Original von SSJKamui
Ja, Dick ist manchmal leider wirklich furchtbar.
*hust* Es ist 4 Uhr morgens - aber selbst um die Zeit kann ich das nicht so stehen lassen. Wer Dick liest sollte in gewisser Weise wissen worauf er sich einlässt. Bei kaum einem Autor zerfällt das Werk in so persönliche Phasen wie bei Dick - die teils von seiner Drogensucht, und immer wieder von seinen Depressionen beeinflusst wurden.
Dick I
Der erste Dick, die erste Phase, ist eine relativ unspektakuläre. In und Anfang der 5oer hat Dick Sci-Fi geschrieben die sich kaum von den damals üblichen Sachen unterschieden haben. Er hatte damals gewiss schon den ein oder anderen Geistesblitz, aber alles in allem sind diese Romane (zB Solar Lottery oder Nach der Bombe) eher gewöhnliche Sci Fi Produkte ihrer Zeit. Nicht besonders schlecht aber auch nicht so herausragend wie heute gerne einige Verlage behaupten. Das einzige was sich bei Dick schon frü abzeichnet ist, dass seine \"Helden\" immer \"kleine Leute\" sind...
Irgendwann hatte sich das Thema für Dick erschöpft und er begann mit den Realitäten zu spielen. Der \"Übergangsroman\" ist meiner Ansicht nach \"Zeit aus den Fugen\"... hier lebt ein ganz gewöhnlicher Amerikaner in einer Kleinstadt der 50er davon das er erfolgreiche Preisauschreiben-Kreuzworträtsel löst. Irgendwann kommt er dahinter das offenbar die gesamte Stadt um ihn herum gebaut wurde... und er sie nicht wirklich verlassen kann (die Trueman Show winkt gerade herüber). Es stellt sich heraus das er eigentlich ein Assoziations-Mathe-Sonstwas Genie ist und das die Kreuzworträtsel die er löst ihm eigentlich von der US Army zugestellt werden, und es die Codes für primäre Angriffsziele russischer Rakten sind, die er unwissentlich entschlüsselt. Was tausenden Leuten das Leben rettet da um ihn herum eigentlich der dritte Weltkrieg tobt... man für sein Wohlbefinden aber die Scheinstadt erichtet hat. Mit diesem Roman beginnt in meinen Augen Dick II.
Dick II
Die Dick II Phase ist die produktivste und so gut wie alle seine Klassiker sind in dieser Phase entstanden, und alle kreisen um die Frage wie Real die Realität ist. Es gibt die klassischen grossen Drei Romane um dieses Thema:
- Die drei Stigmata des Palmer Eldritch
- Marisanischer Zeitsturz
- Ubik
Selbst die anderen Romane oder Kurzgeschichten die Dick in dieser Zeit schreibt (zB eben \"Do androids dream of electric Sheeps\" oder zuvor \"The Man in the High Castle\") drehen sich im Kern um dieses Thema. \"We remember us for you wholesale\" (=Total Recal) ist übrigens nur eine Kurzgeschichte. Im Prinzip, und wer die Kurzfassung der damaligen \"Dickschen\" Wahrnehmung- und Realitätsphilosphie prägnant haben will, der lese einfach mal die Kurzgeschichte \"Die elektrische Ameise\". Lieblingsthemen die Dick dabei auch immer wieder streift sind Simulacra (menschenähnliche Androiden), Zeit als Element; Erinnerung und Teils schon Grunddogmen der Religion.
Im Zuge der Realtitätsdurchbrechungen die die damaligen dickschen Romane haben, stellte sich auch immer wieder die Frage wie man diese erreicht - und in einigen Büchern sind unter anderem Drogen im Spiel, oft mit sehr doppeldeutigen Namen wie Can-D.
Zu Ende dieser Phase hatte Dick nicht nur schwere Depressionen und hat selber mit Drogen experimentiert, kurz danach hatte er auch eine Gotteserfahrung - Gott höchstpersönlich ist ihm erschienen. Zudem schreitet sein klinische Schizophrenie fort. Und das hat direkt in Dicks dritte, eher verwirrende Phase geführt.
Dick III
Dick III beginnt mit einigen fast realitischen Romanen zum Drogenkonsum - zB \"A Scanner Darkly\" mündet dann aber, als \"Gott zuschlägt\" darin das er beginnt die Themen Drogen, Realität und Gott zu mixen in der VALIS Triologie. Wo Dicks eigene Gotteserfahrung ganz stark mit reinspielt und die dadurch teils extrem abdreht... auch weil Dick wieder schweren Depressionen und Schizophrenen Attacken anheim fällt. Sein Spätwerk - und das ist VALIS- ist also ohne seine Bio und seinen Werdegang, wie auch seine vorherigen Bücher kaum zu verstehen. Und selbst wenn man all das mit einbezieht... wirds extrem. Das liegt aber auch daran das Dicks sich offenbar am Ende selber ich mehr klar war wohin er mit den Büchern, der Story und den Hauptelementen wollte. Die Valis Trilogie ist ja nun auch nicht gerade dünn... man könnte behaupten das Dick sich, zumindest als Schriftsteller, irgendwo und irgendwann darin verloren hat. Der Rest war nur noch... irgendwie lose da.

Und genau da liegt die Gefahr von Dick. Es gibt eben Dick I bis III. Trifft man Dick I zuerst wird man sich wundern warum die Leute Dick heute noch so loben - weil man wird wenig aussergewöhnliches an den Romanen finden. Trifft man Dick III zuerst wird man denken man hat es mit einem völlig Wahnsinnigen zu tun. Und trifft man Dick II zuerst macht er einen erstmal mit seinem Gewöhnungsbedürftigen Schreibstil kalt.
Deswegen ist es sehr schwer zu Dick einen Einstieg zu finden. Am besten, weil noch relativ normal, aber doch nicht ganz ohne Anspruch ist die Endphase von Dick I... gerade der Roman \"Zeit aus den Fugen\" ist gut zu lesen, schlüssig und vor allem interessant (besonders wenn man die 50er noch etwas mag). Auch das \"Orakel vom Berge\" ist kein schlechter Einstiegsroman - obwohl bei dem Buch am Ende immer die Gefahr besteht das man sich fragt; \"Was wollte er mit dem Buch jetzt eigentlich?\" ... aber es hat genug faszinierende Facetten das man sehr gefesselt sein kann. Ansonsten kann man Dick auch noch über die Kurzgeschichten \"zu sich nehmen\"... die schwanken von bösartig genial bis zu unbeschreiblich. Sie sind nicht zu lang, aber meist typisch für den Dick-Kosmos. Um ein einfaches Beispiel zu machen;
die Kurzgeschichte, \"Wir sind wieder da\" - da landen mehrere Astronauten mit ihrer Kapsel nach einem langem Aufenthalt im All wieder auf der Erde... rumpeln vom Himmel und sehen sich, kaum das sie die Tür öffnen einen Kommando Soldaten mit Flammenwerfern gegnüber das sie tötet. Kaum sind sie tot beginnt die Geschichte von neuen... sie treten in die Atmosphäre ein... landen mit Müh und Not, freuen sich wieder daheim zu sein... und werden umgebracht.
Der Vorgang wiederholt sich einige Male und immer kommt ein neues Puzzleteil dazu... so bekommt der Leser am Ende heraus das die Astronauten im All auf ein Intelligentes, sehr mächtiges Leben stiessen... diese Lebensform war aber so hochentwickelt das es die Astronauten nicht als ebenfalls intelligentes Leben mitbekommen und aus Versehen umgebracht hat. Als dem Übermächtigen Wesen auffällt was es da für einen Fehler gemacht hat, beschliesst es die Sache wieder gut zu machen und \"stellt\" die Astronauten in einer Art Klonprozess wieder her... und schickt sie zurück auf die Erde, ohne das die Astronauten wissen das sie nur Klone sind. Nur leider geht auch der Klonprozess irgendwie schief und verselbständigt sicht und auf diese Weise werden immer wieder neue Kapseln mit denselben Astronauten auf die Erde geschickt ... so das dort mindesten einmal pro Woche 3-4 Klone landen... irgendwann haben die Menschen die Nase voll, zudem ist ihnen die Sache unheimlich, und sie beginnen die immer gleichen Klone sobald sie landen umzubringen - nicht zuletzt da sie sie für eine ausserirdische Invasionsarmee halten. Diese Geschichte endet mir der bitterbösen Pointe das die letzten Klone das herausbekommen... sterben... und in dem Moment tritt eine neue Kapsel mit denselben Klonen in die Atmosphäre ein, die sich \"freuen\" wieder daheim zu sein. Die Klone, die sich also für die \"Echten\" Astronauten halten sind dazu verdammt immer und immer wieder auf der Erde zu landen, getötet zu werden, wieder zu landen usw. Das ist eine der bösesten Dickschen Kruzgeschichten die es gibt. Und sie macht sehr viel Lust auf mehr.