Esther war die erste der Zwillinge die am nächsten Morgen aufwachte. Sie rüttelte kurz an der Schulter ihrer Schwester, so dass dies auch munter wurde.
„Weißt du wie spät es ist?“, fragte Esther.
Sarah schüttelte mit dem Kopf, doch der all gegenwärtige Computer erwiderte: „Es ist 8:27.“
Auch wenn Esther nur ein rudimentäres Verständnis für die Uhrzeit besaß, wusste sie, dass ihr Vater sie meistens gegen acht Uhr weckte und sie sich dann gemeinsam kurz vor neun auf den Weg zur bordeigenen Kindertagesstätte machte. Genug dazwischen sich zu waschen, Zähne zu putzen, sich anzuziehen und zu frühstücken. „Wieso hat uns Daddy nicht geweckt?“, fragte sie ihre Schwester die wieder keine Antwort wusste.
Das Mädchen kletterte aus dem Bett und lief barfüßig in den Hauptaum des großen Quartiers, gefolgt von ihrer Schwester. Keine Spur von ihren zu entdecken. Vorsichtig näherten sie sich der Tür zu seinen Schlafzimmer, doch auch hier war er nicht.
Sarah betrachte misstrauisch das Bett und griff mit der Hand unter die Decke. „Er hat hier nicht geschlafen. Das Bett ist gemacht und die Matratze kalt.“
Überrascht sahen sich die Zwillinge an und kehrten in den Hauptraum zurück.
„Und wo ist Daddy jetzt?“, fragte Sarah.
Esther überlegte. „Wenn er wohin gemußt hätte, er er uns geweckt oder zumindest wäre dann jemand anders hier. Der sich um uns kümmert.“, stellte sie fest.
„Dann ist ihm was passiert.“ Aus Sarahs Stimme hörte man nun die Angst.
Doch ihre Schwester, schon immer die Pragmatikerin, schüttelte mit dem Kopf: „Nein. Auch dann wäre jemand hier. Und die roten oder gelben Lampen blinken auch nicht.“
„Aber wo ist Dad dann?“
„Das weiß nicht.“
Esther sah sich im Raum um und näherte sich dem Deskviewer, der auf den Tisch stand.
„Was tust du?“, fragte ihre Schwester.
„Ich rufe jemanden an, der uns helfen kann.“
„Aber daddy hat uns verboten, das Komsystem zu benutzen. Oder mit seinen Computer zu spielen.“, widersprach Sarah. „Du bekommst Ärger.“
„Ich spiele nicht, ich hole Hilfe.“ Esther Logik war einfach aber bestechend.
Sie setzte sich an den Tisch und tippte auf das Display. „Esther Harris an Eliza Crown. Kannst du mich hören?“
***
Da Eliza immer noch in der Betaschicht Dienst hatte, konte sie ausnahmsweise einmal länger schlafen als Amelie, deren Schicht bereits begonnen. Daher lag sie noch im Bett, als sich die Harris Zwillinge bei ihr meldeten. Halb verschlafen erwiderte sie daher nur: „Was ist denn los, Süße? Hat dir dein Vater erlaubt, den Weckdiesnt zu übernehmen.“
„Daddys ist gar nicht da.“, berichtete das Mädchen.
„Soso, er ist gar nicht da.“, wiederholte Eliza schlaftrunken.
Und war von einer zur anderen Sekunde hellwach. Und sprang förmlich aus dem Bett, sodass die Bettdecke von ihren nackten Körper fiel. „Und ihr seit noch in euren Quartier?“
„Ja.“, bestätigte das Mädchen.
Eliza sah sich im Schlafzimmer nach ihren Sachen um und zog schnell ihre Unterwäche an. „Ich komme zu euch. Bin in ein paar Minuten.“
Während sie ihre Uniform suchte und zuerst nur die Hose aus dem Schrank kramte überlegte sie, was passiert sein könnte. Alarmstatus war nicht ausgerufen worden. Und es war noch nie vorgekommen sowit Eliza wusste, das Ricks eine Töchter allein gelassen hatte. Dafür waren sie mit ihren fünf Jahren noch zu klein.
„Computer, lokalisiere Commander Harris.“
„Commander Harris befindet sich in Turboliftkapsel 03., ewiderte der Bordcomputer.
„Welches Ziel hat die Kapsel 03?“
„Deck zwei, Offiziersquartiere.“
Die Sicherheitsbeamtin griff nach ihren gelben Uniformshirt und seufzte erleichtert. Vermutlich war Richard im Sportraum gewesen und war entweder laufen oder den Sandsack verprügeln und hatte dabei die Zeit vergessen. Sowas konnte ja mal vorkommen. Und doch, es war ungewöhnlich.
Sie aktivierte nochmal die Verbindung zu den Zwillingen: „Esther, Sarah, euer Vater ist auf den Weg zu euch. Er müsste gleich da sein.“
„Und du sagst ihm auch nicht, dass wir dich angerufen haben?“, fragte Esther.
Eliza lächelte: „Natürlich nicht. Versprochen, Süße.“
„Dann ist gut. Tschüßi.“
„Ciao, Süße.“
Eliza holte noch ihre Uniformjacke aus dem Schrank und ging ins Bad um ihre Haare zu amchen. Sie beschloss im Casino zu frühstücken. Und auch wenn sie sich einredete, dass dies nur ein unbedeutender Vorfall war, ein Teil von ihr konnte das nicht so ganz glauben.