"Vorsichtige Spekulationen haben noch niemandem geschadet. Nicht mal Vulkaniern, XO.", murmelte jemand aus dem Hintergrund, "Es ist eine einfache Einschätzung von Möglichkeiten.Ich kannte mal einen Vulkanier, der das sehr gut beherrschte."
Leif Harald Ragnarson, der Chefingenieur hatte die Brücke der Orion, einem Schiff der Archer-Klasse betreten und kratzte sich ziemlich ungeniert an einem zerzausten Haar, dessen braune Grundfärbung vor lauter Grau kaum noch zu erkennen war. nach dem der ingenieur eine Doppelschicht geschoben und nun vier stunden Schlaff hinter sich hatte wirkte er verkatert und übermüdet. Seine freiwache hätte er ja liebend gerne an seinem Lieblingsplatz mit einem guten Buch verbracht, allerdings hatte der Notruf, den sie empfangen hatten seine Pläne zu nichte gemacht. In diesem Zustand war er meistens Missgelaunt, was seine Ingenieure manchmal durch ein Mangel an Geduld oder Sarkasmus zu spüren bekamen. legte einige Schalter an der technischen Konsole um und lächelte dem neuen ersten Offizier zu. Seit dem die Vulkanierin an Bord gekommen war musste er stets an seinen alten Lehrer am Gymnasium von Norvik. Es war ein stoischer Alter Mann, der seine Prinzipien stets vorlebte. Heimlich nannten sie ihn Vegg, was Wand bedeutete, bis er seine Klasse, die fast nur aus Menschen bestand überraschte. Es war in seinem Abschlussjahr. Der erste Tag nach den Winterferien. Leif hatte sich beim Skifahren den Fuß gebrochen und er humpelte an einer Krücke in den Klassenraum. Der Vulkanier hielt Mathematik und Physik. Als er Leif sah stand er auf und faltete, wie jedes mal, wenn jemand zu spät zum Unterricht erschien, die Arme vor der Brust zusammen.
"Wie ich sehe hat Mister Ragnarson ein wenig zu viel Zeit in den Bergen verbracht!"
Leif wurde rot und blickte den Vulkanier im gleichen Augenblick verblüfft. an. Da Leif genau wusste, dass seine Eltern die Schule nicht unterrichtet hatten, schließlich war er nach dem Gesetz inzwischen Jährig und allein verantwortlich, konnte der Lehrer von seinem pech noch nichts gewusst haben.
"Nun sehen Sie mich nicht so verblüfft an, Mr. Ragnarson. Wir haben Winter. Sie haben sehr blasse aber sichtbare Abschürfungen am Gesicht. Ihre Haltung zeigt mir, dass Sie mindestens eine Prellung an ihrem verlängerten Rücken und den Schultern besitzen. Wären Sie, wie üblich Skydiving gewesen, so wären Sie nicht in diesem Zustand. Also haben Sie etwas versucht, was sie sonst nicht tun."
"Ich war Skilaufen, Dr. Solkek."
"Ihrem Zustand zu urteilen nach das Erste Mal."
"Ja"
"Zu schnell, fehlende Körperspannung und Rückenlage", konsternierte der Lehrer.
"Äh...Ja."
Leif glaubte soeben einen leichten Hauch von Freude über das Gesicht seines Lehrers huschen zu sehen. Aber das geschah so schnell, dass er sich nicht sicher war.
"Sie fahren auch?", fragte Leif irritiert.
"Das Wort auch, sollten Sie aus ihrem Satz streichen. Ich fahre, Sie fallen!"
In dem Augenblick hörte er, wie Gelächter in der Klasse auf kam und das Rot in seinem Gesicht eine bedrohliche Färbung annahm. Erst nach dem Unterricht traf Leif den vulkanischen Lehrer wieder im Physiklabor, wo er noch ein Experiment für seinen Leistungskurs beaufsichtigen musste.
"Dr. Solkek. Mir ist nicht bewusst gewesen, das Vulkanier einem Freizeitsport, wie Skilaufen nach gehen."
Der Vulkanier hob eine seiner Augenbrauen: "Nun Mr. Ragnarson. Eines sollten Sie sich für ihre Zukunft, die sicherlich nicht beim Skifahren liegt, merken. Gehen Sie niemals von irgendwelchen Tatsachen aus, die sie nicht kennen."
"Aber woher..."
Der Vulkanier hob abwehrend die Hand: "Das ist etwas anderes. Sie kennen doch die Gesetze der Wahrscheinlichkeit, Mr. Ragnarson. Es lässt sich viel aus Beobachtungen lernen. Vor allem wenn sie diese mit einem fundamentalem Wissen verbinden können. In ihrem Fall ist es sogar eine recht zuverlässige Einschätzung von Möglichkeiten gewesen. Besonders, wenn man weiß, das die Regierung von Deneva das Sky- und Stratosphärendiving auf Grund der planetaren Übung der Sternenflotte für den Zeitraum von drei Wochen verboten hat. Dies, meine Kenntnisse über ihre Fahrkünste und die Tatsache, dass Sie mit einer jungen Dame liiert sind, die ihrerseits im Winter nicht genug von den Bergen bekommen kann, machte es mir sehr leicht auf die ursache Ihres Zustandes zu schließen."
Von diesem Tag an versuchte Leif niemals wieder jemanden zu unterschätzen. Auch wenn es Leute gab, die die reservierte Art von Vulkaniern nicht immer schätzten, so fand sie Leif stets als sehr zuverlässige Kameraden, die ihre auf beeindruckende Weise im Griff hatten. Ihm selbst lagen dagegen die Worte manchmal zu locker auf der Zunge.
"XO, meine Leute haben die Auflösung der Sensoren endlich neu justieren können. Auf der Raumbasis waren wohl ein paar Betrunkene am Werk gewesen. Mit etwas Glück werden wir unser Ziel in einigen Minuten erfassen können."