte sie Karala:

"Achso, OK. Was Anderes. Hmm. Weißt du, wir haben an unserer Schule so einen Computerclub. Wir machen dort wirklich alles von Mikrocontroller Programmierung über Robotik und Hardwareentwicklung bis hin zur Netztechnik. Wir sind auch der einzige Computerclub an der Schule."

Sie atmete langsam aus, legte ihre rechte Hand auf ihre Brust und redete dann weiter: "Deshalb kann ich Dir auch sagen, wir sind seit zwei Monaten die stolzen Besitzer eines CGF-9422 Greifarmmodells mit inverser Kinematik, der sich automatisch anderen Gravitationsverhältnissen anpassen kann und seit einem Monat besitzen wir unsere eigene zivile Flugdrohne."

Da war Karala merklich beeindruckt. Deshalb sprach sie hastig: "Wenn ich mitmachen darf, trete ich natürlich sofort ein. Diese Geräte benutzen können. Cool. Ich wäre dämlich, wenn ich da nicht zustimmen würde."

Shiyo lächelte zufrieden. Eigentlich war ihr breites Grinsen sogar mehr als deutlich. Karala ignorierte es aber.

Shiyo sagte zu Karala: "OK. Dann, Willkommen im Club. Madoka ist auch dabei."



Nach einer längeren Unterhaltung mit Karala wechselte Shiyo das Thema: "Mal im Allgemeinen, wie findest Du die Schule? Es ist ja dein erster Tag hier."

Karala antwortete: "Geht so. Der Schulhof ist aber schön."

Genau in diesem Moment stieg Takuto Mitabarashi aus dem Wasser. Karala schaute ihn aufmerksam an und was fasziniert von seinen langen, blonden Haaren, seiner großgewachsenen Statur und seinen androgynen Gesichtszügen.

Als Shiyo das bemerkte, auf wen Karala starrte, erklärte sie etwas forsch: "Vergiss es. Den kriegst du nicht. Hinter dem sind alle Tussen des Schuljahrs und der Stufe unter und über uns her. Du glaubst dann wohl nicht ernsthaft, dass der Typ sich mit solchen Freaks wie uns beiden verabredet. Das kannst du voll vergessen. Abgesehen davon, der ist schon mit jemandem zusammen. Und zwar mit Chikako Hosoda. Und gegen die kommt hier keiner an. Die wird von allen Jungs angehimmelt, spielt sich aber auch als eingebildete Schönheitskönigin auf. Ich kann die auf den Tod nicht ab. Außerdem denke ich, an den Gerüchten ist was dran. Die macht bestimmt Enjo Kosai mit einigen reichen Managern der Megakonzerne. Nur so kann die sich ihre Designerschuhe, Designerhandtaschen und alles Andere, was die in der Freizeit mit rumschleppt leisten.

Diskutieren wir am Besten über was Anderes. Wir wollten eigentlich nachher in die Innenstadt, Essen gehen. Kommst du mit?"

Karala stimmte zu, sagte aber, dass sie ab 23 Uhr mit Madoka weg gehen müsste, weil sie noch etwas zu erledigen hätte.


Nach etwa 30 Minuten war der Schwimmunterricht vorbei und Karala ging duschen. (Obwohl sie nicht am Sport teilnahm, ging sie auch zum Duschen.) Sie ging in die kleine Kammer mit den gekachelten Wänden und der Betondecke. Am Boden lagen viele Haare. Auch weil viele graue Dreckpartikel an den Haarbüscheln hingen waren diese Haarreste ein widerlicher Anblick. Die Rohre an der Decke erzeugten unheimliche Geräusche. Ausserdem war der ganze Raum relativ schlecht beleuchtet und die Deckenlampe flackerte.

Wahrscheinlich lag es nur an einem Wackelkontakt, aber Karala fühlte sich trotzdem nicht wohl in der Dusche. Die restliche Schule war Sauber und ein Symbol des Fortschritts, aber der Raum

war einfach nur nass, kalt und dreckig. Deshalb musste sie sich zusammennehmen, drinzubleiben, denn eigentlich wollte sie weg aus diesem Raum, so schnell sie konnte. Die langen Wände und die Enge des Raums lösten zusammen mit der Dunkelheit im Raum ein starkes Gefühl der Beklemmung aus.

Irgendwie stank der Raum auch stark.

Trotzdem ging Karala in die Mitte der Dusche. Sie ging langsam, vorsichtig auf Zehenspitzen, um nicht in irgendwas am Boden reinzutreten. Als sie in der Mitte ankam, bewegte sie den rostigen Duschkopf etwas zur Seite und begann den Badeanzug auszuziehen. Zuerst zog sie von dem zweiteiligen Badeanzug ihr Höschen aus. Sie streifte es langsam über ihre Beine. Dabei versuchte sie es so gut es ging zu verhindern, dass es mit dem Dreck am Boden in Berührung kam.

Sie konnte leise die Geräusche der anderen Duschkabinen hören.

Als sie ihr Höschen abgelegt hatte sah sie nach oben und betrachtete die Rohre und den Schimmel an der Decke. Nachdem sie kurz aufgeatmet hatte, wollte sie eigentlich ihr Tanktop

ausziehen, aber sie spürte an ihrem Rücken auf einmal eine Berührung. Es war von etwas langem, metallischen. Dieses etwas bewegte sich nach Oben und schob ihr Top dabei nach oben. Sie wusste nicht, was es war, aber sie spürte die unangenehme Berührung und die Kälte des Metalls mehr als deutlich. Ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken und ihre Augen waren weit geöffnet.

Sie atmete extremst schnell.

Was war das, was sie dort berührte?

Es konnte nichts Harmloses sein, weil es sich in mehrere Richtungen bewegte. Sie hatte wirklich extreme Angst. Deshalb schrie sie, so laut sie konnte, aber niemand bemerkte den Schrei.

Jedenfalls schien es so.

Das metallische Objekt bewegte sich weiter, diesmal fuhr es ihren Rücken langsam nach Unten, in Richtung ihres Hinterns. Nach kurzer Zeit verschwand das Metallteil wieder.

Karala schaute erschrocken nach Oben und fiel dabei unter lautem Geräusch zu Boden, in eine Ecke.

So sah sie aber auch endlich, was das für ein Metallteil war. Es war ein langer, scherenähnlicher Metallarm, der schnell wieder in einen Lüftungsschacht gezogen wurde. Er wirkte fast wie eine Prothese an einem Arm. Genaueres konnte sie aber nicht erkennen, weil das Ding zu schnell wieder weg war.

Sie blieb so liegen, um sicherzugehen, dass dieses komische Ding nicht wieder kam, und als es tatsächlich fort blieb, fing Karala an, sich zu duschen. Sie hatte aber immer noch ein mulmiges Gefühl bei der Sache.

Auch deshalb waren ihr die kalten Berührungen des Wasserstrahls auf der Haut extrem unangenehm. Aber das war gerade leider nicht zu ändern. Da musste sie durch.

Obwohl in Ihr alles wieder hoch kam, warum sie Schulen so hasste.



40 Minuten später:

Madoka wollte das Schulgebäude verlassen, um sich mit den Anderen zu treffen. Dazu ging sie durch einen Seiteneingang der Schule. Sie lief durch einen relativ dunklen Korridor. Wegen der Dunkelheit ging sie nur ganz langsam und vorsichtig.

Auf einmal passierte es, sie wurde von etwas am Kopf getroffen und stürzte zu Boden. Sie sah nicht genau, was passierte, aber die Stelle, wo das Ding auftraf, tat höllisch weh. Selbst für normale Menschen hätte dies extreme Schmerzen bedeutet, aber Madoka war ja ausserdem wegen ihrer Filterschwäche noch deutlich schmerzempfindlicher als normale Menschen.

Sie konnte ihre Augen wegen des Schmerzes kaum öffnen. Als es ihr wieder gelang, sah sie, wie drei Schülerinnen vor ihr standen. Die Schülerinnen hatten sich Tücher um ihre Münder gebunden und trugen alle Waffen bei sich, die sie irgendwie verdeckt in die Schule geschmuggelt hatten. Die Größte von Ihnen trug eine Art schwere Kette und die anderen Beiden trugen Baseballschläger. Die mit der Kette trug ausserdem an ihrem Hals ein großes Nietenhalsband.

Madoka wurde schnell klar, was passierte. Sie musste wohl diese Kette abbekommen haben.

Die Mädchen lachten Hämisch und guckten verächtlich auf Madoka. Nach kurzer Zeit begann das Mädchen mit der Kette, mehrmals damit nach Madoka zu schlagen. Madoka wurde an den Armen und am Bauch getroffen. Bei jedem Schlag schrie sie auf, aber das interessierte ihre Peinigerinnen nicht. Die schienen sich darüber auch eher zu freuen.

Jede Stelle, die Sie trafen, rötete sich relativ stark. Madoka konnte sich angesichts der Schmerzen kaum auf den Beinen halten. Trotzdem versuchte sie, ihre eigenen Tränen zurück zu halten, um den Anderen nicht diese weitere Demütigung zu gönnen. Sie atmete schwer. Ausser Schmerz spürte sie fast gar nichts.

Sie verstand nicht, warum sie das erleiden musste, oder was ihre Peinigerinnen überhaupt von ihr wollten. Sie wusste auch nicht, was ihr in dieser Situation überhaupt helfen konnte.

Nach einiger Zeit machte das Mädchen mit der Kette Pause und die anderen beiden Mädchen begannen auf Madoka einzutreten. Madoka schrie so laut sie konnte, aber keiner hörte sie. Sie war allein und ausgeliefert. Es gab kein Entrinnen. Sie wurde verletzt und konnte nirgendwo ausweichen.

Aber nach einer Weile machten die Mädchen Pause. Die Große erklärte: "So, du Sau. Willst du noch mehr? Wegen dir kaputter, biomechanisch erweiterten Kreatur wären wir beinahe von der Schule geflogen. Wir durften eigentlich nur noch höchstens einen Verweis abkriegen, aber du musstest ja unsere Aktion Herrn Dubois melden."

Sie beugte sich nach Unten, zu Madoka, und sprach weiter: "Hast du jetzt verstanden?  Oder willst Du etwa noch mehr? Wenn du willst, kannst du haben!"

Madoka reagierte aber auf einmal gar nicht so Unterwürfig, wie ihre Peinigerinnen sich erhofft hatten, sondern rief ihnen ein "Fuck You" entgegen.

Genau deshalb packte eine der Drei Madoka am Hals, drückte sie gegen die Wand und rief ihr zu: "Na warte du Drecksstück, jetzt kannst Du was erleben." Sie zückte dann ihr Messer und hielt es Madoka an den Hals, genau dort, wo man eine dünne, subdermale Leitung ihrer Implantate sehen konnte.

Jeder im Raum wusste, diese Leitung zu durschneiden könnte in einem Kurzschluss ihrer Implantate und damit möglicherweise auch einem Schlaganfall resultieren. Die Leitung war zwar relativ dick und stabil, um sie gegen Umwelteinflüsse zu schützen, aber ein direktes durchschneiden konnte mit sehr viel Kraft möglicherweise auch trotzdem funktionieren.

Würde sie zustechen und damit Madoka möglicherweise töten?

Sie setzte das Messer langsam an, als die Große der 3 Mädchen eingriff und schrie: "Halt. Übertreibe es nicht. Madoka wird bestimmt ihre Lektion gelernt haben. Und Madoka, du hast jetzt hoffentlich endlich kapiert, dass man so eine Scheisse nicht bringen darf. Dann werden Wir dich auch in Ruhe lassen. Kommt Mädels. Verschwinden wir."

Madoka wischte sich daraufhin mit einer Hand über den Mund und rief: "Das hab ich nicht gewollt."

Da sprach eine ihrer Peinigerinnen: "Lüg jetzt nicht so rum. Sonst kriegst du sowas von eine auf's Maul."

Die Drei entfernten sich nun vom Ort des Geschehens als zufälligerweise Shiyo im Raum vorbei kam. Sie sah, was mit Madoka passierte und hielt sie fest. Danach drehte sie sich zur Mädchengang um und rief: "Ihr Schweine. Ihr wisst, Madoka kann selbst die meisten Körperberührungen nicht ertragen. Ausserdem kann sie sich nicht gut gegen solche Angriffe wehren. Und trotzdem habt ihr sie so dermaßen verdroschen. Ihr seid nichts weiter als feige, ekelhafte Bastarde.

Wenn Ich Leute wie Euch sehe ist es mir klar, dass die Menschheit keine Caine braucht, um sich auszulöschen. Das schaffen wir ganz ohne fremde Hilfe. Wir sind scheinbar doch nichts weiter als ein Rudel hungriger Wölfe, die ohne den kleinsten Anlass aufeinander losgehen.

Ich hab ja gesehen, wie Ihr sie fertig gemacht habt, obwohl Sie sich nicht wehren konnte. Wenn wir menschen so sind und uns wegen Nichtigkeiten an die Gurgel gehen, haben wir überhaupt verdient, zu überleben? Oder wäre es vielleicht sogar eine Erlösung von unserem angeborenen Hass und Zerstörungstrieb, wenn die Caine jeden Lebensraum unserer armseligen Spezies in eine radioaktive Wüste verwandeln?"


Die Drei Mädchen gingen aber einfach, ohne Shiyo groß zu beachten. Eine von ihnen schickte aber noch die verbale Spitze hinterher: "Oh mein Gott. Ich hab ja solche Angst. Der Zorn der

Shiyo Tsukiwa wird uns alle treffen." Danach fing sie an, lauthals zu lachen.

Als sie verschwunden waren, wollte sich Madoka bei Shiyo bedanken, aber Shiyo antwortete: "Du musst mir nicht danken. Ich habe das nicht wegen Dir gemacht. Ich kann nur solche Taten nicht ertragen, seitdem die Regierung und ihre CHTHONIC Schlägertruppe meinen Bruder unter diese abartige Judge Rotenberg Rekonditionierungsmethode gesetzt hat. Seitdem kann ich nicht mehr einfach so dabei stehen und zusetzen, wenn andere Leute sich an Wehrlosen vergreifen. Da könnte ich jedesmal... Wirklich. Echt.

Verdammt. Ich habe zu ihm aufgesehen, als ich sechs war. Und nach dieser kranken Konditionierung kann er nicht mal mehr alleine auf's Klo gehen. Er schreit auch fast jede Nacht das ganze Haus zusammen.

Sorry, ich schweife ab.

Zum Teil muss ich Dir, Madoka-kun, aber auch sagen, ich kann die Drei auch ein wenig verstehen. Du verhälst dich häufig sowas von Asozial zu deinen Mitschülern. Da ist es kein Wunder, wenn andere Leute eine ziemliche Wut auf Dich haben. Aber trotzdem hat niemand das verdient, was die Mädchen mit Dir gemacht haben. Die sind einfach nur Abschaum.

Ich bringe Dich erstmal zum Krankenzimmer. Dort kann man mal nach deinen Verletzungen sehen. Zum Glück kann ich erste Hilfe. Ich sag auch den Anderen bescheidt, dass wir uns wegen diesem Zwischenfall ein wenig verspäten müssen."

Nachdem Shiyo schnell eine SMS versandt hatte, gingen beide in Richtung Krankenstation. Shiyo stützte Madoka ein wenig.

Einige Minuten später:
Im Krankenzimmer der Schule saß Madoka auf einem kleinen Stuhl, während Shiyo vor ihr kniete und mit der linken Hand ihre Wunden versorgte. Mit der rechten Hand bediente sie ein kleines, portables, medizinisches Lab on a Chip Gerät, um damit Madokas Verletzungen zu scannen. (Dieses Gerät bestimmte die Schwere der Verletzungen durch Bildanalyseverfahren, verfügte aber auch Funktionen für andere medizinische Probleme wie die Messung schädlicher Stoffe in der Atmosphäre.)

Nach kurzer Zeit seufzte Shiyo auf und sagte zu Madoka: „Mann. Die haben sich ja in keinster Weise zurück gehalten. Diese Schweine.“

Madoka saß nur auf ihrem Stuhl und guckte wie versteinert. Sie sagte gar nichts, sondern atmete nur sehr laut. Einige Tränen rannten von ihren Wangen.

Als Shiyo das bemerkt hatte, erschrak sie und zuckte kurz zusammen. Sie rief: „Oh mein Gott.  Oh nein. Tut mir leid. Ich, ich wollte das nicht.

Ich hab es nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht beleidigen. Ich weiß, du verstehst einige emotionale Sachen nicht so wie andere Menschen und stolperst dann, ohne es zu wollen, in einige Probleme. Ich wollte dich nicht verletzen oder beleidigen. Ich nehme auch zurück, was ich gesagt habe.

Sorry.“

Madoka blieb aber nur stumm sitzen und rührte sich nicht. Sie starrte nur mit einem kalten, leeren Ausdruck durch den Raum.

Nichts passierte.


Gar nichts.






Etwas später waren Karala, Madoka, Shiyo und Tsukiko aus der Schule gekommen. Draußen begann schon die Abenddämmerung.

Von Weitem sahen sie ein Mädchen, was von ihrer Mutter zum Auto gezogen wurde. Die Mutter brüllte: „Du kleine Göre kommst jetzt mit. Ich hab mit  Dir noch ein sehr ernstes Wort zu reden. Wieso hast Du schon wieder eine 6 in Mathematik?

Was soll aus Dir später mal werden?

Willst du etwa später mal auf dem Schwarzmarkt deine Organe verkaufen müssen, oder als Nutte arbeiten müssen?
Aber da hast Du dich getäuscht. Ich lass es nicht zu, dass du so ein Versager wirst, wie dein ständig besoffener, fremdgehender Waschlappen von einem Vater.

Hast du das Verstanden? ANTWORTE MIR!

Und wehe, wenn Du deine grässliche Rockmusik noch einmal so laut aufdrehst. Ich will nicht, dass die Nachbarn wie heute wieder den Blockwart bei uns vorbei schicken. So beschämt will ich nie wieder werden.“

Shiyo und Tsukiko mussten extrem breit grinsen, als sie das hörten, und sahen, wie die Tochter unter Tritten und Schreien von ihrer Mutter ins Auto verfrachtet wurde. Dieser extreme Ausraster war einfach zu komisch.
Deshalb stand beiden die Schadenfreude förmlich ins Gesicht geschrieben.

Nach kurzer Zeit hatte sich Shiyo wieder gefangen und fragte: „Wo sollen wir eigentlich hin gehen? Das Platonic Cave ist so eine kleine Bar für junge Computerfreaks wie wir. Es ist zwar ein etwas weiter Weg, aber der Laden ist echt cool. Allein schon der Chiptune DJ.“

Shiyo stimmte zu, genauso wie Madoka. Karala war es irgendwie egal, wo die Gruppe hingehen wollte. Deshalb gingen sie los.


Die Gruppe um Shiyo kam durch einen kleinen Gang im Norden. Sie sahen sowohl die linke Wand, als auch die rippenartigen Verstrebungen, die am rechten Ende in Säulen mündeten. Diese Verstrebungen hatten im Inneren einige Kabel.Diese Kabel lagen ziemlich chaotisch im System. Wenn man den rechten Rand hinunterguckte, offenbarte sich ein kleiner aber tiefer Schacht.

Neben dem Schacht saß ein alter Mann, der scheinbar geistig verwirrt war. Er schrieb auf dem Boden eine riesige, unverständlche Differentialgleichung. Niemand wusste, was diese Formel eigentlich bedeuten sollte. Wahrscheinlich nicht einmal der Schreiber selbst.

Im Areal waren viele Werbeanzeigen. Die Meisten von Ihnen waren elektronische Werbeanzeigen, die mit Kameras die Passanten erfassten und dann nach Persönlichkeitsprofilen die passenden Anzeigen auswählten.

Einige der Werbeanzeigen zeigten Slogans der CHTHONIC Einheit wie "Überall zur Stelle für Ihre Sicherheit", "CHTHONIC ist euer Freund, Vertraut uns", "Einigkeit in Gedanken", "Wir sind direkt vor Ihrer Haustür", "Wir sehen alles", "Konditionierung ist Gut. Konditionierung hilft. Konditionierung macht Frei", "CHTHONIC, denn die Herren sehen Alles."

Auf einem der TV Bildschirme war ein Mann zu sehen, der eine Erklärung verkündete:

"Ich sage dies aus freien Stücken. Ich bin weder durch phyische noch durch pychische Gewalt dazu gezwungen wurden. Ich bekenne mich der Verbrechen gegen die Pan Atlantopazifische Föderation Schuldig. Ich habe den internationalen Terrorismus unterstützt, geheime Dokumente veröffentlicht ..."

Man konnte an seinem gesamten Körper Brandwunden erkennen, die von Stromschlägen herrührten. Er stand nach Vorne gebeugt und atmete mühsam. Um seinen Bauch hing ein Graduated Electronic Decelerator Gerät, was über Elektroden mit fast allen seinen Körperteilen verbunden war. Sonst trug der Gefangene die typische, orange Kluft der Insassen der CTHONIC Internierungslager für Terrorverdächtige, an der auch an einigen Stellen spezielles Styropor zur sensorischen Deprivation angebracht war. Am Boden lagen andere Kleidungsstücke wie Ohrschützer, die man dem Gefangenen abgenommen hatte.

Im Hintergrund lief laut die Musik "Pomp and Circumstance March Nr.5", was der ganzen Szene eine mehr als verstörende Stimmung gab.

Die Person redete weiter, aber auf einmal musste er stoppen. Er hustete mehrfach laut auf. Nach dem sechsten Huster begann er, Blut zu spucken. Reste vom Blut tropften auf seine Kleidung, oder hingen an seinem Kinn.

Der Wärter, der neben ihm stand, zählte die Pause mit seiner Stoppuhr. Als 20 Sekunden rum waren, sagte der CHTHONIC Wärter: "Pausieren ist ein unerlaubtes Verhalten. Das Hustengeräusch verstößt ebenfalls gegen die Verbal Behavior Policy. Sie sind über die Konsequenzen informiert." Seine Stimme klang eiskalt, emotionslos und psychophatisch. Sie erinnerte ein wenig an einen Roboter. Da erkannte man gut die erbarmungslose Bürokratie und Gesetzestreue der CHTHONIC Einheit.

In diesem Moment zückte der Wärter eine Art Würfel. Je höher er ihn hob, desto panischer wurde der Gesichtsausdruck des Gefangenen. Nach kurzer Zeit öffnete der Fremde den Würfel und ein roter Knopf kam hervor.

Genau jetzt rief Shiyo: "Leute, wir müssen uns hier nicht die kranken Methoden angucken, wie man unser Supergrundrecht auf Sicherheit durchsetzt. Gehen wir bitte schnell weiter. Ich kann und will das nicht Länger mit ansehen. Ihr wisst, warum ich keine Lust auf ein kleines Bisschen Horrorschau habe. Unser Staat ist zwar schon immer ein Überwachungsstaat, aber so widerlich wurde er erst mit der Machtübernahme unseres Präsidenten Herodes. Frau Sokolov war wenigstens ein wenig vernünftiger."

Die Anderen schauten nun auch nicht mehr auf den Bildschirm und gingen einfach weiter, ohne die Werbung oder die grausame Videoübertragung weiter zu beachten.


20 Minuten später betrat die Gruppe ein kleines Lokal. Das Lokal mit dem eigenwilligen Namen "Platonic Cave" war toroid aufgebaut und grenzte direkt an einen riesigen, runden Schacht, den man vom großen Fenster auf der linken Seite aus sehen konnte. Am Rand des Schachts fuhren einige Aufzüge. Daneben verliefen auch einige violett glühende Leitungen im Schacht. Man konnte im Restaurant nicht erkennen, bis wohin der Schacht führte. Es sah aber so aus, als ob er bis hinab in die unterste Versorgungsebene der Stadt führen würde.

Im ganzen Raum fuhren an Schienen an der Decke computerisierte Kelnerroboter mit Bildschirmen und Ablagen für Getränke. Die Bildschirme waren Touch Screens für Bestellungen, aber trotzdem konnten die Geräte auch mit Sprachkommandos bedient werden.

Auf der linken Seite des Torus war eine kleine Theke. Neben der Theke befand sich ein Pult eines Disk Jockeys.Es war aber kein typischer Disk Jockey, da er eher die Soundprozessoren uralter Computer nutzte und vom Band Maschinengeräusche abspielte, anstatt klassische DJ Aufgaben durchzuführen. Wegen dieser Musikinstrumentwahl klang die Musik eher wie von einem alten Gameboy oder wie eine alte Druckmaschine, deren Ton elektronisch verzerrt wurde. (Meistens aber eher wie eine Kreuzung aus Beidem.)

Auf der anderen Seite des Lokals tanzten einige Go Go Girls auf Plattformen. Diese trugen hohe Stiefel, Bikinis, Gasmasken und leuchtende Cyberdreads. Aus einigen Stellen ihrer Körper hingen grüne Kabel und ein Mädchen war cyborgisiert, sodass es anstatt einem Bein und einem Arm metallische Prothesen trug.

An der Decke des Raums hingen mehrere rostige Klimaanlagen.

Im ganzen Raum wurden durch Projektoren eigenartige mathematische Formeln in bunten Lichtern projiziert. Diese Formeln waren H(X) = E[I(X)] = E[ - ln(P(X))], A(m-1,1), A(m-1, A(m,n-1)) und für die Summe aller i von Minus Unendlich bis Plus Unendlich die Formel (v(x/a^i) * a^i).

Karala und die Anderen saßen am Fenster. Die Worte Codieren, Senden, Decodieren und Interpretieren waren auf die Oberfläche der Tischplatte gedruckt. Die Worte "Codieren" und "Interpretieren" waren aber beinahe nicht mehr lesbar, weil sie von Unbekannten mehrfach mit dem Wort "Störung" überschrieben waren. Auf dem Tisch stand schon das Essen, was hauptsächlich aus Nudelgerichten und Salaten bestand, und die Getränke. Die Getränke waren Flüssigkeiten in Blauen, Grünen und roten Farben, die schwach leuchteten. Neben dem Essen lagen auf dem Tisch einige Laptops, Tablet Computer und Datenbrillen. Man musste fast wundern, dass sie noch persönlich miteinander sprachen, anstatt per Mail zu kommunizieren. (Dies passierte durchaus relativ häufig bei modernen Jugendlichen, wenn sie sich gegenüber saßen.)

Karala und die Anderen wirkten deutlich wie die Obersten der digitalen Kluft, der Avantgarde der digitalen Bohème. Die sprichwörtlichen Kinder der Matrix.

Von den Nachbartischen hörte man, wie einige Mitglieder der Armee sich darüber beschwerten, dass viele ihrer Kollegen den Dienst quittiert hatten und wegen des letzten Caine Angriffs auf die Weltraumkolonien geflohen waren.

Nach kurzer Zeit erklärte Shiyo: "So Leute, wir müssen langsam weiter an unseren Hausaufgaben arbeiten. Wir sollen die dritte Irankrise und die Syrienintervention der US Amerikaner

beschreiben, welche zur gefährlichsten, letzten Phase kalten Krieg zwischen China und USA führten. Die letzte Frage ist, was wir denken, wie der Konflikt beendet werden konnte und zur Bildung der Weltregierung führte. Meiner Meinung nach ist es ganz klar, dies lag zum Einen natürlich an den Aktionen Katharina Sokolovs, die aus ihrem Exil in der Schweiz zurück in die Weltöffentlichkeit ging. Zum Anderen liegt das natürlich an der Meuterei des russischen Prototypenschiffs Karatjev, die von der militär KI NACHASH ausgelöst wurde. Es gibt aber einige Sachen, die ich daran nicht wirklich verstehe.

Wie kam dieser US Agent, Rosenberg, in diese chinesische Basis? Ich weiß, er konnte später nur knapp fliehen, aber wie kam er überhaupt rein? Die Basis war ja sogar rundherum durch einen Ring aus Tesla Transformatoren geschützt. Die hätten doch jede kleinste Maus direkt elektrisch gegrillt.

Wieso haben die Amerikaner 2 Stunden vor der Krise ihr Able Archer Manöver gestartet? Und das direkt vor der Küste Chinas? 4 Schiffe haben ja sogar deutlich sichtbar ihre Atomwaffen geladen. Das war doch totalst bescheuert. Die chinesischen Überwachungsnetze hätten die selbst bei schlechter Witterung innerhalb von höchsten 15 Sekunden registriert und das hätte immer in einen Gegenangriff gemündet. Und selbst wenn die ihre Kernwaffen abgeschossen hätten, die Regierungsgebäude Pekings hätten die nie treffen können und die meisten Raketensilos der chinesischen Interkontinentalraketen wären ebenfalls ausser Schussreichweite. Wollten die etwa China zu einem Präventivschlag bewegen, der die USA, Taiwan und Japan komplett ausradiert hätte? War da irgendeiner in NORAD akut selbstmordgefährdet?

Daneben war diese Krise auch genau die Zeit, als Professor Riemann wieder aufgetaucht war. Der war ja zuerst ganz bekannt wegen seinen Anwendungen der Stochastik in der strategischen Planung, aber aber als der US Amerikanische Senator und jetziger Chef der CHTHONIC Einheit, ihn abwerben wollte, hat Riemann sich heimlich nach Ecuador abgesetzt und dafür gesorgt, dass er dort unter falscher Identität in ein Heim für geistig Behinderte eingeliefert wurde. Wieso tat der das? Und wieso blieb das unentdeckt, obwohl in ganz Ecuador Agenten von CIA, GRU,SWR, Zhong Chan Er Bu und MI6 nach ihm suchten?

Das raff ich nicht. Madoka, deine Stiefmutter war doch damals eine Nato Angestellte, die auch in den Vorfall verwickelt war. Die war ja sogar bei einem Konvoi nach Lithauen, der von russischen Agenten überfallen wurde. Weißt Du vielleicht Näheres?"

Madoka antwortete schnell: "Es tut mir wirklich leid. Sie meint aber immer, das geht mich nichts an. So jemand wie ich könne das alles sowieso nicht verstehen."

Während dessen war Karala damit beschäftigt, fasziniert auf ihre Armbanduhr zu sehen, die wild ausschlug. Der Anblick der veschiedenen geometrischen Symbole, Linien und Wellenbewegungen, schien sie in den Bann zu ziehen.

Eine Faszination, welche die meisten Leute nicht verstehen würden.

Nach einer Weile antwortete sie aber: "Ähm, Ja. Also, ich denke.. Genau. Dieses Manöver der Amerikaner war auch irgendwie von NACHASH inszeniert. NACHASH manipulierte wahrscheinlich nicht

nur diese russischen Abtrünnigen, sondern jeden Einzelnen, der in Amt und Würden war. Die Amis, die Russen, die Chinesen, die Japaner, die Deutschen und alle Anderen.

Das ist doch nur logisch, anzunehmen, dass NACHASH alles so vorbereitet hatte, dass sie in jeder rational möglichen und relevanten Konstellation an Ereignissen, in jeder möglichen Permutation der Variablen, mit einem profitablen Ergebnis aus den Ereignissen hervorgehen würde. Neben dem eigentlichen Vorhaben des Systems muss es noch mehrere Subziele gegeben haben, die nicht publik wurden. Mit hoher Probabilität wurde der Ablaufplan der KI aber durch Sokolov gestört. Deren politische Aktion und die Tatsache, dass sie Verbindungen zu den Geheimdiensten aufbauen konnte, waren ein unvorhersagbarer Widerspruch. Eine klassische Anwendung der Chaostheorie. Durch diesen Fehler im System konnte die heutige politische Lage erst entstehen. Das erinnert mich etwas an die Forschungen am RSR Algorithmus. Steht uns Menschen vielleicht irgendwann ein Caine Fall bevor, der nicht durch irgendein Computersystem berechenbar ist? Denn jedes wahre System muss ja gleichzeitig unvollständig sein. Da wäre von so etwas doch auszugehen."

Shiyo guckte Karala in diesem Moment etwas seltsam an.

Nach einiger Zeit sagte sie: "Karala, Madoka, ihr seid mir wirklich die seltsamsten Gestalten, die ich kenne. Ihr sprecht nicht wie Schülerinnen in eurem Alter. Wenn man euch zuhört, glaubt man eher, man hört irgendwelche emeritierte Professoren."

Daraufhin unterbrach Tsukiko sie. Tsukiko antwortete Shiyo: "Eremitierte Professoren? Das ist doch Schwachsinn. Madoka ist zwar eine Einzelgängerin, aber sie lebt doch nicht alleine auf dem Berg.."

Shiyo reagierte nur mit: "Tsukiko. Das heißt Emeritiert."

Tsukiko antwortete: "Ist doch jetzt auch egal. Aber du hast recht. Karala, Madoka. Ihr hört euch wirklich extremst gebildet an. Mehr als normale Mädchen in eurem Alter. Jedenfalls zurück zum Thema. Ich glaube, in die ganzen Ereignisse um die Enstehung der PAC Weltregierung steckt noch was Anderes. Ich glaube, selbst Frau Sokolov wurde nur benutzt von denen, die wirklich die Fäden ziehen."

Karala fragte ungläubig: "Wen meinst du? Die Großindustrie?"

Tsukiko endgegnete: "Blödsinn! Es existiert noch etwas Anderes. Was ganz Anderes. Ihr wisst doch von den Macy Konferenzen in den 1940er Jahren, welche den Beginn der modernen Cybertechnologie gelegt haben. Die haben damals gesagt, man müsste die sich in Entstehung befindlichen Wissenschaften der Informatik etc. nutzen, um menschliches Verhalten vorherzusehen und präventiv zu kontrollieren, um die aggressive Natur der Menschheit zu überwinden und ein neues Zeitalter zu begründen.

Daneben gab es ja noch diese Dokumente, die diesem TV Journalisten in den 1980er Jahren geleakt wurden. Shenderra oder so ähnlich hieß er. Da wurde ja erwähnt, dass es angeblich eine geheime amerikanische Behörde gab, oder immernoch gibt, die aus berühmten Universitätsprofessoren wie Vannevar Bush bestand. Die sollte auch aus irgendeinem Grund geheime Technologieforschungen koordiniert haben. Und am Beispiel von Bush wissen wir, was die Welt wäre, wenn es ihn nicht gegeben hätte. Die haben der Menschheit viel von ihrem aktuellen Fortschritt gebracht.

Es gab auch geheime psychologische Experimente wie MKUltra. Sowas Ähnliches wurde ja vor einigen Jahren auf der Kolonie Sodom im Saturn Orbit wiederholt.

Ich glaube, da existiert ein Zusammenhang. Ich denke, es gibt eine geheime Organisation in den obersten Stellen von Politik, Justiz und Wirtschaft, die unsere Welt im Geheimen kontrolliert. Die planen irgendwas und unsere Periode ist nur Mittel zum Zweck für etwas viel, viel Größeres. Riemann, Szabo, Herodes, die steckten alle da mit drin.

Das sieht man ja sogar am Bebauungsplan unserer Stadt. Verbindet man die seit den letzten 40 Jahren neu gebauten Straßen erhält man ein bestimmtes mathematisches Gebilde, eine Art Zustandsautomat. Einige im Web vermuten, dass diese komische Inschrift am Carl Friedrich Gauß Institut, zusammen mit dem Automat ein Geheimnis offenbaren kann, was damit zu tun hat."

Shiyo antwortete: "Und Du sagst, ich glaube idiotische Verschwörungstheorien. Es gibt keine Verschwörung. Obwohl ich unsere Regierung und Personen wie den schmierigen CHTHONIC Direktor Yadalbaoth verabscheue, sind Verschwörungstheorien Schwachsinn. Diese Informationen, die du fandest, sind Sinnlos."

Tsukiko sagte nur: "Information ist nie Sinnlos. Je nach Entropie brauchen wir nur mehr Informationen, oder auch weniger. Und manche Information erhöht die Entropie möglicherweise."

Da entgegnete Shiyo: "Fang jetzt nicht mit Mathe an."
« Letzte Änderung: 01.09.13, 00:15 by SSJKamui »

 

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